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ID1024802200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/248 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 248. Sitzung Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Biehle 19177A Begrüßung des Präsidenten, Sandor Barcs, der Interparlamentarischen Gruppe der Volksrepublik Ungarn 19216 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksachen 10/5900, 10/6209 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/6308, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/6324 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/6328 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/6318, 10/6331 — Dr. Apel SPD 19177 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 19186 A Vogel (München) GRÜNE 19192 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 19196 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 19200 D Wieczorek (Duisburg) SPD 19208A Gattermann FDP 19214 C Spilker CDU/CSU 19216 C Esters SPD 19219 D Roth (Gießen) CDU/CSU 19220 C Austermann CDU/CSU 19222 D Wieczorek (Duisburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19224 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/6309, 10/6331 — Roth SPD 19225 B Glos CDU/CSU 19229 C Tatge GRÜNE 19233 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 19234 D Frau Simonis SPD 19237 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 19239C Dr. Pfennig CDU/CSU 19243 A Frau Simonis SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19244 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/6322, 10/6331 — Zander SPD 19245 B Austermann CDU/CSU 19248 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 19250 D Dr.-Ing. Laermann FDP 19252 A Vosen SPD 19253 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 19254 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/6323, 10/6331 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 19257 D Dr. Rose CDU/CSU 19259C Frau Zeitler GRÜNE 19261C Neuhausen FDP 19263A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 19264 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/6306, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/6327, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksachen 10/6325, 10/6331 — Kühbacher SPD 19266 C Dr. Riedl (München) CDU/CSU 19268 C Ströbele GRÜNE 19270 C Frau Seiler-Albring FDP 19272 D Dr. Nöbel SPD 19274C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 19276 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19277 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/6301, 10/6331 — Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/6302, 10/6331 — Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/6303, 10/6331 — Nächste Sitzung 19278 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 19279* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 19177 248. Sitzung Bonn, den 25. November 1986 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 242. Sitzung, Seite 18697 C, 11. Zeile: Statt „sicherheitspolitischen" muß es „sicherheitstechnischen" heißen. 246. Sitzung, Seite 19083 B, 7. Zeile: Statt „Truman" ist „Roosevelt" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter 25. 11. Dr. Dollinger 26. 11. Dr. Faltlhauser 25. 11. Feilcke 28. 11. Fischer (Homburg) 28. 11. Frau Geiger 25. 11. Dr. Haack 27. 11. Heimann 26. 11. Heyenn 28. 11. Höffkes 25. 11. Hoffie 28. 11. Huonker 25. 11. Ibrügger 25. 11. Jansen 25. 11. Jung (Lörrach) 25. 11. Jungmann 25. 11. Dr. Kübler 25. 11. Milz 28. 11. Dr. Müller 28. 11. Schmidt (Hamburg) 28. 11. Schröer (Mülheim) 25. 11. Dr. Soell 25. 11. Voigt (Sonthofen) 25. 11. Frau Will-Feld 28. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Axel Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Wenn die Bundesregierung, in diesem Fall vertreten durch Manfred Carstens oder auch durch Bundesfinanzminister Stoltenberg, ab und zu ihre Erfolge abfeiert, dann darf einer nie fehlen, nämlich der sogenannte Konsolidierungserfolg. Die Regierung ist nun schon fünf Jahre beim konsolidieren und hat — oberflächlich betrachtet — die Nettoneuverschuldung des Bundes von 37,4 Milliarden DM im Jahre 1981 auf inzwischen 22,3 Milliarden DM heruntergedrückt.

    (Frau Dann [GRÜNE]: Das ist eine ganz schöne Leistung!)

    Aber lassen Sie uns einmal genauer hinschauen. Die im Haushaltsplan 1987 veranschlagte Nettoneuverschuldung hat mit 22,3 Milliarden DM die Höhe der Neuverschuldung des Jahres 1980 von 27,1 Milliarden DM kaum unterschritten. Diese Höhe wurde damals von der CDU/CSU als ganz besonders skandalös empfunden.

    (Zuruf des Abg. Hornung [CDU/CSU])

    Wenn Sie noch berücksichtigen, daß im Jahre 1980 keinerlei Bundesbankgewinn abfiel, im Jahre 1987 aber wiederum 7 Milliarden DM als Beitrag der Bundesbank zur Deckung des Bundeshaushalts vorgesehen sind, relativiert sich der angebliche Konsolidierungserfolg schon sehr.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Damals fielen auch noch Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 2,1 Milliarden DM an. Heute fallen diese Zuschüsse weg, weil entsprechende Belastungen auf die Beitragszahler bzw. die Arbeitslosen verschoben wurden.

    (Anhaltende Unruhe)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Einen Augenblick Herr Kollege Vogel. Ich bitte die Damen und Herren, die im Gang stehen, entweder Platz zu nehmen oder aus dem Saal zu gehen. Es ist noch genügend Platz vorhanden.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Axel Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Den verschiedenen Bundesregierungen seit 1980 standen durch Neuverschuldung und Bundesbankgewinne jeweils zwischen 25 und 40,9 Milliarden DM zur Verfügung. Der wirkliche Sparerfolg der jetzigen Bundesregierung bewegt sich also in einer Größenordnung von ca. 11 Milliarden DM, wenn man ins Verhältnis setzt, daß im Jahre 1987 die Summe aus Nettoneuverschuldung und Bundesbankgewinn 29,3 Milliarden DM beträgt, wohingegen dieser Betrag im Jahre 1983 40,9 Milliarden DM ergab.
    Unberücksichtigt ist hierbei immer noch, daß zur Nettoneuverschuldung 1987 von 22,3 Milliarden DM eigentlich j a auch noch die 3,3 Milliarden DM hinzugerechnet werden müßten, die der Bund aus der Verscherbelung von Bundesvermögen — sprich: von VW-Anteilen und Veba-Anteilen — gewinnt.
    Das über Jahre hinweg angesammelte Vermögen der Bundesrepublik Deutschland wird nun innerhalb kürzester Zeit verhökert, damit diese Bundesregierung angebliche Konsolidierungserfolge ausweisen kann.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Das ist ein Haushaltspolitiker!)

    Alles in allem ergibt sich somit ein Konsolidierungserfolg von kaum 8 Milliarden DM. Dafür mußten aber Rentner, Familien, Sozialhilfeempfänger, Schüler, Studenten und Kranke diese riesigen Konsolidierungsopfer bringen, die ihnen, angefangen beim Haushaltsbegleitgesetz 1983, abverlangt wurden. Dieses Opfer beläuft sich für dieses Jahr auf immerhin 40 Milliarden DM.
    Trotz dieser Opfer haben Sie, Herr Stoltenberg, es nicht geschafft, den Haushalt auch nur einigermaßen zu konsolidieren. Trotzdem müssen Sie für nächstes Jahr für 22 Milliarden DM neue Kredite aufnehmen und haben unter dem Strich nur ganze 8 Milliarden DM an Konsolidierungserfolg erwirtschaftet.
    Da fragt man sich doch: Wie haben Sie da eigentlich gewirtschaftet? Wo haben Sie das ganze Geld eigentlich gelassen? Wohin ist denn diese Differenz von mindestens 33 Milliarden DM verschwunden? Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wurde dieses Geld jedenfalls nicht verwandt. Es ist vor allem in die Kassen der Unternehmen geflossen und hat dort zu regelrechten Gewinnexplosionen geführt.
    Bei den Steuererleichterungen für die Wirtschaft hat diese Wende-Regierung wahrlich nicht geklekkert. Die Wirtschaft wird am Ende des nächsten Haushaltsjahres mehr als 40 Milliarden DM an Steuern weniger gezahlt haben, als sie ohne diese Wende-Regierung hätte zahlen müssen. Allein die Änderung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude wird in dem Haushalt für 1987 zu Einnahmeausfällen von 2,3 Milliarden DM führen.
    Das hat natürlich Folgen für die Verteilung des Volkseinkommens hervorgebracht: In den letzten vier Jahren ist das Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer um 15,2%, das Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen dagegen um 47,6% gewachsen. Das Scharfe an der Geschichte ist aber, daß die Nettoeinkommen der Unternehmer auf Grund der Steuerentlastung stärker angestiegen sind als ihre Bruttoeinkommen, nämlich um 53 %. Dagegen war es bei den Arbeitnehmern weiter so, daß die Abgabenquote gestiegen ist. Ihr Zuwachs der Nettoeinkommen betrug in den letzten vier Jahren lediglich 10,7 %, am Bruttoeinkommen, wie ge-



    Vogel (München)

    sagt, 15,2%. Hier zeigt sich doch sehr deutlich, wem genommen und wem gegeben wurde.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Bundesregierung versucht nun, ihre Umverteilungspolitik mit der Hypothese zu rechtfertigen: Steigende Nettogewinne erhöhen die Investitionsbereitschaft, und steigende Investitionen senken die Arbeitslosigkeit. Beide Teile der Hypothese sind von der Entwicklung der letzten Jahre eindeutig widerlegt worden.
    Bei einem Vergleich der Entwicklung der Gewinne und der Investitionen zeigt sich, daß ein zunehmend kleinerer Teil der Gewinne in Anlageinvestitionen fließt. So stiegen z. B. die Bruttogewinne der Produktionsunternehmen in den Jahren 1980 bis 1984 um 27 %, die Bruttoanlageinvestitionen dagegen nur um 8%. Entsprechend ist das Geldvermögen der Unternehmen angewachsen, wobei insbesondere reine Finanzanlagen im Ausland sehr beliebt gewesen sind.

    (Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das mußte j a jetzt kommen!)

    Der größte Teil der Investitionen dient der Rationalisierung. Von den Investitionen der Produktionsgüterindustrie waren 1985 69 % Rationalisierungs- und Ersatzinvestitionen; bei der Verbrauchsgüterindustrie waren es sogar 78 %.
    Daß die Steuerentlastung der Unternehmen nur der Umverteilung zugunsten der Gewinneinkommen dient und die Verknüpfung mit dem Arbeitsmarkt eher umgekehrt wirkt, macht folgender Vergleich deutlich: Während die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in den Jahren 1980 bis 1985 um 50 % gestiegen sind, sind die registrierten Arbeitslosenzahlen nicht gesunken, sondern um 158% gestiegen.

    (Suhr [GRÜNE]: Herr Carstens, haben Sie gehört?)

    Aber lassen Sie mich zu den Umverteilungen zurückkommen, Umverteilungen, die von dieser Regierung vor allen Dingen auch durch die Steuerpolitik vollzogen wurden. Damit setzt sich natürlich auch — und dies gehört zu den Dingen, die beim alten geblieben sind — der Marsch in den Lohnsteuerstaat fort. Trotz des Steuerentlastungsgesetzes wird die Lohnsteuer auch im nächsten Jahr wesentlich stärker als die Körperschaftsteuer und vor allen Dingen stärker als die veranlagte Einkommensteuer steigen. Getreu dem Motto „Gott sei Dank kann ich meine Statistiken jetzt selber machen" versucht der Bundesminister der Finanzen neuerdings mit dem Hinweis auf statistische Überschneidungen, die entsprechenden statistischen Informationen hier zurückzuhalten.

    (Suhr [GRÜNE]: So ist es!)

    Im neuesten Finanzbericht sind die Zahlen für die Lohn- und die veranlagte Einkommensteuer schon nicht mehr separat ausgewiesen. Es ist ein Armutszeugnis, daß der Finanzminister zu solchen Mitteln
    greifen muß, um zu verhindern, daß die Ergebnisse seiner Politik bekanntwerden.

    (Suhr [GRÜNE]: Verschleierungstaktik!)

    Zum Glück hat sich die Gruppe Steuerschätzung diesen Maulkorb noch nicht umhängen lassen; dort liegen die Zahlen noch getrennt vor.
    Wir haben das kassenmäßige Aufkommen aus der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer um die Erstattungen und um die Zulagen bereinigt, die aus dem Aufkommen jeweils gezahlt wurden. Auch bei dieser Bereinigung bleibt es dabei, daß die Lohnsteuer in ihrem Aufkommen im nächsten Jahr um 9,5 %, die veranlagte Einkommensteuer, also praktisch die Einkommensteuer der Besserverdienenden, dagegen nur um 1,5 % anwachsen wird.
    Der Marsch in den Lohnsteuerstaat, d. h. der steigende Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen, läßt sich auch so interpretieren, daß andere Steuern unterdurchschnittlich gestiegen sind.

    (Suhr [GRÜNE]: Mach einmal Pause, der „Stolti" hört nicht zu!)

    Hier ist interessant, welche das sind. Neben der Körperschaftsteuer und der veranlagten Einkommensteuer, deren Anteil am Steueraufkommen stetig gesunken ist, sind dies in den letzten Jahren vor allem auch die Mineralölsteuer und z. B. die Vermögensteuer gewesen. Wäre die Mineralölsteuer so erhöht worden, daß sie seit 1982 wenigstens in Höhe der durchschnittlichen Wachstumsrate der gesamten Steuern gestiegen wäre, hätte ihr Aufkommen um 2,8 Milliarden DM höher gelegen, als es heute der Fall ist.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist eine schlechte Leseprobe!)

    Bei der Vermögensteuer wären es 1,6 Milliarden DM gewesen. Das sind Steuerverzichte, Verzichte genau in den Bereichen, in denen unter Umweltaspekten oder, wie bei der Vermögensteuer, unter Sozialstaatsaspekten eine höhere Besteuerung wünschenswert gewesen wäre.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Aber das Hinnehmen von Steuerverzichten gehört zu den Stärken des Bundesfinanzministers. Das wird ihm in jedem Gutachten des Bundesrechnungshofs neu bescheinigt. War es letztes Jahr die nicht stattfindende Besteuerung von Zinseinkommen, so ist es dieses Jahr nach Mitteilung des Bundesrechnungshofes der viel zu hohe Anteil der Pkw-Kosten, der als Betriebskosten abgesetzt wird. Wir meinen, das sind beides Steuerverzichte, die nicht irgendwem zugute kommen, sondern besonders die hohen Einkommen begünstigen. Das ist kein Zufall, sondern das hat System.
    Dieses System der einseitigen Begünstigungen hat seinen vorläufigen Gipfel im Steuersenkungsgesetz 1986/88 gefunden. 6 DM monatliche Entlastung für Kleinverdiener, 305 DM monatliche Entlastung für Großverdiener, also mehr als das Fünfzigfache. Da mutet die Ungleichbehandlung beim Kin-



    Vogel (München)

    derlastenausgleich noch bescheiden an. Hier wird hohen Einkommen zweieinhalbmal soviel Entlastung für ein Kind vergönnt, wenn die Eltern reich sind, als wenn sie mit kleinen Einkommen auskommen müssen.

    (Suhr [GRÜNE]: Das ist christlich!)

    Die unsoziale Verteilungswirkung der größten Steuerreform ist nun mittlerweile sehr, sehr vielen Wählern in unserem Lande deutlich geworden. Sie versuchen jetzt, davon abzulenken, indem Sie nur noch von der geplanten Supersteuerreform sprechen. 40 bis 45 Milliarden DM Verringerung des Aufkommens an Einkommensteuer versprechen Sie. Wer die angekündigten 20 Milliarden Subventionsstreichungen tragen muß, darüber schweigen Sie sich wohlweislich noch aus. Wir ahnen da nichts Gutes.
    Aber nicht nur die Regierungsfraktionen versuchen sich in Steuersenkungsversprechen zu überbieten, auch die SPD bietet mit. Getreu dem Motto ihres Kanzlerkandidaten „Versöhnen statt spalten"

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Versprechen statt halten!)

    — oder steuerpolitisch ausgedrückt: Steuersenkungen sowohl für den Fließbandarbeiter wie für den Fabrikdirektor — propagiert die SPD Steuerentlastungen für fast alle.

    (Reimann [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)

    Sie propagiert, daß neun von zehn Verheirateten und acht von zehn Ledigen nach ihrem Plan stärker entlastet werden sollen als nach dem, was Sie den Kohl-Tarif nennen. Rein rechnerisch wäre damit für Rau eigentlich die absolute Mehrheit gesichert. Dann müßte allerdings gewährleistet sein, daß z. B. Alleinstehende mit geringem Einkommen für 9 DM mehr in der Tasche rot wählen. Ob das hinhaut, meine Damen und Herren von der SPD, da habe ich allerdings so meine Zweifel.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Aber Ihr Tarifvorschlag ist ja weniger auf die unteren Einkommensgruppen gemünzt als vielmehr auf den Mittelstand, auf die Ingenieure oder, wie es in Glotzscher Diktion heißt, auf die sogenannte technische Intelligenz.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Holen Sie mal Luft!)

    Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, eine etwas gleichmäßigere Verteilung der Steuerentlastung stellt noch keine Alternative dar. Eine etwas weniger unsoziale Steuerpolitik ist noch keine soziale Steuerpolitik. Wer die Gießkanne zum Prinzip seiner Finanzpolitik erhebt, kann natürlich nicht gezielte Politik betreiben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Über diesen Vogel kann ich mich nur wundern!)

    Ich will einige Kritikpunkte an Ihren Vorschlägen besonders erläutern.
    Erstens. Sie wollen den Grundfreibetrag, also das steuerfreie Existenzminimum, von heute 4 536 DM auf 5 022 DM im Jahr anheben. Glauben Sie allen Ernstes, daß jemand mit 5 050 DM über dem Existenzminimum lebt? Zugegeben, das ist natürlich besser als das Versprechen von Stoltenberg, irgendwann — vielleicht 1990 oder später einmal — den Grundfreibetrag zu erhöhen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber was der sagt, kommt sicher!)

    Aber auch bei Ihrem Vorschlag bleibt es dabei: Erwerbseinkommen unterhalb des Sozialhilfeniveaus sollen noch zusätzlich durch Besteuerung verringert werden.

    (Glos [CDU/CSU]: Schneller! Die Stenographen kommen noch mit! — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Die Stenographen sind schneller!)

    Es ist wirklich erstaunlich: Bei jeder steuerpolitischen Diskussion außerhalb dieses Hauses wird von allen Parteien beteuert, der Grundfreibetrag müsse so hoch sein, daß Erwerbseinkommen bis zur Höhe des Sozialhilfeniveaus steuerfrei sind. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber keine Partei hat das in ihrem Steuerkonzept — mit Ausnahme der GRÜNEN.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Da muß er selber lachen!)

    Wir schlagen vor, daß der Grundfreibetrag auf runde 10 000 DM im Jahr angehoben wird. Winken Sie das nun nicht mit dem Argument ab, das sei nicht finanzierbar. Die Finanzierbarkeit hängt natürlich vom weiteren Tarifverlauf ab.
    Damit komme ich zum zweiten Kritikpunkt an dem SPD-Vorschlag. Danach sollen Steuerpflichtige mit geringem Einkommen um 9 DM im Monat entlastet werden. Ledige Durchschnittsverdiener hätten 24 DM mehr zur Verfügung als nach dem Steuersenkungsgesetz. Erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 120 000 DM bzw. ab 240 000 DM für Verheiratete wäre die Steuerlast höher als nach dem geltenden Tarif. Das heißt, eine Mehrbelastung wird gerade den Reichsten — 0,5% der zusammen veranlagten Ehepaare — zugemutet. Immerhin ein sozialer Fortschritt gegenüber der zweiten Stufe der Regierungsreform, die j a Steuervergünstigungen für sogenannte Leistungsträger mit über 130 000 DM in Höhe von 2 089 DM vorsieht.
    Dies zeigt, die SPD scheut sich vor einem Tarifvorschlag, der eine wirklich gerechte Umverteilung der Steuerlast zur Folge hätte. Aus diesem Grunde kann sie keine höhere Entlastung der unteren Einkommen vorschlagen. Wer keinem was nehmen will, kann natürlich auch keinem was geben.
    Daß Sie, Herr Apel, hier noch für die Ergänzungsabgabe gesprochen haben, hat mich, gelinde gesagt, überrascht. In der neuesten Steuerbroschüre der SPD, herausgegeben vom Parteivorstand, ist jedenfalls von der Ergänzungsabgabe nicht mehr die Rede. Ehrlich gesagt, ich habe es dort eigentlich auch gar nicht vermißt, da der Kanzlerkandidat auch die Bezieher gehobener Einkom-



    Vogel (München)

    men mit sich versöhnen will, und da würde eine Ergänzungsabgabe nur unnötig spalten.
    Daß Sie keine wirkliche Alternative zum Steuerkonzept der Regierungsparteien vorlegen wollen, wurde auch in Ihrem „Handelsblatt"-Interview, Herr Apel, besonders deutlich. Da sprechen Sie davon, daß Sie auch eine Verschiebung des Beginns der oberen Proportionalzone, in der der Grenzsteuersatz 56 % beträgt, erwägen. Die große Steuerkoalition läßt da grüßen, kann ich nur sagen.
    Die einzige seriöse Alternative zum jetzigen Tarif ist der Vorschlag der GRÜNEN,

    (Beifall bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    weil wir den Mut aufbringen zu sagen: Untere Einkommen müssen massiv entlastet werden, Steuerausfälle sind angesichts der wichtigen Aufgaben des Staates nicht hinnehmbar. Deshalb müssen obere Einkommen stärker belastet werden, als es heute der Fall ist. Wir schlagen deshalb vor, daß die Steuerentlastung aus der Grundfreibetragserhöhung mit zunehmendem Einkommen verringert wird, daß der ledige Durchschnittsverdiener von heute 37 000 DM genauso belastet wird wie heute und Bezieher überdurchschnittlicher Einkommen eine Mehrbelastung hinnehmen müssen. Durch diese Konstruktion ist unser Vorschlag aufkommensneutral, d. h. er hätte keinen Steuerausfall zur Folge. Dies ist für uns ein wesentlicher Eckpunkt. Wir halten die Bekämpfung der Umweltzerstörung, der Armut und der Arbeitslosigkeit für absolut vordringlich gegenüber allgemeinen Steuersenkungen.

    (Dr. Apel [SPD]: Können Sie nicht noch schneller reden?)

    Wir vertreten dies nicht nur aus Gründen der Solidarität, sondern auch aus Gründen der wirtschaftlichen Vernunft. Dabei halten auch wir die Abgabebelastung des Durchschnittsverdieners für zu hoch und sehen es auch als unser Ziel an, die Sozialabgaben- und Lohnsteuerbelastung schrittweise zu senken.

    (Walther [SPD]: Man müßte rechnen können, Herr Vogel!)

    Aber, meine Damen und Herren, angesprochen auf Ihre Steuerreformvorschläge: Stellt es wirklich eine Verbesserung von Lebensqualität dar — das frage ich insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie —, wenn der Normalverdiener nach Ihrem Vorschlag 24 DM monatlich mehr zur Verfügung hat, um es, wie Sie in Ihrer wirtschaftspolitischen Begründung ausführen, in die bundesdeutschen Kaufhäuser zu tragen? Ist das erhöhte Lebensqualität, wenn die Kaufkraft für fünf oder sechs zusätzliche Kästen Mineralwasser zur Verfügung steht, wenn gleichzeitig das Wasser aus der Leitung wegen der zu hohen Nitratbelastung

    (Zurufe von der SPD)

    oder wegen der Rheinvergiftung ungenießbar geworden ist? Oder ist es Erhöhung der Lebensqualität, wenn aus den Steuerersparnissen von drei Monaten eine Gasmaske, Billigausführung für 70 DM, für den Fall angeschafft werden kann, daß nebenan ein Chemiewerk in die Luft geht? Was helfen zusätzliche 24 DM dem Normalverdiener, wenn es zur Normalität des Alltags gehört, daß er Angst um seinen Arbeitsplatz, Angst vor der Arbeitslosigkeit und allen ihren Folgen haben muß?

    (Beifall bei den GRÜNEN — Hornung [CDU/CSU]: Sie haben Angst vor der Arbeit!)

    Wir meinen deshalb, daß sich die SPD hier auf den falschen Weg begibt, auf den Wahltrampelpfad der Steuersenkungsversprechen, und daß sie besser den Gewerkschaften gefolgt wäre, die Kräfte jetzt auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu konzentrieren. Wir fügen hinzu: auf die Bekämpfung von Armut und Umweltzerstörung. Nur so kann es gelingen, die Abgabenlast langfristig zu senken.
    Wenn wir weiter das Wachstum der Umweltschäden hinnehmen, dann wird der Teil unseres Einkommens, den wir zur Reparatur, zur Kompensation oder dann zur Verhinderung weiterer Schäden ausgeben müssen, ob privat oder öffentlich, wesentlich höher sein als heute. Daß es dann die Arbeitnehmer und die unteren Einkommen weiter am stärksten treffen wird, lehrt die Vergangenheit, lehrt die Gegenwart, und das lehren solche abstrusen Zukunftspläne wie der Wasserpfennig der CDU-Regierung in Baden-Württemberg.

    (Dr. Scheer [SPD]: Die GRÜNEN stimmen da zu! Ist Ihnen das bekannt? Die GRÜNEN stimmen mit Späth für den Wasserpfennig! Seien Sie nicht so scheinheilig!)

    Zum dritten Kritikpunkt, zum Familienlastenausgleich. Auch hier kleckert die SPD und bietet damit keine Alternative zum Regierungskonzept. Auch wir sind für die Streichung der Kinderfreibeträge und für die Erhöhung des Kindergeldes; aber wir lehnen die Staffelung des Kindergeldes nach der Ordnungszahl der Kinder ab. Warum ist das erste Kind weniger wert als das dritte?

    (Walther [SPD]: Sie haben ja gar keine!)

    Wir wollen statt dessen, daß das Kindergeld, dem finanziellen Bedarf entsprechend, nach dem Lebensalter der Kinder gestaffelt wird, daß Kinder bis sieben Jahre 210 DM Kindergeld erhalten sollen, von sieben bis zehn Jahren 330 DM, von elf bis vierzehn Jahren 400 DM und fünfzehn Jahre und mehr 450 DM im Monat.
    Wir kritisieren aber auch die Höhe des Kindergeldes in dem SPD-Vorschlag: 100 DM für das erste Kind, das sind für untere Einkommen gerade 4 DM im Monat mehr als heute, für hohe Einkommen allerdings 64 DM weniger. Eine Familie mit durchschnittlichem Arbeitnehmereinkommen und zwei Kindern hätte unter einer Rau-Regierung 58 DM mehr an Einkommensleistung für die Kinder, eine Familie mit drei Kindern 92 DM mehr. Unter dem Strich also: Bei der Bundesregierung gibt es völlig unzureichende Leistungen für Kinder, und sie sind darüber hinaus unsozial verteilt; bei der SPD gäbe



    Vogel (München)

    es für alle gleichermaßen unzulängliche Unterstützungen für Familien.
    Natürlich wird unserem Vorschlag unisono wieder eine Nichtfinanzierbarkeit entgegengehalten werden. Doch seriöse Rechnungen zeigen: Durch einen Umbau des Familienlastenausgleichs, der heute ein Volumen von über 80 Milliarden DM hat, wäre nicht nur ein solch hohes Kindergeld, sondern auch noch ein Betreuungsgeld in Höhe von durchschnittlich 1 000 DM für die ersten zwei Lebensjahre eines Kindes ohne weiteres finanzierbar. Dies zeigt: Der finanzielle Spielraum ist beträchtlich, vorausgesetzt allerdings, es wird endlich mit der Politik der massiven finanziellen Begünstigung der Ehe Schluß gemacht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was war das? Das müssen Sie noch einmal sagen!)

    60 % der Leistungen des Familienlastenausgleichs werden heute nicht für Kinder ausgegeben, sondern sind an den Tatbestand Ehe geknüpft. Der Splittingvorteil ist heute mit maximal 1 370 DM im Monat bis zu 14mal so hoch wie die finanziellen Leistungen für das erste Kind. Die Bundesregierung will diese Diskrepanz im nächsten Jahr auf das 16fache erhöhen, die SPD will sie leicht, nämlich auf das 12,6fache, verringern.
    Die GRÜNEN schlagen statt dessen vor, den Splittingtarif abzuschaffen,

    (Hornung [CDU/CSU]: Abschaffung der Menschen!)

    und eine Verdoppelung des Grundfreibetrages für Ehepaare auf 20 000 DM einzuführen. Das hat folgende Verteilungswirkungen: Ehepaare mit geringem Einkommen zahlen bis zu 200 DM weniger Steuern im Monat als heute, während für Spitzenverdiener der Steuervorteil aus der Ehe um 10 433 DM verringert wird.

    (Abg. Kühbacher [SPD] und Abg. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU] melden sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Ich habe nur noch eine Minute. — Die Steuerpläne der GRÜNEN unterscheiden sich von allen anderen Parteien auch im Bereich der Unternehmensbesteuerung: Wir sehen nämlich in der Besteuerung einen wesentlichen Ansatzpunkt, um einen ökologischen Strukturwandel in der Wirtschaft, um einen ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft zu forcieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben in dieser Legislaturperiode eine Anzahl von Gesetzentwürfen hierzu vorgelegt: für eine Schadstoffabgabe auf die Emissionen aus Feuerungsanlagen, einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Chlorsteuer, für die Einführung einer Sondermüllabgabe, um nur einige zu nennen. All diese Entwürfe wurden von der großen Koalition der Wachstumsfetischisten und der Umweltignoranten in diesem Hause abgelehnt. Dabei ist die Argumentation, solche Abgaben würden die Wirtschaft belasten und damit zu weiterer Arbeitslosigkeit führen, in zweierlei Hinsicht falsch: Erstens haben wir jetzt weitere vier Jahre die Erfahrung machen müssen, daß die Wirkungskette — erhöhte Gewinne gleich erhöhte Investitionen gleich erhöhte Beschäftigung — nicht stimmt. Zweitens schlagen wir eine Kombination von Umweltabgaben und die Verwendung des entsprechenden Aufkommens für Zuschüsse und Unterstützungen für Investitionen vor, durch die Produktionsverfahren wie auch Produkte umweltverträglicher gemacht werden. Das heißt, die Schadstoffabgabe würde z. B. für die Förderung von Entstickungs- und Entschwefelungsmaßnahmen verwandt werden. Unter dem Strich stellt dies also keine zusätzliche Belastung des gesamten Unternehmenssektors dar. Es stellt aber eine Hinlenkung der Ressourcen auf eine um-wertverträglichere Wirtschaft dar.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Schneller! — Noch schneller lesen!)

    Sie haben sich all diesen Vorschlägen — wie vielen anderen unserer Vorschläge zur Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung — verweigert.
    Unsere Alternativen zu Ihrer Haushaltspolitik, Herr Stoltenberg, liegen schon lange vor, und zwar in unserem Programm zum Umbau der Industriegesellschaft, das man jederzeit bei unserer Bundesgeschäftsstelle beziehen kann.

    (Kolb [CDU/CSU]: Keine Ahnung vom Bauen und reden vom Umbauen!)