Nein. Ich bitte um Entschuldigung. Herr Vogel, ich habe so wenig Zeit, daß ich keine Frage mehr beantworten kann.
Bergbau ist ein völlig anderes Thema. Beim Bergbau geht es um die Grundvoraussetzung und die politische Entscheidung — nicht die betriebswirtschaftliche, nicht die wirtschaftliche Entscheidung — : Wollen wir einen deutschen Steinkohlenbergbau aus energiepolitischen und sicherheitspolitischen Gründen, oder wollen wir ihn nicht? Wenn wir ihn nicht wollen, könnten wir unseren Bedarf selbstverständlich durch Import decken. Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten haben das ja beschlossen. Im sozialdemokratischen Programm von Nürnberg steht: „Die Braunkohle sollte in der Grundlast wieder voll ausgefahren werden. Der Atomstrom ist aber nicht allein durch inländische Stein- oder Braunkohle oder KraftWärme-Koppelung und alternative Energieerzeugung zu ersetzen. Wir brauchen auch eine begrenzte Öffnung für Importkohle. " — Diese Politik ist das Todesurteil für die deutsche Steinkohle.
Wenn Sie die deutsche Steinkohle dem Wettbewerb mit Importkohle aussetzen, ist sie am Ende. Die Tonne Steinkohle frei Bremerhaven kostet weniger als die Hälfte dessen, was die Tonne ab Zeche Ruhrgebiet kostet. Ich rede gar nicht, verehrter Herr Hoffmann, von Camphausen. Ich bin einmal gespannt, wie Ihre Landesregierung zu den Notwendigkeiten und Überlegungen für Camphausen im Aufsichtsrat der Saarbergwerke Stellung nimmt, nach dem Motto:
Wir waschen uns die Hände in Unschuld. Der Bund darf die Lasten bezahlen, und wir werden im Aufsichtsrat mit unseren Stimmen und mit den Stimmen der Arbeitnehmerseite gegen eventuelle Kürzungen und Schließungsmaßnahmen stimmen. — Aber so kommen Sie nicht weg. Dann würde ich dem Bundesfinanzminister empfehlen: Geben Sie dem Saarland die gesamten Saarbergwerke, aber zahlen Sie jedenfalls kein Geld mehr.
Meine Damen und Herren, wir haben die Entscheidung getroffen, daß wir den deutschen Steinkohlenbergbau aus diesen sicherheits- und energiepolitischen Gründen erhalten wollen. Dann müssen wir ihn subventionieren. Dann müssen wir den Unterschied zum Wettbewerbspreis bezahlen. Das führte zum Verstromungsgesetz. Das führt dazu, daß wir über den Hüttenvertrag die Kokskohle subventionieren müssen. Den Export müssen wir herunterfahren. Das haben wir übrigens nicht erst 1985, Herr Hoffmann, sondern in der alten Koalition so beschlossen und so angelegt, gemeinsam mit der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie.
Dies, meine Damen und Herren, kann nicht anders gefahren werden. Wir bekennen uns dazu. Ich halte es für richtig, daß sowohl der Hüttenvertrag, der verlängert worden ist, aufrechterhalten bleibt als auch der Verstromungsvertrag verwirklicht wird. Wer den Verstromungsvertrag nicht will, der stellt den deutschen Bergbau in der Tat ins Abseits. Denn dies ist das eigentliche Standbein. Die Mengen der Stahlindustrie können wir politisch nicht beeinflussen.
Ich denke deswegen, daß diese Politik fortgesetzt wird und fortgesetzt werden muß, daß auch die Erhöhung des Kreditrahmens notwendig ist und daß der Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen hat und tut, was in diesem Bereich unvermeidlicherweise geschehen muß. Das hindert niemanden daran, die Unternehmen des Bergbaus einschließlich der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie aufzufordern, diese Subventionsbasis nicht zu mißbrauchen, den Steuerzahler nicht auszuplündern, und zwar dadurch, daß man die Kosten nach oben treibt und sagt: Macht ja nichts, das Geld kriegen wir sowieso. — Wir haben es bei der Kokskohle zu verhindern versucht; wir müssen das aber auch im Rahmen des Verstromungsvertrages verhindern. 45 Millionen t, die abgenommen werden, müssen auf einer vernünftigen preislichen Basis abgenommen werden. Ich kann niemandem empfehlen, die Berechnungsgrundlage jetzt in Frage zu stellen, weil man sagt, daß der Preis für schweres Heizöl so niedrig geworden ist. Wer weiß, wie lange das so bleibt? Wir haben uns vom Öl unabhängiger gemacht. Wollen wir die Abhängigkeit wiederherstellen? — Ich meine, wir sollten sie nicht wiederherstellen. Wir sollten bei der Unabhängigkeit bleiben.
Aber nun, verehrter Herr Hoffmann und meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, kommt das Thema der Konsensfähigkeit, des energiepolitischen Konsenses, den Sie aufgekündigt haben und zu dem Herr Hoffmann sagt, einen Konsens könne es gesellschaftspolitisch nicht geben. Herr Hoffmann, warum denn nicht? —
Weil Sie nach Tschernobyl mit Aufregung und Nervosität, zwar mit begründeter Besorgnis, aber auch kopflos, wie ich sagen muß, reagiert haben. Es gibt doch Stimmen aus Ihrer Partei, aus der Sozialdemokratischen Partei, die zu diesem Punkte wörtlich formulieren: Wir sitzen mit unseren eigenen Beschlüssen in der ,,Tschernobyl-Falle", und wir kommen aus dieser Falle nicht heraus. — Wenn der gesellschaftspoliti-
Dr. Graf Lamosaorff
sehe Konsens von einer der großen Parteien selbst so in Frage gestellt wird, wenn Sie Stimmungen und Meinungen nachlaufen, anstatt den Versuch zu unternehmen sie verantwortungsbewußt zu gestalten, ist es leicht, sich hier hinzustellen und zu sagen: Den Konsens gibt es eben nicht mehr; wir können nur noch darüber diskutieren, wie wir aus der Falle herauskommen.
Nein, Herr Hoffmann, eine realistische, auf absehbare Zeit bezogene Energiepolitik kann und muß auch dies tun, nämlich zu überlegen, wie wir herauskommen. Sie muß aber vor allen Dingen dafür sorgen, daß wir das Ob erst einmal bejahen, und dann sehen, daß wir mit dem Ob auch weiterkommen. Wer aber das Ob und die Weiterentwicklung — auch die Entsorgungsentwicklung; Stichwort Wackersdorf — , die notwendig ist, so in Frage stellt, wie Sie das landauf, landab tun, — —
— Dies ist im energiepolitischen Konsens des Jahres 1979, getroffen von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler und einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, einer der Entsorgungswege. Lesen Sie es doch bitte nach.
— Einige von Ihnen, Herr Roth, reden wirklich darüber und haben keine Ahnung von dem, was wir seinerzeit noch gemeinsam beschlossen haben. Es ist jammervoll, wo Sie Ihr Gedächtnis gelassen haben.
Schalten Sie doch meinethalben die Kernkraftwerke, aber nicht Ihr Gedächtnis und den Verstand ab.
Ich will Ihnen zum Schluß nur noch folgendes sagen.
Ich lese heute, am 1. April 1987 — das ist kein Aprilscherz; dem stimme ich vollständig zu — , folgendes:
Der Konsens Kohle und Kernkraft ist die Voraussetzung dafür, daß die in Regierungsverantwortung stehenden Parteien in Bund und Ländern sich auf die Fortsetzung der bisherigen Beihilfepolitik für die deutsche Steinkohle in Milliardenhöhe verständigen können.
Dieses Zitat stammt aus der Zeitung „Die Einheit" , dem Organ der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie. Das sollten Sie lesen, wenn Sie über Energiepolitik reden.