Rede von
Dr.
Jürgen
Warnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege, Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß die Atomenergie in Brasilien aus Mitteln der deutschen Entwicklungshilfe finanziert worden ist.
Sie stehen gegen alle Länder der Welt, die vor 14 Tagen in den Vereinten Nationen die friedliche Nutzung der Kernenergie beschlossen haben. In ideologischer Verblendung setzen Sie sich über die Existenzinteressen unserer Arbeitnehmer mit derselben Rücksichtslosigkeit hinweg wie über die Existenzinteressen der Menschen in der Dritten Welt.
Meine Damen und Herren, deutsche Politik ist auf Grund der Erfahrungen dieses Jahrzehnts geprägt vom Eintreten für Menschenrechte, für Frieden und für Freiheit. Diese Grundprägung bringen wir im Rahmen der Neuorientierung auch in unsere Entwicklungspolitik ein.
Deshalb haben wir die Hilfe für El Salvador und für Guatemala wieder aufgenommen, zur Unterstützung von Staatsmännern wie Napoleon Duarte und Vinicio Cerezo, die sich unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit, für Menschenrechte und gegen die Extremisten von rechts und von links in ihren Ländern behaupten.
Deshalb haben wir die Neuzusagen für Nicaragua eingestellt, solange die Sandinisten in Zentralamerika Unfrieden stiften.
Wir wollen eine politische Lösung. Wer aber will, daß in Nicaragua die Demokratie Fuß faßt, wer militärische Lösungen ablehnt, der ist nur glaubhaft, wenn er die Menschenrechtsverletzungen durch die Sandinisten beim Namen nennt,
wenn er die Verletzung der Pressefreiheit beim Namen nennt, wenn er die politischen Gefangenen beim Namen nennt, die heute in Nicaragua alle durch sandinistische Verursachung leiden müssen.
Wer die demokratische Entwicklung in Nicaragua will,
muß den demokratischen Kräften in diesem Land, muß den Liberalen, muß den Christlich-Sozialen, muß den Sozialdemokraten
und auch den Konservativen seine moralische Unterstützung bekunden,
die dort nicht im sicheren Port des Deutschen Bundestages
große Reden führen und „Mörder" schreien, sondern die dort ihre eigene Freiheit, ihre körperliche Unversehrtheit, ja, ihr Leben aufs Spiel setzen im Einsatz für die Demokratie in Nicaragua. Und hier wie anderswo ist die SPD in den 70er Jahren stekkengeblieben, hält den Sandinisten die Stange und läßt nicaraguanische Sozialdemokraten im Stich. Da ist der Skandal um das Vorstandsmitglied der SPD, den Bremer Senator und Bürgermeister Henning Scherf, der Präsident Reagan einen frühen Tod wünscht, nur damit die Sandinisten in Nicaragua freies Spiel haben. Damit zerstört die SPD nicht nur das Vertrauensverhältnis zum amerikanischen Verbündeten, sondern auch dringend notwendige Überparteilichkeit in der Stabilisierung Zentralamerikas.
Der vorliegende Haushalt gibt uns die Möglichkeiten, die vor uns stehenden Aufgaben anzupakken: Ernährungssicherung aus eigener Kraft angesichts anhaltender Bevölkerungsexplosion, Bildung und Ausbildung frei von verfehlten europäischen Vorbildern, mehr Spielräume für Selbsthilfe, Kampf gegen das Vordringen der Wüste in Afrika und Schutz der tropischen Regenwälder, in der Tat, Herr Kollege Rumpf.
Eine Aufgabe aber will ich besonders hervorheben: Das ist eine bessere Würdigung der Stellung der Frauen im Entwicklungsprozeß. Wir brauchen dafür keine neuen Stellen. Wir haben die Kraft, das,
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1986 19403
Bundesminister Dr. Warnke
was notwendig ist, durch Schwerpunktsetzung im eigenen Haushalt zu tun.
Meine Damen und Herren, mit der Neuorientierung hat die Bundesregierung den gewandelten Bedingungen der 80er Jahre Rechnung getragen. So ist es möglich gewesen, die Modeerscheinung des Hilfepessimismus in unserem Lande in den letzten Jahren zu überwinden. Das Engagement des Bundespräsidenten auf seinen Reisen in die Dritte Welt, in seinem Auftreten innerhalb der Bundesrepublik hat dazu viel beigetragen. Wir danken ihm dafür, und wir werden unseren Weg fortsetzen von der Entwicklungshilfe über die Entwicklungszusammenarbeit zu der Entwicklungspartnerschaft mit den Völkern der Dritten Welt.