Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Haushaltsdebatte dieser Legislaturperiode, eine der letzten Debatten dieser zu Ende gehenden Wahlperiode
— doch, ich werde schon wiederkommen —, ist nicht nur ein Rechenschaftsbericht dieser Regierung mit all ihren Erfolgen, ist nicht nur ein Ausblick auf die Arbeit, die sich diese Koalition für die nächste Legislaturperiode vorgenommen hat; nein,
diese Debatte zeigt auch die geistige Leere, mit der die Opposition gegen diese Regierung anrennt.
In der Wirtschaftspolitk sind die Fakten klar gegen die Opposition. Es ist geradezu peinlich, wie sie Fakten nicht zur Kenntnis nehmen will.
Die wirtschaftliche Entwicklung hat uns auf allen Gebieten der Politik recht gegeben. Was bleibt da einer Opposition noch sehr viel übrig?
Das Zahlenwerk des Haushalts hat mein Kollege Rossmanith sehr ausführlich gewürdigt. Ich glaube, dem braucht man nichts hinzuzufügen. Es zeigt sehr deutlich, wo die Schwerpunkte liegen. Es zeigt, daß die Regierung auch bezüglich dieses Haushalts mit Erfolg arbeitet.
Nun versucht es die SPD durch eine Mischung von Versprechen und dem Schüren von Neid. Was ist denn das Gerede von der angeblichen Umverteilung von unten nach oben, das man bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten hört, anderes? Tatsache ist aber — das kann man nachlesen und nachrechnen —, daß diese Regierung mehr für die Familien ausgibt, als vorher zur Verfügung stand.
Allein 1986 sind es ca. 10 Milliarden DM mehr für die Familien. Die familienbezogenen Sozialausgaben betrugen im Jahre 1982 insgesamt 64,2 Milliarden DM; 1986 werden es 78,5 Milliarden DM sein. Das sind ca. 22 % mehr.
Man muß darüber hinaus berücksichtigen, daß dies alles bei Preisstabilität geschieht. Inflation — so weiß jeder — begünstigt die Sachbesitzer und schädigt vor allem die kleinen Leute. Stabilität hilft ihnen aber. 5% Inflation bei einem Einkommen von 2 000 DM pro Monat bedeuten einen Verlust von über 1 000 DM im Jahr. Diesen Verlust hat die Stabilitätspolitik dieser Regierung dem Bürger erspart.
Aber ich will noch einmal auf die angebliche Umverteilung zurückkommen. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Diskussion um die Gesetze des Familienlastenausgleichs und an die Anhörungen im Ausschuß. Ich tue das deswegen, weil ich hier im Plenum gegen diese Regelung gestimmt und gesprochen habe. Ich möchte meine Kollegen an die Anhörung und an das Diagramm von Professor Oberhauser erinnern, der uns allen nachwies, daß mit viel Aufwand und mit viel Bürokratie dieselbe Verteilung erreicht wird, die wir vorher auch schon hatten, aber keinesfalls eine Umverteilung von unten nach oben.
Ich war damals gegen das Gesetz, meine Kollegen von der SPD, weil ich es für umständlich und bürokratisch hielt. Ich glaube, das trifft heute noch zu. Aber das Argument von der Umverteilung ist falsch. Es wird vergessen oder verschwiegen, daß es
19456 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 250. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1986
Eimer
Einkommensgrenzen gibt, daß es einen Sockelbetrag gibt.
So wende ich mich gegen Ende dieser Legislaturperiode nicht nur an die Opposition, die unsinnige Behauptung nicht mehr aufzustellen, sondern ich wende mich auch an unseren Koalitionspartner, mit uns gemeinsam zu versuchen, die Sozialgesetze einfacher, unbürokratischer und durchsichtiger zu gestalten. Ich glaube, der Kollege Glombig hat hier für uns alle einen guten Hinweis gegeben.
Ein derart einfaches System hindert auch den politischen Gegner mit einem selektiven Wahrnehmungsvermögen daran, sich unzulässig mit Argumenten für eine nicht stimmende Propaganda zu bedienen. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr Sozialpolitik nur danach beurteilen dürfen, wieviel Geld auf der Hand des Bürgers ankommt, wir müssen auch fragen, mit welchem Aufwand und mit welchen Folgen.
Wir haben gerade in dieser Legislaturperiode feststellen müssen, daß gutgemeinte Änderungen auf vielen Gebieten unbeabsichtigte Folgen in anderen Gesetzen hervorgerufen haben. Diese unbeabsichtigten Folgen hatten wir beim Erziehungsgeld, bei Erziehungszeiten in der Rentenversicherung und in anderen Bereichen. Wir reden immer vom sozialen Netz und haben gar nicht zur Kenntnis genommen, daß wir eigentlich ein soziales Mobile haben: Wenn wir an einer Stelle eingreifen, tanzt das ganze System durcheinander. Die alten Rezepte der Sozialpolitik bringen zwar das Geld an den Bürger, diese Rezepte bringen aber auch komplizierte und undurchsichtige Sozialgesetze. Ich sehe hier eine der Hauptaufgaben der Koalition in der nächsten Legislaturperiode: die Sozialgesetze von ihrem bürokratischen Ansatz zu befreien.
Auf der anderen Seite hat diese Koalition aber eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen, wenn auch nicht in dem von uns gewünschten Umfang. Ich komme zum Erziehungsgeldgesetz, das im Gegensatz zum vorherigen Mutterschaftsurlaubsgesetz auch für Mütter ausgezahlt wird, die vor der Geburt ihres Kindes nicht erwerbstätig waren. Wahlweise können auch Väter diesen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen.
Nach vielen Absichtserklärungen und Anläufen ist es dieser Koalition auch gelungen, Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung endlich einzuführen. Seit dem 1. Juli 1986 bekommen Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren einen 20 %igen Zuschlag zum Sozialhilferegelsatz. Arbeitende Alleinerziehende können nachgewiesene Betreuungskosten für das erste Kind bis zu 4 000 DM, für jedes weitere Kind bis zu 2 000 DM absetzen.
Auch das Zusammenleben der Generationen ist durch Wohngeldfreibeträge verbessert worden. Wir haben gehandelt, während sich die Familienpolitik von SPD und GRÜNEN in unbezahlbaren Forderungen erschöpft.
Die FDP konnte in dieser Koalition einen wichtigen Teil ihrer Familienpolitik verwirklichen, nämlich die Familie ideell und finanziell zu stärken. Wir haben die Situation Alleinerziehender verbessert, das Zusammenleben der Generationen erleichtert, wo dies gewünscht wird. Für uns ist Familienpolitik eine bessere Berücksichtigung der Familien in allen Politikbereichen, von Wohnungspolitik bis hin zur Sozialpolitik. Wir wollen weitere Verbesserungen vornehmen, wenn dies finanziell möglich ist. Ich wiederhole das, was ich schon öfters gesagt habe: Wohltaten auf Pump wird es mit uns nicht geben.
Aber diese Regierung ist nicht nur im Bereich der Familienpolitik ein ganzes Stück weitergekommen, sondern auch im Bereich der Chancengleichheit für Frauen im Berufsleben. Ich will hier ein Beispiel vorbringen, das sich in meiner unmittelbaren Umgebung abgespielt hat: Ich war gerade bei meinem Schreiner.
— Lassen Sie doch diese kindlichen Zwischenrufe!
— Bei diesem Schreiner stellte sich ein Mädchen vor, das in diesem Beruf eine Lehre beginnen wollte. Dieser Schreiner sagte: Nein, das geht nicht, weil die Gesetze entgegenstehen; ich habe keine eigenen Sozialräume usw. Ich habe ihn dann darauf aufmerksam gemacht, daß im Bundestag — gegen den Willen der SPD — in diesem Bereich eine Änderung vorgenommen wurde und daß jetzt gerade kleine und mittlere Betriebe Mädchen einstellen können, weil Hemmnisse abgebaut worden sind.
Acht Tage später, Frau Kollegin Fuchs, konnte ich feststellen, daß dieser Schreiner ein Mädchen eingestellt hat.
Ein Gesetz dieser Regierung, das von der Opposition mit dem Wort „Sozialabbau" diskriminiert wurde, hat es einem Mädchen erlaubt, einen qualifizierten Handwerksberuf zu erlernen. Ich wünsche mir, daß die SPD-Kollegen einmal zu diesen jungen Frauen gehen und ihnen erklären, warum sie damals gegen unsere Gesetzgebung gestimmt haben.