Rede von
Antje
Huber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind es ja gewöhnt, daß bei der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amtes von den großen Ereignissen in der Welt die Rede ist, von den Hintergründen, von Bündnissen, Spannungen und Verhandlungen. Das ist auch gut und richtig so. Trotzdem, finde ich, ist kein Grund gegeben, jetzt Erfolgsbilanz zu ziehen und Lobeshymnen zu verbreiten, Frau Hamm-Brücher. Es sind allzu viele Fragen offengeblieben trotz einiger guter Ansätze, die wir vermerken.
Man muß in der Außenpolitik ganz besonders vorsichtig sein mit der Verkündung von Ergebnissen, die man vielleicht erst Jahre später wird erreichen können. Es ist doch eher so, daß wir täglich, manchmal erschwert durch neue Peinlichkeiten und neue Vorfälle, um Lösungen zittern, die wir doch alle erhoffen. Wenn es jetzt in der Außenpolitik eine Gemeinsamkeit gibt, dann die, daß wir uns doch oft gemeinsam bedrückt fühlen und keineswegs über Themen froh sind, die wir im Wahlkampf ausschlachten könnten. Das wollen wir überhaupt nicht. Wir möchten gerne, daß wir gerade in der Außenpolitik besonders gut dastehen; denn wir sind mit unserer geographischen Lage ein Land, das eine gute Außenpolitik ganz besonders nötig hat.
Ich möchte nicht, daß die Debatte heute endet, ohne daß wir aus unserer Sicht auch noch ein Wort zum Haushalt gesagt haben. Der Haushalt soll nicht ganz als Nebensache abgetan werden; denn er gibt ja dem Auswärtigen Amt das Rüstzeug, um seine kontinuierliche Vertretung in der Welt sicherzustellen.
Ich möchte hervorheben, Herr Außenminister, daß der Auswärtige Dienst in den letzten Jahrzehnten viele neue Aufgaben zugewiesen bekommen hat. Gleichzeitig hat er viele Stellen eingebüßt, so daß wir den Nachholbedarf nur ganz allmählich decken. Das alles ist eigentlich sehr paradox. Aber es ist eben so eingetreten. Wir können nicht erfreut darüber sein, daß der Nachholbedarf nur stückweise gedeckt wird und daß wir erst in jüngster Zeit die sozialen Bedürfnisse stärker in den Mittelpunkt unserer Betrachtung gestellt haben. Das war alles schon vor 15 Jahren offenkundig, damals, als Außenminister Brandt das Gutachten zur Reform des Auswärtigen Dienstes in Auftrag gegeben hat. Eigentlich haben wir heute nicht weniger, sondern mehr Probleme.
Der jetzt vorgelegte Haushalt steigt zwar ein bißchen mehr als der Haushalt allgemein. Aber nun ziehe ich einmal die Rüstungssonderhilfe für Portugal ab, ebenso die einmaligen Summen für Botschaftsbauten, den Erwerb des Postministeriums.
und die jährlichen Anpassungen. Dann bleibt doch eine sehr bescheidene Verbesserung übrig, und das zu einer Zeit, in der die Regierung und die sie tragenden Fraktionen sich nicht genug tun können zu sagen, wie gut es uns doch gehe, in der Milliarden Steuergelder zum Verteilen übrig sind und in der phantastische Steuernachlaßvorschläge gemacht werden. Eine bessere Zeit für bessere Ansätze kann es doch gar nicht geben. Das muß man einmal sagen.
— Ich habe noch nie einen ausgestellt. Aber wenn wir Geld haben, sollten wir es auch richtig ausgeben.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1986 19375
Frau Huber
Es gehört zur Verantwortung der Parlamentarier, auch dafür zu sorgen, daß der Staat und seine Dienste funktionsfähig bleiben.
Man kann nicht nur mit Steuergeschenken winken. Es gehört zur Redlichkeit, heute klar zu sagen, daß es trotz der Stellenverbesserungen an den Auslandsvertretungen und in den Goethe-Instituten, die natürlich begrüßt werden, immer noch so ist, daß eine große Unterversorgung im mittleren Dienst besteht. Das wurde schon vor 15 Jahren beklagt. Das ist immer noch so.
Eine Unterversorgung besteht auch bei Sachmitteln, besonders auf dem Gebiet der Bürotechnik. Wir waren jetzt mit einer Gruppe in Asien. Da haben wir wieder gesehen, wie mittelalterlich einige Vertretungen ausgerüstet sind. Tagelang von jeglichen Nachrichten aus der Bundesrepublik abgeschnitten, vertreten sie unser Land in bedeutenden Ländern, z. B. auf den eben genannten Philippinen.
Ich kann auch Ungerechtigkeiten bei Einstufungen nicht übersehen.
Wir betrauen manche Leute in der Welt, die Repräsentanten der ganzen Bundesrepublik sind, mit schweren Aufgaben, während ihr Gehalt in keinem Verhältnis zu der Verantwortung steht, die sie wahrnehmen. Das kann sich doch sicher nicht immer weiter so fortsetzen.
Den sozialen Problemen hat sich das Haus erst in letzter Zeit nachhaltiger gewidmet. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber es bleibt noch manches zu tun.
An dieser Stelle möchte ich aber das Problem der Frauen im Auswärtigen Dienst hervorheben. Die Attraktivität des Auswärtigen Dienstes wird erst wiederhergestellt sein, wenn eine bessere Regelung für die Ehegatten gefunden wird,
die unter Verzicht auf eigenes Einkommen, eigenen Beruf und eigene Rente
ihre Dienste draußen unentgeltlich leisten, und das wird dort von ihnen auch erwartet.
So schön es auch ist, daß der Haushaltsausschuß in seiner großen Güte nun einen Mindestbetrag für den Ehegattenzuschlag festgesetzt hat: Aber diese 100 DM sind wahrlich keine Lösung des Problems.
Auch im Kulturbereich gibt es noch viele Mängel und Engpässe. Dieser Bereich steht im Haushaltsplan ganz hinten. Wer da aber meint, daß es schon sinnvoll sei, wenn der hinten steht, der vergißt, daß es auch von unseren Aktivitäten abhängt, wie viele Menschen auf der Welt Deutsch lernen
und enge, freundschaftliche Beziehungen zur Bundesrepublik wünschen, das zahlt sich politisch immer aus.
Die meisten Probleme, meine lieben Kollegen, sind nicht neu. Sie sind, wie gesagt, schon seit 15 Jahren offenkundig und haben sich zum Teil noch verschärft. Fünfmal hat die Regierung seither einen Bericht zur Reform des Auswärtigen Dienstes vorgelegt. Das fünfte Mal ohne Nummer vor dem Titel, damit man nicht mehr merkt, wie sehr sich diese Reform verschleppt. Schuld daran sind bestimmt nicht die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, des Auswärtigen Dienstes. Sie haben die dringendsten Verbesserungen oft genug sogar gegen die Spitze ihres eigenen Hauses durchsetzen müssen. Und sie haben oft ordentliche, gute Arbeit geleistet, nicht wegen guter, sondern trotz schlechter Ausstattung. Dafür gebührt ihnen Dank.
Aber neben dem Minister, der für einen fühlbaren, wenn auch allmählichen Reformvollzug mehr hätte tun müssen und statt dessen manches dem Parlament überließ, haben auch wir Politiker schuld, wir, die wir uns speziell mit der auswärtigen Politik befassen. Es ist uns nicht gelungen, vor dem ganzen Parlament, wie man hier heute wieder sehen kann, und in der Öffentlichkeit das Bild einer eher nonchalanten, sekttrinkenden Diplomatie zu zerreißen und statt dessen die harte Alltagsarbeit der Auslandsvertretungen an schwierigen Orten der Welt ins Bewußtsein zu rücken
und das wechselvolle, familienunfreundliche und oft risikoreiche Leben dieses Berufsstandes aufzuzeigen, der nur dann einmal ins Licht tritt, wenn irgendwo ein Mord oder ein Unglück passiert, wie jetzt jüngst geschehen. Wie kein anderer ist dieser Berufsstand auf Wechsel und Wegsein programmiert. Deswegen hoffe ich, daß wir — wie schon andere Länder vor uns mit Erfolg — es doch noch zustande bringen, daß dieser Berufsstand ein eigenes Gesetz bekommt. Vorarbeit dazu haben wir jedenfalls geleistet.
Es gibt in unserem Parlament nicht viele Bereiche, in denen sich die Abgeordneten in der Vergangenheit so oft mit der Rolle des Zuhörers und späten Kommentators begnügt haben wie in der Außenpolitik, obwohl die Außenpolitik doch ganz handfeste — nicht bloß verteidigungspolitische, sondern auch wirtschaftliche und kulturelle Grundlagen hat. Auch daran mag es liegen, daß die Realitäten, mit denen es der auswärtige Dienst zu tun hat, so sehr im Verborgenen geblieben sind.
Der Haushalt 1987 ist jedenfalls nur ein kleiner Schritt mit punktuellen Verbesserungen. Wir sind dafür zwar dankbar, aber ein strukturelles Konzept, wie man das Notwendige — und da fallen
19376 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1986
Frau Huber
einem vergleichbare Länder durchaus positiv ein — auch in kleineren Schritten tun kann, ist er nicht. Dies bleibt weiterhin eine Zukunftsaufgabe für Regierung und Parlament.
Ich denke, daß ich, als ich vor mehr als 17 Jahren hier an dem Pult meine erste Rede hielt, optimistischer war als heute. Aber es muß bei Einsicht, Kooperationsfähigkeit und ernstem Willen doch möglich sein, zu Lösungen zu kommen. Man kann doch nicht immer nur über die Probleme reden. Und so wünsche ich denn dem Auswärtigen Ausschuß, daß er sich künftig mehr Gewicht verschafft.
Und dem Auswärtigen Dienst wünsche ich, daß die nächsten 15 Jahre besser für ihn sein mögen.