Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn hier im Rahmen des Einzelplans 04 eine außenpolitische Debatte geführt wird, dann haben die GRÜNEN einiges dazu zu sagen. Herr Gansel hat das Problem der Waffenexporte zu Recht angesprochen. Es ist ein Skandal, daß sich die Bundesrepublik in den letzten Jahren unter die fünf größten Waffenexporteure der Erde hinaufgekämpft hat. Auch da sind wir wieder einmal globale Spitze.
Allerdings meinen wir, Herr Gansel, daß die Alternativen, die Sie vorgeschlagen haben, so überzeugend tatsächlich nicht sind.
Denn Ihre Überwachungsperson, die quasi als Ombudsman fungieren soll, ist unseres Erachtens nicht mehr als ein weiterer Mitwisser dieser ganzen Geschichte. Denn politische Macht wird sie nicht haben. Die politische Macht, Waffenexporte zu verhindern, wird es nur geben, wenn es eine breite Mobilisierung der Öffentlichkeit gibt, die hier ein eindeutiges Stopp sagt. Unsere Außenwirtschaftsverordnung ist restriktiv genug, um jeglichen Waffenexport zu unterbinden. Es kommt hier lediglich auf den politischen Willen dazu an. Wenn Sie von den Sozialdemokraten sagen, daß nur Waffenexporte in Drittweltländer verboten, aber in andere NATOStaaten erlaubt sein sollen, dann haben Sie genau das Problem, das Sie der Union heute vorwerfen, daß nämlich irgendwelche Blaupausen auch nach Südafrika gelangen. Denn dann werden die Blaupausen ganz legal z. B. an Frankreich geliefert, und von Frankreich gehen sie dann nach Südafrika.
Wir sollten auch sehen, daß die Politik der Union hier keine Wende, sondern Kontinuität bedeutet. Es war eine SPD-Regierung, unter der von 1972 bis 1983 sechs U-Boote in das faschistische Chile geliefert wurden —
und dies alles, um die bundesdeutschen Exporte zu steigern.
Ich will noch einiges zu anderen Formen der Unterstützung militaristischer Regimes sagen. Es geht ja nicht nur um Waffenexporte, sondern auch um die Exporte von Polizei. Herr Warnke hat sich erlaubt, das furchtbare Regime in Guatemala mit Polizeihilfe auszustatten. Dies als eine weitere Methode, mit der militaristische Diktaturen in der Dritten Welt von der Union unterstützt werden. Für El Salvador wird Entwicklungshilfe gegeben, obwohl jeder weiß, daß dort die Voraussetzungen für Entwicklungshilfe überhaupt nicht vorhanden sind. Folglich wird sie als Budgethilfe gegeben. Budgethilfe für El Salvador heißt aber nichts anderes, als die salvadorianische Kriegswirtschaft zu unterstützen.
Das sind weitere Beispiele für Außenpolitik. Vor zwei Wochen haben wir erlebt, wie Sie sich weigern, sich von den Terrorbanden der Contras in Nicaragua zu distanzieren.
Der neueste Clou der Warnkeschen Außenpolitik gegen das Auswärtige Amt hat sich gestern nacht bzw. heute morgen ereignet, als der bundesdeutsche Exekutivdirektor in der Weltbank nicht gegen den Weltbankkredit für Chile gestimmt hat — und dies, obwohl wir im Auswärtigen Ausschuß mehrheitlich — mehrheitlich, inklusive FDP — der Ansicht waren, daß diese Kredite nicht ausgezahlt werden sollten. Da hat sich die CSU wieder einmal an den „Genscheristen" vorbeigemogelt und ihre rechtsradikale Außenpolitik durchgesetzt. Wenn der Kanzler die Sowjetunion beschimpft, wenn er die DDR beschimpft, dann glaube ich nicht, daß dies harmlose Ausrutscher sind. Meines Erachtens steckt dahinter vielmehr System, nämlich das System, die Rechtsradikalen möglichst noch in die Union zu integrieren und gleichzeitig den „Genscheristen" einen gewissen Profilierungsraum zu geben, um wieder die Mehrheit bilden zu können.
Unseres Erachtens ist auch die Genscher-Politik nicht die Alternative zur Unionspolitik. Die Alternative heißt nur: Ablösung.
Und Ablösung heißt auch mehr als SPD-Alleinregierung, die es sowieso nicht geben wird.
Als einziger authentischer Ausdruck der Friedensbewegung existiert heutzutage nur noch die Partei der GRÜNEN,
19352 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1986
Volmer
nachdem die SPD-Fraktion letzte Woche die eigenen Anträge, die von der eigenen Partei in Nürnberg beschlossen worden sind,
nämlich Anträge zur Kündigung des Wartime Host Nation Support-Programms und zur ersatzlosen Abschaffung der Pershing II, hier im Bundestag abgelehnt hat.
Eine neue Friedenspolitik im nächsten Jahr wird es nur mit den GRÜNEN geben; dazu gibt es gar keine Alternative.
Die Friedensbewegung ist aufgefordert, den Parteien im Bundestag in die Hacken zu treten.
Wir als GRÜNE haben gar keine Angst davor. Aber wir sind der Ansicht, daß die SPD durchaus noch sehr viel Schubkraft von hinten braucht, weil sie allein nicht so beweglich ist, wie sie uns hier vorzumachen versucht hat.
Herr Genscher, Sie werfen uns vor, wir wollten aus der NATO austreten. Sehen Sie: Mittlerweile hat sich doch in der Bundesrepublik herumgesprochen, daß Ihre Außenpolitik nur zu einer Verhärtung der Blöcke führt — mit der Perspektive, irgendwann die Überlegenheit der NATO sicherzustellen. Unseres Erachtens gibt es nur eine einzige Chance, wirklich zum Frieden zu kommen,
nämlich wenn wir eine Abrüstungsspirale dadurch in Gang setzen, daß wir als erste einseitige Abrüstungsschritte unternehmen. Und das heißt immer, den Bruch mit der NATO zu provozieren, zu riskieren, herbeizuführen. Zu dieser Politik stehen wir. Wir hoffen da auf viel Zustimmung im Januar.
Danke.