Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wirtschaftspolitik, zumal Politik für Kohle und Stahl, erfordert Verläßlichkeit und Beständigkeit. Der Wirtschaftsminister dieser Bundesregierung — das haben seine Aussagen zu Kohle und Stahl erneut gezeigt — ist inzwischen ein Symbol der Widersprüchlichkeit und der Unzuverlässigkeit.
Aber uns geht es heute um mehr als um eine Abrechnung mit dem Chef des Wirtschaftsressorts.
Es geht heute nicht um die Frage, ob das Interview so, überhaupt nicht, ähnlich oder ganz anders gegeben worden sei, sondern um die Frage, was in der Kohle-und Stahlpolitik in den nächsten Jahren gilt. Es geht uns um die Frage, ob auch künftig die Kohlevorrangpolitik die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung b estimmt.
Dabei — ich richte mich gerade an die CDU — ist Kohlevorrang eindeutig definiert: Einhaltung des Jahrhundertvertrags,
sofortige Anpassung des Kohlepfennigs, Einhaltung des Hüttenvertrages, Verlängerung des Jahrhundertvertrags über das Jahr 1995 hinaus. Wir verlangen von der Bundesregierung zu diesem Thema „Kohlevor-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den 1. Avril 1987 311
Roth
1 rang" heute klare Aussagen, keine Entschuldigung für irgendwelche Interviews.
Dabei kommt es auf die Klarheit der Begriffe an. Weder in der Regierungserklärung noch im gestrigen Kommuniqué der CDU-Fraktion bei ihrem Gespräch mit Vertretern des Steinkohlebergbaus kommt das Wort „Kohlevorrang" überhaupt noch vor. Ich erwarte von der CDU ein Ja oder ein Nein zu der Frage, ob sie zum Kohlevorrang steht. Holen Sie das heute nach!
Wir fordern Sie auf, in dieser Debatte auf den alten Konsens aller Parteien beim Kohlevorrang zurückzukommen.
— Machen Sie hier keine Ausflüchte!
Es ist eine üble Verdrehung der Tatsachen, so zu tun, als ob ein schnellerer Ausstieg aus der Kernenergie eine Bedrohung für den Kohlevorrang sei. Das Gegenteil ist richtig.
Ein schnellerer Ersatz der Kernenergie, die ja wohl auch Sie als Übergangstechnologie bezeichnen, schafft neue Chancen für die Kohle. Das ist die Wahrheit; das Gegenteil ist falsch.
Schaffen Sie auch Klarheit in der Stahlpolitik! Bisher gab es keine Massenentlassungen im Stahlbereich. Wir hatten zwar einen schmerzlichen Arbeitsplatzabbau, aber wir hatten immer wieder gemeinsam eine soziale Flankierung geschaffen, die nicht den Weg in die Armut bedeutet hat, auch nicht für die Kohleregionen und für die Stahlregionen in der Bundesrepublik Deutschland. Das war anders als in England. Kehren Sie zu dieser Politik zurück!
Meine Damen und Herren, über unverbindliche Gespräche hinaus wollen wir jetzt eindeutige Zusicherungen, was die Montanregionen anbetrifft. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit. Wir sind auch bereit zu Gesprächen über einen neuen Konsens. Der Bundeskanzler und die Minister sind nach ihrem Amtseid gehalten, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Sie verletzen ihren Amtseid, wenn sie der Landwirtschaft, wenn sie anderen Interessenten — ich rede nur ein Wort über Airbus und MBB —
Zusicherungen über Subventionen geben und den
Montanregionen in der Bundesrepublik Deutschland
nicht mehr helfen, sondern sie allein lassen. Korrigieren Sie das heute!