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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/248 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 248. Sitzung Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Biehle 19177A Begrüßung des Präsidenten, Sandor Barcs, der Interparlamentarischen Gruppe der Volksrepublik Ungarn 19216 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksachen 10/5900, 10/6209 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/6308, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/6324 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/6328 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/6318, 10/6331 — Dr. Apel SPD 19177 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 19186 A Vogel (München) GRÜNE 19192 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 19196 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 19200 D Wieczorek (Duisburg) SPD 19208A Gattermann FDP 19214 C Spilker CDU/CSU 19216 C Esters SPD 19219 D Roth (Gießen) CDU/CSU 19220 C Austermann CDU/CSU 19222 D Wieczorek (Duisburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19224 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/6309, 10/6331 — Roth SPD 19225 B Glos CDU/CSU 19229 C Tatge GRÜNE 19233 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 19234 D Frau Simonis SPD 19237 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 19239C Dr. Pfennig CDU/CSU 19243 A Frau Simonis SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19244 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/6322, 10/6331 — Zander SPD 19245 B Austermann CDU/CSU 19248 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 19250 D Dr.-Ing. Laermann FDP 19252 A Vosen SPD 19253 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 19254 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/6323, 10/6331 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 19257 D Dr. Rose CDU/CSU 19259C Frau Zeitler GRÜNE 19261C Neuhausen FDP 19263A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 19264 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/6306, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/6327, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksachen 10/6325, 10/6331 — Kühbacher SPD 19266 C Dr. Riedl (München) CDU/CSU 19268 C Ströbele GRÜNE 19270 C Frau Seiler-Albring FDP 19272 D Dr. Nöbel SPD 19274C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 19276 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19277 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/6301, 10/6331 — Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/6302, 10/6331 — Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/6303, 10/6331 — Nächste Sitzung 19278 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 19279* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 19177 248. Sitzung Bonn, den 25. November 1986 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 242. Sitzung, Seite 18697 C, 11. Zeile: Statt „sicherheitspolitischen" muß es „sicherheitstechnischen" heißen. 246. Sitzung, Seite 19083 B, 7. Zeile: Statt „Truman" ist „Roosevelt" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter 25. 11. Dr. Dollinger 26. 11. Dr. Faltlhauser 25. 11. Feilcke 28. 11. Fischer (Homburg) 28. 11. Frau Geiger 25. 11. Dr. Haack 27. 11. Heimann 26. 11. Heyenn 28. 11. Höffkes 25. 11. Hoffie 28. 11. Huonker 25. 11. Ibrügger 25. 11. Jansen 25. 11. Jung (Lörrach) 25. 11. Jungmann 25. 11. Dr. Kübler 25. 11. Milz 28. 11. Dr. Müller 28. 11. Schmidt (Hamburg) 28. 11. Schröer (Mülheim) 25. 11. Dr. Soell 25. 11. Voigt (Sonthofen) 25. 11. Frau Will-Feld 28. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr verehrter Herr Kollege Müller, ich werde den Haushalt respektieren, aber ich werde hier keine Prognosen über Volumina oder Bewilligung von Anträgen geben; denn was wir machen, richtet sich nach den Programmen, die wir festgelegt haben, und nach der Norm, die das Parlament uns setzt. Darüber hinauszugehen wäre der Sache nicht gerecht.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Aber wir werden auch in der neuen Legislaturperiode die Anträge der Opposition genau prüfen!)

    Ich möchte darüber hinaus sagen: Was wir hier tun, haben wir nie als Transfer von Ressourcen oder Subventionen verstanden. Wir wollen vielmehr vor allem Strukturen ändern. Dies geschieht bei der Auftragsforschung mittelständischer Unternehmen für wissenschaftliche Institute. Das geschieht bei Verbundprojekten, die beispielsweise der VDMA, also die Wirtschaft selbst organisiert. Dies geschieht bei Eureka in europäischer und internationaler Zusammenarbeit, dies geschieht in unterschiedlichen Bereichen, so daß die Wettbewerbsfähigkeit zunimmt, und diese haben wir in den letzten Jahren in vielen wichtigen Bereichen in einer beeindruckenden Weise wiedergewonnen.
    Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen. Herr Vosen, ich habe Ihre Rede mit Interesse gehört. Den Zusammenhang mit der Wirklichkeit habe ich nicht an jeden Punkt voll gesehen, aber das mag auf sich beruhen. Was mich aber hier beeindruckt hat, war, daß Herr Zander sagte, der Ansatz für die Technikfolgenabschätzung sei zu niedrig. Herr Zander, ich habe Ihnen im Ausschuß dargelegt — ich kann es hier nicht im einzelnen tun —, daß das, was wir für die Technikfolgenabschätzung tun, ein Vielfaches von dem ist, was jemals im Forschungsministerium geschehen ist. Das geht von der Erforschung der Waldschäden bis zur Mikroelektronik und zu Arbeitsplätzen, zu den Folgen der Informationstechnik für Arbeit und Freizeit.

    (Vosen [SPDJ: Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?)

    — Lieber Herr Vosen, das möchte ich Ihnen an einem Beispiel zeigen. Sie haben hier gesagt: Da wird geforscht und geforscht! Sie haben mich gefragt: Was tun Sie? Jetzt bringe ich Ihnen ein Beispiel. Bei der Erforschung der Waldschäden muß ich erst wissen, was ist, bevor ich tun kann, was



    Bundesminister Dr. Riesenhuber
    hilft. Was war der Fall? Seit 1981 spricht Deutschland von den Waldschäden.

    (Frau Blunck [SPD]: Das ist nicht richtig! Sie hätten beim Diesel schon längst etwas machen können!)

    — Verehrte Kollegin, ich möchte daran erinnern, daß ich damals für die Opposition in den ersten Monaten des Jahres 1982 eine Initiative im Parlament gestartet habe — diese liegt ja bei den Akten —, indem wir — ich glaube, es war eine Große Anfrage — der Bundesregierung in etwa 50, 60 detaillierten Fragen nach einer monatelangen Vorbereitung die Probleme dargestellt haben, mit der Bitte, dies aufzugreifen. Dies alles ist nachzulesen. Als ich im Oktober 1982 in das Forschungsministerium kam, stand für die Erforschung der Waldschäden eine Summe von insgesamt 0,2 Millionen DM zur Verfügung. Ich frage Sie: Wie will man überhaupt sinnvoll handeln, wenn die Forschung nicht die richtigen Fragen stellt, die Probleme nicht aufarbeitet und Entscheidungen dann entweder nicht stattfinden oder beliebig und damit unverantwortlich sind? Das ist doch wohl offenkundig die Aufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was wir gemacht haben, war einerseits, daß wir so schnell wie möglich die Forschung aufgezogen haben. Es bestand nicht eine mangelnde Bereitschaft der Wissenschaftler. Wir haben innerhalb von wenig mehr als einem halben Jahr für Dutzende von Millionen nach einer intensiven Diskussion der Wissenschaft Projekte festgelegt. Wir haben gleichzeitig — denn wir wissen natürlich: Es nützt nichts, wenn wir alles erforschen; dann haben wir nämlich eine prima Wissenschaft, aber keinen Wald mehr — die Großfeuerungsanlagen-Verordnung verabschiedet. Darüber wurde bis 1982 jahrelang diskutiert, aber nicht entschieden. Wir haben entschwefelt; wir haben damit der Umwelt, den Arbeitsplätzen und der neuen Technik geholfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    TA hat noch nie eine solche Rolle gespielt wie in der Arbeit der letzten vier Jahre. Hier muß ich dem Kollegen Müller mit Respekt zustimmen.
    Ich möchte auch noch auf einen Bereich hinweisen, wo wir durchaus Fragen aufgegriffen haben, und ich freue mich, daß das Parlament sie auch aufgegriffen hat. 1982 hat niemand darüber gesprochen — übrigens auch nicht in den Kirchen und nicht in der Wissenschaft —, was Gentechnologie und Medizintechnik für den Umgang mit menschlichem Erbgut bedeuten können. Wir haben diese Fragen gestellt, und v rir haben sie aufgegriffen. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, bis ich das erste Gespräch mit Mitgliedern des Parlaments, mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen im September 1983 geführt habe. Wir haben dieses Gespräch mit den Kirchen, mit der Wissenschaft und mit den Verbänden weitergeführt.
    Ich bin mit Leidenschaft für die Freiheit der Forschung. Aber sie findet dort ihre Grenze, wo die Würde des Menschen berührt werden kann. Dies rechtzeitig zu erkennen ist eine Aufgabe des Staates.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der SPD)

    Deshalb haben wir hier nicht nur technokratisch abgewickelt, was hier im Haushalt eine Rolle spielen kann. Dies hat seinen Wert. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, als erfolgreiche Industrienation im internationalen Wettbewerb zu bestehen, gleichzeitig aber einer technisch geprägten Welt die Dimension der Menschlichkeit hinzuzugewinnen. Nur daraus kann eine verantwortbare Zukunft entstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über die Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6492 bis 10/6496. Können wir darüber gemeinsam abstimmen?

(Zurufe von den GRÜNEN: Ja!)

— Meine Damen und Herren, es stehen jetzt die Anträge der GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6492, 10/6493, 10/6494, 10/6495 und 10/6496 zur Abstimmung. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30.
Wer dem Einzelplan 30 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist in der zweiten Lesung angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft
— Drucksachen 10/6323, 10/6331 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Dr. Diederich (Berlin) Dr. Müller (Bremen)
Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag von bis zu 10 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Besteht das Einverständnis des Hauses? — Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Diederich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Nils Diederich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt 22 Jahre her, seit Georg Picht seine These von einer bevorstehenden deutschen Bildungskatastrophe formulierte, die, wie er damals sagte, einträte, wenn die Bildungsausgaben quantitativ nicht drastisch gesteigert würden. Das traf sich damals mit dem Ideal, daß alle Menschen in unserer Gesellschaft ohne



    Dr. Diederich (Berlin)

    Rücksicht auf Ansehen oder Herkunft gleiche Chancen haben sollten. Willy Brandt hat das genannt: „Mehr Demokratie wagen!" Ich stelle an den Anfang meiner Ausführungen, daß dies für Sozialdemokraten heute noch gilt. Jeder junge Mensch, ohne Ansehen seiner familiären Herkunft und materiellen Ausstattung, soll die Förderung erhalten, die notwendig ist, um ihn seinen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten zu lassen, aber auch, um ihm den Zugang zu den Möglichkeiten zu öffnen, die unsere Gesellschaft bietet. Dies sind wir uns als eine der reichsten Industrienationen um unserer Zukunft willen schuldig.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn ich auf dieser Folie das bildungspolitische Resümee der Regierung Kohl ziehe, muß ich sagen: Das sieht ganz anders aus. Es ist von Abbau, Kahlschlag und Privatisierung gekennzeichnet.

    (Eigen [CDU/CSU]: Horror!)

    Die Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft — es tut mir leid, daß ich das wiederholen muß, Frau Wilms — ist zu einer Abwicklungs- und Liquidationsunternehmerin der bundesdeutschen Bildungspolitik geworden. Dies spiegelt auch der Haushaltsplan in großen Teilen wider. Ich möchte jetzt hier nicht im Zahlenwerk im einzelnen blättern, sondern mich auf einige Grundaspekte konzentrieren.
    Es ist eine Tatsache, daß Ende September noch 46 000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz suchten.

    (Waltemathe [SPD]: Seit fünf Jahren!)

    Vier Jahre lang haben wir nun das Spiel erlebt, daß die Ministerin daraufhin ankündigt, bald werde es keine Jugendlichen mehr geben, die einen Ausbildungsplatz suchen müssen. Ich stelle fest: Diese Bundesregierung hat zuwenig getan, um den benachteiligten und den schwächeren Jugendlichen adäquate Ausbildungsplätze zu vermitteln. Wir betonen die Verstärkung der Maßnahmen für ausbildungsplatzsuchende Jugendliche, besonders für Mädchen. Dies werden wir noch längere Zeit brauchen. Es ist eine Tatsache, daß die Chancen für Mädchen immer noch ungünstiger als für Männer sind. Dies haben Sie, Frau Ministerin, selber dargestellt. 7,7 % der Mädchen in gewerblich-technischen Berufen: Das ist immer noch beschämend wenig. Ich wiederhole: Chancengleichheit ist ein Prüfstein für Demokratie. Das bedeutet: Wir müssen die Schwächeren überproportional fördern und Modelle entwickeln, wie den Schwächeren der Anschluß an unser Bildungssystem ermöglicht werden kann. Hier liegt der grundlegende Unterschied zwischen Ihnen und uns. Sie wollen Vorzeigeeliten fördern. Das sind nur wenige. Wir wollen die Schwächeren fördern und sie leistungsfähig machen. Das sind die Ziele.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: So ein Schmarren!)

    Die Bundesregierung hat die Haushaltskonsolidierung auch durch den Ausverkauf des Ausbildungsförderungssystems herzustellen versucht.
    Heute erhalten weniger Studenten als vor zehn Jahren Bundesausbildungsförderung, und wenn, dann fast ausschließlich auf Darlehensbasis. Wir werden den Ausverkauf dieses Ausbildungsförderungssystems immer wieder kritisieren. Vor allen Dingen der Kahlschlag des Schüler-BAföG wird inzwischen allgemein kritisiert. Diese Ausbildungsförderung für Schüler war und ist für uns ein Eckstein für die Herstellung der Chancengleichheit und auch für die Mobilisierung unserer Bildungsreserven. Deswegen hat Johannes Rau zu Recht diesen Punkt zu einem Hauptziel seines Regierungsprogramms gemacht.

    (Beifall bei der SPD — Bueb [GRÜNE]: Wer ist das denn?)

    Meine Damen und Herren, ich denke, daß wir uns über die Parteigrenzen hinweg einig sind, daß die Leistungsfähigkeit und auch die Leistungsbereitschaft junger Menschen gefördert werden müssen. Nicht einig sind wir uns über die Art, wie das zu erfolgen hat. Ihre Politik konzentriert sich auf die Förderung von Spitzenleistung.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das gehört auch dazu!)

    — Das gehört auch dazu, zugegeben. Aber Sie konzentrieren sich darauf, zu Lasten der Schwächeren. Wir möchten die Bildungsreserven von der Basis her mobilisieren. Das heißt, daß die Förderung wieder sehr viel breiter angelegt werden muß, als das bisher der Fall war.
    Meine Damen und Herren, auch die Abgeordneten der Opposition im Haushaltsausschuß haben sich nach Parlamentarierpflicht bemüht, in den Haushaltsberatungen ihren Beitrag zu leisten. Ich will nicht im einzelnen aufzählen, wo wir zu verändern, zu verbessern versucht haben. Ich muß sagen: Leider ist die Bilanz dünn geblieben.
    Lassen Sie mich aber einen Satz einflechten: Ich möchte allen Mitarbeitern des Ministeriums danken; denn die Beamten dort haben nach bestem Wissen und Gewissen ihre Pflicht getan. Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre, aber ich glaube, man sollte dies doch hervorheben.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Aber manchmal habe ich mich fragen müssen, ob es für einen loyalen Beamten nicht eine zu große Last ist, eine Politik zu verteidigen, die im wesentlichen darauf aus ist, die eigene Tätigkeit überflüssig zu machen.
    Bei allen Bemühungen im einzelnen haben wir hier Bilanz über die verfehlte Politik einer gesamten Regierung zu ziehen. Während die Gesamtausgaben des Bundes von 1982 bis 1985 um 5,1 % angestiegen sind, gingen die Ausgaben des Bundes für Bildung und Wissenschaft um 12,2 % zurück.

    (Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört!)

    Während die Gesamtausgaben des Bundes von 1982
    bis 1990 um 21% steigen sollen, sollen die Ausgaben
    für Bildung und Wissenschaft weiter zurückgehen,



    Dr. Diederich (Berlin)

    und zwar von 1982 bis 1990 um 17 %. Da ist die Schere, die sich zeigt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Kunz [Weiden] [CDU/ CSU])

    Das Ausgabenvolumen des Ministeriums ist nicht nur absolut gesunken, meine Damen und Herren; es sinkt auch spürbar der Anteil der Bildungsausgaben am Gesamthaushalt. Die Koalitionsregierung Kohl hat eine Sanierung auf Kosten der Zukunftsinvestitionen betrieben. Sie will dies auch in Zukunft weiter betreiben.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich darf Stimmen aus Ihrem Lager zitieren. Wenn der RCDS sagt, es sei völlig unverständlich, daß gerade im Bildungsbereich geschnitten wird, wenn er sagt, man müsse mit Verbitterung feststellen, daß lustlos am Bildungswesen herumrepariert wird, dann ist das nur ein Beleg für meine Feststellung.
    Meine Damen und Herren, kommen Sie hier nicht mit dem Argument, das sei alles auf die demographische Entwicklung zurückzuführen. Ich meine, die technologischen und zivilisatorischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte können nur bestanden werden, wenn möglichst viele hochqualifizierte Menschen an der Zukunftsgestaltung teilnehmen, wenn Kreativität und Innovationsgeist entwickelt werden. Das bedeutet, daß wir diesem Bereich nicht Mittel entziehen sollten, sondern die frei werdenden Mittel intensiver dazu benutzen sollten, um junge Menschen zu fördern, und zwar in der Breite und nicht nur an der Spitze.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE])

    Meine Damen und Herren, wenn dies nicht geschieht, dann glaube ich, daß uns diese Bundesregierung sehr bald in die Gefahr einer neuen Bildungskatastrophe ganz anderer Art bringt, als wir sie vor einem Vierteljahrhundert hatten.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wie sollen die sonst ihre Wähler bekommen?)

    Wir als Sozialdemokraten werden uns in diesem Rahmen nicht bewegen können und nicht bewegen wollen. Wir fordern zu einem Wechsel in der Bildungspolitik auf, zu einer neuen Bildungspolitik, mit der Chancengleichheit wiederhergestellt und eine offene Gesellschaft bewirkt wird. Wir fordern, wie ich sagen möchte, eine neue Phase der Bildungsreform. Meine Damen und Herren, verweisen Sie nicht auf die Verfassungslage. Die Bundesregierung trägt eine hohe Verantwortung für die gesamtstaatliche Entwicklung, auch für die Entwicklung unseres Bildungssystems — dies muß dreimal unterstrichen werden —, und die Instrumente dafür sind auch hinreichend vorhanden.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich zusammenfassen: Unsere Schritte sollen sein: intensivere Maßnahmen zur Beseitigung der Ausbildungsplatznot, insbesondere bei Frauen und Mädchen, eine Wiederherstellung des Schüler-BAföG, eine wirksame schrittweise Veränderung der allgemeinen Ausbildungsförderung für Studenten, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen.
    Meine Damen und Herren, der Haushalt, der uns vorliegt, wird von uns abgelehnt, allerdings nicht wegen dieser oder jener Einzelheit, der auch wir zustimmen, sondern deshalb, weil er diese Schlüsselforderungen, die auch für die Zukunft unserer Gesellschaft wesentlich sind, nicht erfüllt, ihnen nicht gerecht wird. Wir wollen eine andere Politik.

    (Beifall bei der SPD)