Rede von
Dr.
Jürgen
Warnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Sie haben, Frau Kollegin Eid, viel Mühe auf Ihre Gratulationsrede verwendet. Sie haben ein bißchen wenig auf die Beurteilung unserer deutschen Entwicklungshilfe bei den Partnern in der Dritten Welt gehört. Vor allem: Sieh, das Gute liegt so nah! Sie haben ganz übersehen, zu etwas zu gratulieren, wozu wirklich Anlaß gewesen wäre: daß wir nach dem Höchststand der deutschen Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr nun in diesem Haushalt mit fast 7 Milliarden DM wiederum einen Höchststand haben.
— Warten Sie nur ab! — Beides — das vergangene Jahr und dieses Jahr — ist keine Selbstverständlichkeit zu einer Zeit, wo die Wiedergewinnung finanzieller Solidität unsere Finanzen in Anspruch genommen hat.
Ich danke dem Parlament für seine Unterstützung, insbesondere den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich danke auch den Mitbürgerinnen und Mitbürgern für ihre Zustimmung zur Fortführung und zum Ausbau unserer Entwicklungszusammenarbeit.
Herr Kollege Brück, dieser Höchststand ist trotz aller Prozentbruchteile und trotz aller Rückflußproblematik erreicht worden. Ich habe mit Aufmerksamkeit gehört, daß dieses Haus der Rückflußproblematik in der kommenden Legislaturperiode die ihr gebührende Aufmerksamkeit widmen will.
Nur, mit den Verpflichtungsermächtigungen, lieber Herr Kollege Brück, sind Sie in dem Denken der 70er Jahre steckengeblieben. Wir haben zu Hunderten von Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen, die zu Ihrer Zeit eingegangen worden waren, reprogrammieren müssen. Denn mit Verpflichtungsermächtigungen können Sie keinen Hungernden sattmachen. Deshalb haben wir jetzt das neue Instrument schnell abfließender Strukturanpassungshilfe geschaffen und werden es schnell und wirksam als moderne Entwicklungshilfe einsetzen.
Das Jahr 1987 wird das bisherige Gesamtvolumen deutscher öffentlicher Leistungen den 150 Milliarden DM nahebringen. Es wäre gut, wenn auch Sie von den GRÜNEN zur Kenntnis nähmen: Schwerpunkt ist und bleibt in diesem Haushalt die Hilfe für die Armsten. Wir werden den Anteil für die ärmsten Länder von 23 auf 26% steigern.
In der Tat kommt es nicht auf die Quantität an. Deshalb haben wir die Steigerung der Wirksamkeit vor die Steigerung der Millionen gesetzt. Noch immer wird international auf diesem Gebiet zuviel vergeudet. Wir haben deshalb in dieser Legislaturperiode zielorientierte Projektplanung eingeführt, die Erfolgskontrolle verstärkt und die Abstimmung der Geber untereinander intensiviert. Die Neuorientierung der deutschen Entwicklungshilfe begreift Entwicklung als Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Menschen und Völker der Dritten Welt. Das heißt, nicht wir bestimmen das Ziel, sondern wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich danke den Kirchen, daß sie sich bereit gefunden haben, ihre reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Selbsthilfe einzubringen, um der staatlichen Entwicklungspolitik zu helfen, wirksamer als in der Vergangenheit Selbsthilfe im Idealfall für ganze Regionen und nicht nur für kleine Entwicklungsinseln wirksam werden zu lassen.
Wir wollen damit den Begriff der Selbsthilfe von einer Leerformel auf ein konkretes und operationales Arbeitsprinzip bringen.
Meine Damen und Herren, der Politikdialog, den wir über die Rahmenbedingungen mit den Entwicklungsländern führen, ist für uns keine Einbahnstraße. Anders leben, damit andere überleben, das bedeutet: Wir brauchen den Mut zum Strukturwandel auch bei uns selbst. Wir müssen unsere Märkte offenhalten, damit die Menschen in den Entwicklungsländern die Früchte ihres Fleißes auch selbst ernten können.
Wir müssen den europäischen Agrarmarkt in seiner Struktur reformieren,
damit nicht Milliarden den Landwirten bei uns vorenthalten werden und zur Subvention von strukturellen Überschüssen zum Schaden der Menschen in der Dritten Welt auf dem Weltmarkt verwendet werden.
Aber Mut zum Strukturwandel, meine Damen und Herren von SPD und GRÜNEN, das heißt vor allem: Wir müssen uns heute auch aus entwicklungspolitischer Verantwortung der Kernenergie und anderer moderner Techniken der Energieerzeugung bedienen. Jede andere Politik führt zur Verteuerung von und zum Raubbau an nicht ersetzbaren Energieträgern wie Öl und Kohle, auf die die Entwicklungsländer noch Jahrzehnte angewiesen sein werden.