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ID1100402600

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    Plenarprotokoll 11/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Bahr 51 A Einspruch des Abg. Stratmann gegen den Ausschluß am 12. März 1987 51 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 51 B Beschlußfassung über das Verfahren für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksachen 11/53, 11/55 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 73 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 74 C Aussprache zur Regierungserklärung Dr. Vogel SPD 74 B Dr. Waigel CDU/CSU 88 C Frau Schoppe GRÜNE 98 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 102B Roth SPD 111 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 115B Ebermann GRÜNE 117 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 120C Dr. Mitzscherling SPD 124 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 127 D Sellin GRÜNE 131 B Spilker CDU/CSU 132 D Vizepräsident Frau Renger 120 C Nächste Sitzung 134 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 135 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 135 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 51 4. Sitzung Bonn, den 18. März 1987 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Böhm (Melsungen)* 18. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Gröbl 18. 3. Grünbeck 20. 3. Grunenberg 20. 3. Kittelmann ** 18. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lemmrich ** 18. 3. Lenzer * 20. 3. Linsmeier 18. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Reddemann ** 18. 3. Dr. Scheer ** 18. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seehofer 20. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 13. März 1987 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. März 1987 der vom Deutschen Bundestag am 18. Februar 1987 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat.
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    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, wenn mir meine Vorredner da mit gutem Beispiel vorangegangen wären, würde auch ich das tun.

    (Sellin [GRÜNE]: Feige!)

    Ich bin Traditionalist. Wenn vorher einer eine Zwischenfrage zugelassen hätte, hätte auch ich das jetzt gemacht.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Jetzt hören Sie mal auf, Zwischenrufe zu machen
    — sage ich höflich — , und hören Sie mir mal einen Moment zu.

    (Zuruf von der SPD: Das lohnt sich nicht!) Die Einführung des linear-progressiven Tarifs


    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wissen Sie denn, was das ist?)

    erbringt 23,7 Milliarden DM Erleichterungen.

    (Zuruf von der SPD: Für wen denn?)

    Die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 53 % mit der Vorverlegung des Beginns der oberen Proportionalzone erbringt 1 Milliarde DM. Das sind 23,7 Milliarden DM für den kleinen, mittleren Lohn- und Einkommensteuerzahler,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Stimmt ja nicht!)

    und 1 Milliarde DM durch die Senkung des Spitzensteuersatzes. Dabei, meine Damen und Herren, habe ich noch außer acht gelassen, was leider auch bei unserem Koalitionspartner nicht immer so klar war,

    (Roth [SPD]: Wenn ich 1 Milliarde DM habe und Sie 1 000 DM, ist das im Schnitt ziemlich wenig!)

    daß der Spitzensteuersatz die Steigung des Einkommensteuertarifs bestimmt. Je niedriger der Spitzensteuersatz ist, um so flacher verläuft die Kurve und um so niedriger sind die Grenzsteuersätze. Daß das endlich mal begriffen wird, darauf hoffe ich sehr; denn das geht zugunsten der kleinen und mittleren Lohnsteuerzahler.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir haben aber nicht nur den Tarif gesenkt, sondern wir haben auch die Eingangstarife abgesenkt,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das Niveau haben Sie auch noch gesenkt!)

    von 22 auf 19 %. Dafür kann man 6,7 Milliarden DM ansetzen, und zwar ausschließlich im unteren Bereich der Einkommen- und Lohnsteuerskala; denn dort wirkt sich nur der Eingangstarif aus.
    Wenn man das mit der Erhöhung des Grundfreibetrages, wenn man das mit den Kinderfreibeträgen, die ebenfalls erhöht worden sind — übrigens, meine Damen und Herren, haben wir die Grundfreibeträge stärker erhöht als die SPD in ihrem Vorschlag vorgesehen hat — , zusammennimmt, haben wir für den durchschnittlichen Steuerzahler in der Tat die steuerliche Belastung im Jahr um tausend DM gesenkt, und sehr viele, nämlich rund 500 000 Steuerzahler, werden aus der Besteuerung überhaupt herausfallen.
    Wie man das noch eine unsoziale Reform nennen kann, entgeht meinem Verständnis.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Gesamtentlastung wird etwa 45 Milliarden DM betragen.

    (Zuruf von der SPD: Wann kommt die Mehrwertsteuererhöhung?)

    Wir haben eine Nettoentlastung von 25 Milliarden DM vereinbart; d. h. in jedem Fall wird die Nettoentlastung 25 Milliarden DM betragen. Davon ziehen wir rund 5 Milliarden DM auf den 1. Januar des nächsten Jahres vor. Daß Ihnen das alles so schwer runtergeht, kann ich ja verstehen. Aber wenn Sie ehrlich wären, wenn Sie wirklich etwas für den kleinen Lohnsteuerzahler machen wollten, müßten Sie das begrüßen, auch wenn es die Regierung macht, die Sie nicht wollen. Aber Sie begrüßen es nicht, weil es Ihnen egal ist. Sie wollen Ihre eigene Parteipolitik machen, während Ihnen der kleine Mann völlig schnuppe ist. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der SPD)

    — Man braucht ja nur einmal zu sehen, wo die SPD die meisten Wählerstimmen verloren hat.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    — In den Arbeiterbezirken haben Sie sie verloren.

    (Lachen bei der SPD — Vosen [SPD]: Herr Bangemann, im Ruhrgebiet besonders! — Zuruf von den GRÜNEN: Sie haben Millionäre gewonnen! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur allgemeinen Wirtschaftspolitik, insbesondere zur konjunkturellen Situation, machen. Es gibt eine breite Übereinstimmung — jedenfalls unter den Prognosen, die in den letzten Wochen gemacht worden sind — , daß der Wachstumstrend als solcher ungebrochen ist. Allerdings gehen die Ansichten über Tempo und auch über das Profil der weiteren Aufwärtsentwicklung auseinander, und zwar stärker, als wir das in den vergangenen Monaten verzeichnen konnten.

    (Zuruf von der SPD: Aha! — Zuruf von den GRÜNEN: Vor der Wahl!)

    Einige Prognostiker rechnen für den Verlauf des Jahres mit einer verhaltenen Expansion, andere, darunter auch der Sachverständigenrat, erwarten, daß sich der Wachstumsprozeß in der zweiten Jahreshälfte wieder beschleunigt. Mit einer Rezession rechnet niemand. Ich würde die verehrten Damen und Herren der Opposition sehr bitten, bevor sie neue Prognosen anstellen, erst einmal zu prüfen, wie weit Ihre Prognosen aus den vergangenen vier Jahren zutreffend waren. Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, daß die Chance, in einem großen Zahlenlotto einen Gewinn zu machen, erheblich höher ist, als eine richtige Konjunkturprognose von der SPD zu bekommen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Soell [SPD]: Wir sprechen uns wieder im nächsten Jahr!)




    Bundesminister Dr. Bangemann
    Jedenfalls sind die Äußerungen, der Aufschwung sei vorüber, unwahr; sie treffen nicht zu.
    Im übrigen sind sie natürlich auch nicht ungefährlich. Manchmal hat man das Gefühl: Deswegen werden sie ja gemacht.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die wollen das!)

    Jedermann weiß, daß die wirtschaftliche Entwicklung natürlich auch durch Erwartungen, durch Befürchtungen, durch Stimmungen beeinflußt wird. Deswegen stimmt es mich auch traurig, daß die Opposition, zum Teil auch die Gewerkschaften, durch eine solche Stimmungsmache dazu beitragen können — ob sie wollen, will ich dahingestellt sein lassen — , daß die konjunkturelle Entwicklung nachläßt. Das sollten Sie auch einmal überlegen, bevor Sie in Kassandra-Rufe ausbrechen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Witzbold!)

    Im übrigen haben wir im Jahreswirtschaftsbericht — ich würde Sie bitten, ihn nachzulesen; das war vor der Bundestagswahl — auf die Gefahren und Risiken, in die wir in diesem Jahr insbesondere durch die Veränderung außenwirtschaftlicher Daten kommen werden, deutlich hingewiesen. Wir haben uns also — das möchte ich deutlich sagen, damit keine weitere Legende entsteht — vor der Bundestagswahl sehr nüchtern mit dieser Situation auseinandergesetzt.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Und nichts getan!)

    In der Einschätzung dessen, was man tun muß, gehen unsere Meinungen auseinander. Die Opposition glaubt, es sei Anlaß genug gegeben, nun Konjunkturprogramme und ähnliche Dinge in Gang zu setzen. Wir sind nicht dieser Meinung, und zwar aus zwei Gründen: einmal deshalb, weil wir wissen, daß solche Programme, selbst wenn sie nötig wären, nichts bewirken, aber zum zweiten, weil wir wissen, daß sie auch nicht nötig sind.
    Wir haben nach wie vor sehr gute Rahmenbedingungen für die Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Also mach was daraus! )

    Die Preise sind stabil, wir haben im Produktionsbereich keine Engpässe, die Zinsen tendieren von einem sehr niedrigen Niveau aus weiter nach unten. Wir haben also keinerlei monetäre Friktionen.

    (Zuruf von der SPD: Die Arbeitslosen vergessen Sie wieder!)

    Ursache für die Verspannungen ist vielmehr, daß die binnenwirtschaftlichen Expansionskräfte, die vorhanden sind, durch außenwirtschaftliche Probleme überlagert werden, die mit der starken D-Mark und insbesondere dem schwachen Dollar zusammenhängen. Jedermann weiß, daß im Verhältnis zur amerikanischen Währung die D-Mark sich von März 1985 bis Anfang dieses Jahres um mehr als 80 To verteuert hat.
    Übrigens, nebenbei gesagt, Herr Roth und auch Herr Jens — wenn ich mich richtig erinnere, obwohl Herr Jens sachlichere Beiträge liefert; aber ich glaube, da war er auch mit dabei — : Sie haben sich einmal hier aufgeregt und aufgeplustert, daß der Augenwert der D-Mark gesunken sei, und haben das als ein Ausweis dafür genommen, daß die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung schlecht sei. Jetzt, wo der Außenwert der D-Mark enorm gestiegen ist, so hoch, daß wir selber damit Schwierigkeiten haben, nehmen Sie das natürlich nicht als Ausweis einer hervorragenden Position der Bundesregierung, sondern ganz im Gegenteil: Sie nehmen das als Zeichen einer falschen Währungspolitik. Es wäre, wenn Herr Vogel einmal eine Ursachenerforschung über Ihren Wahlmißerfolg anstellen würde, anzumerken, daß Sie mit Ihren wirtschaftspolitischen Überlegungen keinen einzigen Menschen überzeugt haben; und deswegen sollten Sie sich auch das einmal überlegen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Daß dadurch der deutsche Export belastet worden ist, das brauche ich hier nicht auszuführen, das kann sich jeder ausmalen, und daß dieser Anpassungsprozeß heute natürlich seine Auswirkungen auf Wachstumsraten hat, ist richtig und unbestreitbar. Dabei können wir nach wie vor die kräftige Expansion der Binnennachfrage in Rechnung stellen. Dadurch können wir den negativen Impuls von reichlich einem Prozentpunkt aus den außenwirtschaftlichen Beziehungen des vergangenen Jahres möglicherweise in diesem Jahr auf Null bringen. Wir haben dann aber kein Wachstum aus dem Export; das muß ausschließlich aus der Binnennachfrage kommen. Im übrigen ist das auch ein Beitrag zur Stabilisierung der Weltkonjunktur, zu dem wir immer wieder aufgefordert werden. Die Importe werden bei uns sehr viel stärker steigen als in den vergangenen Jahren.
    Wie rasch auch diese Situation sich wieder verändert, hängt natürlich sehr stark von den währungspolitischen Entwicklungen ab. Das Pariser Treffen, das schon mehrfach erwähnt worden ist, wird — so hoffen wir — zu einer Stabilisierung des Dollarkurses auf dem augenblicklichen Niveau beitragen. Aber ich füge hinzu: Das ist für mich nicht ausreichend. Denn der augenblickliche Wechselkurs beim Dollar entspricht nicht dem eigentlichen wirtschaftlichen Austauschverhältnis zwischen D-Mark und Dollar. Deswegen hoffen wir, daß sich auch dieses Verhältnis wieder zu unseren Gunsten verändert.
    Im Moment ist diese Situation auch ein Beitrag dazu, daß die ausufernde Protektionismusdebatte in den USA ein wenig gedämpft werden kann. Man darf nicht übersehen, daß die bessere Entwicklung amerikanischer Exportchancen natürlich einen vernünftigen Beitrag zu dieser Debatte darstellen kann. Wir begrüßen das, weil wir sonst wirklich in exportbehindernde Maßnahmen der Amerikaner hineingekommen wären, die ansteckend hätten wirken können.
    Ich möchte auch sagen: Wenn wir in diesem Jahr den Wachstumstrend fortsetzen können — dafür gibt es nach wie vor sehr gute Aussichten — , dann ist das wichtiger als ein halber Prozentpunkt mehr oder



    Bundesminister Dr. Bangemann
    weniger. Wir sind im fünften Jahr des Aufschwungs, und wir werden auch weiter im Aufschwung sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Bei zweieinhalb Millionen Arbeitslosen!)

    Ich möchte hier auch einmal deutlich machen, wer Verantwortung für die Entwicklung am Arbeitsmarkt trägt: einmal die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik, daneben die deutsche Wirtschaft mit ihren Investitionsentscheidungen; schließlich tragen aber auch die Tarifparteien mit den Abschlüssen, in diesem Jahr eine erhebliche Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich möchte nicht erleben, daß man jetzt ohne Rücksicht auf diese besonderen Bedingungen, auf die geschrumpften Spielräume, die wir in diesem Jahr haben, Lohnabschlüsse tätigt, die die Beschäftigung gefährden, und daß dieselben, die das getan haben, nachher der Regierung vorwerfen, sie tue nichts zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das kann auch nicht sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wir haben uns in den Koalitionsvereinbarungen auch ausführlich mit der Energiepolitik beschäftigt.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber mit den Arbeitslosen nicht! — Zuruf von der SPD: Reden Sie mal über Stahl! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Der rationelle und sparsame Einsatz von Energie ist ein ganz entscheidender Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft. Wenn dieser Wettbewerbsvorteil erhalten bleibt, dann kann man mit einer gesunden Wirtschaft auch die Arbeitslosigkeit besser bekämpfen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Wenn Sie diesen einfachen Zusammenhang endlich einmal begreifen würden! Sie haben jahrelang die Belastbarkeit der Wirtschaft getestet

    (Lambinus [SPD]: Mit euch! Wer war damals Wirtschaftsminister? — Weitere Zurufe von der SPD)

    und haben sich dann gewundert, daß dadurch Arbeitslosigkeit entstanden ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr richtig, das kann man nicht oft genug sagen!)

    Deswegen kümmern wir uns darum, daß die Versorgung mit Öl nicht nur sicher, sondern auch preiswert ist.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das haben Sie verdient?)

    Wir sind froh, daß wir insgesamt die Energiebezüge besser verteilen konnten, so daß die Sicherheit größer geworden ist.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir sagen nach wie vor: Kohle und Kernenergie — und zwar zusammen — bleiben das Rückgrat unserer Energiepolitik. Ich sage jetzt schon im Vorgriff auf
    Gespräche, die wir mit Nordrhein-Westfalen und dem Saarland führen werden — ich habe das schon vor der Bundestagswahl bei der Diskussion des Jahreswirtschaftsberichts warnend gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal beschwörend — : Wer diesen Zusammenhang zwischen Kernenergie und Kohle aufgibt, der gefährdet die Förderung und den Absatz der deutschen Steinkohle. Das muß sich jeder sagen lassen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Armer Riemer!)

    Wir wollen nach dem schrecklichen Unfall von Tschernobyl nicht über die Sicherheitsfragen hinweggehen. Das haben wir nie gemacht. Wir werden sie weiter prüfen, wir werden weiter dafür sorgen, daß die Sicherheit bei uns und bei anderen verbessert wird, wenn sie noch verbessert werden kann. Dabei muß man aber diesen Zusammenhang mit der Steinkohle berücksichtigen. Wir werden diese Kohlepolitik fortführen.
    Der deutsche Steinkohlenbergbau ist zum Teil wegen der geologischen Bedingungen, unter denen er arbeitet, zum Teil aber auch wegen unseres Lohnniveaus, international nicht wettbewerbsfähig. Dieser Nachteil der deutschen Steinkohle hat sich durch den Verfall der Energiepreise auf dem internationalen Markt noch verschärft, wobei zwei Faktoren kumulierend gewirkt haben: einmal der Verfall der Ölpreise durch das Überangebot und dann noch der Verfall des Dollars. Das zusammengenommen hat natürlich die Probleme der Steinkohle, die sowieso schon vorhanden waren, noch vergrößert.
    Meine Damen und Herren, wir haben schon in der früheren Regierung — wir werden das in dieser Regierung fortsetzen — immer wieder gesagt: Wir werden alles tun, um diese Wettbewerbsnachteile des Steinkohlenbergbaus auszugleichen, soweit man das haushaltsmäßig überhaupt verkraften kann. Eines muß aber auch richtig sein: Der Steinkohlenbergbau muß eigene Anstrengungen unternehmen, um die Kosten in seinen Revieren zu senken.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Macht er auch!)

    — Macht er auch. Die Bundesregierung, die diese Kohlepolitik fortsetzen will, kann die zurückgehende Nachfrage bei der Stahlindustrie und die zurückgehende Nachfrage im Wärmemarkt nicht völlig ausgleichen. Das ist nicht zu machen. Wer das macht, der tut dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Saarland keinen Gefallen. Hier liegt nämlich die Ursache dafür, daß das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern nicht so befriedigend ist wie in anderen Ländern. Wer einen Strukturwandel, der unvermeidlich ist, künstlich verzögert oder gar aufhalten will, behindert die Ansiedlung moderner zukunftsträchtiger Industrie und tut allen Arbeitern damit nichts zugute.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Westphal [SPD]: Lächerlich, was Sie da reden, Herr Bangemann! Gehen Sie mal ins Revier!)




    Bundesminister Dr. Bangemann
    — Ich kann Ihnen das an einzelnen Maßnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen nachweisen, und ich werde das auch noch tun.

    (Westphal [SPD]: Unglaublich, was Sie da reden! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Kaltschnäuzigkeit!)

    Meine Damen und Herren, die Subventionierung von Kohleexporten ist kein Beitrag zur Sicherheit der deutschen Energieversorgung. Wir müssen, wenn wir eine sichere Energieversorgung durch deutsche Steinkohle haben wollen, Steinkohle nicht subventioniert exportieren. Das ist, glaube ich, für jeden verständlich. Die hier vorhandenen Haushaltsbelastungen müssen wir abbauen, auch deshalb, weil uns die Kokskohlenbeihilfe in den nächsten Jahren zusätzlich Milliarden kosten wird.
    Deswegen ist es unvermeidlich, daß die deutsche Kohle diese Anpassungen ihrer Kapazität vornimmt. Das sind strukturelle Veränderungen. Diese Anpassungen werden wir sozial flankieren. Auch das haben wir in der Koalitionsvereinbarung deutlich gesagt. Jedermann kann sich darauf verlassen, daß das für den einzelnen erträglich bleibt, sosehr es für ihn ein schwerer Verlust ist, daß er nicht mehr auf seinem angestammten Arbeitsplatz wird arbeiten können.

    (Vosen [SPD]: Er wird arbeitslos!)

    Meine Damen und Herren, ich komme nun auf den Kohlepfennig zu sprechen. Ich habe den Kohlepfennig bis an die Grenze dessen heraufgesetzt, was ich nach den Beschlüssen des Parlaments selber tun konnte.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und jetzt wollen Sie das Gesetz ändern!)

    — Ich brauche das Gesetz nicht zu ändern, Herr Vogel!

    (Dr. Vogel [SPD]: Das hat der Kanzler versprochen!)

    — Wenn Sie das deutsche Parlament dazu bringen, die Beschlüsse zu fassen, die nach der bisherigen Rechtsgrundlage Beschlüsse des Parlaments sein müssen, dann kann ich damit leben; das ist nicht mein Problem.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ein feuriger Kämpfer!)

    Nur, ich muß Ihnen mitteilen, daß es eben — das haben wir hier heute schon gehört — nicht nur Nordrhein-Westfalen und das Saarland gibt, sondern auch eine Menge anderer Länder, und zwar nicht nur reiche Länder, die uns schreiben, sie wollten einen Kohlepfennig, aber einen Kohlepfennig, der Rücksicht auf ihre eigenen Energiekosten und Rücksicht darauf nimmt, daß sie selber an der Nutzung der billigen Kernenergie durch die Regierungspartei der beiden Revierländer gehindert werden. Auch das müssen Sie einmal verstehen. Daran geht kein Weg vorbei.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, kehren Sie doch zu den gemeinsamen Grundsätzen der Kohlepolitik zurück, dann können wir der Kohle helfen. Tun Sie doch nicht
    so, als ob wir der Kohle den Garaus machen wollten!

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Tönen Sie nicht so herum!)

    — Nein, das regt mich auf, weil es eine tiefe politische Heuchelei ist!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Unruhe bei der SPD — Jahn [Marburg] [SPD]: Luft anhalten!)

    — Ja, das ist es!

    (Abg. Vosen [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Setzen Sie sich wieder hin! Ich habe schon gesagt: Ich beantworte keine Zwischenfragen.
    Meine Damen und Herren, Sie setzen sich ja so für die Montan-Mitbestimmung ein. Da kann ich überhaupt nicht verstehen, daß man an dem Wahlverfahren Kritik übt. Ich fand es schon ein starkes Stück, von „radikalen Minderheiten" zu sprechen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer hat denn davon gesprochen?)

    — Sie haben davon gesprochen!

    (Dr. Vogel [SPD]: Hören Sie einmal zu! Putzen Sie die Ohren!)

    — Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. (Dr. Vogel [SPD]: Lesen Sie es erst einmal!)

    Bei der Verbesserung des Betriebsverfassungsgesetzes haben Sie unsere Vorschläge zur Verbesserung der Wahlrechte von Minderheiten kritisiert und von radikalen Minderheiten gesprochen, die wir sonst —

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Mit Recht kritisiert, jawohl!)

    — Ja, gut, wenn Sie es jetzt bestätigen, schreien Sie doch nicht dazwischen, wenn ich etwas sage. Dann ist es ja so!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wer schreit denn hier?)

    Jetzt frage ich mich, meine Damen und Herren: Was für ein Demokratieverständnis einer Partei, die mehr Demokratie wagen will, ist es, wenn man den Arbeitern und Angestellten eines Betriebes nicht einmal die Möglichkeit gibt, ihre Vertreter auszuwählen, sondern wenn die von außerhalb des Betriebes, von den Gewerkschaften, entsandt werden?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Lappas!) Was für ein Demokratieverständnis ist das!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir werden deswegen unsere Vorschläge unter Berücksichtigung dieser Notwendigkeiten vorlegen.

    (Kuhlwein [SPD]: Sozialdarwinist!)

    Wir werden den Verstromungsfonds konsolidieren
    und die Erfüllung des Jahrhundertvertrages sichern.
    Dazu werden wir mit allen Beteiligten verhandeln



    Bundesminister Dr. Bangemann
    müssen. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß Sie dabei ein wenig konstruktiv sind; denn wenn diese schwierigen Verhandlungen scheitern, leidet darunter der deutsche Bergbau, niemand sonst.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Da muß Herr Rau Nachhilfeunterricht kriegen, damit das klappt! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das hilft nichts!)

    Meine Damen und Herren, wir müssen dabei auch berücksichtigen, daß — darüber wird ja immer wieder gesprochen — der regionale Ausgleich gewährleistet werden muß. Ich will einmal das Beispiel der Küstenländer nehmen. Wir haben vor kurzem den Küstenländern über ein besonderes Programm Hilfen zum Ausgleich der Nachteile, die durch die schwierige Situation der Werftindustrie entstehen, geboten. Wenn wir den Kohlepfennig so erhöhen würden — und in der Struktur unverändert ließen — , wie es nach der jetzigen Finanzlage des Kohlefonds notwendig wäre, würden wir den doppelten Betrag dessen, was wir den Küstenländern auf diese Weise gegeben haben, von ihnen wieder zurückverlangen. Das sind die nackten Zahlen, und deswegen muß man sich schon ein paar Gedanken machen, wenn man damit umgehen will.

    (Vosen [SPD]: Welche Zechen wollen Sie zumachen?)

    Das gilt auch für die Situation beim Stahl. Nach zwei Jahren einer zumindest für die deutschen Stahlunternehmen einigermaßen befriedigenden Situation hat sich die Lage wieder verändert. Die Situation ist schlechter. Mengen und Preise sind zurückgegangen.
    Die Europäische Kommission schätzt, daß in der gesamten Gemeinschaft Überkapazitäten zwischen 20 und 30 Millionen Jahrestonnen bestehen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß die Industrie selber in dieser Situation eine Initiative ergriffen hat, in Eurofer, wo nicht alle Unternehmen zusammengeschlossen sind, um den Versuch zu machen, auf freiwilliger Basis solche Überkapazitäten stillzulegen,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Die sie selber geschaffen haben!)

    wobei die Erlöse für den Verkauf von Quoten dazu dienen sollen, diese Stillegungen zu finanzieren, im besonderen auch im sozialen Teil. Ich habe das begrüßt; denn, meine Damen und Herren, hier gilt wie auch in der Schiffbauindustrie: Ich kann nicht, kein Mensch kann über lange Jahre hinweg Überkapazitäten aufrechterhalten, die keinen Markt haben.

    (Zuruf von der SPD: Wieso können das die Franzosen denn?)

    Ich kann das nicht, und niemand kann es. Übrigens kann es auch die Landesregierung von NordrheinWestfalen nicht; auch die Landesregierung des Saarlandes kann es nicht. Zum Beispiel schon bei der Finanzierung einer Stahlstiftung in Nordrhein-Westfalen erklärt die dortige Landesregierung: Ja, finanziell können wir dazu natürlich nicht beitragen. Was hätten Sie gesagt, wenn die Bundesregierung das gesagt hätte? Wir sind bereit, alles zu tun, um diese Stillegungen zu flankieren. Deswegen haben wir uns
    im Ministerrat damit durchgesetzt — obwohl wir ursprünglich eine andere Auffassung hatten — , daß die Quotenregelung verlängert wird. Denn natürlich kann dieser Plan nur funktionieren, wenn Quoten handelbar werden. Aber sie sind nicht handelbar, wenn sie sofort abgeschafft werden. Wir werden das auch weiter begleiten. Ich bin dafür und werde mich dafür einsetzen, daß diese Quotenregelung verlängert wird, die wahrhaftigen Gottes ja nun nicht gerade marktwirtschaftlich ist,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!) damit diese Möglichkeit entsteht.

    Wir werden uns auch flankierend für Sozialmaßnahmen aus dem Montanunionsvertrag einsetzen. Am 19. März, also morgen, werden wir uns darüber zu unterhalten haben. Wir haben jetzt schon national die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf 36 Monate verlängert. Wir werden auch weiter die Hilfen nach Art. 56 EGKSV bezahlen. Wir prüfen auch, ob wir diese Leistungen verbessern können; auch das können wir tun. Aber eines kann man beim besten Willen nicht, und das kann niemand, der ernsthaft diese Politik betreibt: Ich kann nicht jeden Stahlstandort, auch nicht im Kern, garantieren. Das ist es, was Sie mal überlegen müßten.
    Fühlen Sie denn nicht, daß Sie mit diesen Hoffnungen, die Sie da erwecken — wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie sagen: niemand kann sie erfüllen — die Situation dieser Menschen noch trostloser machen, die glauben, daß ein solcher Stahlstandort, obwohl die Industrie überdimensioniert ist, erhalten werden kann, die sich auf Sie verlassen und nachher erkennen müssen, daß es so nicht gehen kann? Ich bin für eine Politik der Ehrlichkeit. Ich halte das für menschlicher, als unhaltbare Versprechungen zu machen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Vosen [SPD]: Warum haben Sie das denn nicht vor der Wahl gesagt?)

    — Ich habe das alles vor der Wahl gesagt; im Jahreswirtschaftsbericht steht das. Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe eine Sitzung im Planungsausschuß gehabt. Dort haben wir eine Verlängerung des Stahlstandorteprogramms bereits angekündigt. Wir haben jetzt beschlossen: Das Stahlstandorteprogramm wird verlängert. Aber Sie nehmen ja nicht zur Kenntnis, was wir machen;

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Die wollen es nicht zur Kenntnis nehmen!)

    das ist doch das Problem. Es mag sein, daß unzureichend ist, was wir machen. Es mag auch sein, daß wir manches falsch machen; das will ich nicht ausschließen, das kann ich nicht ausschließen. Der Dialog zwischen Regierung und Opposition muß darin bestehen, daß die Opposition die Regierung auf Fehler aufmerksam macht. Ich bin frei davon, zu behaupten, daß wir keine Fehler machen können.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Dann sagen Sie mal, was Sie in den letzten vier Jahren falsch gemacht haben!)

    Nun, meine Damen und Herren: Dieser Dialog kann
    nur sinnvoll sein, wenn Sie die Kraft haben, das auch
    anzuerkennen und mitzutragen, was wir richtig



    Bundesminister Dr. Bangemann
    machen. Denn auch das kommt vor, daß wir etwas richtig machen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Darauf warte ich schon vier Jahre!)

    Meine Damen und Herren, zu diesem Bild gehört auch, was die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen falsch macht. Ich darf das mal sagen. Ja, wundert man sich denn, wenn sich neue, jüngere Industriebetriebe in Baden-Württemberg oder in Bayern ansiedeln, wenn sie in Nordrhein-Westfalen Bedingungen vorfinden, die sie nicht akzeptieren können?

    (Zurufe von der SPD)

    Ich will Ihnen das sagen: Sie unterhalten sich in Nordrhein-Westfalen immer noch, ob der Abstandserlaß der Landesregierung nicht die verfügbaren Gewerbegrundstücke ungebührlich verringert und damit die Unternehmens- und Arbeitsplatzentwicklung behindert. Sie haben Ihre Schwierigkeiten mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Was soll man denn dazu sagen, daß einer der frequentiertesten Flugplätze der Bundesrepublik nicht durch eine Autobahn angebunden ist, nein, daß die Autobahn bis zum Rhein geht, und sich dann die Landesregierung weigert, eine Brücke über den Rhein zu bauen? Ist das Industrieansiedlungspolitik? Da faßt man sich an den Kopf.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ihr Finanzminister in Nordrhein-Westfalen gibt ja zu, daß sein Land verschuldet ist, und er greift zu Maßstäben, die man in einem anderen Subkontinent suchen muß, den ich jetzt nicht benennen will, weil das im Augenblick zu ungebührlichen diplomatischen Schwierigkeiten führen könnte.

    (Dr. Vogel [SPD]: Oh, der Diplomat!)

    Sie sagen: Wir sind bis über den Hals verschuldet. Aber kein Mensch kommt auf die Idee, einmal darüber nachzudenken, warum das so ist und ob man das nicht ändern sollte, kein Mensch!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ihre eigenen Universitäten und Forschungseinrichtungen rechnen Ihnen vor, daß sie gar keine Bücher mehr haben.

    (Zurufe von der SPD)

    Und dann stellen Sie sich hierhin und wollen uns Ratschläge geben. Das ist schon toll; das muß ich schon sagen. Nicht mal Bücher können Sie bezahlen, meine Damen und Herren!

    (Zustimmung bei der FDP — Kuhlwein [SPD]: Sie brauchen doch keine! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sie können doch gar nicht lesen!)

    Meine Damen und Herren, es kommt hinzu, daß Sie über die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen immer noch Illusionen haben. Niemand — auch eine Stahlstiftung vermag das nicht — kann Ersatzarbeitsplätze schaffen, die auf Dauer rentabel sind. Das können nur Unternehmen, und Unternehmen können es nur, wenn sie vernünftige Rahmenbedingungen dafür vorfinden.
    Meine Damen und Herren, deswegen wollen wir uns z. B. bei Eureka, im Rahmen unserer Forschungspolitik sowie bei der Luft- und Raumfahrtpolitik engagieren; denn wir wissen, daß damit neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstehen. Das ist nicht — falls Sie das wieder annehmen — eine Frage von Nord und Süd; aber wenn es tatsächlich der Fall sein sollte, dann ist es höchstens eine Frage des Nordens, denn dort existieren sehr viel mehr Arbeitsplätze — die durch den Airbus entstanden sind — als im Süden.
    Dieses Engagement werden wir auch durch die Fortsetzung unserer Politik für den Freihandel ergänzen. Hier haben wir die neue GATT-Runde erreicht. Es kommt darauf an, sie zu einem Erfolg zu machen.
    Wenn wir all das tun, meine Damen und Herren, dann darf natürlich nicht vergessen werden, daß dabei auch die innere Verfassung unserer Gesellschaft und unserer Republik eine Rolle spielen wird; denn Menschen, die in einer Republik leben, in der sie Entfaltungsraum finden, sind natürlich eher bereit, an ihre Zukunft zu glauben.

    (Vosen [SPD]: 3 Millionen Sozialhilfeempfänger!)

    Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Ein Staat, der darauf achtet, daß dieser Freiheitsraum erhalten bleibt, beteiligt sich nicht an der Diskussion über Sinnstiftung, sondern stellt Bedingungen her, unter denen die Menschen frei entscheiden können, worin sie Sinn sehen.

    (Vosen [SPD]: Die Sozialhilfeempfänger besonders!)

    Zum Abschluß möchte ich mich ein wenig mit dem beschäftigen, was Frau Schoppe gesagt hat und was die GRÜNEN in den Diskussionen ja auch weiter vortragen.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Jetzt sind wir gespannt!)

    Ich bin nicht Ihrer Meinung, aber ich finde es gut, daß Sie in der Bundesrepublik leben; denn damit leben Sie in einem der wenigen Staaten, in denen Sie Ihre Meinung nicht nur artikulieren, sondern auch im Parlament durchsetzen können. Sie sind hierher gewählt worden; das ist wahr. Ungefähr drei Millionen Menschen haben Sie gewählt. Aber, meine Damen und Herren, drei Millionen Menschen haben Sie in ein Parlament eines demokratischen Rechtsstaats gewählt. Diese Menschen erwarten von Ihnen nicht nur Einsatz in Sachfragen, sondern auch, daß Sie die Freiheit des demokratischen Rechtsstaates mit uns zusammen verteidigen. Dazu gehört zweierlei.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Das ist Ihnen unangenehm; das weiß ich.
    Ich habe bei drei Debatten — zwei davon waren im Fernsehen zu sehen — versucht, mit führenden Mitgliedern — wenn der Ausdruck erlaubt ist; jedenfalls mit Mitgliedern, die Sie dort hingeschickt haben —,

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU) die Frage zu klären


    (Zurufe von den GRÜNEN)




    Bundesminister Dr. Bangemann
    — ich will mich ja nicht in die Frage der Elitebildung einmischen — : Wie halten Sie es nun mit der Gewalt? Das ist in der Tat eine Kernfrage. Da lohnt sich auch ein Blick zurück in die Geschichte; denn jedenfalls eine deutsche Demokratie ist daran gescheitert, daß diejenigen, die in den Parlamenten saßen und die Demokratie verteidigen wollten, ohnmächtig waren, weil es sehr viele andere gab, die glaubten, sie könnten ihre politischen Ziele mit Gewalt durchsetzen. Wenn Sie deswegen im Interesse eines demokratischen Rechtsstaats hier sitzen wollen, dann bereinigen Sie das mit der Gewalt mal.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das zweite ist dies: Wenn Sie so für Menschlichkeit eintreten, wie Sie das hier tun, und wenn Sie — wie das heute wieder zum Ausdruck kam — glauben, daß die neue Menschlichkeit bei Ihnen zu Hause ist, dann räumen Sie anderen, die anderer Meinung sind, doch wenigstens mal das Recht auf Irrtum ein.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Ja, selbstverständlich!)

    Sie behandeln andere, wie Missionare früher einmal die Ungläubigen behandelt haben: von oben herab, überzeugt davon, daß nur das richtig ist, was Sie selber glauben. Aber das ist fast noch undemokratischer als die Bejahung der Gewalt; denn Demokratie lebt von der Toleranz. Und Toleranz heißt: Ich selber kann mich irren, und ich muß dem anderen zeigen, daß ich nicht an meinen dogmatischen Auffassungen festhalte, sondern ihn als Demokrat würdige. Das wünsche ich mir für diese Legislaturperiode.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wieso schreit er so?)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vom Herrn Bundeswirtschaftsminister viel gehört. Nur eines habe ich nicht gehört: wie die 2,5 Millionen registrierten Arbeitslosen und wie die weitere eine Million nicht registrierten Arbeitslosen in den nächsten vier Jahren von der Straße kommen sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben 27 Minuten gebraucht, bis überhaupt die Arbeitslosigkeit zur Sprache kam. Sie hatten vorher Zeit, über alles mögliche zu reden, aber nicht über das Hauptexistenzproblem in der Bundesrepublik Deutschland.
    Sie wußten sogar etwas zur Sprecherentscheidung der SPD zu sagen. Als Vorsitzender einer Partei mokieren Sie sich über Vorgänge in der SPD, obgleich Ihr Landesverband Berlin derzeit im Chaos ist. Sorgen Sie also für Ihren Verein, bevor Sie der alten, bewährten SPD auf diesem Gebiet Vorhaltungen machen!

    (Beifall bei der SPD)

    Mir kommt es sowieso komisch vor, daß sich ein Liberaler über die Tatsache mokiert, daß jemand Frau ist, daß jemand, obgleich Jahrzehnte hier gelebt hat,
    noch einen ausländischen Paß hat, daß jemand Sprecher der SPD wird, obgleich er nicht von Anfang an ihr Mitglied ist. Ihren Liberalismus können Sie bei der Geschichte in die Tasche stecken. Da haben wir inzwischen mehr politischen Liberalismus aufgenommen und praktiziert, als Sie ihn bewahrt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe gesagt, wir haben keine Perspektiven gehört. Ich weiß nicht, wie jetzt die Antwort des Bundeswirtschaftsministers in bezug auf die Massenarbeitslosigkeit lautet.
    Wie geht es in der Landwirtschaft weiter?

    (Zuruf von der SPD: „Weiter so, Deutschland" ! )

    Das wurde angesprochen, aber ich habe keine Antwort gehört. Wir wissen — das sage ich auch in Richtung auf die CDU/CSU —, daß sich die deutschen Landwirte in der schwersten Existenzkrise seit Gründung der Republik befinden. Wir Sozialdemokraten sind in unserer Geschichte keine Partei der Agrarier gewesen. Aber wir waren stets eine Partei der sozial Benachteiligten und Bedrängten. Deshalb ist das Landwirtschaftsproblem für uns auch gleichzeitig ein Problem, das in der Tradition der Sozialdemokratischen Partei gelöst werden muß.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich sage das jetzt nur in Richtung auf die CDU/CSU, weil ich insofern von der FDP und vom Wirtschaftsminister nichts mehr erwarte: Wir sollten jetzt über eine neue Agrarpolitik nachdenken und aufhören, diese Polemik gegeneinander auf dem Rücken der Landwirte zu führen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Worum geht es? Jeder von uns, der wirtschaftspolitische Verantwortung trägt, weiß, daß den deutschen Landwirten mit aktiver Preispolitik nicht mehr zu helfen ist. Das scheitert in Europa. Jeder von uns weiß, daß der bäuerliche Familienbetrieb nur mit direkten, flächenbezogenen, ökologisch ausgerichteten Einkommensübertragungen zu sichern ist. Wir wollen den Bäuerinnen und Bauern, die sich in vielen Fällen zu Tode schuften, helfen. Meine Meinung ist — nehmen Sie unser Angebot an der Stelle auf — : Wir müssen wegkommen von Spiegelfechtereien gegen Brüssel und zu einem Agrarkonzept kommen, mit dem der bäuerliche Familienbetrieb gerettet werden kann. Ich sage bewußt: gerettet werden kann; es ist fünf Minuten nach zwölf.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann gehört es dazu, daß man Mut hat. Was ist das für eine CDU-Fraktion, die ihren früheren Wirtschaftssprecher Narjes so in den Senkel stellt, obgleich er nur die Wahrheit ausgesprochen hat, die Matthöfer ausgesprochen hat oder die Stoltenberg ausspricht, daß mit der Explosion der Agrarkosten in Europa, Europa nicht zu halten ist? Deshalb ist eine Änderung der Agrarpolitik notwendig. Wir sind dazu bereit.

    (V o r s i t z: Vizepräsident Frau Renger)

    Meine Damen und Herren, zum Stahlbereich. Herr Bangemann, Sie haben sich über die SPD mokiert und gesagt, sie werde vor allem im Arbeitnehmer-, im



    Roth
    Arbeiterbereich nicht ausreichend gewählt. Ich will Ihnen nur einmal ein Wahlergebnis eines Kollegen vortragen, der hier im Raume sitzt. Das ist ein StahlWahlkreis: Duisburg. Helmut Wieczorek hat 60 % der Stimmen bekommen. Ihre Partei hat in diesem Arbeiterbezirk 2,8 % bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die CDU, die Arbeiterpartei des Herrn Blüm, wie er sich neuerdings geriert, hat 27 % bekommen. Der Herr Blüm, der neue Arbeiterführer, .als der er sich vorgeführt hat, hat in Dortmund 29 % bekommen. Also lassen Sie das in Ruhe. Sie hätten auf dem Münsterplatz in Bonn letzte Woche Solidarität mit den Arbeitnehmern aus dem Stahlbereich demonstrieren können.

    (Beifall bei der SPD)

    Da war kein Mitglied der CDU, da war kein Mitglied der CSU, da war keiner von der FDP. Sie haben die Stahlarbeitnehmer alleingelassen. Jedenfalls hat uns das gestern ein Betriebsrat der Thyssen AG so in unserer Fraktion gesagt.