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ID1100405400

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    Plenarprotokoll 11/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Bahr 51 A Einspruch des Abg. Stratmann gegen den Ausschluß am 12. März 1987 51 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 51 B Beschlußfassung über das Verfahren für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksachen 11/53, 11/55 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 73 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 74 C Aussprache zur Regierungserklärung Dr. Vogel SPD 74 B Dr. Waigel CDU/CSU 88 C Frau Schoppe GRÜNE 98 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 102B Roth SPD 111 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 115B Ebermann GRÜNE 117 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 120C Dr. Mitzscherling SPD 124 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 127 D Sellin GRÜNE 131 B Spilker CDU/CSU 132 D Vizepräsident Frau Renger 120 C Nächste Sitzung 134 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 135 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 135 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 51 4. Sitzung Bonn, den 18. März 1987 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Böhm (Melsungen)* 18. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Gröbl 18. 3. Grünbeck 20. 3. Grunenberg 20. 3. Kittelmann ** 18. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lemmrich ** 18. 3. Lenzer * 20. 3. Linsmeier 18. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Reddemann ** 18. 3. Dr. Scheer ** 18. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seehofer 20. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 13. März 1987 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. März 1987 der vom Deutschen Bundestag am 18. Februar 1987 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Biedenkopf, Sie haben es als eine entscheidende Aufgabe bezeichnet, daß das Fundament stabil bleiben



    Dr. Mitzscherling
    müsse, um alle die Zukunftsaufgaben, die vor uns stehen, zu lösen.
    Ich glaube, in dieser generellen Aussage sind wir gar nicht allzu weit auseinander. Nur, ich muß Sie fragen, wie Sie, wenn Sie diese Forderung erheben, gleichzeitig mit der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers zufrieden sein können. Denn dort ist diese Zukunftserwartung, die Sie ja selber zur Stabilität des Fundaments benötigen, doch gar nicht enthalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Finden Sie irgendwelche konkreten Hinweise auf Problembereiche, auf Kreise, die geeignet wären, die Stabilität zu gefährden? Sie sind vielleicht mit einem Schlagwort angesprochen. Aber jede konkrete Ausformulierung, welche politische Antwort diese Bundesregierung geben möchte, um diese Stabilität, wenn sie schon da ist, zu erhalten, fehlt; die findet sich nicht. Ich finde sie auch nicht in der Rede von Herrn Bangemann.
    Ich bin enttäuscht über das, was die Bundesregierung als Antwort auf die Anforderungen zu sagen hat, die die Gegenwart an uns stellt. Diese Antwort ist nicht erkennbar.
    Ich muß Ihnen gestehen, daß wir da auch nicht weiterkommen, wenn wir uns darüber unterhalten, ob das Bruttosozialprodukt preisbereinigt um eineinhalb Prozent oder mehr gestiegen ist und ob das nicht ein toller politischer Erfolg war. Was werden wir denn gegen Ende dieses Jahres sagen, wenn die Ölpreisentlastungseffekte weggefallen sind? Da werden Sie feststellen, daß sich ganz plötzlich die Preissteigerungsrate wieder hebt. Die niedrige Preissteigerung ist doch nicht ein Erfolg allein Ihrer Politik. Sie mögen durch überzogene Konsolidierung dazu beigetragen haben. Aber es ist doch auch ein importierter Effekt, der hier zum Zug kommt. Darüber muß gesprochen werden. Das erwähnen Sie nicht.

    (Uldall [CDU/CSU]: Das hat noch nie jemand bestritten!)

    Was Sie vor allem nicht sagen, was die Regierungserklärung nicht enthält und was der Herr Bangemann nicht erwähnt hat, das sind die Antworten, die auf die Gefährdung der Stabilität von der außenwirtschaftlichen Flanke her zu geben sind.
    Was ist da gekommen? Da wird erwähnt: Wir brauchen eine GATT-Runde. Das ist, glaube ich, unstrittig.

    (Dr. Jens [SPD]: Die haben wir schon!)

    Aber wie soll sie denn ausformuliert werden, und welche Schritte haben Sie in den nächsten vier Jahren vor, um sie zum Erfolg zu führen? Keine Antwort, weder in der Regierungserklärung noch von Herrn Bangemann.
    Protektionismus. Wir sind alle dagegen, daß Protektionismus stattfindet. Wir wollen keine verzerrten Strukturen. Wir wollen die Wohlstandseffekte im Land haben. Keine Antwort.
    Was haben Sie eigentlich zur Lösung der Verschuldungskrise in den Ländern der Dritten Welt zu sagen? Nichts. Ich habe nichts gehört. Wo ist der Beitrag der Bundesregierung als der Regierung eines wirtschaftlich starken Staates zu einer dauerhaften Lösung der Verschuldungskrise in der Dritten Welt? Keine Antwort.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich vermisse Ihre Antwort, die Ausformulierung in Ihrer Regierungserklärung: Was wollen Sie konkret auf das Angebot von Gorbatschow zu einer intensiveren wirtschaftlichen Zusammenarbeit tun? Hier hätte es sich gelohnt, etwas zu sagen. Nichts hat die Bundesregierung dazu gesagt.
    Unser Land ist das wirtschaftlich stärkste Land in Europa. Hätten Sie nicht in dieser Regierungserklärung oder hätte nicht auch Herr Bangemann, der jetzt nicht mehr da ist, deutlich machen können, wie Sie sich konkret die Schritte in der Gestaltung Europas in den nächsten Jahren vorstellen? Natürlich wollen alle den Binnenmarkt. Natürlich wollen alle eine Weiterentwicklung, eine politische Weiterentwicklung in Europa, zumindest was die beiden Seiten des Hauses anlangt. Nur frage ich Sie: Wie wollen Sie den Binnenmarkt erreichen? Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht, wie es beispielsweise im Dienstleistungsbereich, wie es bei der Versicherungswirtschaft aussieht?

    (Roth [SPD]: Versicherungswirtschaft! Zu diesem Thema wollen wir einmal einen hören!)

    — Ich habe es eben erwähnt. — Da sind Probleme, die das europäische Währungssystem anbelangen. Sie haben nichts dazu gesagt.

    (Zuruf des Abg. Graf Lambsdorff [FDP))

    — Erwähnt; Sie haben das Schlagwort gesagt. Aber die einzelnen Schritte, die Weiterentwicklung, das vermisse ich. Da ist nichts da.

    (Roth [SPD]: Das werden wir uns konkret angucken, Gesetz für Gesetz!)

    Ich will jetzt auf die Teile, die mein Kollege Roth schon angesprochen hat, nicht eingehen. Wir haben die Probleme bei der Agrarpolitik. Ohne deren Lösung wird nichts laufen. Ohne eine Reform der europäischen Agrarpolitik wird es keine GATT-Runde mit Erfolg geben. Das muß immer wieder betont werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Deshalb also die Feststellung: Fragen über Fragen; es bleibt viel zuviel offen. Konkrete Antworten sind nicht erkennbar. Sie geben keine klare Vorstellungen, die Sie als Bundesregierung für die Entwicklung unseres Landes haben, geschweige denn über die Entwicklung Europas. Zukunft kommt bei Ihnen in der Tat — das wurde heute schon gesagt — nur auf den Plakaten vor. Das reicht nicht, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie hoffen offenbar immer noch darauf, daß sich die Interessengegensätze, die nun einmal da sind, und die Zielkonflikte irgendwie auflösen werden. Sie entscheiden nur, wenn es nicht mehr anders geht. In europäischen Fragen ist Ihr



    Dr. Mitzscherling
    Gestaltungswille schlichtweg nicht erkennbar. Daher ist es eben auch so, daß Europa nicht vorankommt.
    Statt die Kooperation mit anderen Industrieländern voranzutreiben, gefallen Sie sich — das muß man den Äußerungen der Vertreter der Bundesregierung entnehmen — eher in der Rolle eines Musterknaben, der seine Wirtschaftspolitik preist, der der beste von allen sein will und der die Lösung der Probleme eigentlich nur darin sieht, daß alle anderen Länder die gleiche Wirtschaftspolitik betreiben mögen wie die Deutschen; dann wird es dieser Welt schon besser gehen. So einfach ist das.
    Aber Sie müssen doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen — es klingt immer mal so am Rande an —, daß der überbewertete Dollar und der kreditfinanzierte Aufschwung der Vereinigten Staaten ganz entscheidend als Impuls für den Aufschwung bei uns, so schwach er auch ist, beigetragen hat.

    (Dr. Jens [SPD]: Und die Ölpreise!)

    — Und die Ölpreise, die rechtzeitig, als diese Effekte abebbten zusammenbrachen und einem Konjunkturprogramm gleichkamen, das die Binnennachfrage angeregt hat. Wir haben also Wachstum importiert. Wir haben damit auch Arbeitsplätze importiert. Wenn Sie die Wirkung von Exportboom und Ölpreissturz herausrechnen, werden Sie feststellen, daß es im Grunde nur einen ganz bescheidenen Zuwachs an Arbeitsplätzen gegeben hat. Per Saldo: hausgemachte Arbeitsplätze sind kaum entstanden.

    (Uldall [CDU/CSU]: Wenn wir immer nur Glück haben und Sie immer nur Pech, dann sollten wir an der Regierung bleiben! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Lieber Herr Uldall, Glück hat manchmal auch der, der es nicht verdient. Aber in diesem Falle geht es darum, daß es den Deutschen besser geht. Selbstverständlich haben auch wir uns darüber gefreut, daß wir von den Entlastungen profitiert haben. Ich glaube, das ist im Interesse aller deutschen Bürger und Arbeitnehmer, die durch Ihre Politik, die die Binnennachfrage geschwächt und nicht gestärkt hat, eher bestraft worden wären.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    — Herr Kittelmann, die außenwirtschaftliche Glückssträhne, die Sie immer so bejubelt haben, ist jetzt vorbei!

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Abwarten!)

    — Wie Sie sich noch heute trauen können, das zu behaupten, weiß ich nicht. Das werden Sie mit Ihrem Selbstverständnis als außenwirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion abzumachen haben. Aber dem Daueraufschwung, den die Wähler bisher von Ihnen so vorgeführt bekommen haben, ist doch längst die Luft ausgegangen. Wir reden nicht von einer Rezession, aber wir reden davon, daß wir uns schnurstracks auf den Weg in eine Stagnationsphase begeben. Und das ist kreuzgefährlich, meine Damen und Herren.
    Da genügt es auch nicht, wenn sich der Herr Bundeswirtschaftsminister hier hinstellt und sagt, Prognosen dieser Art, wie sie die Sozialdemokraten abgäben, seien gefährlich, sie seien sogar geeignet, das Investitionsklima in diesem Lande zu zerstören. Wenn die noch weiter kritisierten, redeten sie den Konjunkturaufschwung noch kaputt. — Das ist doch schlichter Unsinn, der hier erzählt wird. Wenn es so wäre, müßte der Herr Bundeswirtschaftsminister — man kann es ja auch anders sehen — die Kompetenz der sozialdemokratischen Prognostiker eigentlich akzeptiert haben. Denn wenn eine investitionsfreudige deutsche Wirtschaft glaubt, was wir an Entwicklungstendenzen voraussagen, und darauf wirtschaftlich reagierte, könnte uns doch eigentlich gar nichts Besseres passieren.
    Die Wirtschaft sei stabil, hat Herr Biedenkopf gesagt. Ich habe auf diese scheinbare Stabilität hingewiesen. Sie machen auf Optimismus, und Sie lassen verkünden: Nur nicht nervös werden; der Rückgang der Auslandsaufträge ist nur vorübergehend, im zweiten Halbjahr wird dann alles wieder besser werden, dann wird auch der Export wieder bergauf gehen. — Woher Sie die Indikatoren für diese Erwartung nehmen, weiß ich nicht. Mir sind sie nicht verfügbar. Vielleicht haben Sie bessere Hinweise, die uns verborgen geblieben sind. — Ich kann Sie nur vor solchen Illusionen warnen. Auch hier kommen Sie mit dem schon so oft zitierten „Weiter so", mit dem bloßen „Weiter so", eben nicht voran.
    In den letzten Jahren haben Sie Glück gehabt — wir haben es gesagt — : Die USA haben wirtschaftspolitisch auf das Gaspedal getreten. So konnten Sie hier abbremsen. Sie konnten Haushaltsdefizite abbauen. Sie konnten auch auf die Inflationsrate Einfluß nehmen. Und wir bekamen, dank gewaltiger Exporte, trotzdem einige Arbeitsplätze. Doch diese Politik, meine Damen und Herren, funktioniert nicht mehr. Die USA treten finanzpolitisch jetzt ebenfalls auf die Bremse. Sie kürzen ihre Haushaltsdefizite. Vor allem wollen sie von ihrem gewaltigen Handelsbilanzdefizit runter. Sie wollen mehr Exporte, und sie wollen weniger importieren. Machen Sie doch sich und der Öffentlichkeit nichts vor! Wenn die USA jetzt finanzpolitisch bremsen und gleichzeitig die Bundesregierung und die Bundesbank bremsen, schlittert die Weltwirtschaft in eine Stagnation mit der Besorgnis, daß daraus eine Rezession werden könnte.
    Wenn die USA ihr gewaltiges Handelsbilanzdefizit von rund 170 Milliarden Dollar, wenn sie verlorene Marktanteile, wenn sie 3 Millionen verlorene Arbeitsplätze zurückerobern wollen, können nicht gleichzeitig deutsche und japanische Wirtschafter darauf hoffen, daß sie ihre Weltmarktanteile halten können. Dies wäre eine Illusion — und dies vor allem deshalb, weil nicht nur in den USA, sondern auch in den jungen Industrieländern im pazifischen Raum viele die gleiche Absicht haben, nämlich ihre Weltmarktanteile auszubauen. Mit anderen Worten: Wir haben keinen Spielraum mehr für ein exportorientiertes Wachstum.
    Und täuschen Sie sich nicht: Die USA sind fest entschlossen, ihr Handelsbilanzdefizit schrittweise abzubauen. Wenn es beim jetzigen Dollarkurs nicht



    Dr. Mitzscherling
    gelingt, läßt man ihn noch weiter abrutschen, oder man zieht die protektionistische Bremse.
    US-Finanzminister Baker — wir haben das hier schon öfter erörtert — fordert seit mehr als einem Jahr die Bundesrepublik zu vermehrten Anstrengungen auf, ihr binnenwirtschaftliches Wachstum zu stärken, und zwar deshalb, damit dieses Wachstum auch bei stagnierenden Exporten in der Bundesrepublik und in Japan aufrechterhalten werden kann. Daran haben die Amerikaner ein Interesse, damit sich nämlich Amerikas Exportmöglichkeiten nach Europa und Japan verbessern und damit die Weltwirtschaft nicht in eine Rezession gerät, sobald die USA anfangen, ihr Haushaltsdefizit zu sanieren.
    Erst haben Sie sich auf die amerikanischen Forderungen hin völlig taub gestellt, dann haben Sie den USA optimistische Wachstumsprognosen verkauft, dann haben Sie sich jetzt klein gemacht und haben erzählt, die Bundesrepublik hätte keinen Einfluß auf die weltwirtschaftliche Entwicklung. Zuletzt haben Sie ihre 5 Milliarden DM an Steuerentlastung zum Beginn des Jahres 1988 vorgesehen.
    Auch die Bundesbank hat es einmal den Amerikanern zeigen wollen. Zuerst hat sie Zinssenkungen immer abgelehnt, dann hat sie sie hinausgeschoben, und dann hat sie schließlich in Minischritten zu einem Zeitpunkt nachgegeben, wo es im Grunde und auch in dem Maßnahmenbündel selbst nicht mehr angemessen war.
    Sie stellen sich heute hin und sagen: Wir hatten das Louvre-Abkommen in Paris. Das macht deutlich, daß die internationale wirtschaftliche Kooperation bestens funktioniert. Ich frage Sie: Was hat sich eigentlich seit diesem ominösen Abkommen geändert? Japan hat verstanden, daß die USA die hohen japanischen Überschüsse nicht mehr hinnehmen wollen, und ist auf binnenwirtschaftliche Expansion umgeschwenkt. Und was haben Sie getan? — Ein bißchen Steuersenkung, die für die Konjunktur so gut wir nichts bringen wird, und Steuerversprechungen für 1990. Wo ist denn nun eigentlich Ihre angeblich so erfolgreiche Umsteuerung auf die binnenwirtschaftliche Expansion?
    Der Ölpreissturz ist Ihnen — das habe ich schon gesagt — zu Hilfe gekommen. Er hat den privaten Verbrauch angeregt. Ich sage: auch die USA werden Ihnen Ihre optimistischen Parolen, mit denen Sie auch über Landtagswahlen hinwegkommen wollen, nicht abnehmen. Sie werden Nachbesserungen von Ihnen verlangen, und zwar schon bald. Dessen bin ich sicher. US-Notenbank-Chef Volcker hat erst kürzlich, und zwar nach dem Louvre-Abkommen, erklärt: Wenn die Bundesrepublik nicht binnenwirtschaftliches Wachstum verstärkt, muß der Dollar eben noch stärker fallen. Das muß Sie doch alarmieren. Haben Sie denn nicht gemerkt, daß hiervon nicht nur Nordrhein-Westfalen betroffen ist, sondern auch die von Ihnen regierten Länder im Süden der Bundesrepublik? Auch dort wird das spürbar werden. Worauf warten Sie eigentlich noch? Wollen Sie die Arbeitslosigkeit noch mehr steigen lassen?
    Wolfgang Roth hat Ihnen erklärt, welche Vorschläge wir für eine binnenwirtschaftlich orientierte
    Expansion, für ein Umsteuern, vorgelegt haben. Nutzen Sie doch diese Vorschläge. Sie haben uns aufgefordert zusammenzuarbeiten. Natürlich sind wir auch dazu bereit. Vorschläge liegen auf dem Tisch. Werfen Sie nicht einfach über Bord und sagen Sie nicht: Das ist alles nichts, das bringt nichts.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege, ich glaube, Sie sollten zum Ende kommen.

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    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja.
    Beklagen Sie sich nicht länger über die Weltkonjunktur! Hören Sie endlich damit auf, unser Land kleiner zu machen, als es ist!

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie haben es nötig!)

    Wir sind eine große Wirtschaftsmacht, Herr Kittelmann. Sie reden doch ständig davon. Der Dollar-Kurs ist nichts Schicksalhaftes. Die Bundesrepublik kann als führende Wirtschaftsmacht mehr tun, sie kann stärkeren Einfluß auf die europäische Wirtschaftsentwicklung und damit auf die Weltwirtschaft nehmen. Aber sie tut es nicht. Sie kann auch stärkeren Einfluß auf die Dollar-Entwicklung nehmen. Deshalb unsere Forderung nach einem europäischen Beschäftigungspakt. Wir sind für eine Weiterentwicklung des Europäischen Währungssystems, für eine zügige Entwicklung des europäischen Binnenmarktes und natürlich für die Reformen der Agrarpolitik, ohne die nichts läuft, und für GATT-Verhandlungen, mehr Stabilität des Währungssystems, für dauerhafte Lösungen der Verschuldung und Lösung der Probleme in der Dritten Welt. Hier sind Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, gefordert. Man muß Einfluß nehmen wollen, wenn man eine Führungsrolle hat. Sie haben diese Führungsrolle in Europa. Aber ich habe allmählich das Gefühl, daß Sie es gar nicht wollen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der SPD)