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ID1100401500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Bahr 51 A Einspruch des Abg. Stratmann gegen den Ausschluß am 12. März 1987 51 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 51 B Beschlußfassung über das Verfahren für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksachen 11/53, 11/55 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 73 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 74 C Aussprache zur Regierungserklärung Dr. Vogel SPD 74 B Dr. Waigel CDU/CSU 88 C Frau Schoppe GRÜNE 98 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 102B Roth SPD 111 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 115B Ebermann GRÜNE 117 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 120C Dr. Mitzscherling SPD 124 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 127 D Sellin GRÜNE 131 B Spilker CDU/CSU 132 D Vizepräsident Frau Renger 120 C Nächste Sitzung 134 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 135 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 135 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 51 4. Sitzung Bonn, den 18. März 1987 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Böhm (Melsungen)* 18. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Gröbl 18. 3. Grünbeck 20. 3. Grunenberg 20. 3. Kittelmann ** 18. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lemmrich ** 18. 3. Lenzer * 20. 3. Linsmeier 18. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Reddemann ** 18. 3. Dr. Scheer ** 18. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seehofer 20. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Zutt 20. 3. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 13. März 1987 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. März 1987 der vom Deutschen Bundestag am 18. Februar 1987 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Die Liebenswürdigkeit Ihrer Zurufe ist nicht zu überbieten. „Weiter so" !

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich hoffe, daß das Fernsehen auch die Gesichter der Herrschaften zeigt. Das wäre doch eine Hilfe.

    (Seiters [CDU/CSU]: Zitat verfälscht! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Zitat verfälscht! Pfui Teufel! — Frau Unruh [GRÜNE]: Der muß ausgeschlossen werden! — Weitere lebhafte Zurufe von den GRÜNEN und der CDU/ CSU)

    Wir widersprechen dem mit aller Entschiedenheit. Wir bestehen darauf, daß die Regeln eingehalten werden, die wir uns für unser Zusammenleben gegeben haben, aber wie schließen niemanden von unserem Dialog und niemanden von der nationalen Gemeinschaft aus. Es ist für uns im Gegenteil ein Gebot der politischen und geschichtlichen Vernunft, daß wir uns mit all unseren Konflikten und Interessengegensätzen wieder stärker als bisher als Glieder einer gewachsenen Gemeinschaft und nicht nur als eine zufällige Ansammlung beziehungslos nebeneinander lebender Individuen oder Interessengruppen begreifen.
    In diesem Rahmen hat dann auch der Patriotismus seinen Platz, von dem Sie auch heute wieder gesprochen haben, nicht als Rückfall in eine staatlich verordnete oder gar geforderte Hurra-Gesinnung, sondern als die im ganz persönlichen Bereich wurzelnde freiwillige Bereitschaft, der Gemeinschaft zu dienen und der Gemeinschaft auch Opfer zu bringen. Wenn wir diesen Begriff verwenden wollen, ist es wichtig, den Begriff des Patriotismus von seinem überkommenen Kriegs- und Militärbezug und von seinen obrigkeitsstaatlichen Verknüpfungen zu lösen und statt dessen
    aufs engste mit den friedlichen Aufgaben der Gemeinschaft zu verbinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch hier gilt das Wort Gustav Heinemanns: Nicht mehr der Krieg, der Frieden ist der Ernstfall. — Wir Sozialdemokraten sind für diesen Ernstfall gewappnet. Wir werden unseren Beitrag zu seiner Bewältigung leisten, und in diesem Sinne werden wir, ob Ihnen das paßt oder nicht, in den kommenden vier Jahren unsere Pflicht tun.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waigel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Vogel, Sie haben gegen den Bundesminister für Umweltschutz, den Kollegen Wallmann, den Vorwurf erhoben, daß er beabsichtige, in Hessen zu kandidieren. Wer sich die letzten 15 Jahre als Wandervogel zwischen München und Bonn, Berlin und Bonn betätigt hat, hat eigentlich überhaupt kein Recht, jemand anderem vorzuwerfen, daß er sich für eine andere Aufgabe zur Verfügung stellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Dummes Geschwätz!)

    Sie selbst, Herr Kollege Vogel, haben 1974 als amtierender Bundesminister in Bayern für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert. Sie haben Ihr Ministeramt nicht niedergelegt. Vielmehr sind Sie, als Sie in Bayern keinen Erfolg hatten, wieder in Ihr Ministerium hier zurückgekehrt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Damals allerdings — jetzt bitte ich, genau zuzuhören — hieß das Motto der SPD in Bayern „Bayern braucht Dr. Vogel" . Das hat zu 62,1 % der CSU geführt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Es war also deutlich erkennbar: Bayern braucht Dr. Vogel nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesrepublik Deutschland brauchte Dr. Vogel auch nicht. Darüber hat sie 1983 entschieden. Und Berlin brauchte Dr. Vogel auch nicht. Darüber hat auch Berlin rechtzeitig und in freien Wahlen entschieden.

    (Zuruf von der SPD: Was für ein mieser Typ ist das!)

    Die einzige Gruppierung, die Dr. Vogel noch braucht, ist die SPD; denn sie ist arm dran, wenn man sich deren Führungsriege ansieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie ist natürlich dankbar, wenn man die Auswahl hat zwischen Brandt, Lafontaine, Klose und ich weiß nicht wem. Da ist allerdings der Dr. Vogel noch eine imaginär starke Figur.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Waigel
    Sie haben, Herr Kollege Vogel, zu recht etwas aufgegriffen: daß das Verbrennen von Puppen, die lebende Menschen darstellen, ein unglaublicher Vorgang ist. Ich habe das gleiche wie Sie einen Tag nach diesem Vorgang erklärt. Da ist von der Union das Notwendige gesagt worden. Hier, glaube ich, denken wir gleich.

    (Zuruf von der SPD)

    Nur, in einem zitieren oder kommentieren Sie nicht korrekt, wenn Sie nämlich Ignaz Kiechle vorwerfen, er habe den Bauern vor den Wahlen gesagt, sie verdienten gut. Das hat er nicht getan. Vielmehr hat er immer auf die unendlich schwierige Situation der Landwirt- schaft und auch ihre Einkommenssituation hingewiesen. Er hat allerdings auf die statistischen Zahlen hingewiesen, die sich hinsichtlich der Einkommensverbesserung ergeben haben, die aber nicht von den Preisen, sondern von den notwendigen und von uns beschlossenen Transferzahlungen herrühren und nur Durchschnittszahlen sein können. Diese Zahlen können natürlich für den einzelnen Hof nie eine Aussagekraft haben.
    Wir haben die Probleme vor den Wahlen nicht verharmlost.

    (Zuruf von der SPD: Na, na!)

    Es ist vor den Wahlen zu einem Realignment gekommen. Es ist vor den Wahlen zu einer Währungsanpassung mit allen negativen Diskussionen in der Landwirtschaft gekommen. Zwar wußten die Bauern genau, daß wir nichts dafür können, aber trotzdem wurde uns die politische Verantwortung in dem einen oder anderen Punkt zugerechnet, d. h. wir bekamen die politische Quittung.
    Wenn man es als Kleingeisterei bezeichnet, etwas zu verschweigen, so frage ich Sie: Was war denn das 1976 mit den Renten? Was war denn das 1980 mit den Schulden?

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Auf Pump haben Sie sie bezahlt, nicht wir!)

    Was war denn das 1983 mit den Mieten und den Raketen? — Frau Fuchs, auf Sie komme ich am Schluß der Rede noch sehr genau zu sprechen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ich freue mich darauf!)

    Sie wissen, daß ich Sie persönlich schätze. Nur, was Sie sich im Wahlkampf geleistet haben, daß Sie als leitende Mitarbeiterin von Helmut Schmidt nicht einmal mehr wissen, was er vor vier Jahren gesagt hat, es mir in den Mund legen und damit eine Verleumdungsaktion durchführen, ist ein starkes Stück, das zu Ihrem Charakter eigentlich nicht passen sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben auch kein Recht, Herr Kollege Vogel, dem Kollegen Blüm vorzuwerfen, wieviel Prozent er bei den letzten Wahlen erreicht hat. Sie haben sich den Wahlen nicht gestellt oder nicht stellen müssen, und so haben Sie auch kein Recht, einem anderen
    Kollegen einen Prozentsatz in irgendeiner Form vorzuhalten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wie feinfühlig, Herr Waigel!)

    — Da denken Sie lieber an die Prozentzahlen, die Sie in Bayern erreicht haben, als Sie als Spitzenkandidat angetreten sind.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Sie sollten auch über das Beratungsgesetz, das wir gemeinschaftlich zum Schutz des ungeborenen Lebens vereinbart haben, nicht so negativ reden. Wer sonst, wie Sie, bei vielen Fragen auf die Kirchen rekurriert und ihren Rat erbittet, der sollte auch bei einem Punkt, bei dem man ohne eine Gesetzesänderung der § 218 StGB und § 200 RVO auskommt, jedenfalls die Bereitschaft erkennen lassen, etwas mitzutragen, was alle Parteien der Koalition in einem schwierigen Meinungsbildungsprozeß erarbeitet haben. Sie sollten sich nicht in dieser billigen Form davon verabschieden, sondern mitmachen, wenn es um den Schutz ungeborenen Lebens geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das sind wir der Verfassung, das sind wir den Kirchen und das sind wir den Christen und den Humanisten in unserer Republik schuldig.

    (Zuruf von der SPD: Aber nicht den Frauen! — Zuruf von der CDU/CSU: Genau den Frauen!)

    — Genau den Frauen. Gerade aus dem Bereich der Frauen kommt die Forderung, möglichst viel zu tun, um den Schutz des ungeborenen Lebens zu sichern.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Hör auf! Erst einmal 50 % Frauen ins Parlament! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Beruhigungsspritze gefällig?)

    — Ich hoffe, daß die Qualität dessen, was Sie mir zurufen, besser ist als die Qualität dessen, was ich hören kann; sonst wäre es nämlich vernehmbar. Das ist es bei der Art und Weise, in der Sie sich hier artikuliert haben, leider nicht.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Fragen Sie Ihre eigene Frau! Das ist ja entsetzlich! — Seiters [CDU/CSU]: Sie müssen es nicht anhören! — Frau Unruh [GRÜNE]: Aber ich will es!)

    Sie haben sich, Herr Kollege Vogel, zur MontanMitbestimmung geäußert. Ich kann dazu nur folgendes sagen: Während es unter einer SPD-Regierung nur zu einem Auslaufgesetz hinsichtlich der MontanMitbestimmung gekommen ist, wird jetzt eine dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung mit einem verbesserten Wahlrecht durchgeführt. Diese Koalition hat trotz aller Bedenken in dieser Angelegenheit — da kann man auch geteilter Meinung sein — mehr für die Sicherung der Montan-Mitbestimmung getan als die SPD-Regierungen zuvor.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sich dann über die Kernenergie ausgelassen. Herr Kollege Vogel, sonst sind einstimmige UNO-Beschlüsse für Sie doch Dogmen und Dekrete. Die UNO hat sich zu dem Thema Kernenergie eine Meinung gebildet und hat sich einstimmig für die



    Dr. Waigel
    Fortführung der Nutzung der Kernenergie ausgesprochen. Da Sie sonst soviel von internationalen Empfehlungen halten, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie auch das, was die UNO — zudem einstimmig — zum Ausdruck gebracht hat, auch in unseren innerdeutschen Willensbildungsprozeß mit einbeziehen könnten.
    Dann glaubten Sie auch noch etwas zum Historikerstreit sagen zu müssen. Für mich ist es eigentlich neu, daß ein Streit der Wissenschaftler und hier der Historiker durch ein Dekret der Regierung oder der Opposition beendet werden könnte. Das wollen wir doch wirklich den Historikern und den Wissenschaftlern überlassen. Sie können dazu ihre Meinung sagen. Aber daß der Bundeskanzler hier ein Dekret aussprechen soll, ist mit unserer Vorstellung von Freiheit der Wissenschaft nicht vereinbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Einen schlechten Eindruck, Herr Kollege Vogel, haben Sie gemacht, als Sie den Kollegen Seiters hier nicht richtig zitiert und dargestellt haben. Es entspräche dem Gebot des Anstandes hier in einem Parlament, wenn man über einen Kollegen etwas sagt, und dies nicht stimmt, ihn dies durch eine Zwischenfrage richtigstellen zu lassen. Das haben Sie nicht getan. Sie haben hier die Dinge verfälscht, Sie haben die Dinge nicht korrekt dargestellt, Sie haben nicht zur Kenntnis gebracht, daß der Kollege Seiters ausdrücklich darauf eingegangen ist, daß die GRÜNEN geklatscht hatten, als ganz bewußt zu Gesetzesverstößen aufgerufen wurde. In dem Zusammenhang hat dann der Kollege Seiters gesagt: Wer so handelt, wer so denkt, wer sich so artikuliert, der gehört nicht ins Parlament. Ich teile seine Meinung uneingeschränkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Gott sei Dank, daß Sie das nicht zu entscheiden haben! — Zurufe von der SPD)

    Die Koalition der Mitte hat am 25. Januar 1987 einen eindeutigen Auftrag des Wählers zur Fortsetzung ihrer erfolgreichen Politik erhalten. Der Kollege Jahn von der SPD, gewöhnlich eher ein Realist, also ein Realo, fühlte sich vergangene Woche bemüßigt, von einem miserablen Wahlergebnis der Unionsparteien zu sprechen.

    (Beifall des Abg. Duve [SPD] — Zurufe von der SPD: Das stimmt doch!)

    Herr Kollege Jahn, wir haben unser Wahlziel erreicht: Wir sind mit dem Ziel angetreten, auch nach dem 25. Januar 1987 in Bonn Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die SPD ist mit dem Ziel angetreten, die absolute Mehrheit zu erlangen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das haben wir verfehlt!)

    Herausgekommen sind 37 %. Ich möchte jetzt wissen: Wer ist dem Ziel näher gekommen, und wer hat wirklich miserabel abgeschnitten?
    Meine Damen und Herren, dann wäre es einmal interessant, überhaupt noch zu erfahren: Wo ist denn eigentlich Johannes Rau, gibt es den Mann überhaupt noch?

    (Rühe [CDU/CSU]: Wer ist das?) Es hieß: Den Besten für Deutschland,


    (Feilcke [CDU/CSU]: Den erstbesten!)

    und heute ist er nicht einmal der Beste für die SPD. Wie sehr wollte man eigentlich diese Republik täuschen, uns den „Besten für Deutschland" vorzugaukeln, wenn man ihn nicht einmal als Vorsitzenden der SPD haben möchte? Der Arme muß sich jetzt von Oskar aus dem Saarland ablösen lassen. Es ist wirklich nicht zu fassen, wohin die Führungslosigkeit der SPD bereits gedrungen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Bild, das die Sozialdemokratie im Wahlkampf von der bundesdeutschen Wirklichkeit zu zeichnen versucht hat, zeugt von einem weitgehenden Realitätsverlust. Es erinnert mich an Arthur Millers „Handlungsreisenden", von dem es heißt: Er kann die Wirklichkeit nicht ertragen, und da er nicht viel tun kann, um sie zu ändern, ändert er statt dessen seine Vorstellung von ihr. — Das ist das Motto der SPD.
    Aber noch treffender hat es Professor Sontheimer am 28. November 1986 in der „Wirtschaftswoche" dargelegt.

    (Dr. Penner [SPD]: Bei welchem Wetter?)

    — Sie beleidigen schon wieder jemanden, der Ihnen ansonsten relativ nahesteht.

    (Dr. Apel [SPD]: Es ist keine Beleidigung, wenn wir nach dem Wetter fragen, Herr Waigel!)

    Die Herrschaften schätzen es nicht so sehr, sie treiben sogar noch die Politologen, die ihnen früher nahestanden, in unsere Nähe.
    Jedenfalls hat Sontheimer folgendes gesagt: Das erste, was wir uns klarmachen sollten ist, daß es uns außerordentlich gutgeht, wie gut wir dastehen, wenn wir uns mit anderen Ländern und Völkern vergleichen. Kein Grund zum Jammern also. Das zweite, was es zu beherzigen gilt, ist die Tugend der Gelassenheit. Wir stehen nicht am Rande des Abgrundes, wir können die neuen Probleme in Ruhe angehen. — Das ist die Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland und nicht das Horrorgemälde, das Sie laufend zu zeichnen und zu malen versuchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bundeskanzler Helmut Kohl ist in seiner Regierungserklärung eingehend

    (Duve [SPD]: Eingegangen ist er!)

    auf die großen Problembereiche bereits eingegangen, denen wir uns in den kommenden vier Jahren gegenübersehen: erstens auf die Schaffung eines echten Fortschritts bei den Abrüstungsgesprächen zwischen Ost und West bei gleichzeitiger Berücksichtigung der spezifischen Sicherheitsinteressen Westeuropas; zweitens die Fortsetzung einer pragmatischen Deutschlandpolitik auf der Grundlage der gegebenen Rechtslage; drittens das Festhalten an der Politk zur Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums bei gleich-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März .1987 91
    Dr. Waigel
    zeitiger Bewahrung der umweltpolitischen Belange; viertens eine Kurskorrektur in der EG-Agrarpolitik mit stärkerer Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten mit dem Ziel der Erhaltung einer möglichst großen Anzahl von Familienbetrieben; fünftens Strukturreformen im Gesundheitsbereich und in der Rentenversicherung.
    Der Ende 1982 vollzogene Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik hat sich als erfolgreich erwiesen. Die Zahl der Arbeitsplätze, das Sozialprodukt, die privaten Investitionen und das Realeinkommen sind gestiegen. Die Preissteigerungsrate, die Zinsen und die Defizite in den öffentlichen Haushalten sind gesunken.
    Wenn in der Auftragseingangsstatistik seit einigen Monaten Schwächetendenzen zu verzeichnen sind, so ist das kein Anlaß, in hektischen Aktionismus zu verfallen. Ein solcher Aktionismus, wie er früher üblich war, wäre Ausdruck des Mangels an einer mittelfristigen Strategie. Wie die Entwicklung zu Beginn der 80er Jahre gezeigt hat, führt ein solcher Aktionismus mit der Ankündigung von neuen Programmen oder Progrämmchen nur zu einer Verunsicherung und zu einem Attentismus bei den Investoren und müßte zwangsläufig in eine Krise münden.
    Unsere Wirtschaft befindet sich weiterhin auf einem stetigen, inflationsfreien, wenn auch nicht überschäumenden Wachstumspfad. Und bereits die FebruarZahlen signalisieren wieder eine Saisonwende am Arbeitsmarkt.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Ja, 2,4 Millionen Arbeitslose!)

    Die Zahl der Beschäftigten lag im Januar um knapp 250 000 über dem entsprechenden Vorjahreswert, gegenüber dem Tiefpunkt der Beschäftigung im Jahre 1983 dürfte der Zuwachs bei rund 600 000 liegen. Maßvolle Tarifabschlüsse vorausgesetzt, können wir das Stabilitätsziel auch im Jahre 1987 erreichen. Das Bruttosozialprodukt wird real weiter ansteigen,wenn auch die Projektion im Jahreswirtschaftsbericht, die im übrigen ein gewogenes Mittel der Prognosen der Forschungsinstitute, der OECD und des Sachverständigenrats darstellt, möglicherweise nicht ganz erreicht werden kann. Wer dies, wie die SPD, zum Anlaß nimmt, von „Konjunkturlüge" und vom Beginn eines Wirtschaftseinbruchs zu sprechen, betreibt Schwarzmalerei mit dem Ziel, eine Krise herbeizureden. Ihnen geht es doch in dem Zusammenhang nicht um die Lösung unserer Arbeitsmarktprobleme, sondern um das Schüren von Angst, um Emotionalisierung als Mittel der Gewinnung von Wählerstimmen,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: So ist es!) was aber nicht zum Erfolg geführt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sollte die Wachstumsrate unter der Projektion von 2,5 % liegen, bedeutet dies zwangsläufig eine Reduzierung des Verteilungsspielraums. Wenn nun die SPD einerseits eine Korrektur der Wachstumsrate nach unten verlangt, andererseits aber gleichzeitig eine die Lohnkosten nach oben treibende Arbeitszeitverkürzung sowie eine stärkere Steuer- und Abgabenbelastung der Unternehmen befürwortet, dann
    stellt sie damit nur ihre immer noch andauernde wirtschaftspolitische Inkompetenz unter Beweis. Denn: In Tarifverhandlungen kann nur verteilt werden, was zusätzlich erwirtschaftet wird. Wer diesen Grundsatz mißachtet, erhält als Quittung entweder eine höhere Inflation und damit Einbußen bei den Realeinkommen oder aber eine höhere Arbeitslosigkeit. Wir wollen weder das eine noch das andere.
    In Ihrem Antrag vom 19. Februar 1987 zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit sieht die SPD das Patentrezept einer aktiven Konjunkturpolitik nach wie vor in der Schaffung eines Sondervermögens „Arbeit und Umwelt" . Wir halten nichts davon, wiederum etwas durch saftige Erhöhung von bestehenden oder Einführung neuer Verbrauchsteuern zu finanzieren, was mit mehr Steuern, mit mehr Abgaben zu Beschäftigung führen soll. Die Ergebnisse und die Erfahrungen der Vergangenheit haben uns genau das Gegenteil bewiesen. Und: Was die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite anlangt, so wurde dem bereits mit den entsprechenden ERP- und KfW-Programmen Rechnung getragen, deren Mittel zügig abfließen. Im ERP-Haushalt wurden allein im Zeitraum 1983 bis 1986 knapp 3,8 Milliarden DM zugesagt; das entspricht rund 40 To der gesamten ERP-Umweltförderung seit 1960. Wir können noch prüfen, ob man diese Aktion, dieses Programm stärker auf kleine und mittlere Unternehmen zuschneiden könnte. Verlorene Zuschüsse für Umweltvorhaben lehnen wir ab, weil sie das Verursacherprinzip völlig aus den Angeln heben.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Die Koalition wird an ihrer mittelfristig ausgerichteten Strategie zur Stärkung der Wachstumskräfte festhalten und unter Beibehaltung einer soliden Haushaltspolitik die aktive Arbeitsmarktpolitik vor allem zugunsten der Langzeitarbeitslosen weiterentwikkeln, die Stärkung der Binnennachfrage im Rahmen der Städtebauförderung und der ERP-Programme fortsetzen und die Rahmenbedingungen durch eine konsequente Steuerentlastungspolitik verbessern. Angesichts der Risiken im Export wird das zum 1. Januar 1988 in Kraft tretende Steuerentlastungspaket durch das Vorziehen von gut 5 Milliarden DM aus der großen Steuerreform aufgestockt. Das ist genau die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt entsprechend dem, was in Paris zugesagt wurde.
    Kernpunkt aller Bemühungen, die wirtschaftlichen Antriebs- und Auftriebskräfte nachhaltig und auf Dauer zu stärken, bilden die von der Koalition beschlossenen Eckpunkte einer großen Steuerreform mit einem Bruttovolumen von 44 Milliarden DM und einer Nettoentlastung von mindestens 25 Milliarden DM.
    Diese Steuerreform ist wachstumspolitisch geboten, weil sie die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und die Investitionsbereitschaft der Unternehmer erhöht.
    Sie ist sozial ausgewogen, weil ein Großteil der Entlastungen durch die Anhebung des Grundfreibetrags, die Rückgängigmachung der Erhöhung des Eingangssteuersatzes

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    92 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 4, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März 1987
    Dr. Waigel •
    sowie durch die weitere Anhebung des Kinderfreibetrages unteren Einkommensschichten zugute kommt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Es gehört schon ein Stück Unverfrorenheit dazu, hierherzukommen und diese Reform als sozial unausgewogen zu bezeichnen, da wir doch den Eingangssteuersatz wieder auf die Linie zurückführen, die es früher gegeben hat,

    (Dr. Apel [SPD]: Das werde ich morgen zeigen! Das werde ich morgen vorführen!)

    während Sie, als Sie die Kassen geplündert hatten und nicht mehr wußten, wie Sie das Geld besorgen sollten, ihn von 19 % auf 22 % angehoben haben. Um den Griff in die Taschen der kleinen Leute zu vertuschen, haben Sie damals flugs auch den Spitzensteuersatz erhöht. In Wirklichkeit haben Sie die kleinen Leute damals belogen und um ihr Geld betrogen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Apel [SPD]: Darüber werde ich morgen reden! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Eine unsoziale Steuererhöhung!)

    Die Anhebung des Grundfreibetrags und die Senkung des Eingangssteuersatzes machen je etwa 7 Milliarden DM aus. Das sind die sozialen Taten, die die Leute an uns haben und durch die wir das korrigieren, was Sie in den 70er Jahren kaputtgemacht haben. Sie sollten über soziale Ausgewogenheit kein Wort sagen. Die Sünden der Vergangenheit verfolgen Sie täglich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben diese Reform auch mittelstandsfreundlich gestaltet, weil neben der allen Mittelständlern zugute kommenden Linearisierung des Tarifs zwei gezielte Mittelstandskomponenten in Form der Verdopplung der Sonderabschreibung und der Erhöhung der Vorsorgepauschale vorgesehen sind.
    Sie ist — ich wiederhole, was der Bundeskanzler bereits angedeutet hat — auch ein Schritt zur Steuervereinfachung, und zwar vor allem wegen der Erhöhung des Grundfreibetrags, wobei wir übrigens über den Forderungen des SPD-Parteitages liegen,

    (Sehr richtig! Sehr wahr! bei der CDU/ CSU)

    weil wir damit etwa 500 000 Menschen aus der Steuerpflicht herausbringen. Das ist ein wichtiger Beitrag für Steuervereinfachung, den Sie in Ihrer Zeit ebenfalls nicht geleistet haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Senkung des Körperschaftsteuersatzes und des Spitzensteuersatzes bei der Einkomensteuer ist ein Gebot der Stunde, wenn man sich die entsprechenden Entlastungen bei der Unternehmensbesteuerung in praktisch allen westlichen Industriestaaten ansieht. Angesichts der weltweiten ökonomischen Verflechtung findet heute nicht nur ein weltweiter Wettbewerb zwischen den Anbietern von Produkten und Leistungen statt, sondern darüber hinaus auch ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen nationalen Steuersystemen. Wer eine stärkere Koordinierung der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik befürwortet, darf nicht nur von den USA Maßnahmen zum Abbau der Haushaltsdefizite verlangen, sondern er muß auch der Tatsache Rechnung tragen, daß praktisch alle westlichen Regierungen bestrebt sind, die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen durch eine maßvolle Steuerpolitik zu stärken.
    Was speziell den Spitzensatz bei der Einkommensteuer betrifft, so hat die Mehrzahl derjenigen deutschen Steuerzahler, die vom Spitzensatz potentiell betroffen sind, längst den steuerlichen Wohnsitz in steuergünstigeren Nachbarländern aufgeschlagen.

    (Westphal [SPD]: Das ist vielleicht ein Grund?)

    Mir persönlich wäre es lieber, wenn einige Spitzenstars der Sport- und Unterhaltungsbranche bei einem niedrigeren Spitzensatz ihren steuerlichen Beitrag bei Herrn Stoltenberg ablieferten, statt, abgeschreckt durch einen zu hohen Spitzensteuersatz in der Bundesrepublik, steuerliches Asyl in Monaco oder sonstwo zu suchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Wollen Sie ernsthaft mit Monaco konkurrieren?)

    Sie fragen nach der Finanzierung dieser Steuerentlastung. Sie erfolgt in erster Linie und zum größten Umfang durch eine sparsame Haushaltspolitik in der Vergangenheit, in der Gegenwart und auch in den nächsten Jahren. Nur dadurch werden Spielräume für Politik eröffnet. Darüber hinaus werden wir an die steuerlichen Subventionen und Sonderregelungen herangehen müssen. Auch eine zeitlich begrenzte maßvolle Erhöhung der Neuverschuldung — das hat übrigens Bundesfinanzminister Stoltenberg schon im letzten Jahr hier zum Ausdruck gebracht — ist in diesem Zusammenhang vertretbar. Meine Damen und Herren, man muß wissen, zu welchem Zweck man sich möglicherweise neu verschuldet.

    (Dr. Vogel [SPD]: Für Steuersenkungen! Für die Senkung des Spitzensteuersatzes!)

    Wenn man damit unproduktive Konjunkturprogramme mit Strohfeuereffekten finanziert, dann ist dies sinnlos und nicht vertretbar. Wenn damit aber Leistungs- und Antriebskräfte der Wirtschaft geweckt oder verstärkt werden, dann ist auch die Selbstfinanzierungsquote einer solchen Steuerentlastung höher als bei jeder anderen konjunkturellen Maßnahme. Darum hat Stoltenberg recht, wenn er sagt: In einem begrenzten Umfang ist zur Finanzierung einer solchen großen Entlastung, um den binnenwirtschaftlichen und den außenwirtschaftlichen Risiken Rechnung zu tragen,

    (Roth [SPD]: Also sprach Reagan!)

    auch eine maßvolle Erhöhung der Nettoverschuldung hinzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Genau die Reaganomics!)

    Meine Damen und Herren, die Diskussion der SPD über eine Verbrauchsteuererhöhung ist unsachlich und unglaubwürdig.

    (Roth [SPD]: Natürlich kommt die! Mehrwertsteuerschwindel!)




    Dr. Walgel
    Wenn ich alle unter SPD-Finanzministern vorgenommenen Erhöhungen indirekter Steuern von 1969 bis 1982 aufzählen wollte, dann würde meine heutige Redezeit nicht ausreichen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Gott sei Dank!)

    Wenn die Anhebung indirekter Steuern ein Maßstab für die soziale Qualität der Politik sein sollte, wäre die SPD die unsozialste Partei, die je Regierungsverantwortung in der Bundesrepublik Deutschland übernommen hat — was sie übrigens auch ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wer Steuerpolitik nur unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten gestaltet, gerät auf Dauer zwangsläufig in eine Sackgasse. Verteilt werden kann nur, was vorher erwirtschaftet worden ist.

    (Roth [SPD]: Sie verteilen doch Steuerreduktion vorher!)

    Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt können wir dauerhaft nur lösen, wenn die vorhandenen Leistungs-, Investitions- und Innovationspotentiale durch entsprechende steuerliche Anreize und Rahmenbedingungen freigesetzt werden. Die Forderungen sozialdemokratischer Politiker nach sozialer Ausgewogenheit und sozialer Gerechtigkeit klingen wenig glaubwürdig. In diesem Zusammenhang fällt mir nur der Satz ein: Alfons Lappas läßt grüßen.

    (Roth [SPD]: Das war jetzt zehntklassig!)

    — Wer bei der Neuen Heimat gelernt hat, sollte in diesem Zusammenhang nicht einmal einen Zwischenruf machen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Immer auf den Späth! — Roth [SPD]: Was hat er denn gegen Späth?)

    Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat sich in den vergangenen Wochen in den Sachfragen geeinigt. Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers hat die grundsätzlichen Übereinstimmungen der Koalitionspartner in praktisch allen wichtigen Problembereichen, die vor uns stehen, verdeutlicht.
    Die EG-Agrarpolitik bedarf einer Neuausrichtung. Im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht die Erhaltung unserer bäuerlichen Familienbetriebe.

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

    Auch unsere Landwirte haben wie z. B. die Beamten, die Arbeitnehmer in der Stahlindustrie oder in der Werftindustrie ein Anrecht auf Teilhabe an der gesamtwirtschaftlichen Einkommensentwicklung. Wir brauchen einen Jahrhundertvertrag auch für die deutsche Landwirtschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe diesen Vergleich bewußt gewählt, weil sich nicht nur der Stahlsektor und die Werften, sondern im gleichen Maße auch die Landwirtschaft in einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Anpassungsprozeß befinden.
    Eine aktive Preispolitik ist jedoch nur möglich, wenn wir durch den Abbau der durch die Fehlentwicklungen in den 70er und Anfang der 80er Jahre entstandenen Produktionsüberschüsse die erforderlichen Handlungsspielräume zurückgewinnen. Besonders wichtig erscheinen mir in diesem Zusammenhang ein Programm zur Herausnahme von Flächen aus der Produktion bei gleichzeitiger Begrenzung der Futtermittelimporte, die Festlegung von Bestandsobergrenzen sowie die Konzentration der agrarpolitischen Fördermaßnahmen auf die bäuerlichen Familienbetriebe im Rahmen eines Strukturgesetzes.
    Eine Politik des Preisdrucks halten wir für den falschen Weg. Hier müßten zuerst die Kleinen dran glauben, und im Ergebnis würde die Einbindung der Landwirtschaft in marktwirtschaftliche Spielregeln die Tendenz zu großflächigen und vollrationalisierten Agrarfabriken fördern. Das halte ich gesellschaftspolitisch für nicht akzeptabel.
    In der Wirtschaftspolitik haben wir ebenfalls wichtige Eckpunkte festgelegt. Angesichts der zunehmenden Konzentration und des Überhandnehmens leistungswidriger Wettbewerbspraktiken und anderer Probleme muß das rechtliche Instrumentarium des Kartellgesetzes auf den Prüfstand. Wir haben in der letzten Legislaturperiode gesagt und uns bei der Verabschiedung der vierten Kartellgesetznovelle an die Zusage gehalten: Ruhe an der Kartellfront. — Zwischenzeitlich muß man sehen, daß die Situation vor allen Dingen im Einzelhandel ein Neuüberdenken erforderlich macht und wir zu neuen Regelungen im Kartellgesetz finden müssen. Ich denke dabei an die Fusionskontrolle, an die Mißbrauchsaufsicht, an das Diskriminierungsverbot und die marktmachtbedingte Benachteiligung kleinerer Unternehmen.
    Was die Einführung eines Dienstleistungsabends betrifft, so appelliere ich an die Tarifpartner, nicht nur die Belange der Angestellten im Einzelhandel, sondern auch die berechtigten Wünsche aller Verbraucher zu berücksichtigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Und der Einzelhändler!)

    Hier ist etwas mehr Flexibilität und weniger Besitzstandsdenken geboten. Dabei denken wir auch an längere Öffnungszeiten bei Behörden und Ämtern an einem Abend, um den Menschen wirklich umfassend die Möglichkeit zu geben, einzukaufen, sich beraten zu lassen und Dinge erledigen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Koalitionsvereinbarungen betreffend einer Novellierung des Dritten Verstromungsgesetzes haben bei der SPD einen unerklärlichen Aufschrei verursacht, unerklärlich deshalb, weil der saarländische Wirtschaftsminister eine Woche vor der Bundestagswahl der Öffentlichkeit einzureden versucht hat, Kohlestrom aus neuen Kohlekraftwerken sei selbst im Grundlastbereich billiger als Kernkraft. Wenn Koh-lestrom tatsächlich billiger wäre als Strom auf Kernenergiebasis, wäre es gleichsam ein Treppenwitz, wenn die Verbraucher von angeblich teurerem Kernkraftstrom den billigeren Kohlestrom noch subventionierten.
    Die CDU/CSU steht zum Jahrhundertvertrag und zu den Hilfen für die deutsche Steinkohle, solange der energiepolitische Grundkonsens, der in der Formel



    Dr. Waigel
    „Kohle und Kernenergie" ausgedrückt ist, eingehalten wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Niemand kann jedoch erwarten, daß wir über den Kohlepfennig die Antikernkraftpolitik an Saar und Ruhr mitfinanzieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich kann den SPD-Regierungen der Revierländer nur dringend raten, zum energiepolitischen Grundkonsens zurückzukehren; denn mit einer Abkehr von diesem Konsens werden der Solidarität der revierfernen Länder mit den Revierländern die Grundlagen entzogen.
    Der Wille der Koalitionspartner zur weiteren Zusammenarbeit hat sich am deutlichsten bei den Problemen in der Frage der Mitbestimmung gezeigt. Die Verstärkung der Minderheitenrechte und die Einführung von Sprecherausschüssen auf der Ebene der betrieblichen Mitbestimmung sowie die Sicherung der Montanmitbestimmung und deren Verbesserung durch ein demokratischeres Wahlverfahren stellen eine in sich ausgewogene Lösung dar.
    Wenn die SPD wie auch der DGB heute die Verstärkung der Minderheitenrechte bei den Wahlen zum Betriebsrat kritisieren, so scheinen sie offensichtlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vergessen zu haben, denn gerade diese Kritik an der Verstärkung der Minderheitenrechte ist ein interessantes Beispiel dafür, wie wandlungsfähig jene Partei ist, die einmal mit der Parole auszog „Mehr Demokratie wagen". Warum sollen eigentlich Minderheiten in Betrieben, die unzweifelhaft demokratisch legitimiert sind, die unzweifelhaft auf dem Boden unserer Verfassung und unseres Gesellschaftssystems stehen, weniger Minderheitenrechte als die GRÜNEN im Bundestag oder in Landtagen bekommen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei den schwierigen und teilweise bis weit in die 90er Jahre hineinreichenden Problemen in der Renten- und Krankenversicherung haben wir uns auf Eckpunkte verständigt: Bis Herbst 1987 bzw. Frühjahr 1988 werden die Koalitionsparteien konkrete Gesetzentwürfe vorlegen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es hier zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den demokratischen Parteien und den Tarifpartnern käme.
    Die Koalition hat auch ihre erfolgreiche Umweltpolitik fortgesetzt und dafür die entsprechenden Grundlagen geschaffen. Mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung, mit den Beschlüssen zum abgasarmen Auto und zum bleifreien Benzin sowie mit den gesetzlichen Maßnahmen im Bereich des Gewässerschutzes hat sich die Bundesrepublik an die Spitze des Umweltschutzes in Europa gestellt.
    Die SPD glaubt, zusammen mit den GRÜNEN im Umweltschutz mehr erreichen zu können als die Koalition. Wie wenig dabei herausgekommen ist, hat die Hilflosigkeit, ja, das vollständige Versagen Ihres grünen Ministers Joschka Fischer gegenüber den Problemen der Müllbeseitigung in Hessen demonstriert: außer Spesen nichts gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer glaubt, die Umweltprobleme durch einen Ausstieg aus der Industriegesellschaft und gegen die Technik bewältigen zu können, befindet sich auf dem Holzweg. Mit Konfrontationen bewirken Sie hier auch nichts, allenfalls den Verlust von Arbeitsplätzen und die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland. Gerade die Großfeuerungsanlagen-Verordnung für unsere Kohlekraftwerke hat verdeutlicht: Klare Vorgaben sind nötig; aber ebenso wichtig ist die konsequente Zusammenarbeit mit der Industrie.
    In Einzelpunkten allerdings werden wir innerhalb der EG den Versuch von Alleingängen wagen müssen. Allerdings: Ein deutscher Sonderweg in der Umweltpolitik insgesamt — etwa durch einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft, wofür sich möglicherweise die GRÜNEN erwärmen könnten — wäre ein Holzweg und brächte uns nicht weiter. Da 50 % der bei uns niedergehenden Luftschadstoffe aus dem Ausland stammen, hängt der Erfolg jeder Umweltpolitik von einer Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit ab. Es wird noch mancher Nachtsitzung in Brüssel bedürfen, um unsere europäischen Partner von der Notwendigkeit verstärkter Umweltschutzanforderungen zu überzeugen. Nach meinem jüngsten Besuch in Leipzig sehe ich durchaus positive Zeichen für eine umweltpolitische Zusammenarbeit mit der DDR.

    (Roth [SPD]: Sie waren auch da?) — Ja, Sie habe ich nicht gesehen.


    (Roth [SPD]: Stimmt!)

    Nach Ihnen hat auch niemand gefragt.

    (Heiterkeit)

    Konkreter Umweltschutz ist nicht abhängig von einer Staatszielbestimmung im Grundgesetz, die wir vereinbart haben. Bezüglich eines solchen Staatszieles warne ich vor einem zu großen Erwartungshorizont. So wenig Art. 109 des Grundgesetzes unmittelbar die Herstellung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts garantieren kann, genauso wenig kann ein Staatsziel Umweltschutz spezielle Umweltschutzgesetze, private und öffentliche Umweltschutzinvestitionen ersetzen. Darum hat diese Koalition gehandelt und sich auf ein Bündel ganz konkreter Maßnahmen geeinigt, die der Bundesumweltminister durchführen und anstreben kann.
    Auch wenn wir bis zur Mitte der Legislaturperiode infolge der Schaffung der finanziellen Voraussetzungen für die Steuerreform eine Atempause einlegen müssen, haben wir uns doch bereits heute auf den weiteren Vorrang familienpolitischer Maßnahmen geeinigt. Damit setzt die Koalition fort, was sie in der letzten Legislaturperiode begonnen hat, nämlich der Familienpolitik den absoluten Schwerpunkt, die absolute Präferenz in der Gesellschafts- und Sozialpolitik zuzubilligen. Das fand und findet seinen Niederschlag in der Festlegung der Erhöhung der Kinderfreibeträge und wird in der Mitte der Legislaturperiode durch Beschlüsse über entsprechende Leistungsver-



    Dr. Waigel
    besserungen beim Kindergeld sowie beim Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub ergänzt werden.
    Eng verzahnt mit den Fragen der Familienpolitik ist die Frage nach dem Schutz des ungeborenen Lebens. Eine Gesellschaft, die ja zum Umweltschutz, ja zum Tierschutz, ja zum Landschaftsschutz sagt und gleichzeitig die offenkundigen Mißbräuche im Rahmen der sozialen Indikation tatenlos hinnimmt, also dem ungeborenen Leben nicht den gebotenen und möglichen Schutz zukommen läßt, verdient in meinen Augen den Ausdruck einer humanen Gesellschaft nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von den GRÜNEN: Aufhören!)

    Das Ziel einer Beratung muß in erster Linie sein, dem ungeborenen, dem wehrlosen Leben Schutz zu geben, und darf nicht in der Überredung der schwangeren Frau zu einem Eingriff bestehen.
    Die Koalitionspartner haben auch im Bereich der inneren Sicherheit Einvernehmen erzielt, sowohl was die Fahndungskonzepte als auch was die Verbesserung des gesetzlichen Instrumentariums anbelangt. Ohne Zweifel besteht gerade im Bereich der Bekämpfung des Terrorismus und der Verhinderung gewalttätiger Demonstrationen Handlungsbedarf. Die Funktionsfähigkeit und der Bestand einer Demokratie hängen nicht zuletzt auch von der Fähigkeit und von der Bereitschaft ab, sich gegen die Feinde der Demokratie zur Wehr zu setzen. Die Entwicklung der Weimarer Demokratie müßte uns allen ein warnendes Beispiel sein. Wir wollen keinen Polizeistaat, aber wir wollen den rechtsstaatlichen Rahmen bei der Bekämpfung der kriminellen Feinde unseres Staatswesens so weit wie möglich ausschöpfen. Eine radikale Toleranz, die auch noch Intoleranz akzeptiert, untergräbt ihre eigenen Grundlagen. Eine Demokratie, die sich gegen die Feinde der Demokratie nicht zur Wehr setzt, vernichtet sich auf Dauer selbst.
    Der Denker Joseph Bernhart hat dies einmal wie folgt ausgedrückt:
    Im Lebenshaushalt einer Demokratie braucht es die erregenden Energien von Gegensätzen, soweit sie mit Wesen und Begriff von Demokratie vereinbar sind. Die Toleranz gegen die pathogenen Bakterien ihres Organismus ist lebensgefährlich, dumm und unverantwortlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, unsere Deutschlandpolitik wird auch in Zukunft auf festen Prinzipien stehen, wie sie in der Präambel des Grundgesetzes, im Deutschlandvertrag, im Brief zur Deutschen Einheit, in der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages sowie im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Grundlagenvertrag enthalten sind. Das Festhalten an Rechtsprinzipien ist wichtig, muß aber im Interesse der Menschen in Ost und West durch pragmatische Beziehungen mit Leben erfüllt werden.
    Entgegen der von der SPD beschworenen Eiszeit haben wir in den vergangenen vier Jahren beträchtliche Fortschritte in den innerdeutschen Beziehungen erzielt. Ich sehe gegenwärtig seitens der Führung der
    DDR durchaus die Bereitschaft, diese Beziehungen auszubauen. Ansatzpunkte bilden die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, die Energieversorgung, gemeinsame Umweltschutzvorhaben, der Austausch auf wissenschaftlich-technischem Gebiet, Begegnungen auf der kulturellen Ebene sowie die humanitären Fragen im Zusammenhang mit den Besuchs- und Ausreisemöglichkeiten.
    Das Offenhalten der deutschen Frage, der Wille zur Wiedervereinigung ist für uns nicht nur ein Auftrag des Grundgesetzes, sondern ein Auftrag unserer gemeinsamen Geschichte. Auch die Hinweise auf die jahrhundertelange staatsrechtliche Zersplitterung Deutschlands und auf die Sonderlage Deutschlands im Herzen Europas sind kein Argument gegen das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung und damit auf Einheit.
    Auch die deutschen Schriftsteller wenden sich wieder verstärkt der deutschen Frage zu. Martin Walser äußerte sich jüngst wie folgt:
    Der wichtigste Tatbestand ist ja nicht die unselige Ratlosigkeit hinsichtlich einer Lösungsmöglichkeit der deutschen Frage. Der wichtigste Tatbestand ist ja die Teilung selber in ihrer Unerlaubtheit, in ihrer Unstatthaftigkeit, in ihrer Unmöglichkeit und, wenn man es ernst nimmt, in ihrer Unerträglichkeit.
    Was ein so unabhängiger Denker und Dichter fühlt, das müßte uns Politikern selbstverständlicher Auftrag sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nicht nur Schriftsteller, sondern auch namhafte Historiker und Politologen beschäftigen sich zunehmend wieder mit der Frage nach der Identität der Deutschen, dem gemeinsamen National- und Geschichtsbewußtsein. Wir begrüßen diese Entwicklung. Auch die Deutschen bedürfen wie die anderen Völker Europas eines geläuterten Nationalbewußtseins und einer Identifikation mit ihrer Geschichte.

    (Frau Hensel [GRÜNE]: Ist ja unglaublich!)

    — Was für Sie unglaublich ist, ist für mich völlig uninteressant. Wenn man historisch so dumm ist wie Sie,

    (Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

    dann ist jeder Zwischenruf ebenfalls nur ein Ausdruck Ihres Unvermögens, überhaupt in geschichtlichen Kategorien zu denken.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Was haben Sie für eine Bildung?! — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Sie sind ein Superhistoriker, ein verhinderter Staatsmann!)