Rede von
Uwe
Ronneburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Diederich, ich bin gern bereit, mich mit Ihnen gemeinsam an das unkorrigierte Protokoll zu setzen, das von heute geschrieben worden ist. Sie haben nicht von einer neuen Phase, Sie haben von einer neuen Deutschlandpolitik gesprochen. Das mag ein Versehen gewesen sein — ich akzeptiere das gerne —, aber auch bei der neuen Phase der Deutschlandpolitik sind meine Bedenken nicht ausgeräumt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieviel unbefangener wären wir heute in diese Aussprache über den Einzelplan 27 gegangen, wieviel unbefangener hätten wir die vielen noch ungelösten Fragen der Deutschlandpolitik ansprechen können, Herr Kollege Dr. Schierholz, wenn nicht in diesen Raum hinein praktisch noch das Echo der Schüsse von Montag zu hören gewesen wäre! Ich kann nur sagen: Wir haben in der Vergangenheit nie darauf verzichtet, auch auszusprechen, was um der Menschen willen in Deutschland gesagt werden muß. Wir können das auch in diesem Zusammenhang nicht verschweigen.
Ich füge in aller Offenheit und im Bewußtsein hinzu, daß wir das Ziel der deutschen Einheit und auf dem Wege dorthin das Ziel der guten Nachbarschaft nicht aus dem Auge verlieren werden: Wer sich in der DDR der Hoffnung hingeben sollte, daß mit Schüssen an der Mauer die Einheit der deutschen Nation zerstört werden könnte, der allerdings hängt einer Illusion nach.
Tatsächlich ist das Gegenteil richtig. Die Tatsache, daß eine technisch perfekte und dichte Grenze und der Schießbefehl die beiden Teile des deutschen Volkes voneinander trennen müssen, ist ein Beweis dafür, daß man auf diese Weise die Einheit der Nation nicht auflösen kann.
Wir werden, sosehr uns dieser Vorfall wieder einmal daran erinnert, wie weit jedenfalls die DDR noch in ihrem Handeln vom dem Zustand guter Nachbarschaft entfernt ist,
in aller Offenheit, Herr Kollege Ströbele, auch in Zukunft sagen, wo Menschenrechte verletzt werden. Aber wir werden darüber hinaus bereit sein, im Interesse der Menschen im geteilten Land — in dem Sinne, für die, die davon betroffen sind, die Lasten der Teilung leichter zu machen — unsere Politik fortzusetzen.
Deswegen, Herr Bundesminister, gehe ich, was Ihren Einzelplan angeht, nur auf einen einzigen Satz ein, nämlich auf den letzten Satz im Vorwort des Einzelplans. Dieser Satz lautet: „Wesentliche Änderungen gegenüber dem Vorjahr sind nicht eingetreten." Und wenn denn die Zahlen des Haushaltes Ausweis für die geplante Politik sind, dann bedeutet dieser Satz, daß eine kontinuierliche — nicht eine neue oder auch mit einer neuen Phase beginnende — Deutschlandpolitik auch über den 25. Januar des nächstens Jahres hinaus fortgesetzt werden wird; eine Deutschlandpolitik, die mit den Realitäten lebt und die doch das Ziel nicht aus dem Auge verliert, daß eines Tages die Freiheit, angesichts der auch der Kollege Schierholz in diesem Hause sprechen kann, allen Deutschen zur Verfügung steht und nicht nur denen auf dieser Seite der Grenze.