Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blüm, Sie sind schon ein exzellenter Nebelwerfer. Das muß man Ihnen konzedieren.
Ich möchte an dieser Stelle für die Sozialdemokraten auch unmißverständlich sagen, daß wir natürlich überall dort, wo sich die Gemeinsamkeit anbietet, wenn es darum geht, unseren Kumpeln und unseren Stahlkochern zu helfen, diese Gemeinsamkeit suchen werden. Aber was wir in diesen Tagen — und das wissen wohl diejenigen am besten, die aus den klassischen Regionen der Stahlindustrie kommen, aus Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Bremen und Niedersachsen, aber auch aus der bayerischen Oberpfalz — erleben müssen, was die Betroffenen hautnah zu spüren bekommen, das, was die Kumpels und die Stahlarbeiter und ihre Familien an diesen Standorten bedrückt, ist, auf eine einfache Formel gebracht: Die Angst geht um, die Angst nämlich, zu denen zu gehören, die in der nächsten Zeit vom Personalbüro der Hütte oder der Grube ihre Entlassung erhalten und einfach nicht wissen, wie es weitergehen soll.
Was ist das auch für eine Zukunft, in einer Region wie z. B. der Region Oberpfalz leben zu müssen, wo an den Standorten der Maxhütte die Winterarbeitslosigkeit bei über 20 % liegt? Was ist das für eine Zukunft, meine Damen und Herren, in einer Region entlassen zu werden, in der es für Hütten- und Bergarbeiter keine andere Beschäftigungsmöglichkeit gibt, weil man es versäumt hat, rechtzeitig durch gezielte regionale und sektorale Strukturpolitik Vorsorge zu treffen?
Was müssen die Menschen dort von der Bundesregierung halten, die die Probleme der deutschen Stahlindustrie zunächst nicht zur Kenntnis nehmen wollte
— Herr Kollege, ich kann das sehr wohl belegen; wenn Sie das noch haben wollen, kann ich es Ihnen sogar schriftlich geben —
und nun erklärt, für sie komme ein nationales Stahlprogramm nicht in Frage?
Schließlich, meine Damen und Herren, ist die Verlängerung des Stahlstandorte-Programms angekündigt worden, obwohl jedermann weiß, daß die Mittel, die hierfür zur Verfügung stehen, viel zu gering sind, als daß sie eine spürbare Abhilfe bringen könnten.
Aber, meine Damen und Herren, hier geht es ja gar nicht allein um die Frage, ob Stahl subventioniert werden soll oder nicht. Wir wissen doch auch, daß pure Erhaltungssubventionen keine Lösung für die Strukturprobleme der Stahlindustrie bringen. Aber welche Alternativen gibt es denn gegenwärtig für diese Kahlschlagpolitik der Stahlindustrie, bei der ganze Regionen wirtschaftlich auszubluten drohen? Die Entwicklung in den Stahlrevieren betrifft Zehntausende von
Menschen, sie betrifft Familien, die seit Generationen in der Grube oder in der Hütte tätig waren und die man nunmehr den Marktkräften, denen Sie ja nun besonders zugetan sind, oder — um es besser zu sagen — den privatwirtschaftlichen Profitinteressen opfern will, die in die Hoffnungslosigkeit entlassen werden.
Meine Damen und Herren, hier — das ist unsere Meinung — hat der Staat, hat die Bundesregierung einzugreifen, um zu verhindern, daß sich in diesen Regionen Hoffnungslosigkeit ausbreitet oder daß die Menschen dort gar in Agonie versinken. Wir fordern daher von dieser Regierung mehr als pflaumenweiche Absichtserklärungen zur sozialen und wirtschaftspolitischen Abfederung.
Wir brauchen eine Beschäftigungsalternative. Ich habe gut zugehört: Herr Kollege Blüm, Sie sagten, die beste Sozialpolitik sei die Arbeit. Nur, Sie haben es in den letzten Jahren, auch in der letzten Legislaturperiode versäumt, die politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dort überhaupt Arbeit vorhanden ist. Dies müssen Sie sich wohl vorhalten lassen.
Anders die bayerische Staatsregierung, die uns natürlich die Wiederaufarbeitungsanlage in Wakkersdorf als politische Alternative angeboten hat. Meine Damen und Herren, wir wissen zwischenzeitlich — das paßt ja auch sehr gut in Ihr energiepolitisches Konzept —, daß dies aller Wahrscheinlichkeit als ein Milliardengrab und eine energiepolitische Ruine dieser Ara auch der nachkommenden Welt erhalten bleiben wird.
Meine Damen und Herren, wir verlangen, daß auch in der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel die Interessen der Stahlarbeiter endlich konsequent vertreten werden, so wie man das bei der Landwirtschaft auch tut. Dazu gehört auch, daß die Bundesregierung verstärkt die Möglichkeit der EG-Hilfen aus dem Regionalfonds, aus dem Sozialfonds, den EGKS-Beihilferegelungen und des Montanunion-Vertrages nutzt und überall dort wo nötig auf eine entsprechende Aufstockung der Mittel aus dem EG-Haushalt drängt.
Meine Damen und Herren, wir brauchen Sofortmaßnahmen, die den kommunalen Gebietskörperschaften wieder die finanzielle Möglichkeit für arbeitsplatzschaffende Investitionen gibt, und wir brauchen Sofortmaßnahmen für die Arbeitsbeschaffung in den betroffenen Stahlstandorten sowie zukunftsorientierte Umschulungs-, Weiterbildungsund Fortbildungsangebote.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen die Vorschläge der IG Metall für die Stahlarbeiter und fordern die Bundesregierung auf, endlich zu handeln und aufzuhören, wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren.
Danke schön.