Rede von
Hans-Werner
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soeben hat hier der saarländische Wirtschaftsminister gesprochen.
Es trifft zu, daß Kohle und Stahl die Lebensadern der saarländischen Wirtschaft darstellen und daß es in absehbarer Zeit im Saarland zu Kohle und Stahl keine arbeitsmarktpolitischen Alternativen gibt. Ich will hier ganz offen sagen, daß deshalb die Bevölkerung auch im Saarland
auf unbedachte Äußerungen, sei es von Politikern, sei es von Journalisten, die an diesen Lebensadern rütteln, schon sehr, sehr sensibel reagiert.
Das bedeutet nicht, daß nicht auch Einsicht in unabwendbare Notwendigkeiten vorhanden wäre. Ich möchte gerade zu Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, sagen: Was Sie soeben geäußert haben, nämlich beim Stahl und bei der Kohle konzentrierten sich die Produktionsanlagen in bestimmten Regionen, und das sei auf ein historisches Gewachsensein dieser Monostrukturen zurückzuführen, ist richtig.
Es seien Initiativen von allen Beteiligten gefordert, haben Sie weiter gesagt. Sie haben recht, Herr Bundeswirtschaftsminister. Nur: Es drückt uns schon — ich will das ganz offen hier sagen —, daß einige große Unternehmen, die anderthalb Jahrhunderte eine Region ausgebeutet
und Geschäfte gemacht haben, sich verabschiedet haben, als kein Geld mehr zu verdienen war,
und sich jetzt als Gralshüter der Ordnungspolitik aufspielen und gegen Subventionen polemisieren,
obwohl es ihre moralische Pflicht gewesen wäre, auch für Ersatzarbeitsplätze zu sorgen.
Alle bisherigen Bundesregierungen, insbesondere aber die jetzige, haben gerade die saarländische Stahlindustrie durch vielfältige Entscheidungen unterstützt. Zuschüsse in Milliardenhöhe sind gegeben, Strukturhilfen sind gezahlt worden. Niemand kann also sagen, der Bund habe bisher nicht seine Pflicht getan. Warum hat er es getan? Weil man eingesehen hat, daß das wirtschaftliche Wiedererstarken einer Region wesentlich teurer käme, wenn einmal die Stahlindustrie völlig kaputt wäre.
Wie war aber die politische Begleitmusik der SPD, der Lafontaines und der IG Metall? Von 1977 bis zur Landtagswahl 1985 kehrte der Vorwurf immer wieder, die CDU-FDP-Landesregierung sei an dem Stahldesaster schuld; Lafontaine werde, einmal Ministerpräsident, die Stahlpolitik zur Chefsache machen und die Arbeitsplätze der Stahlarbeiter retten; so der Originalton damals. Und wie sind wir als Union Verunglimpfungen ausgesetzt gewesen! Und heute? Heute entdeckt Lafontaine die internationalen Zusammenhänge und versucht damit sein Versagen zu kaschieren.
Wie schreibt eine angesehene Zeitung: Lafontaine läßt die sozialen Tabus fallen. Die Schreier von einst verhalten sich heute nach der Devise: Ruhe ist die erste Genossenpflicht. Nein, meine Damen und Herren, wir vom Bund geben das Geld und kriegen noch Prügel dazu, und Sie schüren die Emotionen. Das ist eine Arbeitsteilung, die wir ablehnen.