Nein, im Augenblick nicht. Ich habe leider nur sehr wenig Redezeit.
Er hätte die in diesem Punkt sehr eindeutigen Erklärungen aus dem Kreml ernst nehmen sollen, die keinen Zweifel daran lassen, daß auch Vereinbarungen über den Abbau der Mittelstreckenraketen in Europa nicht möglich sein werden, solange der amerikanische SDI-Stolperstein nicht aus dem Weg geräumt ist. Aber es wird ja ohnehin immer offenkundiger, daß der Bundeskanzler diesen Abbau, daß er Abrüstung gar nicht will.
Schon vor Reykjavik, als sich bei den Mittelstreckenraketen ein Verhandlungsergebnis auf der Basis der von ihm früher als großartige amerikanische Friedensoffensive gepriesenen Null-Lösung abzuzeichnen schien, hat Herr Kohl zugelassen, daß aus seiner Partei plötzlich Bedenken gegen einen so weitgehenden Raketenabbau geäußert wurden, die selbst in den USA irritierten.
Nachdem das Desaster von Reykjavik, die brutale Vernichtung der Menschheitshoffnung auf Abrüstung durch das Festhalten des amerikanischen Präsidenten am SDI-Vorhaben, seine Sorge, es könnte zu einer Null-Lösung für Westeuropa kommen, zerstreut hatte, ist der Kanzler vollends auf jene Linie eingeschwenkt, die General Rogers, von den deutschen Generalen Altenburg und Mack dienstbeflissen sekundiert, vor wenigen Tagen mit militärischer Offenherzigkeit markiert hat: Null-Lösung kommt nicht in Frage, weil, wie der General betonte, der sogenannte NATO-Doppelbeschluß vom Dezember 1979 von Anfang an eine Illusion gewesen sei und die amerikanischen Mittelstrekkenwaffen mit der sowjetischen SS-20 nichts zu tun hätten, was die Kritiker dieser nuklearen Aufrüstung Westeuropas immer schon gewußt und gesagt hatten. So ist die Katze doch noch aus dem Sack gekommen, als erneuter Beweis dafür, daß man der Bundesregierung in ihrer Sicherheitspolitik nicht glauben kann,
weil ihre Aussagen zur Bedrohung, zu angeblich unverzichtbaren Sicherheitsvorkehrungen und zum vorgetäuschten Abrüstungswillen unrichtig sind.
Weitere Beweise gibt es genug. Ich brauche nur auf das Wartime Host Nation Support-Abkommen, auf die Pläne für eine europäische Atomstreitmacht, bei der man dann endlich auch die Hand am Drücker hätte, auf die ständigen Plädoyers des Verteidigungsministers für eine europäische Verteidigungsinitiative und auf die militärischen Inhalte von Eureka hinzuweisen. Doch läßt die Kürze der Zeit Ausführungen dazu nicht zu.
So möchte ich mich auf die abschließende Feststellung beschränken, daß die GRÜNEN es ablehnen, an der Finanzierung einer Unsicherheitspolitik mitzuwirken, die auf bewußter Täuschung der Öffentlichkeit beruht,
von einer gezinkten Bedrohungsvorstellung ausgeht, die Abschreckung mit Massenvernichtungswaffen für unverzichtbar hält, den Ersteinsatz von Nuklearwaffen ausdrücklich vorsieht, die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen auf unserem Boden gutheißt und die bedingungslose Unterstützung des amerikanischen Vor- und Übermachtstrebens den eigenen Interessen voranstellt.
Ich habe gerade noch einen Beweis, der mir soeben in die Hände gekommen ist, dafür mitgebracht, wie primitiv dieses Zinken von Daten vonstatten geht, wenn es sich darum handelt, sowjetische Überlegenheit darstellen zu wollen. In dem jüngsten Faltblatt der Bundesregierung über NATO und Warschauer Pakt wird in einem Kräftevergleich bei den Daten der strategischen Nuklearraketen nur die Zahl der Trägersysteme aufgeführt, weil, wie wir ja alle wissen, die Sowjetunion da den Vereinigten Staaten leicht überlegen ist. Die Zahl
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzune. Bonn. Mittwoch. den 26. November 1986 19385
Bastian
der Gefechtsköpfe, die von diesen Trägersystemen transportiert werden, wird verschwiegen, weil dann das Bild sowjetischer Überlegenheit nicht aufrechzuerhalten wäre, weil, wie wir ebenfalls wissen, die Amerikaner auch mit weniger Trägerraketen mehr Gefechtsköpfe transportieren können als die Sowjets mit mehr Raketen.
Das ist ein ganz gravierendes Beispiel für die primitive Art und Weise, wie die Öffentlichkeit getäuscht
und ein Horrorszenario sowjetischer Überlegenheit vorgeführt wird, das der tatsächlichen Nachprüfung nicht standhält.
— Leider ist es vom Bundespresseamt in so großer Zahl verteilt, daß man befürchten muß, daß es an allen Schulen vorrätig ist.
— Ja natürlich, das ist klar. Einigermaßen orientierte Leute, wie wir sie zum Glück in der Friedensbewegung haben, erkennen diesen Schwindel natürlich sehr schnell. Nur die Nichtorientierten fallen darauf herein, und das ist die miese Spekulation bei solchem Propagandamaterial.
Danke schön.