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    Plenarprotokoll 11/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Bahr 51 A Einspruch des Abg. Stratmann gegen den Ausschluß am 12. März 1987 51 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 51 B Beschlußfassung über das Verfahren für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksachen 11/53, 11/55 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 73 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 74 C Aussprache zur Regierungserklärung Dr. Vogel SPD 74 B Dr. Waigel CDU/CSU 88 C Frau Schoppe GRÜNE 98 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 102B Roth SPD 111 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 115B Ebermann GRÜNE 117 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 120C Dr. Mitzscherling SPD 124 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 127 D Sellin GRÜNE 131 B Spilker CDU/CSU 132 D Vizepräsident Frau Renger 120 C Nächste Sitzung 134 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 135 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 135 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 51 4. Sitzung Bonn, den 18. März 1987 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Böhm (Melsungen)* 18. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Gröbl 18. 3. Grünbeck 20. 3. Grunenberg 20. 3. Kittelmann ** 18. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lemmrich ** 18. 3. Lenzer * 20. 3. Linsmeier 18. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Reddemann ** 18. 3. Dr. Scheer ** 18. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seehofer 20. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 13. März 1987 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. März 1987 der vom Deutschen Bundestag am 18. Februar 1987 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Anderenfalls würden wir eine innere Orientierung verlieren. Wir wären eine Anomalie unter den anderen Völkern Europas. Wir sollten aus unserem Geschichtsbewußtsein die dunklen Jahre von 1933 bis 1945 und die Schreckenstaten, die damals von Deutschen begangen worden sind, nicht verdrängen. Aber die deutsche



    Dr. Waigel
    Geschichte umfaßt mehr als diese Zeit. Sie umfaßt Epochen, auf die wir mit Stolz blicken können.
    Ich stimme dem, was der frühere Bundespräsident gesagt hat, ausdrücklich zu, und wir danken ihm für diese Worte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen zwischen den beiden Supermächten zeichnet sich ein Durchbruch bei der Frage einer Null-Lösung für die Mittelstreckenraketen größerer Reichweite ab. Die SPD unterstützt heute die Null-Lösung. Damit eröffnen sich in diesem Bereich wieder Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition, was um so erfreulicher ist, als die SPD ja noch bis vor wenigen Wochen glaubte, der Sowjetunion ein Monopol bei den SS-20-Raketen auf der Basis der Stationierung von 1979 einräumen zu müssen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wenn es zu dieser Null-Lösung kommen sollte, ist dies ein Erfolg des klaren und unbeirrbaren Kurses der NATO.

    (Rühe [CDU/CSU]: Richtig!)

    Ohne den Vollzug des Nachrüstungsbeschlusses wäre ein solches Ergebnis niemals in den Bereich der Realität geraten. Die jetzigen Verhandlungen in Genf sind geradezu ein Musterbeispiel dafür, daß wir unsere Sicherheitsinteressen sowie entscheidende Schritte im Rüstungskontrollbereich nicht durch Verzichtspolitik und einseitige Vorleistungen, sondern nur aus einer klaren und starken Position heraus durchsetzen können. Den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik ist am besten gedient, wenn wir uns eindeutig und unmißverständlich an die Seite der Vereinigten Staaten und der anderen Verbündeten stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die sich abzeichnende Null-Lösung im Bereich der Mittelstreckenraketen größerer Reichweite birgt jedoch auch — und das wird niemand leugnen können — beträchtliche Risiken in sich, wenn es nicht gelingt, im direkten Anschluß an die Genfer Verhandlungen verbindliche Vereinbarungen im Bereich der Raketen kürzerer Reichweite mit dem Ziel gleicher Obergrenzen auf möglichst niedrigem Niveau zu treffen.
    Die Welt starrt gebannt auf die vom sowjetischen Parteichef Gorbatschow in die Wege geleiteten innen- und wirtschaftspolitischen Reformen. Doch bei aller Erwartung, an der globalen Machtpolitik, am eisernen Zugriff der Sowjets auf ihre Satellitenstaaten und am Wahrheitsmonopol der herrschenden Partei der Sowjetunion wird sich wohl auch unter Gorbatschow nicht so schnell etwas ändern.
    Der Historiker Golo Mann hat die Reformschritte von Gorbatschow jüngst in seinem Interview mit der „Welt" am 9. März 1987 wohl zutreffend beschrieben:
    Er will wirklich die Renovation. Er weiß, daß es ohne eine solche Erneuerung nicht geht; daß die Sowjetunion im 21. Jahrhundert sonst einen sicheren Verfall vor sich hat. Es müssen tiefgreifende Reformen stattfinden. Es müssen tiefgreifende Reformen stattfinden ... Ich glaube nicht, wie es der von mir hochgeschätzte Professor Kopelew gesagt hat, daß wir Gorbatschow dabei helfen können. Das kann Europa nicht, das können die USA nicht; es ist seine Sache und die Sache derer, die er dafür gewinnen kann.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Doch, durch Abrüstung! — Conradi [SPD]: Ihr wollt das auch gar nicht!)

    — Wir haben unseren konkreten Beitrag dazu erbracht und werden ihn weiter dazu erbringen! Wenn die Sowjetunion an einer wirklichen Abrüstung interessiert ist, kann sie das haben.

    (Conradi [SPD]: Ist doch nicht wahr!)

    Es hat noch nie in der Geschichte so weitgehende Vorschläge seitens der Vereinigten Staaten und des Bündnisses gegeben,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Unfug!) jedenfalls nie in der Zeit, als die SPD regiert hat.


    (Dr. Vogel [SPD]: General Rogers!)

    Nur, an einem halten wir fest: Realistische Entspannungspolitik muß auch die Ursachen der Spannungen beachten. Sie muß der weltweiten Achtung des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenrechte dienen und ist deshalb nicht nur eine machtpolitische, sondern darüber hinaus eine moralische Frage.
    Der Oppositionsführer Vogel wird nicht müde — —

    (Roth [SPD]: Nie wird der müde!)

    — Sie wissen ja noch gar nicht, wo ich die Müdigkeit bei ihm anbringen möchte!

    (Dr. Vogel [SPD]: Können wir uns schon denken!)

    Daß Sie, lieber Herr Roth, froh wären, wenn er hier und da etwas müder wäre und Sie in der Frühe länger schlafen könnten, dafür habe ich Verständnis, aber ich gönne Ihnen, daß er Sie rechtzeitig zum Report holt und Ihnen eine regelmäßige Arbeitzeit beigebracht hat.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU und der FDP — Roth [SPD]: Höchstens zum Rapport!)

    Sie, Herr Kollege Vogel, werfen uns und dem Bundeskanzler Führungsschwäche vor. Dieser Vorwurf ist absurd und soll nur von dem ablenken, was an innerparteilichem Trümmerhaufen in der SPD im Augenblick zutage tritt. Wer übt denn überhaupt noch Führung in der SPD aus? Johannes Rau hat sich abgeseilt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das alles haben Sie doch schon am Anfang erzählt!)

    Peter Glotz befindet sich auf Kampagne in Deutschland.

    (Dr. Vogel [SPD]: Haben Sie jetzt wieder den Anfang?)

    Willy Brandt hat die Diskussion um seine Nachfolge
    selbst entfacht, und der einzige Beitrag, den Sie dazu



    Dr. Waigel
    leisten, ist, daß Sie den Zettel immer wieder aus Ihrem Revers hervorholen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ein guter Beitrag!)

    Da wird der Seeheimer Kreis gerade noch geduldet, und Sie selbst, Herr Kollege Vogel, geraten zum Wandler zwischen den Welten und offerieren sich dann mühselig als künftigen Parteivorsitzenden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ihre Sorgen und Lambsdorffs Geld!)

    — Ja, Ihre möchte ich nicht haben! Das muß ich Ihnen ehrlich sagen. Ich glaube schon, daß Sie unsere Sorgen ganz gerne hätten. Dann könnten Sie dort oben sitzen, was Sie allerdings nicht verdienen. Ihre Sorgen möchte ich wirklich nicht haben!

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Kommen Sie doch endlich zum Schluß!)

    Seitdem die starke Hand von Herbert Wehner fehlt, betreibt die Enkelgeneration mit Lafontaine an der Spitze einen Prozeß der Anbiederung an die GRÜNEN. Da werden die Illusionen gehegt, Entspannungspolitik sei außerhalb des Bündnisses möglich, Fortschritte im Umweltschutz seien gegen Wirtschaft und Technik durchsetzbar, und unser Wohlstandsniveau könne auch ohne marktwirtschaftliche Grundlage erhalten bleiben.
    In der SPD gibt es in der Tat keine Führungsschwäche. Nein, da gibt es seit dem Ausscheiden Wehners und Schmidts überhaupt keine Führung mehr. Wenn einer in der SPD führt, dann sind es die GRÜNEN. So weit sind Sie schon gekommen!

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Demonstrative Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Wer allerdings glaubt, in den GRÜNEN immer noch eine Partei des Umweltschutzes sehen zu sollen, gibt sich einer großen Täuschung hin. Wir haben es hier mit einem Konglomerat von Altkommunisten, Neomarxisten, Ideologen und idealistischen Mitläufern zu tun. Die führenden Sprecher dieser Bewegung bekennen sich offen zum Marxismus, beanspruchen eine ideologische Position links von der SPD, verlangen den Ausstieg aus der NATO, der Marktwirtschaft und der Industriegesellschaft und stellen das System der parlamentarischen Demokratie und die Spielregeln des Rechtsstaats zur Disposition.
    Die Haltung der GRÜNEN zum Volkszählungsgesetz ist exemplarisch. Hier wird offen zum Rechtsbruch, zur Nichtbefolgung eines demokratisch einwandfrei zustande gekommenen Gesetzes aufgerufen. Die theoretische Begründung kennen wir vom Neomarxisten Marcuse: das Recht der angeblich unterdrückten Minderheit zum Widerstand. Nur: Das gleiche Recht beansprucht die RAF bei Anschlägen für sich.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Das ist gemein, so was zu sagen! — Roth [SPD]: Ein starkes Stück, Herr Präsident! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Die Begründung ist stets die gleiche: Es wird behauptet, auch in der Demokratie müsse zwischen Legalität
    und Legitimität unterschieden werden. Das heißt, verfahrensrechtlich legal zustande gekommene Gesetze können ihrem Inhalt nach in bezug auf die gesamten Verfassungswerte illegitim sein. Nur, meine Damen und Herren: Dafür gibt es in der Bundesrepublik Deutschland den Weg zum Verfassungsgericht. Wer den Weg nicht wählt und wer einem legitim zustande gekommenen Gesetz nicht zustimmt und zum Boykott auffordert, der hat mit der demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland nichts zu tun und stellt sich bewußt außerhalb dieser Grundordnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wir werden es jedenfalls nicht hinnehmen, daß die Minderheit der Mehrheit diktiert, was das Recht in einem Staat darstellt.

    (Conradi [SPD]: Hier darf man nur die Steuergesetze brechen!)

    Wenn ein parlamentarischer Rechtsstaat es zuläßt, daß Minderheiten legal zustande gekommene Gesetze mißachten oder zu deren Boykott aufrufen,

    (Conradi [SPD]: Auch Steuergesetze!)

    entzieht er sich seine eigenen Grundlagen. Würden sich alle diese Rechte anmaßen, dann hätten wir Chaos und Bürgerkrieg. Eine parlamentarische Demokratie kann es nicht zulassen, wenn sich eine Minderheit unter Mißachtung der Mehrheitsregeln auf eine Privatmoral, ein Sonderrecht oder einen privilegierten Zugang zur Wahrheit beruft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daran werden wir festhalten, und wenn Sie sich noch so in diesem Hause aufführen.

    (Lambinus [SPD]: Wer führt sich denn hier auf? — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Es ist schon tragisch, daß die SPD das nicht mehr hinreichend erkennt und immer mehr auf diese Linie mutmaßlicher künftiger Bündnisgenossen einschwenkt und einlenkt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Jetzt wird er ganz blaß!)

    — Da brauchen Sie bei mir keine Sorge zu haben. Ich werde weder rot wie Sie noch blaß, sondern ich habe eine ganz gesunde Farbe,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Sie sind bleich, Herr Waigel! Bleich ist er!)

    und um meinen Seelenzustand brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
    Meine Damen und Herren, da ist Peter Glotz, der bisherige Bundesgeschäftsführer der SPD, ein selbsternannter Vordenker und Fackelträger der politischen Kultur, und was tut er im Wahlkampf? Er legt zusammen mit der SPD mir ein Zitat von Helmut Schmidt in den Mund, verbreitet dies mit der Behauptung — —

    (Dr. Vogel [SPD]: In Ihrer Heimatzeitung, mein Lieber! — Gegenruf Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Sie sind nicht informiert!)




    Dr. Waigel
    — Entschuldigung, das war in einer Zeitung fälschlich zitiert. Wir haben das, Herr Kollege Vogel, richtiggestellt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Regen Sie sich doch nicht auf!)

    Sie haben das rechtzeitig am Freitag einer Woche nach einer Pressekonferenz der Frau Fuchs erfahren. Trotzdem haben Sie, die SPD, am Samstagabend einen Wahlspot laufen lassen, wo Sie das nochmals wiederholt haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Reden Sie doch nicht so einen Unfug!)

    Das stand auch in einer Anzeige am Mittwoch nächster Woche, und bis zum letzten Samstag vor der Wahl haben Sie das noch verteilt. Sie sollten sich schämen, so mit der Wahrheit und so mit Ihrem früheren Bundeskanzler umzugehen,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    wobei ich eines zum Ausdruck bringen möchte : Von dieser Kritik nehme ich Sie, Herr Kollege Vogel, ausdrücklich aus, weil Sie einen fairen Weg des Gespräches in dieser Frage gefunden haben. Sie persönlich nehme ich aus; Herrn Glotz, Frau Fuchs und Herrn Verheugen und andere jedenfalls nicht. Sie hätten weiß Gott die Zeit gehabt, dieses Ding rechtzeitig in Ordnung zu bringen. Dabei besteht der größte Skandal ja darin, daß man ein Zitat des früheren Bundeskanzlers, dem Sie zehn Jahre die Macht verdankt haben — denn ohne den wären Sie doch schon 1976 eingebrochen — , mißbraucht, als wäre es von uns gegen die Arbeitnehmer gesagt. Wie miserabel ist eigentlich Ihr Gedächtnis! Wie miserabel ist eigentlich Ihre Vorstellung über Ihren früheren Bundeskanzler!

    (Frau Hensel [GRÜNE]: Was ist denn das für eine Rede, die Sie da halten?)

    Wie gehen Sie mit dem Mann um! Wie haben Sie ihn zehn Jahre mißbraucht, und wie stecken Sie ihn jetzt in eine Ecke, weil er nicht mehr in Ihre Konzeption paßt!

    (Dr. Vogel [SPD]: Was sind Sie über den Schmidt hergefallen!)

    Ich höre, daß Herr Glotz ein Tagebuch führt, das er dann und wann veröffentlicht. Ich hoffe, er hat, nachdem er nicht den Mut hatte, sich zu entschuldigen, wenigstens den Anstand, daß er an dem Abend eingetragen hat: Ich schäme mich für das, was ich mit meinem eigenen Bundeskanzler getan habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir sehen uns in den kommenden vier Jahren großen Aufgaben gegenüber, die weit über das rein Ökonomische hinausreichen: die Intensivierung des europäischen Einigungsprozesses, die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen, die Eindämmung von kriegerischen Konflikten in der Dritten Welt.
    Angesichts ihrer ökonomischen Stärke ist die Bundesrepublik zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und in der NATO gefordert, ihren Beitrag auch zur Lösung weltpolitischer
    Probleme zu leisten. Dazu gibt die Bundesregierung, dazu gibt die Regierungserklärung politische Zukunftsperspektiven.

    (Zuruf von der SPD: Überhaupt nicht!)

    Unser früherer Kollege Professor Ulrich Lohmar sagt dazu wörtlich:
    Wir brauchen eine Demokratie zum Mutmachen, nicht zum Miesmachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Sie brauchen eine zum Geldmachen!)

    Politik darf sich nicht in Jammern, Warnen und Verneinen erschöpfen. Sie muß eine realistische Zukunft erschließen, den Menschen Hoffnung geben, persönliche Freiheit konsequent verteidigen und Möglichkeiten und Grenzen der Politik ehrlich aufzeigen.
    Die Fraktion der CDU/CSU wird diese Regierung und Bundeskanzler Helmut Kohl mit aller Kraft unterstützen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Und allen Stimmen?)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Dr. Waigel, die Bezeichnung „historisch dumm", bezogen auf eine Abgeordnete des Hauses bedarf einer Rüge.

(Glos [CDU/CSU]: Aber es ist die Wahrheit gewesen, Herr Präsident! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Dann lassen wir das Wort „historisch" weg!)

Nun hat Frau Abgeordnete Schoppe das Wort. — Die Uhr ist nicht in Ordnung. Sie müssen selbst ein wenig darauf achten. Es ist bedauerlich, die Technik streikt. Frau Abgeordnete, die Fraktion hat Ihnen 22 Minuten zugestanden. — Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Waltraud Schoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz Ihrer Unkenrufe von vor vier Jahren, in denen Sie uns ja prophezeit haben, wir seien nur eine Modeerscheinung, die bald wieder verschwunden sein werde, haben wir uns hier doch stattlich vermehrt. Gucken Sie sich das an: von 28 auf 44. Die drei Millionen Wähler, die uns gewählt haben, sind nicht gerade diejenigen gewesen, die einer Jugendsünde huldigten oder die man zu den Verirrten zählen kann. Der Wahlerfolg meiner Partei ist das Resultat der Krise des Gesellschaftsmodells eines hemmungslosen Industrialismus, der, als freie Entfaltung der Persönlichkeit getarnt, einen Machbarkeitswahn von Technik und Ökonomie verfolgt, der in der Produktion von Reichtum den einzigen Garanten für eine mögliche Zukunft sieht und der, Herr Bundeskanzler, die Schöpfung gefährdet.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: So ist es!)

    Ihr politisches Handeln, Herr Bundeskanzler, reduziert sich in diesem Machtzusammenhang darauf, die enormen Folgeprobleme, die aus dieser bloß industrialistisch verstandenen Moderne entstanden sind, zu



    Frau Schoppe
    finanzieren, zu verwalten und herunterzuspielen, wie wir heute morgen gehört haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wer trotz Waldsterben, trotz chemischer Verseuchung und nach Tschernobyl nicht die Konsequenzen zieht, andere Maßstäbe in der Politik zu setzen, erweist sich als Handlanger von Industrie- und Kapitalinteressen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die sozialen Bewegungen, die in den letzten Jahren so stark geworden sind, stellen nun die Frage nach den Maßstäben Ihrer Politik, und das ist Ihnen unbequem. Deshalb versuchen Sie, die Menschen einzuschüchtern und die sozialen Bewegungen zu kriminalisieren.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Und hier im Parlament stellen wir GRÜNEN die unbequemen Fragen.
    Welche Maßstäbe, frage ich mich, haben Sie, wenn Sie Waffen in die Länder der Dritten Welt verkaufen und wenn Johnny Klein z. B., ein erklärter Freund des Apartheidregimes in Südafrika und ein Feind jeglicher Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, zum Entwicklungshilfeminister ernannt wird?

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Wir sind diejenigen im Parlament, die die unbequemen Fragen stellen. Wir fragen nach Ihren Maßstäben. Deshalb hat Herr Seiters gesagt: Sie gehören nicht hierher. Das nämlich ist der wahre Grund.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Projekt der Moderne steht weltweit auf dem Prüfstand; übrigens nicht nur in den kapitalistischen, sondern auch in den real-sozialistischen Ländern, wie man an den Bemühungen von Gorbatschow erkennen kann. Die Moderne, verstanden nur als verselbständigte Technik und verantwortungslose Ökonomie, verwandelt sich für uns alle mit Ihrer Politik in eine Fortschrittsfalle. Weil die Menschen unter den Segnungen des Fortschritts — wie Sie das nennen — leiden, suchen sie nach Auswegen, Umwegen und neuen gesellschaftlichen Visionen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Welchen Roman lesen Sie denn da vor?)

    Die sozialen Bewegungen haben sich das Wissen über diese Ursachen der Krisen des Industrialismus selbst angeeignet. Mit diesem Wissen suchen sie die Antworten auf die drängenden Fragen nach einer anderen, menschenwürdigen Gesellschaft. In diesen Bewegungen, wo kein Zwang besteht, Politik als erfolgreich verkaufen zu müssen, werden die Bilder, Umrisse und Strukturen einer anderen politischen Kultur und Gesellschaft entwickelt.
    Wir GRÜNEN sind Teil dieser Bewegungen. Wir nehmen die Kritik, die Vorstellungen und die Resultate aus diesen Bewegungen, auch wenn sie oft widersprüchlich sind, ernst. Wir machen nicht den Versuch, diese Bewegungen zu integrieren, weil wir sonst unsere eigene Radikalität und unsere soziale Phantasie zerstören würden.
    Weil Sie, meine Damen und Herren von der SPD — Herr Vogel, Sie haben ja vorhin auch von den sozialen Gruppen gesprochen — , an Ihrer Vorstellung vom beherrschbaren, wohlgeordneten Industrialismus festhalten, machen Sie immer wieder den Versuch,

    (Zuruf von der SPD: Das hat Herr Vogel nicht gesagt!)

    die Kraft der sozialen Bewegungen dadurch zu zerbrechen, daß Sie sie einfach in Ihren Laden hineinziehen. Und Sie, Herr Kohl, und Ihre Freundinnen und Freunde auf der Rechten versuchen, die sozialen Bewegungen durch Drohungen einzuschüchtern. Beide Konzepte möchte ich als eine Politik der Denkverbote bezeichnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie alle müssen zur Kenntnis nehmen, daß der Ort des Wissens heute viel eher bei den Menschen selbst und in ihren sozialen Zusammenhängen zu finden ist als beispielsweise hier im Parlament.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Herr Kohl, das muß ich Ihnen einmal sagen: Wenn Ihre Rede heute morgen auf mich den Eindruck von bleierner Mittelmäßigkeit gemacht hat, dann liegt das weniger an Ihrem Schreiber als daran, daß Sie sich mit Ihrer Politik und mit Ihrer Ideologie nicht mit den wirklich spannenden Diskursen in der Gesellschaft auseinandersetzen wollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Genauso ist es!)

    Kommen wir einmal zu ein paar Tatsachen. Sie wissen doch ganz genau: Wenn in der Bundesrepublik noch kein Atomkraftwerk hochgegangen ist, dann liegt es nicht daran — wie Sie gesagt haben — , daß unsere Sicherheitsvorstellungen höchste Ansprüche erfüllen. Vielmehr ist es der pure Zufall, daß hier noch keins hochgegangen ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In Ihrer Regierungserklärung verlieren Sie kein einziges Wort über die verstrahlten Lebensmittel, über das Molkepulver. Sie sagen nichts über die Entsorgung des Atommülls. Die Kuppel des Reaktors in Stade bröckelt. Bei Nukem in Hanau haben neun Arbeiter Plutonium eingeatmet. Trotzdem behaupten Sie ernsthaft, die Nutzung der Atomenergie sei verantwortlich. Das ist ja wohl das letzte.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn Sie, Herr Kohl, von Zukunft reden, dann frage ich mich unter diesen Umständen, angesichts der Probleme, vor denen wir stehen und die Sie nicht lösen: Was meint der Mann damit eigentlich? Sie sagen ja nichts Konkretes darüber, wie Sie mit den Folgen der Gentechnologie, mit dem Müll und mit der ganzen Umweltzerstörung fertig werden wollen.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Der Mann weiß nichts!)

    Die Produktionsprozesse in unserem Land sind nach wie vor zerstörerisch. Das zeigt die Rheinverseuchung, das zeigt das Waldsterben, und das zeigt z. B. die schleichende Vergiftung des Trinkwassers. Das



    Frau Schoppe
    Risikopotential, das die Chemieindustrie in sich birgt, ist heute nicht kontrollierbar. Wenn Sie glauben, es reicht, mit Wasserrecht, Abfallgesetz und Immissionsschutzgesetz immer nur hinterher reparieren zu wollen, werden sich die Risiken weder für die Menschen noch für die Natur verringern.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Mehrheiten hier in Bonn befinden sich im Würgegriff der Chemieindustrie. Wie anders sonst ist es zu verstehen, daß von § 17 des Chemikaliengesetzes bisher noch nicht einmal Gebrauch gemacht wurde?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Zielkonflikt zwischen betriebswirtschaftlicher Optimierung und Umweltverträglichkeit wird in aller Regel gegen die Erfordernisse der Umweltverträglichkeit entschieden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Vom Verursacherprinzip, von Produktionsauflagen und Produktionsverboten, von Entgiftung und einer prinzipiellen Auseinandersetzung darüber, welche Produkte die Menschen eigentlich brauchen, ohne daß dadurch die gesellschaftlich freie Entscheidung über den Konsum zerstört würde, von all solchen Ansätzen zu einer anderen Umweltpolitik haben Sie offensichtlich noch nie etwas gehört.
    Ihre Sprüche, Herr Kohl, über die bäuerlichen Traditionen gehen mir ja zu Herzen. Aber ich sage Ihnen eines: Das, was Sie hier erzählen, glaubt Ihnen in den Dörfern kein Mensch mehr.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Tatsache ist, daß immer mehr Bauern ihre Höfe aufgeben müssen. Sie verlieren damit nicht nur ihre Existenzgrundlage, sondern auch das Recht auf ein Stück selbstbestimmte Arbeit. Damit lassen Sie es zu, daß mit dem Beruf des Bauern für uns alle wieder ein Stück mehr an Möglichkeiten von selbstorganisierter Arbeit in einem überschaubaren Betrieb verlorengeht.
    Dann zu den Frauen. Ich erinnere mich noch gut an den Wahlkampf, in dem viel über die Frauen geredet wurde. Was ist als einziges Konkretes dabei herausgekommen? Ein Beratungsgesetz, das die Frauen bevormundet, das die Frauen diszipliniert und das dazu führen wird, daß sich der Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs verzögert. Damit nehmen Sie eine Gesundheitsgefährdung der Frauen in Kauf. Was unterstellen Sie eigentlich den Frauen? Wir brauchen nicht Ihre Sitten, wir brauchen nicht Ihre Moral. Frauen entscheiden immer verantwortungsbewußt darüber, ob sie das Kind behalten. Aber sie entscheiden genauso verantwortungsbewußt, wenn sie sich für einen Abbruch entscheiden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich will nicht versäumen, auf die Volkszählung einzugehen. Dabei gibt es unterschiedliche Aspekte. Ich will einen vortragen, der mir wichtig ist. Volkszählung ja oder nein, dabei geht es um die grundsätzliche Frage, wie das Grundrechtsgefüge durch den unkontrollierten gesellschaftlichen und vor allem staatlichen
    Gebrauch neuer Datentechnologien verändert worden ist. Es geht mir nicht nur darum, die neuen Technologien als Überwachungstechnologien zu verteufeln. Ich versuche im Gegenteil, positiv zu bestimmen, welche neuen Rechte und Grundrechte das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für jeden einzelnen Bürger begründen kann. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 ist der Begriff des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unbestimmt geblieben. Seine Präzisierung darf auf keinen Fall den Juristen oder den Politikern allein überlassen werden, sondern muß in der direkten Auseinandersetzung zwischen den Souveränen, allen Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik, und der Bundesregierung genau ausgestaltet werden.
    Im Grunde handelt es sich bei der Auseinandersetzung um die Volkszählung um eine antiautoritäre, barrikadenkampfähnliche Situation von Grundrechtsschöpfung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Staatlicher Datenherausgabezwang steht gegen die Freiwilligkeit auf seiten der Bürger, Selbstbestimmung der individuellen Identität gegen den obrigkeitsstaatlichen Kontrollanspruch der Behörden. Die von ihnen bekämpfte Boykottbewegung ist der massenhafte und mit soviel Vergnügen vorgetragene Anspruch der Menschen nach viel mehr Mitentscheidung in der Sphäre des Politischen. Menschen verlangen mit dem Boykott der Volkszählung nach mehr Demokratie für uns alle.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich sehe, ich habe nur noch eine Minute; o Gott, o Gott.