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ID1100402200

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    Plenarprotokoll 11/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Bahr 51 A Einspruch des Abg. Stratmann gegen den Ausschluß am 12. März 1987 51 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 51 B Beschlußfassung über das Verfahren für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksachen 11/53, 11/55 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 73 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 74 C Aussprache zur Regierungserklärung Dr. Vogel SPD 74 B Dr. Waigel CDU/CSU 88 C Frau Schoppe GRÜNE 98 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 102B Roth SPD 111 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 115B Ebermann GRÜNE 117 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 120C Dr. Mitzscherling SPD 124 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 127 D Sellin GRÜNE 131 B Spilker CDU/CSU 132 D Vizepräsident Frau Renger 120 C Nächste Sitzung 134 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 135 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 135 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 51 4. Sitzung Bonn, den 18. März 1987 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Böhm (Melsungen)* 18. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Gröbl 18. 3. Grünbeck 20. 3. Grunenberg 20. 3. Kittelmann ** 18. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lemmrich ** 18. 3. Lenzer * 20. 3. Linsmeier 18. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Reddemann ** 18. 3. Dr. Scheer ** 18. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seehofer 20. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 13. März 1987 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. März 1987 der vom Deutschen Bundestag am 18. Februar 1987 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Waltraud Schoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Gut, dann kann ich die Steuerpolitik noch mit hineinnehmen.
    Zur Steuerpolitik haben Sie 1983 Ihre Absicht erklärt, Steuern als ein Lenkungsinstrument für eine ökologische Wirtschaft einzusetzen. Sie betonten, daß es sich für die Chemieindustrie nicht mehr lohnen sollte, umweltgefährdend zu produzieren. Betrachte ich mir unter diesem Gesichtspunkt die neue Regierungserklärung, kann ich nur sagen: Nichts, NullEmission. Sie verzichten ausdrücklich darauf, Steuern als ein klassisches Instrument staatlicher Politik zur strukturellen Steigerung der gesellschaftlichen Entwicklung einzusetzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Sie haben die Steuerpolitik auf eine Morgengabe für Ihre Wirtschaftsklientel reduziert.

    (Conradi [SPD]: Bestechung!)

    Verteilungspolitisch kommt dabei heraus, daß Sie den Spitzenverdienern einen Mercedes vor die Tür stellen, während sich die Mehrheit der Steuerzahler lediglich ein paar Tüten Pommes frites mehr erlauben kann.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Warum diskriminieren Sie BMW?)




    Frau Schoppe
    Wirtschaftspolitisch ist das Ganze nicht nur unfruchtbar, sondern fatal, weil auch völlig unklar bleibt, wie Sie diese Steuersenkung finanzieren wollen.

    (Zuruf von der FDP: Warten Sie mal ab!)

    Beziehen Sie die neuesten Prognosen der Wirtschaftsinstitute ein, die klar und deutlich davon ausgehen, daß die Bundesrepublik in ein neues Konjunkturtief hineingeht, was die staatlichen Einnahmen in den nächsten Jahren noch zusätzlich verringern wird, dann wird der Sinn Ihrer Steuerpläne noch fragwürdiger.
    Weiter reden Sie von einem Kassensturz 1989, als dessen Folge Sie zusätzliche Leistungen für Familien, Alte und sozial Benachteiligte austeilen wollen. Beim Kassensturz — das sage ich Ihnen jetzt schon voraus — werden Ihnen die Millionen fehlen, statt Verbesserungen wird bei denen, die wirklich materielle Unterstützung brauchen, weiter gespart werden. Das kennen wir ja schon.
    Ich wollte noch kurz auf die Sicherheitspolitik eingehen. In der Außen- und Sicherheitspolitik — das hat die Debatte in der Aktuellen Stunde gezeigt — halten Sie an der Ideologie der Abschreckung durch Verteidigungsfähigkeit fest. Für mich ist die beste Sicherheitspolitik ein vertrauensvolles Miteinander aller Völker. Ihre Vergleiche, Herr Kohl, zwischen Gorbatschow und Goebbels, Ihre Diskussionen, die in dem Ausspruch „Schlesien ist unser" gipfelten, und der SDI-Vertrag haben das Verhältnis zur Sowjetunion so stark beeinträchtigt, daß wir froh sein können, daß es trotz Ihrer Politik heute zu Verhandlungen über den Abzug von Mittelstreckenraketen kommt.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der FDP: Wegen!)

    Ich habe noch eine Frage an Herrn Wörner, der allerdings nicht da ist. Aber ich will Ihnen das auch sagen: Ich möchte mal wissen, was eigentlich an den Gerüchten dran ist: Wenn die landgestützten Mittelstreckenraketen hier abgezogen werden, dann wird eventuell im Bereich der -flugzeuggestützten Cruise Missiles nachgerüstet. Dies läuft als Gerücht herum, und diese Frage möchte ich gerne von Herrn Wörner beantwortet haben. Der soll mal hier auf den Tisch legen, woran bei ihm und in der NATO gebrütet wird. Wir haben ein Recht darauf, informiert zu werden, und zwar schnell.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Ronneburger [FDP]: Sie sollten nicht so viel auf Gerüchte hören!)

    Wer, meine Damen und Herren — das ist doch die Frage — , wird die Krisen der Zeit bewältigen? Die Sozialdemokratie ist immer noch die Partei des Fortschritts und der Staatsfixiertheit. Die SPD war — und wenn ich den Streit um Nukem und Alkem betrachte, ist sie es immer noch — eine Partei, die nur gezwungenermaßen zu den Folgeproblemen des Industrialismus Stellung bezieht. Meine Damen und Herren von der SPD, vor allem an Ihnen wird es liegen, ob es gelingt, eine Alternative zum Kohlschen Immobilismus in Regierungshandeln umzusetzen.

    (Conradi [SPD]: Der Meinung sind wir auch!)

    Sie müssen sich bereit finden, sich aus der starren Logik Ihrer Menschheitsbeglückungspolitik von oben zu lösen. Sie können so den Weg mit freimachen für massenhafte Kritik und eine nicht länger nur beunruhigende Idee des Fortschritts, in dessen Zentrum dann der sich selbst verwirklichende einzelne stehen kann. Auf einer solchen Grundlage wäre eine Zusammenarbeit möglich. Ich muß hier nicht betonen, daß aus dieser Position einer Bereitschaft zu Koalitionen auf keinen Fall folgt, daß die GRÜNEN als prinzipienlose Mehrheitsbeschaffer à la FDP zu mißbrauchen sind.

    (Gattermann [FDP]: Herr Präsident, das war eine Beleidigung! Bitte rügen!)

    Ich glaube, dieses Gerücht hat Hessen widerlegt: Mit den GRÜNEN jedenfalls ist der Einstieg in die Plutoniumwirtschaft nicht zu machen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Ausstieg aus der Kernenergie ebenso wie der Verzicht auf den Bau der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf sind unverzichtbare Forderungen der Politik der GRÜNEN.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung. Die Regierung, Herr Kohl, hat in den letzten vier Jahren verstärkt versucht, ihre konzeptionelle Ideenlosigkeit dadurch zu überdecken, daß Sie an die alten deutschen Tugenden, Disziplin, Pflichtbewußtsein, Opferbereitschaft und nationale Loyalität, appelliert haben. Heute morgen ging es übrigens viel um Sinn, es ging um Sinnhaftigkeit, Sinn des Lebens. Ich habe das Gefühl: Je schlimmer die Probleme in dieser Gesellschaft werden, um so mehr kommen Sie mit dieser Ideologie von Geborgenheit, von Wärme und von Sinnhaftigkeit und Sinn. Unter diesem Aspekt wäre dann die Rede heute morgen sinnvoll gewesen.
    Zugleich haben Sie versucht, wie Hans Mommsen das im „Merkur" im letzten Jahr so schön gekennzeichnet hat, die Rekonstituierung einer 1 000 Jahre alten deutschen Geschichte jenseits des Nationalsozialismus herbeizureden. Dieser Versuch, das Herunterspielen des deutschen Faschismus und zugleich das — auch von Ihnen nicht energisch widersprochene — Wiederaufleben antisemitischer Grundgedanken in der Öffentlichkeit haben das Ziel — ich zitiere meinen früheren Kollegen, den berühmten Hans-Christian Ströbele —,

    (Gattermann [FDP]: Berüchtigten!)

    „... das Erinnern und die Fähigkeit zu trauern, bei den Menschen in der Bundesrepublik als Bedingung für eine demokratische Entwicklung zu zerstören." Unser grünes Projekt ist eindeutig auf die Einsicht festgelegt, daß jeder nach-faschistische deutsche Staat ohne die radikale Kritik an den 12 Jahren verbrecherischer Geschichte keine Chance hat, eine fortschrittliche Zukunft zu begründen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Fraktion wird unsere Anträge zur Wiedergutmachung für die vergessenen Opfer des Nationalsozialismus und für die Zwangsarbeiter sowie zur Streichung der Gesundheitsgesetze wieder einbringen, und wir werden unsere Kritik an den Plänen der



    Frau Schoppe
    Regierung für historische Museen in Berlin und Bonn fortsetzen.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Aber ich gehe noch einen Schritt weiter: Daß das Entwickeln einer . demokratischen Alternative zum Scheitern des politischen Liberalismus — — Oh, Moment, ich fange noch einmal an.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Falsche Seite! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Seien Sie hier mal still, stellen Sie sich hier erst einmal hin und reden.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das macht der nie! — Dr. Vogel [SPD]: Habt ihr euch vielleicht noch nie versprochen? Herr Gott, so etwas Kindisches! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Das macht der nie, da hat er Angst, bleibt sitzen und quaddelt aus dem Hintergrund. — Aber ich gehe noch einen Schritt weiter: Ich weiß, daß das Entwickeln einer demokratischen Alternative zum Scheitern des politischen Liberalismus im Faschismus ebenso wie eine demokratische Alternative zum Zerbrechen aller Hoffnungen auf Sozialismus im Stalinismus entscheidend davon abhängt, daß es uns gelingt, aus dem Erinnern eine lebenswerte Zukunft zu entwickeln.

    (Gattermann [FDP]: Können Sie das noch einmal vorlesen? Das habe ich noch nicht verstanden!)

    — Sie können es ja nachlesen, Herr Kollege. Beim dritten Mal versteht es dann auch der letzte. —

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Der weiß gar nicht, was das ist!)

    Adorno hat das in seinen „Minima Moralia " für mich sehr überzeugend beschrieben:
    Das Grauen des Faschismus ist das der offenkundigen und doch fortbestehenden Lüge. Während es keine Wahrheit zuläßt, an der es gemessen werden könnte, tritt im Unmaß seines Widersinns die Wahrheit negativ zum Greifen nahe.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft, Martin Bangemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Vogel hat heute nachmittag in seiner Rede einen richtigen Satz vorgetragen,

    (Lachen und Zurufe von der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Was, einen?)

    als er darauf verwies, daß die Parteien, die die Regierungskoalition bilden, in einer demokratischen, freien Wahl eine Mehrheit zur Fortsetzung ihrer Politik bekommen haben, während die SPD und die GRÜNEN diese Mehrheit, die sie erstrebt haben, nicht bekommen haben.
    Nun genügt das natürlich nicht. Ich jedenfalls würde mich nicht damit zufriedengeben, festzustellen, ob ich eine Mehrheit habe oder nicht oder ob ich
    in der Minderheit geblieben bin. Vielmehr würde ich mir einmal die Frage vorlegen, warum ich in der Minderheit geblieben bin. Das habe ich an dem, was Sie vorgetragen haben, Herr Vogel, ein wenig vermißt. Sie haben sich mit angeblichen Schwächen derjenigen befaßt, die eine Mehrheit bekommen haben, und wollen dem Wähler doch wohl nicht unterstellen, daß diese Mehrheit wegen dieser „Schwächen" zustande gekommen ist. Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich einmal mit der Frage beschäftigt, warum Sie in der Minderheit geblieben sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen, wie sinnvoll und produktiv das sein kann. Sie haben z. B. dem Bundeskanzler vorgeworfen, er habe Führungsschwäche gezeigt.

    (Zuruf von der SPD: Aber mit Sicherheit! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Ja, wunderbar, Sie bestätigen das noch einmal. Dann darf ich Ihnen jetzt eine dpa-Meldung von heute nachmittag vorlesen:
    Das Vorstandsmitglied der SPD-Bundestagsfraktion Hans-Jürgen Wischnewski hat die Ernennung von Margarita Mathiopoulos zur neuen SPD-Sprecherin eine Fehlentscheidung genannt

    (Lambinus [SPD]: Debattieren wir über die Regierungserklärung, oder was?)

    und von einer Führungskrise seiner Partei gesprochen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Sind Sie Wirtschaftsminister, oder was? — Kittelmann [CDU/CSU]: Wir reden über alles! — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Papandreou!)

    Dem „Kölner Express" — Donnerstagsausgabe — sagte Wischnewski, offensichtlich sei das gesamte Präsidium der SPD, Willy Brandt eingeschlossen, im Moment nicht in der Lage, den Führungsaufgaben im notwendigen Maße gerecht zu werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der Mann hat recht! — Dr. Vogel [SPD]: Kümmern Sie sich lieber um Ihre Sachen! — Lambinus [SPD]: Ablenkung!)

    Jetzt kommt ein wörtliches Zitat — mit Anführungsstrichen unten und später dann oben — :
    „Es ist einfach unerträglich,
    — sagt Herr Wischnewski —
    daß die SPD. vor wichtigen Landtagswahlen mit Personaldebatten beschäftigt ist. Das kann nicht bis 1988 so weitergehen."

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Recht hat er!)




    Bundesminister Dr. Bangemann
    Er sei sicher, daß sich in allerkürzester Zeit der SPD-Vorstand mit der Führungskrise der Partei beschäftigen werde.

    (Dr. Vogel [SPD]: Kümmern Sie sich um die Berliner FDP-Stimmenfälscher, mein Lieber!)

    Die Führungsfragen der SPD müssen jetzt geklärt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Da grinst der Kohl! — Lambinus [SPD]: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

    Ich habe mit dieser Feststellung begonnen, weil ich den Versuch machen möchte, mich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum wir für die Politik, die wir in den vergangenen vier Jahren gemacht haben und die wir fortsetzen wollen, eine Mehrheit erhalten haben. Ich meine, daß die Koalitionsparteien das für sich insgesamt in Anspruch nehmen können. Aber sie werden mir nachsehen, wenn ich darauf verweise, daß auch die klaren Positionen, die meine Partei im Wahlkampf vertreten hat, ihren Widerhall bei den Wählern gefunden haben.

    (Beifall bei der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Bei CDU-Wählern!)

    Welche Positionen sind das gewesen, und wie sind sie in der Koalitionsvereinbarung und demgemäß in der Politik der nächsten vier Jahre wiederzufinden?
    Zunächst: Es ist wichtig, daß wir in den nächsten vier Jahren eine realistische Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik betreiben,

    (Dr. Jens [SPD]: Immer richtig!)

    die sich von vier klaren Prinzipien leiten lassen muß:
    Erstens. Wir brauchen als Mitglied der Nordatlantischen Allianz eine Verankerung in diesem Bündnis, wenn wir nicht mit allem, was wir tun, mit jeder Initiative, die wir starten, ins Leere fallen wollen. Denn die Bundesrepublik — und das hat der Bundeskanzler sehr gut zum Ausdruck gebracht — kann sehr wohl einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in der Welt leisten. Sie kann es aber nur, wenn sie das im Verband mit befreundeten Partnern tut. Sie kann es nicht allein. Allein wäre sie eher ein destabilisierendes Element. Deswegen brauchen wir die Mitgliedschaft in der NATO, die Verankerung im Atlantischen Bündnis.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber wir brauchen — und da möchte für alle die sprechen, die in langen und intensiven Gesprächen die Grundlage dieser Koalition noch einmal diskutiert und zu Papier gebracht haben — auch den Versuch, mit unseren östlichen Nachbarn zu einem erträglichen Verhältnis des Miteinanders und des Zusammenlebens zu kommen.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Das stimmt!)

    Der Zustand der Sprachlosigkeit zwischen Ost und West wäre, wenn er einträte, angesichts der Rüstung auf beiden Seiten ein zusätzliches Moment der Unsicherheit. Deswegen ist die Fortsetzung einer realistischen, illusionsfreien Entspannungspolitik der wichtigste Beitrag, den die Bundesrepublik im Bündnis und darüber hinaus leisten kann. Und das werden wir tun.

    (Beifall bei der FDP)

    Drittens und das gilt besonders für die Deutschlandpolitik: Es ist wahr, daß die beiden deutschen Staaten in ihren jeweiligen Bündnissen einen besonderen Beitrag dazu leisten können und müssen, weil die Trennungslinie zwischen Ost und West zwischen ihnen verläuft und weil sie -- auch das ist richtig — , wohl in zwei unterschiedlichen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsformen lebend, dennoch ein Stück Gemeinsamkeit haben, das andere Länder in den jeweiligen Bündnissen nicht besitzen. Es sind zwei Staaten, aber beide sind deutsch. Das sollte man nicht vergessen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, hier sage ich für meine Fraktion sehr deutlich: Wer das Wiedervereinigungsgebot der Präambel des Grundgesetzes nicht mehr akzeptiert, der vergeht sich nicht nur an der Vergangenheit, der gibt nicht nur das auf, was auch ein Stück gemeinsamer Geschichte der Deutschen ist — was schon schlimm genug wäre —, wer auf dieses Wiedervereinigungsgebot freiwillig verzichtet, der verzichtet auf ein Stück gemeinsamer Zukunft der Deutschen. Das kann ein deutscher verantwortlicher Politiker niemals tun, ohne eine Verantwortung vor der Geschichte einzugehen, die er ablehnen sollte. Deswegen stehen wir zu diesem Wiedervereinigungsgebot.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Soell [SPD]: „Wieder" stimmt nicht mehr!)

    Das vierte Prinzip ist, daß wir weiterhin für eine Abrüstung eintreten werden, die auf beiden Seiten zu einem Zustand der gleichgewichtigen Abrüstung führen muß.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ganz was Neues!)

    — Das ist vielleicht nichts Neues, aber es ist immer wieder notwendig, das zu sagen, weil es nämlich naive, vielleicht auch gutgläubige, in jedem Fall aber gefährliche Illusionen gibt, die hier noch einmal zum Ausdruck gebracht worden sind. — Wer nur darauf vertraut, daß die Völker in ihrem Zusammenleben sozusagen ein Grundvertrauen menschlicher Art entwickeln, und wer dazu politisch nichts leisten will, wer die Situation der Nachrüstung damals nicht begriffen hatte, wer nicht begriffen hatte, daß die Abrüstung auf allen Seiten nur möglich ist, wenn sie mit der Bereitschaft zur Verteidigung auf unserer Seite verbunden wird, der hat den ganzen Abrüstungsprozeß nicht verstanden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    In der Tat sind wir jetzt schon sehr weit gekommen, und der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir die Vorschläge des Generalsekretärs Gorbatschow



    Bundesminister Dr. Bangemann
    ernst nehmen. Wir sind deswegen so weit gekommen, weil wir damals in der Nachrüstungsdebatte denjenigen widerstanden haben, die uns, getragen von einer öffentlichen Meinung und Meinungsbildung, einreden wollten, daß diese harte Entscheidung nicht notwendig sei, um zur Abrüstung zu kommen. Die Betreffenden sollten heute wenigstens anerkennen, daß uns diese Politik zu diesem befriedigenderen Zustand gebracht hat.

    (Dr. Soell [SPD]: Das ist wilhelminisch!)

    Aber ich sage auch, meine Damen und Herren: Wer jetzt an dieser Null-Lösung herummäkelt, wer andere, neue Bedingungen aufstellt, der erregt den Verdacht, daß er damals seine Zustimmung zur Nulllösung nur gegeben hat in der Hoffnung, daß die Sowjetunion nein sagen würde.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Soell [SPD]: Schauen Sie mal rüber!)

    Es wäre schon gut — vielleicht darf ich das Ihnen von der SPD sagen — , wenn Sie sich nicht immer nur den Schuh anziehen würden, der Ihnen gerade paßt.

    (Roth [SPD]: Sollen wir Blasen an die Füße kriegen, oder was?)

    Denn Ihr damaliger Bundeskanzler Schmidt, ein Miterfinder des NATO-Doppelbeschlusses, hat für seine Position auf dem Kölner Parteitag der SPD gerade noch zwölf Delegierte, glaube ich, hinter sich gebracht. Schon damals hat die SPD eine vernünftige Abrüstungs- und Sicherheitspolitik verlassen. Sie hat immer noch nicht zu ihr zurückgefunden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Schnee von gestern! — Dr. Soell [SPD]: Aber passende Schuhe ziehen wir uns immer an! Schon wegen der Blasen!)

    Das, meine Damen und Herren, sind einige der Gründe, warum sich der Wähler sehr wohl zwischen diesen beiden klaren Alternativen hat entscheiden können. Wir sind stolz darauf, daß wir das im Wahlkampf so klar gesagt haben.
    Es gab ein Zweites. Wir haben darauf verwiesen, wie die Wirtschaftspolitik eines modernen Industrielandes aussehen muß, das mit hohen Kosten arbeitet und dadurch auch einen hohen Lebensstandard garantieren kann.

    (Vosen [SPD]: Aber nicht für alle!)

    Denn das gehört zusammen: Kosten der Produktion sind gleichzeitig Einkommen für viele Menschen. Deswegen muß sich ein Land, das dieses Einkommen für viele Menschen garantieren will,

    (Vosen [SPD]: Und für viele nicht mehr!)

    Gedanken machen, wie diese Kosten verdient werden können. Es hat keinen Sinn, die Vorstellung zu pflegen, daß, egal mit welcher Organisation der Wirtschaft, mit welcher Marktverfassung man auch immer arbeite, in jedem Fall Geld genug da sei, das man verteilen könne. Das ist eben nicht wahr. Vielmehr ist es die Überzeugung gewesen, die wir in dieser Auseinandersetzung für die Marktwirtschaft eingebracht
    haben — gerade auch für die Wandlungsfähigkeit dieses Systems —, die die Menschen beeindruckt hat. Ich glaube, daß wir deswegen diese Politik fortsetzen müssen.

    (Vosen [SPD]: Schwäche der CDU!)

    Das geht nicht ohne Wandel. Das geht nicht ohne Reform. Wir brauchen eine Reform der europäischen Agrarpolitik. Die europäische Agrarpolitik kostet viel Geld, ohne daß das, was wir dafür ausgeben, ungeschmälert bei den Landwirten ankäme, wo es eigentlich hingehörte.
    Es ist wahr, daß von dem gesamten Haushalt der Europäischen Gemeinschaft zwei Drittel, nämlich 50 Milliarden DM, rund gerechnet, für die Agrarpolitik ausgegeben werden, aber daß eine Hälfte dieser zwei Drittel, 25 Milliarden DM, einfach durch die Überschußproduktion vergeudet wird, hängenbleibt bei der Lagerung, bei Lagerkosten oder bei den Kosten der Verschleuderung von Überschüssen.
    Deswegen wäre es schon gut, wenn der Herr Vogel mal das läse, was in der Regierungserklärung drinsteht; denn in seinem Debattenbeitrag — ich werde das nachher noch bei einigen anderen Punkten aufgreifen — hat er so getan, als ob etwas nicht gesagt worden wäre. Er hat einen Pappkameraden aufgebaut, den er dann trefflich beschießen konnte.
    In dieser Regierungserklärung und in den Koalitionsvereinbarungen steht ein uneingeschränktes Ja zur Reform der europäischen Agrarpolitik, weil wir wollen, daß die Überschußproduktion endlich beseitigt wird

    (Zuruf von der SPD: Wie denn?)

    und sich diese Agrarpolitik zugunsten der Landwirte, insbesondere der bäuerlichen Familienbetriebe, auswirkt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN:. Wie? — Zuruf von der SPD: Sprücheklopfer!)

    Meine Damen und Herren, das gilt auch für die beiden anderen Reformen, für die Reform unseres Gesundheits- und Sozialversicherungssystems, aber insbesondere für die Steuerreform.
    Natürlich ist es verständlich, daß eine Opposition dann, wenn die Regierung etwas so Bemerkenswertes zustande bringt, verzweifelte Versuche unternimmt, um diese Leistung zu verkleinern. Deswegen möchte ich hier noch einmal darstellen, was die Zahlen bedeuten, gar nicht mal, was die Wirkung im einzelnen ist. Ich will nur mal vorführen, wie sich die für die Entlastung durch diese Steuerreform festgelegten Zahlen auf den kleinen, auf den mittleren und auf den großen Lohn- und Einkommensteuerzahler auswirken.

    (Dr. Soell [SPD]: Und die Subventionsliste in der Kiste?)

    — Ja, ja.