Rede:
ID1100602500

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    Plenarprotokoll 11/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. März 1987 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Dregger CDU/CSU 253 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 260 B Mischnick FDP 264 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 269 B Rühe CDU/CSU 271 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 275 A Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 284 A Dr. Mechtersheimer GRÜNE 286 C Genscher, Bundesminister AA 289 C Präsident Dr. Jenninger 257 B Nächste Sitzung 294 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 295* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1987 253 6. Sitzung Bonn, den 20. März 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Frau Beck-Oberdorf 20. 3. Clemens 20. 3. Cronenberg (Arnsberg) 20. 3. Frau Eid 20. 3. Eylmann 20. 3. Francke (Hamburg) 20. 3. Dr. Göhner 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Gröbl 20. 3. Grünbeck 20. 3. Dr. Grünewald 20. 3. Grunenberg 20. 3. Jungmann 20. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Frau Odendahl 20. 3. Frau Pack 20. 3. Porzner 20. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf * 20. 3. Seehofer 20. 3. Dr. Solms 20. 3. Spilker 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Vosen 20. 3. Dr. Wallmann 20. 3. Weiermann 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Wissmann 20. 3. Würtz 20. 3. Zumkley 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Zywietz 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren, unsere Politik ist eine Politik des Friedens, die auf die Lösung strittiger Fragen durch einen Interessenausgleich ausgeht. Unsere Politik ist eine Politik der Freiheit, die die Menschenrechte im weitesten Sinne wahren und sichern hilft, ohne anderen unsere Lebensformen aufzuzwingen. Unsere Politik ist eine Politik des Realismus, die das Erreichbare nicht durch den Blick auf das Unerreichbare gefährden will, denn Entspannung und Zusammenarbeit in Ost und West erfordern auf beiden Seiten Sicherheit.
    Wenn wir unsere Verpflichtung in der Welt erkennen und übernehmen wollen, dann muß der Boden, auf dem wir stehen, fest wie bisher sein. Das heißt für uns: Die NATO bleibt nach dem heutigen Stand für uns unersetzlich. Daß wir jetzt 42 Jahre ohne Krieg in Europa gelebt haben, das ist nicht zuletzt das Verdienst des Nordatlantischen Bündnisses, dieser Verteidigungsgemeinschaft. Ihr Dasein hat bewirkt, daß wir mit unserer Vertrags- und Entspannungspolitik die Früchte des Friedens ernten konnten. Daß dies so bleibt, wird jede einzelne aktive Operation unserer Außenpolitik sichtbar machen, damit die Sicherung und die Stärkung des Friedens vorangetrieben werden.
    Ich begrüße, daß in der Deutschlandpolitik die Weichen zu weiteren Fortschritten und Verbesserungen gestellt worden sind. Wir Freien Demokraten waren hier immer, ohne uns eine falsche Feder an den Hut zu stecken, Vorreiter und haben nie unter Berührungsängsten gelitten. In diesen Tagen war es 40 Jahre her, daß die liberalen Parteien sich über die vier Besatzungszonen hinweg zu einer Partei zusammenschlossen unter den damaligen Vorsitzenden Heuss und Külz. Daß dieser Versuch schon nach einem knappen



    Mischnick
    Jahr wegen der Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone aufgegeben werden mußte, war eine Tragik der damaligen Zeit und eine Konsequenz aus der damaligen Situation. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Liberalen sich bis heute allen widrigen Umständen zum Trotz auch immer wieder bemüht haben, Kontakte zu halten, neu aufzubauen, zu vertiefen und damit dafür Sorge zu tragen, das Ziel, daß die Menschen in den beiden deutschen Staaten miteinander verbunden bleiben, auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
    Ich hoffe, daß bei den Konzeptionen für das „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" und für das „Historische Museum" gerade diese Beiträge der Liberalen den Platz finden werden, der ihnen gebührt. Ich habe in manchen Darstellungen der letzten zehn, zwanzig Jahre erleben müssen, daß übersehen wurde, wie stark gerade die Liberalen den Gedanken der nationalen Einheit in einer Zeit hochgehalten haben, wo viele in den Besatzungszonen nur an das Nächstliegendste dachten.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich wäre sehr froh darüber, wenn dies bei den Konzeptionen nicht unterginge.
    Die Fraktion der Freien Demokraten wird die Regierungserklärung, die Koalitionsvereinbarungen, die Politik, die damit verfolgt wird, unterstützen. Sie wird gemeinsam mit dem Koalitionspartner auch in dieser Legislaturperiode die Pflicht tun, die uns der Wähler durch seine Wahl auferlegt hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lippelt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar Vorbemerkungen zu Herrn Dr. Dregger. Erstens. Herr Dregger, es sollte zur Viertelsbildung des Fraktionsvorsitzenden einer Partei gehören, die sich christlich nennt, daß er weiß, daß sich z. B. die Mitglieder der urchristlichen Gemeinde untereinander Kommunisten nannten. Sie sollten sich vielleicht einmal mit Herrn Ebermann über die Spannweite dieses Begriffes unterhalten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zweitens. Es liegt eine unerträgliche Kontinuität der Arroganz in Ihrer Haltung zu Tschernobyl. Nach der Katastrophe erwogen Sie in Regierungs- und Parteikreisen die Geschmacklosigkeit, der Sowjetunion eine Schadensrechnung zu schicken. Jetzt soll am deutschen Atomwesen die Welt genesen. Sie spielen sich als die Leute mit der unfehlbaren Technologie auf, die die sowjetischen AKWs nachrüsten wollen.
    Die Verantwortung für Tschernobyl tragen nicht nur die dortigen Politiker, sondern alle Atomfans in diesem unserem Lande, alle, die diese Entwicklung einer falschen Technologie mittragen, denn außer Tschernobyl gibt es Harrisburg; auch in Deutschland
    gibt es viele Schrottreaktoren, wo ähnliches passieren kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nehmen Sie z. B. den hochversprödeten Reaktor Stade unter die Lupe: ohne Schieber für die Frischdampfleitung, so daß bei Rohrbruch, auch wenn das Wallmann-Ventil eingebaut ist, immer noch eine radioaktive Wolke Hamburg vernichten kann. Nehmen Sie das erst einmal unter die Lupe, bevor Sie solche Sprüche klopfen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Scharrenbroich [CDU/CSU]: Ihre Verteufelung ist sehr unchristlich!)

    — Das ist keine Verteufelung. Ich habe vier Jahre im niedersächsischen Landtag zu diesem Problem gearbeitet. Ich denke, ich weiß, wovon ich rede.
    Drittens. Herr Dr. Dregger, Sie haben ein schönes Bild unbelehrbaren Denkens gegeben, als Sie entwikkelten: Wiedervereinigung; aber auch das wiedervereinigte Deutschland ist zu schwach; deshalb europäische Föderation als Machtblock zwischen den beiden Supermächten. In solchem Machtdenken liegt nicht die geringste Perspektive.
    Über Perspektiven zu einem anderen Europa möchte ich aber jetzt sprechen. Auf dem jetzt zu Ende gegangenen Kongreß des sowjetischen Journalistenverbandes hat der Iswestija-Redakteur Bowin gefordert, verstärkt westliche Politiker und Kommentatoren zur Diskussion ins russische Fernsehen zu bitten. Ich habe mich beim Anhören der Regierungserklärung gefragt: Was, Herr Bundeskanzler, wollten Sie wohl, gesetzt, Sie würden dort einmal eingeladen, auf der Grundlage dieser Regierungserklärung sagen, ohne sich bei den Künstlern, den Schriftstellern, den Wissenschaftlern, den Tausenden, die zu neuen Ufern aufgebrochen sind, der Lächerlichkeit preiszugeben, oder, schlimmer noch, ein Gefühl der Resignation und der Hoffnungslosigkeit bei Ihnen hervorzurufen?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Deprimierende an Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, ist, daß sich in ihr auch nicht der geringste Ansatzpunkt findet, der Anlaß zu der Vermutung geben könnte, daß Sie die geistige Herausforderung — denn es ist eine geistige Herausforderung, Herr Dregger, und nicht nur eine möglicherweise militärische, also abrüstungspolitische — überhaupt begriffen hätten, geschweige denn, ihr gerecht werden könnten.
    Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Wir GRÜNEN wissen, wie begrenzt die Reformvorschläge Gorbatschows sind, wie sehr sie einem Denken in Kategorien technokratischer Effizienz verhaftet sind, das wir GRÜNEN in seiner Ausschließlichkeit als überholt ablehnen. Aber trotzdem: Nach einer langen Zeit der scheinbaren Erstarrung allen gesellschaftlichen Lebens unter der Herrschaft einer verknöcherten Bürokratie beginnt in der Sowjetunion ein Prozeß des Umdenkens, von dem wir hoffen, daß er weit über die bisherigen Vorschläge Gorbatschows hinweggeht. Deshalb spreche ich hier die Frage an, wieweit in der Regierungserklärung Perspektiven für die För-



    Dr. Lippelt (Hannover)

    derung eines solchen Prozesses liegen können oder wieweit dort nur Hindernisse aufgebaut sind.
    Der Zentralbegriff, auf den sich die Koalition bei ihren Gesprächen zum Thema Außenpolitik geeinigt hat — so war der Presse zu entnehmen — , ist der einer realistischen Entspannungspolitik. Nun ja, man sagt sich: Entspannungspolitik für Herrn Genscher, der die Blackouts des Regierungschefs ausbügeln mußte, Realismus für Strauß als Hinweis, daß es so schlimm nicht werden kann. Trotzdem blieb die Frage: Was soll nun realistisch sein? Die Regierungserklärung, die wir am Mittwoch hier hörten, hat uns belehrt — ich habe mitgeschrieben — : „Realistisch" , Herr Bundeskanzler, so sagten Sie, „weil wir nie den grundlegenden Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur verwischen dürfen."
    Ach, Herr Kohl! Wir GRÜNEN kennen den Unterschied zwischen beiden Systemen gut und wissen genau, warum wir Bürgerrechte, Gewaltenteilung, Sozialstaat für wichtige und verteidigenswerte Errungenschaften halten. Aber die politischen Systeme hier wie dort sind komplexe Gebilde: Bei uns gibt es nicht nur Freiheit, sondern auch Unterdrückung und soziale Not,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und in der Sowjetunion gibt es nicht nur Unterdrükkung, sondern auch viele schöpferische Menschen und eine Tradition des Sich-Beziehens auf europäische Werte, die wir als Dialogpartner ernst nehmen müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Aber Sie, Herr Bundeskanzler, grenzen lieber aus und fühlen sich, wie Sie in der Regierungserklärung auch gesagt und herausgestrichen haben, in der „westlichen Wertegemeinschaft" wohl. Ist Ihnen überhaupt bekannt und bewußt, wie stark der Einfluß Dostojewskis und Tolstois auf das europäische Geistesleben war?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Darüber werden Werte vermittelt, falls Sie das noch nicht wissen sollten.

    (Bundeskanzler Dr. Kohl: Seien Sie nicht so arrogant!)

    — Ich habe Arroganz von Ihnen gelernt.
    Ist Ihnen bewußt, daß die russische Literatur der Gegenwart eine der ganz wenigen Literaturen von Weltrang ist? Was wäre die Berlinale ohne die Filme aus der Sowjetunion gewesen, und was sind zehn Regierungserklärungen Ihrer Art auch nur gegen einen Film von Tarkowski, gerade unter dem Gesichtspunkt von Werten und von menschlichem Maß?

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Zu Ihren deutschlandpolitischen Vorstellungen und damit auch zu Herrn Dregger. Die Freiheit — so haben Sie uns vorgelesen —

    (Lattmann [CDU/CSU]: Vorlesen tun Sie!)

    ist der Kern der deutschen Frage. Nun sind wir GRÜNEN ja gewiß freiheitsliebende Menschen, aber der
    Kern der deutschen Frage ist, so behaupte ich, ein anderer. Es sind jene 13 Jahre, die Sie so gern übergehen, übrigens auch mit solch blumigen Wendungen wie der von der „Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen". Der Kern der deutschen Frage ist jene von uns verursachte Katastrophe Ostmitteleuropas, jenes Raumes gemischtsprachlichen und kulturellen Zusammenlebens, der vom Faschismus zerstört wurde. In dieser Katastrophe ist Europa erstarrt, aus ihrem Schatten ist es noch nicht wieder herausgetreten.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD])

    Die Frage, die wir stellen müssen, ist: Wenn jetzt am Horizont die Möglichkeit dazu erscheint — deshalb meine Rede von der Auffassung der Initiativen — —

    (Lattmann [CDU/CSU]: Das ist keine Rede, sondern eine Vorlesung, was Sie machen!)

    — Ich werde schon noch anders werden, mal langsam! Dies ist meine erste Rede hier! Sie werden mich auch noch anders kennenlernen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn jetzt am Horizont die Möglichkeit dazu erscheint, sollten wir alles tun, einen solchen Prozeß zu fördern, um mitzugestalten. Nichts kann ihn aber stärker behindern, ja gefährden als die Aussicht, daß er zu einem neuen Machtzentrum in Europa führt durch Wiedervereinigung der stärksten Macht der EG mit der zweitstärksten des COMECON. Darum treten wir GRÜNEN für die Aufgabe der Wiedervereinigungspolitik ein.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Ich möchte das mit zwei Überlegungen untermauern. Warum, Herr Bundeskanzler, beziehen Sie sich eigentlich immer nur auf die 80 Jahre deutscher Geschichte als Einheitsstaat? Sie sind nicht so glücklich verlaufen. Warum beziehen Sie sich nicht auf die fast 1 000 Jahre deutscher Geschichte als Kulturnation? Wenn Sie hier, in diesem Fall Arm in Arm mit der gesetzestreuen SPD, das Wiedervereinigungsgebot der Grundgesetzpräambel beschwören, so werden Sie doch gewiß auch den Unterschied zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit kennen. Dazu bemühe ich nochmals die ganze deutsche Geschichte. Fast 1 000 Jahre, bis zu seiner Zerstörung durch Napoleon, existierte das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Das war damals Verfassungsnorm. Die Verfassungswirklichkeit aber hieß längst Bayern, Österreich, Preußen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Eine letzte in der Regierungserklärung vorgetragene befremdliche Vorstellung muß noch aufgegriffen werden. Sie haben, Herr Bundeskanzler, auch noch eine „besondere Verpflichtung den Deutschen gegenüber betont, die heute noch in den Ländern Mittelost- und Südosteuropas leben". Ich habe vorhin auf das Zusammenleben jener Minderheiten im heute untergegangenen Ostmitteleuropa hingewiesen. Hier hatte sich teils schon vor, vor allem aber nach dem Ersten Weltkrieg eine wichtige Entwicklung vollzogen, die Ausbildung kodifizierter Minderheiten-



    Dr. Lippelt (Hannover)

    rechte. Aber diese begrüßenswerte Entwicklung war jäh unterbrochen worden durch die Instrumentalisierung der deutschen Minderheiten zu einer dritten Kolonne durch den Faschismus, die die Länder zerstörte, in denen sie lebten. Deshalb verbietet es sich einfach, nochmals an die Minderheitenschutzpolitik der Weimarer Republik anknüpfen zu wollen.
    Allerdings auch und gerade wir GRÜNEN treten für das Recht auf eigene Sprache und Kultur von Minderheiten ein, aber eben nicht im Rahmen nationaler Minderheitenschutzpolitik, sondern im Rahmen einer Menschenrechtspolitik, die neben den individuellen sehr wohl auch die sozialen Menschenrechte kennt und sich für sie einsetzt,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    einerlei ob es sich um die deutsche oder ungarische Minderheit im diktatorischen Rumänien handelt oder gerade auch um die afrikanische Mehrheit in Südafrika.
    Ich fasse zusammen: Wir stehen vor der Herausforderung eines neuen Denkens im Machtzentrum Osteuropas. Daraus kann, muß nicht eine Entwicklung sich ergeben, die dazu führen könnte, daß die europäischen Völker ihr Zusammenleben auf eine neue Grundlage stellen würden. Diese Entwicklung zu fördern, statt sie zu behindern, bedeutet allerdings, das Prinzip neuen Denkens, wie es dort genannt wird, auch auf unseren eigenen politisch-historischen Seelenhaushalt anzuwenden. Ich glaube nicht, daß diese Bundesregierung dazu in der Lage ist. Aber es ist auch eine Forderung, die uns allen gilt, und je eher wir alle sie erfüllen, um so eher machen wir diese Bundesregierung überflüssig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)