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    Plenarprotokoll 10/248 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 248. Sitzung Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Biehle 19177A Begrüßung des Präsidenten, Sandor Barcs, der Interparlamentarischen Gruppe der Volksrepublik Ungarn 19216 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksachen 10/5900, 10/6209 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/6308, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/6324 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/6328 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/6318, 10/6331 — Dr. Apel SPD 19177 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 19186 A Vogel (München) GRÜNE 19192 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 19196 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 19200 D Wieczorek (Duisburg) SPD 19208A Gattermann FDP 19214 C Spilker CDU/CSU 19216 C Esters SPD 19219 D Roth (Gießen) CDU/CSU 19220 C Austermann CDU/CSU 19222 D Wieczorek (Duisburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19224 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/6309, 10/6331 — Roth SPD 19225 B Glos CDU/CSU 19229 C Tatge GRÜNE 19233 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 19234 D Frau Simonis SPD 19237 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 19239C Dr. Pfennig CDU/CSU 19243 A Frau Simonis SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19244 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/6322, 10/6331 — Zander SPD 19245 B Austermann CDU/CSU 19248 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 19250 D Dr.-Ing. Laermann FDP 19252 A Vosen SPD 19253 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 19254 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/6323, 10/6331 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 19257 D Dr. Rose CDU/CSU 19259C Frau Zeitler GRÜNE 19261C Neuhausen FDP 19263A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 19264 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/6306, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/6327, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksachen 10/6325, 10/6331 — Kühbacher SPD 19266 C Dr. Riedl (München) CDU/CSU 19268 C Ströbele GRÜNE 19270 C Frau Seiler-Albring FDP 19272 D Dr. Nöbel SPD 19274C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 19276 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19277 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/6301, 10/6331 — Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/6302, 10/6331 — Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/6303, 10/6331 — Nächste Sitzung 19278 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 19279* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 19177 248. Sitzung Bonn, den 25. November 1986 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 242. Sitzung, Seite 18697 C, 11. Zeile: Statt „sicherheitspolitischen" muß es „sicherheitstechnischen" heißen. 246. Sitzung, Seite 19083 B, 7. Zeile: Statt „Truman" ist „Roosevelt" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter 25. 11. Dr. Dollinger 26. 11. Dr. Faltlhauser 25. 11. Feilcke 28. 11. Fischer (Homburg) 28. 11. Frau Geiger 25. 11. Dr. Haack 27. 11. Heimann 26. 11. Heyenn 28. 11. Höffkes 25. 11. Hoffie 28. 11. Huonker 25. 11. Ibrügger 25. 11. Jansen 25. 11. Jung (Lörrach) 25. 11. Jungmann 25. 11. Dr. Kübler 25. 11. Milz 28. 11. Dr. Müller 28. 11. Schmidt (Hamburg) 28. 11. Schröer (Mülheim) 25. 11. Dr. Soell 25. 11. Voigt (Sonthofen) 25. 11. Frau Will-Feld 28. 11.
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    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter Herr Weng, Sie dürfen sicher sein, daß Frau Simonis noch reden wird, ganz sicher!

    (Zuruf: Sie ist noch gar nicht da!)

    Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat der Bundesregierung einen kräftigen Dämpfer versetzt. Herr Minister, vor kurzem hörte man noch: 3 bis 4 % Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr. Man hörte vor kurzem auch noch: deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit. Nun hat der Sachverständigenrat 2 % für das nächste Jahr vorausgesagt und hat gleichzeitig festgestellt, es sei keinerlei Abbau der Arbeitslosigkeit zu erwarten.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Dr. Unland [CDU/CSU]: Das hat er nicht! 80 000 hat er gesagt!)

    Das ist das Ergebnis am Anfang dieser Haushaltswoche, zu dem Sie Stellung nehmen müssen, insbesondere, Graf Lambsdorff zu der Frage: Wo ist denn das neue Wirtschaftswunder? Wo ist bei 2 % Wachstum und bei Stagnation der Massenarbeitslosigkeit das täglich verkündete Wirtschaftswunder?

    (Beifall bei der SPD)

    Die Wahrheit ist: Das ist der schwächste Konjunkturaufschwung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Leider wahr!)

    Die Wahrheit ist: Im fünften Jahr des Konjunkturaufschwungs haben wir 400 000 Arbeitslose mehr als zu Beginn der Regierungszeit Kohl.

    (Zurufe von der SPD: Leider wahr! — Furchtbar!)

    Die Wahrheit ist: 1986 werden wir 14 000 Pleiten haben, 6 000 mehr als im Jahr 1981.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Pleitenregierung! — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ist die Neue Heimat dabei?)

    Damals wurde von Ihnen von sozialistischer Mißwirtschaft geredet.

    (Zuruf von der SPD: Kohl hat das gesagt!)

    Was sind jetzt 6 000 Pleiten mehr? Reaktionäre Mißwirtschaft, oder wie soll man das nennen?

    (Beifall bei der SPD)

    Die Wahrheit ist: Die Chancen dieses Konjunkturaufschwungs wurden verspielt und vertan.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Wir stimmen dem Sachverständigenrat ausdrücklich zu:

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU — Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Ausnahmsweise!)




    Roth
    Die finanziellen Bedingungen für die Unternehmen, mehr zu investieren und damit mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sind heute so gut wie selten zuvor. Gerade der jüngste Monatsbericht der Bundesbank zeigt: Die Großunternehmen schwimmen im Geld.
    Wir stimmen mit dem Sachverständigenrat nicht überein, wenn er behauptet, glänzende Finanzierungsbedingungen würden schon für sich genommen dazu ausreichen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das Gegenteil haben wir gesehen!)

    Die Erfahrungen der letzten Jahre beweisen ganz eindeutig das Gegenteil.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Systematisch hat die Bundesregierung den Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf die Investitionsentscheidungen unterschätzt.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Schon lange nicht mehr hatten wir so optimale Angebotsbedingungen der Volkswirtschaft. Aber eindeutig fehlt es an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, weil die Bundesregierung diese Seite der Politik völlig vernachlässigt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Der amerikanische Außenminister Shultz hat vor zwei Wochen vorgerechnet, daß die USA zwei bis drei Millionen Arbeitsplätze an das Ausland verloren haben. Wir müssen jetzt davon ausgehen, daß die USA mit allen Mitteln versuchen werden, diese Arbeitsplätze wieder zurückzuholen, wenn das nicht bei uns, die wir in den letzten Jahren Überexporte gehabt haben, zu Arbeitsplatzverlusten führen soll. Ich kann nicht verstehen, wie die Bundesregierung das weiterhin behaupten kann.

    (Unland [CDU/CSU]: Was sind ,,Überexporte"?)

    Spätestens jetzt, Herr Bundeswirtschaftsminister, wäre Vorsorge in der Binnenwirtschaft gegenüber der ausfallenden Außennachfrage notwendig.

    (Beifall bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das versteht er nicht!)

    Ich sage auch: Ich bin sehr skeptisch gegenüber der Schätzung des Sachverständigenrates, der 1,5% plus real im Export für das Jahr 1987 voraussieht. Wir haben in den ersten neun Monaten des Jahres 1986 einen Rückgang der Nachfrage von außen um 1,5 bis 2 %. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann lassen Sie sich doch wenigstens von Herrn Giersch überzeugen, der ja jahrelang Ihr geliebter Berater war.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Immer noch!)

    Giersch schreibt zusammen mit Nobelpreisträger Modigliani vor kurzem:
    Der Sturz des Dollars, der in Europas Exportindustrien Arbeitsplätze zerstören wird, macht es notwendiger denn je zuvor, in Europa Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage zu ergreifen.
    Giersch hat recht: Spätestens jetzt ist Vorsorge notwendig. Nachdem die Traumkonstellation von der Außenwirtschaft her — Unterbewertung der D-Mark, Ölpreisverfall — ausgelaufen ist, ist jetzt eine Antwort von der Bundesregierung notwendig, nachdem sie von diesen äußeren Bedingungen zwei, drei Jahre profitiert hat.

    (Zuruf von der SPD: Die geben doch nur dumme Interviews!)

    Was ist denn die Bilanz des Aufschwungs seit 1982? Wir hatten eine drastische Umverteilung von unten nach oben, eine Gewinnexplosion, dennoch eine sehr, sehr schwache Zunahme der Investitionstätigkeit, dafür aber einen unglaublichen Export von Geldvermögen,

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Das ist es!)

    eine Vervierfachung des deutschen Nettoauslandsvermögensbesitzes in nur drei Jahren. Ich sage es noch einmal: Vervierfachung in nur drei Jahren bei Geldexporten. Das ist das Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD)

    Noch nie in einem Wirtschaftsaufschwung gab es in so kurzer Zeit eine so rücksichtslose Umverteilung der Einkommen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern:

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    1,9 Millionen Selbständigen-Haushalte haben 154 Milliarden DM mehr bekommen, knapp 13 Millionen Arbeitnehmer-Haushalte mußten sich mit einem Drittel der Summe, nämlich 53 Milliarden DM, begnügen.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Unanständig ist das!)

    Das läßt sich auch in Einzeldaten sagen: Die Daten der Jahre 1982 bis 1985, die jetzt vorliegen, zeigen den ganzen Umfang der Umverteilung: Die Einkommen der Selbständigen stiegen um 10,4 %, die Einkommen der Arbeitnehmer stiegen um 1,5%,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    die Einkommen der Rentner und Pensionärshaushalte fielen um 2%,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    die Einkommen der Arbeitslosen-Haushalte sanken um unglaubliche 12,5 % in den letzten vier Jahren.

    (Zurufe von der SPD: Unerhört! — Schweinerei!)

    Das ist Politik der sozialen Kälte und nichts anderes.

    (Beifall bei der SPD — Wissmann [CDU/ CSU]: Können wir die Zahlen von 1981 haben? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die hat er vergessen!)

    Nun wird eingewendet, daß durch Umverteilung von unten nach oben Gewinne Investitionen gebracht hätten und diese Investitionen wieder Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze seien. Welcher Zynismus liegt darin, daß Sie gestern das Sachverständigenratsgutachten loben, obgleich es Ihnen



    Roth
    sagt, daß im fünften Jahr des Konjunkturaufschwungs kein zusätzlicher Arbeitslosenabbau kommt!
    Das ist reiner Zynismus.
    Meine Damen und Herren, wir haben zur Zeit 2,2 Millionen registrierte Arbeitslose. Wir haben zur Zeit 1,3 Millionen nicht registrierte Arbeitsuchende.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Die haben wir immer gehabt!)

    Das sind zusammen 3,5 Millionen Menschen, die keine Erwerbstätigkeit haben. Das ist zur Zeit da, und Sie loben eine derartige Prognose für das Jahr 1987.

    (Beifall bei der SPD) — Abg. Wissmann

    [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, auf Grund der Beschränkung nicht.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Er weiß keine Antwort!)

    Wann hat es das schon einmal gegeben, daß — totzt Konjunkturaufschwung — die Zahl der Arbeitslosen im Aufschwung um 400 000 zugenommen hat? Das heißt aber, daß die große Umverteilung, die Sie begrüßt haben, die Sie gefördert haben, auch steuerpolitisch, überhaupt keine Wirkung am Arbeitsmarkt gehabt hat. Die Leute wurden ärmer, aber sie bekamen nicht mehr Arbeit. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD — Wissmann [CDU/ CSU]: 800 000 mehr Beschäftigte, sagt der Sachverständigenrat!)

    Meine Damen und Herren, der Abstand zwischen den armen und den reichen Regionen in der Bundesrepublik hinsichtlich der Arbeitslosenquote ist in den letzten Jahren immer größer geworden.

    (Wissmann [CDU/CSU]: 800 000 mehr Beschäftigte!)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, 1982 betrug der Abstand zwischen dem besten und dem schlechtesten Arbeitsamtsbezirk 10 %. Inzwischen beträgt er 20%. Welche Antworten hat diese Bundesregierung auf die Lage im niedersächsischen Leer mit einer Arbeitslosenquote von 23 %, der höchsten überhaupt? Welche Antwort hat sie für Emdem mit 20%, für Heide mit 18%,

    (Zurufe von der SPD: „Weiter so!")

    für Dortmund und Flensburg mit 17 %, für Saarbrücken, Passau, Deggendorf mit über 16 %? „Weiter so" in diesen Gegenden? Übrigens, von den genannten acht Arbeitsamtsbezirken, die an der Spitze waren, liegen sechs in CDU-geführten Ländern.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Sie hätten zehn weitere aus SPD-regierten Ländern nennen können!)

    Aber, meine Damen und Herren, ich fange gar nicht an, auf dieser primitiven Ebene vorzurechnen.
    Ich habe nur die Frage an die Bundesregierung: Was macht sie dagegen, daß der Wirtschaftsraum der Bundesrepublik Deutschland auseinderfällt?

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Krisenregionen stecken doch in einem Teufelskreis: Massenarbeitslosigkeit schafft Schwäche der örtlichen Wirtschaft; Schwäche der örtlichen Wirtschaft schafft schwache Einnahmen der Gemeinden und der Kommunalverbände. Die können weniger ausgeben. Zusammen mit der schwachen Nachfrage bedeutet das erneut mehr Arbeitslosigkeit. Darauf wird keine Antwort formuliert, weder in diesem Etat noch in den Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums.

    (Beifall bei der SPD — von Hammerstein [CDU/CSU]: Und jetzt kommt Ihr großer Vorschlag!)

    Die Bundesregierung läßt Krisenregionen vor die Hunde gehen. Sie hat kein Konzept beispielsweise für die lebensbedrohende Krise an den Werftstandorten. Sie hat kein Konzept für die Stahlindustrie. Sie hat kein Konzept zur Sicherung der einzigen einheimischen Energiequelle, Steinkohle und Braunkohle.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Was hat die SPD?)

    Sie hat keine Idee, wie die Krisenregionen aus dem Teufelskreis der Arbeitslosigkeit und der Depression herausfinden werden. Meine Damen und Herren, für die Krisenbranchen der deutschen Wirtschaft war der Konjunkturaufschwung seit 1982 eine Atempause. Sie wurde von dieser Bundesregierung überhaupt nicht genutzt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir sind in der Stahlkrise — da können Sie reden, mit wem Sie wollen aus dem Stahlbereich, mit Unternehmern, Managern, Kapitaleignern oder Arbeitnehmervertretern, Arbeitsdirektoren — nach vier Jahren Regierung Bangemann im Ressort des Wirtschaftsministers wieder am Vorabend der Situation vor fünf Jahren.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der Bundesfinanzminister hat Finanzhilfen des Bundes für seine Heimatregion an der Küste ebenso konzeptionslos ausgeworfen wie vor der Niedersachsenwahl neue Agrarsubventionen. Da hat er übrigens vom Sachverständigenrat unsere Kritik exakt bestätigt bekommen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Wenn Sie den Sachverständigenrat so loben, dann verurteilen Sie damit auch Ihre unsinnige Agrarpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, nach dem MilliardenSubventionsregen an die Großagrarier in Norddeutschland nunmehr einige hundert Millionen für Reeder und Werften, damit die Union im Januar



    Roth
    über die Runden kommt: Das ist die einzige Konzeption.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Dann sagen Sie doch mal den Bauern, was Sie machen wollen, Herr Roth!)

    Das ist die Art von Industriepolitik dieser Regierung. Für Regionen mit verfestigter hoher Arbeitslosigkeit wie Oberfranken, in Rheinland-Pfalz, an der Ruhr, an der Saar verweigert die Bundesregierung ihre Hilfe.
    Geradezu dramatisch ist der Kurswechsel, den die Bundesregierung in der Kohlepolitik in diesen Tagen vollzieht. Da spricht der Parlamentarische Staatssekretär Grüner vor einigen Tagen von der Notwendigkeit, die Kohleförderung auf die kostengünstigsten Anlagen zu konzentrieren,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und er schließt ausdrücklich weitere Zechenstillegungen nicht aus.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Dafür ist er nicht zuständig!)

    Es ist bezeichnend, daß die Bundesregierung in ihrem Energiebericht vor einigen Wochen den Begriff „Kohlevorrang" nicht mehr verwendet.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Leider wahr!)

    Es ist bezeichnend, daß die bewährten Instrumente — der Kohlevorrang, Jahrhundertvertrag, Hüttenvertrag, Investitions- und Innovationshilfe — bewußt nicht mehr genannt werden.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Dann denken Sie doch einmal an Ibbenbüren!)

    Die Krise im deutschen Bergbau, von der Sie jetzt immer wieder aus der Bundesrepublik hören, ist eine Krise, die die Bundesregierung durch Unterlassen selbst herbeiführt.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht zwei Sachen gleichzeitig machen: Einerseits loben Sie sich, Sie hätten mitgeholfen, die Ölpreise zu senken, aber für die Folgen der Ölpreissenkung bei der Kohle stehen Sie nicht gerade. Das geht nicht zusammen.

    (Beifall bei der SPD — von Hammerstein [CDU/CSU]: Wir stehen immer gerade, Herr Roth!)

    Die Kumpel wollen wissen, ob der Kohlevorrang noch gilt oder nicht. Sie wollen wissen, ob es weitere Zechenstillegungen gibt. Sie wollen wissen, ob es in der Zukunft noch Arbeitsplätze im Kohlebergbau auch über das jetzige Auslaufen des Jahrhundertvertrags hinaus gibt. Was ist mit dem Jahrhundertvertrag?

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Da seid ihr doch ausgestiegen!)

    Im Energiebericht steht kein Wort über die Verlängerung. Heute haben Sie eine gute Chance, das zu sagen.
    Meine Damen und Herren, der Aufschwung seit 1984 stand außenwirtschaftlich unter einem günstigen Stern. Es war — ich habe es schon gesagt — außenwirtschaftlich eine Traumkonstellation. Die Hälfte unseres Wachstums 1984 und 1985 verdanken Sie Exportboom und Ölpreisverfall. Das waren Glücksfälle. Sie wissen aber selbst: Der Welthandel stagniert, Japan ist bereits in der Rezession, in Amerika deutet sie sich an, der Höhepunkt des achten Konjunkturzyklus nach dem zweiten Weltkrieg ist überschritten. Sie wissen das.
    Für einen erneuten Exportboom der deutschen Wirtschaft fehlen alle Voraussetzungen. Deshalb plädieren wir für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Wir Europäer müssen alle gemeinsam für mehr Arbeitsplätze sorgen.

    (Beifall bei der SPD — Wissmann [CDU/ CSU]: Deshalb Energiesteuern herauf!)

    Die Bundesrepublik ist das Land in Europa, das in dieser Politik für mehr Arbeit an der Spitze stehen muß. Sie ist von der Wirtschaft her das stärkste Land in Europa und hat deshalb eine besondere Verantwortung. Sie müssen deshalb nicht sagen: Wir allein können keine Lokomotive sein, sondern Sie müssen einen europäischen Zug zusammenkoppeln für mehr Arbeit. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht.

    (Beifall bei der SPD)

    Machen wir uns nichts vor: Die Stimmen aus den USA werden lauter, sie fordern eine stärkere Expansion.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Reagan und Roth, Hand in Hand!)

    Wenn sie nicht kommt, werden die Drohungen immer stärker: Sie machen einen neuen Protektionismus. Das können Sie aus jedem Bericht aus den USA nachlesen.
    Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung wiederholt ständig, sie habe kein Patentrezept gegen Massenarbeitslosigkeit. Patentrezepte hat keiner, die gibt es nicht; aber es gibt Elemente einer Politik, die zusammenpassen. Ich nenne zehn Punkte:
    Erstens. Wir müssen die Umverteilung von unten nach oben beenden. Die Massenkaufkraft hat eine weit größere Bedeutung, als Sie jemals eingeschätzt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweitens. Der Staat muß gezielt steuer- und ausgabenpolitisch mittlere und untere Einkommensgruppen entlasten und nicht den Spitzensteuersatz senken.

    (Beifall bei der SPD — Wissmann [CDU/ CSU]: Deswegen Stromzuschlag für alle!)

    Drittens. Wir müssen unser Steuersystem umbauen, damit Investitionen in Sachkapital gegenüber Geldvermögensanlagen bevorzugt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Das sage ich in Richtung auf die CDU und die CSU erneut: Damit kleine und mittlere Un-



    Roth
    ternehmen Benachteiligungen bei der Investitionsfähigkeit verlieren, muß eine steuerfreie Investitionsrücklage sofort durchgesetzt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Der Investitionsstau bei den Gemeinden in Höhe von 50 Milliarden DM insbesondere im Bereich der Umweltinvestitionen muß abgebaut werden.
    Sechstens. Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" muß realisiert werden. Es schafft 400 000 Arbeitsplätze.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich dachte, die habt ihr schon!)

    Siebtens. Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen muß mit einem Sonderprogramm bekämpft werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Achtens. Wir müssen die Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz quantitativ und qualitativ ausbauen und befristete Arbeitsverträge sofort wieder abschaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Neuntens. Wir müssen die Einkommenslage der Ärmsten der Armen, der Sozialhilfeempfänger und der Arbeitslosen — ich erinnere an die 12,5% Minus —, endlich wieder nach oben bringen.

    (Beifall des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    Zehntens. Wir müssen die vorhandene Arbeit durch eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit reduzieren.

    (Beifall des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    Meine Damen und Herren, wir stehen jetzt am Vorabend einer Tarifrunde. Der Bundeskanzler hat jetzt Gelegenheit, seine Worte „dumm, töricht und absurd" in der Arbeitszeitverkürzung zurückzunehmen. Das gehört in diese Haushaltsdebatte.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Dafür wird in Japan und in Amerika immer mehr gearbeitet!)

    Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 4. Mai 1983

    (Zuruf von der SPD: Der ist doch noch nicht einmal da, obwohl über Arbeitslosigkeit gesprochen wird!)

    den folgenden Satz gesagt: „Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit." Blüm und Geißler haben das interpretiert: innerhalb von zwei Jahren eine Million Arbeitslose weniger. Das Ergebnis der Politik ist: 2,2 Millionen registrierte Arbeitslose, 1,3 Millionen nicht registrierte, vergessene Arbeitslose, 3,5 Millionen Arbeitslose zu diesem Zeitpunkt. Das ist das Ergebnis der Versprechungen der Regierung Kohl.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: „Der Aufschwung kommt!")

    Diese Bundesregierung trägt dafür die Verantwortung. Sie hat mit ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik nichts getan, um das Heer der Arbeitslosen zu verringern. Sie hat den Menschen große Opfer abverlangt. Sie hat aber inzwischen vor der Massenarbeitslosigkeit resigniert. Diese Bundesregierung hatte auf Grund der Weltwirtschaft eine große Chance. Sie hat sie verspielt und vertan. Sie sollte zugeben,

    (Seiters [CDU/CSU]: Hamburg! Bayern!)

    daß sie nicht in der Lage ist, das Problem Massenarbeitslosigkeit überhaupt anzupacken.

    (Beifall bei der SPD)