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    Plenarprotokoll 10/248 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 248. Sitzung Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Biehle 19177A Begrüßung des Präsidenten, Sandor Barcs, der Interparlamentarischen Gruppe der Volksrepublik Ungarn 19216 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksachen 10/5900, 10/6209 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/6308, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/6324 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/6328 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/6318, 10/6331 — Dr. Apel SPD 19177 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 19186 A Vogel (München) GRÜNE 19192 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 19196 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 19200 D Wieczorek (Duisburg) SPD 19208A Gattermann FDP 19214 C Spilker CDU/CSU 19216 C Esters SPD 19219 D Roth (Gießen) CDU/CSU 19220 C Austermann CDU/CSU 19222 D Wieczorek (Duisburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19224 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/6309, 10/6331 — Roth SPD 19225 B Glos CDU/CSU 19229 C Tatge GRÜNE 19233 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 19234 D Frau Simonis SPD 19237 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 19239C Dr. Pfennig CDU/CSU 19243 A Frau Simonis SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19244 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/6322, 10/6331 — Zander SPD 19245 B Austermann CDU/CSU 19248 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 19250 D Dr.-Ing. Laermann FDP 19252 A Vosen SPD 19253 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 19254 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/6323, 10/6331 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 19257 D Dr. Rose CDU/CSU 19259C Frau Zeitler GRÜNE 19261C Neuhausen FDP 19263A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 19264 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/6306, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/6327, 10/6331 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksachen 10/6325, 10/6331 — Kühbacher SPD 19266 C Dr. Riedl (München) CDU/CSU 19268 C Ströbele GRÜNE 19270 C Frau Seiler-Albring FDP 19272 D Dr. Nöbel SPD 19274C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 19276 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19277 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/6301, 10/6331 — Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/6302, 10/6331 — Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/6303, 10/6331 — Nächste Sitzung 19278 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 19279* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 248. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. November 1986 19177 248. Sitzung Bonn, den 25. November 1986 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 242. Sitzung, Seite 18697 C, 11. Zeile: Statt „sicherheitspolitischen" muß es „sicherheitstechnischen" heißen. 246. Sitzung, Seite 19083 B, 7. Zeile: Statt „Truman" ist „Roosevelt" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter 25. 11. Dr. Dollinger 26. 11. Dr. Faltlhauser 25. 11. Feilcke 28. 11. Fischer (Homburg) 28. 11. Frau Geiger 25. 11. Dr. Haack 27. 11. Heimann 26. 11. Heyenn 28. 11. Höffkes 25. 11. Hoffie 28. 11. Huonker 25. 11. Ibrügger 25. 11. Jansen 25. 11. Jung (Lörrach) 25. 11. Jungmann 25. 11. Dr. Kübler 25. 11. Milz 28. 11. Dr. Müller 28. 11. Schmidt (Hamburg) 28. 11. Schröer (Mülheim) 25. 11. Dr. Soell 25. 11. Voigt (Sonthofen) 25. 11. Frau Will-Feld 28. 11.
Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich unserem Kollegen, dem Abgeordneten Biehle, zu seinem 60. Geburtstag gratulieren, den er am 15. November 1986 gefeiert hat. Alle guten Wünsche des Hauses.

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987)

— Drucksachen 10/5900, 10/6209 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß)

— Drucksachen 10/6301 bis 10/6331 —
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne. Ich rufe auf:
Einzelplan 08
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen
— Drucksachen 10/6308, 10/6331 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Wieczorek (Duisburg) Roth (Gießen)
Glos
Suhr
Einzelplan 32
Bundesschuld
— Drucksache 10/6324 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Wieczorek (Duisburg) Austermann
Suhr
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
— Drucksache 10/6328 —
Berichterstatter: Abgeordnete Roth (Gießen)

Borchert
Hoppe
Dr. Pfennig
Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
— Drucksachen 10/6318, 10/6331 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Esters Dr. Pfennig
Dr. Müller (Bremen)

Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6513 bis 10/6515 vor.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die soeben genannten Einzelpläne eine verbundene Beratung von vier Stunden vereinbart worden. — Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Vier Jahre Wirtschafts- und Finanzpolitik der liberal-konservativen Koalition lassen heute eine objektive Bewertung ihrer Ergebnisse zu. Wir stellen dabei fest: Die Ziele, die sie sich selbst gesetzt haben, haben sie deutlich verfehlt.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir gehen mit schweren Hypotheken in die nächste Legislaturperiode. Unser Land hatte am Ende der Regierung von Helmut Schmidt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon die erste Büttenrede!)

    am Ende einer langjährigen Rezession vor vier Jahren 1,8 Millionen Arbeitslose.

    (Kolb [CDU/CSU]: Die ihr verursacht habt!)

    Heute haben wir 300 000 Arbeitslose mehr,

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Leider wahr!)




    Dr. Apel
    obwohl die Bundesregierung in den vergangenen Jahren massive, unverdiente Konjunkturgeschenke in den Schoß gefallen sind. Die Dollaraufwertung bescherte unserem Land einen Exportboom in bisher ungekannter Größe. Der Ölpreisverfall setzte bei unseren Verbrauchern Milliarden an Kaufkraft frei.

    (Dr. Rose [CDU/CSU]: Da hättet ihr Steuern drauf gelegt!)

    Die Hälfte des Wachstums von 1984 und 1985 kam durch die Abwertung der Deutschen Mark gegenüber dem Dollar zustande, und die Hälfte des Wachstums dieses Jahres geht auf den Sturz der Ölpreise zurück.
    Ich füge hinzu: Die Bundesregierung hat zu diesen Wachstumsimpulsen nichts beigetragen.

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Überhaupt nichts!)

    Im Gegenteil, sie hat es versäumt, diese wirksamen Impulse durch eine kluge Politik so zu verstärken, daß der Aufschwung auch auf dem Arbeitsmarkt wirksam wurde.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein unzureichendes Wirtschaftswachstum, explodierende Unternehmensgewinne, anhaltende Massenarbeitslosigkeit, eine wachsende neue Armut:

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    das sind die Markenzeichen der Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Koalition.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wo leben Sie dann? — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie verhöhnen uns!)

    Die vollmundigen Versprechungen, die Sie vor vier Jahren gegeben haben, nämlich die Massenarbeitslosigkeit bis 1985 auf 1 Million abzubauen, sind inzwischen wie Seifenblasen zerplatzt.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Davon wollen die nichts mehr hören!)

    Noch im Februar dieses Jahres hatte der Finanzminister für dieses Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 3,5 bis 4 % angekündigt.

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Tragen Sie mal die Bewertung des Sachverständigenrats vor!)

    Am Ende dieses Jahres, nämlich gestern, hat der Sachverständigenrat den Bundesminister der Finanzen korrigiert. Er hat ihm mitgeteilt, daß sich das Wirtschaftswachstum für 1986 nur auf 2,5% belaufen wird.
    Und während der Finanzminister für das nächste Jahr mit 3% realem Wirtschaftswachstum rechnet — interessanterweise hat er auch seinen Bundeshaushalt auf ein Wachstum von 3 % gegründet —, sagt der Sachverständigenrat: Es wird nur ein Wirtschaftswachstum um 2 % geben. Das sind immerhin 33% weniger, als von Herrn Stoltenberg und von Ihnen erwartet.

    (Kolb [CDU/CSU]: Denken Sie mal an Ihre Fehlkalkulationen! — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Wie war es zu Ihren Zeiten?)

    Mit anderen Worten: Hier entlarvt sich der ganze hohle Zweckoptimismus des Finanzministers.

    (Beifall bei der FDP)

    In einem Punkt kommen Sie doch an den ganzen Aussagen des Sachverständigenrats überhaupt nicht vorbei. Der Sachverständigenrat erwartet für Ende 1987 weit mehr als 2 Millionen Arbeitslose. Dazu kommt die mehr als 1 Million nicht mehr registrierter Arbeitsloser.

    (Kolb [CDU/CSU]: Bei euch waren es 1,5 Millionen!)

    Mit anderen Worten: Wir werden in den nächsten Abschwung mit massiver Massenarbeitslosigkeit hineingehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider!)

    Das ist das Ergebnis Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Das wünschen Sie sich! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie machen sich doch lächerlich, Herr Apel!)

    Für dieses Ergebnis trägt die Finanzpolitik von Herrn Stoltenberg zentrale Verantwortung. Er hat durch seine ungerechte Steuer- und Finanzpolitik die kaufkräftige Nachfrage gebremst. Er will diese Politik fortsetzen. Er trägt die Verantwortung dafür, daß sich bei Städten und Gemeinden auch im Jahr 1986 die Investitionen nicht erholen, sondern weiterhin auf Rekordtiefen verharren.
    Der Bundesfinanzminister hat die Investitionen des Bundes verkommen lassen. Der Anteil der Investitionen soll nach seinem Willen in den nächsten Jahren neue Tiefstände erreichen.

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Stoltenberg und verkommen?)

    Das alles hat Hunderttausende von Arbeitsplätzen gekostet.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Leider!)

    Dieser Auschwung ohne Kraft

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP — Stockhausen [CDU/CSU]: Ihre Rede heute morgen ist ohne Kraft!)

    hat seinen Höhepunkt überschritten. Er läuft aus.
    Das Statistische Bundesamt meldet einen deutlichen Rückgang der Industrieproduktion. Die Kapazitätsauslastung liegt gegenwärtig, wie das IfoInstitut berichtet, unter dem Wert des Jahres 1985. Die Auftragseingänge beim verarbeitenden Gewerbe haben in den letzten Monaten abgenommen und liegen sogar unter dem Vorjahresstand. Geradezu dramatisch ist der Auftragsrückgang beim Export; Auftragsbestände werden abgebaut.



    Dr. Apel
    Deswegen sage ich — die Zahlen des Sachverständigenrats weisen absolut dasselbe aus —: Die von Ihnen verbreitete Konjunktureuphorie wird längst nicht mehr von den tatsächlichen Wirtschaftsdaten gedeckt.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen haben j a auch die fünf wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute erst vor wenigen Wochen von Herrn Stoltenberg und seiner Finanzpolitik sofortiges Handeln gefordert, um ein Durchhängen der Konjunktur im nächsten Jahr zu vermeiden.

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie sind ein Miesredner!)

    Der Sachverständigenrat zeichnet zwar, auch wenn das durch die Zahlen, die er selber verwendet, nicht gedeckt ist, ein positiveres Bild der konjunkturellen Entwicklung des nächsten Jahres. Aber, meine Damen und Herren, der Sachverständigenrat sagt selbst, daß sein Optimismus nicht unumstritten ist.
    Ich will Ihnen ein Beispiel dafür geben. Der Sachverständigenrat erwartet — diese Erwartung ist einigermaßen kühn —, daß sich unser Export im nächsten Jahr erholt, daß er kräftig zulegt. Dabei unterstellt der Sachverständigenrat zweierlei: erstens Ruhe an der Währungsfront und zweitens keinerlei zusätzliche Exporthemmnisse für unsere Produkte.
    Genau das, meine Damen und Herren von der Koalition, ist aber nur erreichbar, wenn die Bundesregierung endlich handelt, wenn sie zusammen mit der EG, zusammen mit Japan, zusammen mit den USA endlich ihre Verantwortung für den Welthandel übernimmt und die Weltwirtschaft stabilisiert.
    Seit Monaten fordern unsere Handelspartner von uns konjunkturelles Handeln; seit Monaten verweigert die Bundesregierung diese konzertierte Aktion internationaler Wirtschaftspolitik. So verspielen Sie, Herr Kollege Stoltenberg, nicht nur internationales Ansehen, Sie schaden uns und unserer Exportwirtschaft auch selbst am meisten.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Olderog [CDU/CSU])

    Dabei hat der Bundesfinanzminister interessanterweise immer dann viel Geld, wenn es um seine eigene Kundschaft geht. Dann knickt er ein; so 1984, als ihm wütende Landwirte in seinem Wahlkreis, in Rendsburg, den Prozeß machten.

    (Eigen [CDU/CSU]: Immer derselbe Unsinn! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Immer dieselben Brüller!)

    In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, Herr Kollege Stoltenberg, wurden für die umsatzstarken Betriebe der deutschen Landwirtschaft bis 1991 22 Milliarden DM bereitgestellt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ein Skandal!)

    Heute wissen doch alle, daß die bäuerlichen Familienbetriebe von dieser massiven Geldspritze wenig haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Schwierigkeiten nehmen dramatisch zu. Wenn Sie so gern auf den Sachverständigenrat und sein gestriges Gutachten hören, dann befolgen Sie die Ratschläge auch in einem anderen Punkt! Der Sachverständigenrat fordert Sie nämlich auf, Ihre verfehlte Agrarpolitik endlich zu beenden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Er sagt wörtlich: Hören Sie auf, unseren Landwirten unerfüllbare Illusionen vorzugaukeln. Dem ist nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Kollege Stoltenberg, natürlich freue ich mich darüber, daß durch den Bau von drei Containerschiffen in Kiel und von zwei weiteren in Bremen den Kieler und den Bremer Werftarbeitern vorübergehend Arbeit gegeben wird.

    (Zuruf des Abg. Eigen [CDU/CSU])

    Erschreckend ist aber, daß für diese vorübergehende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme allein vom Bund 240 Millionen DM gezahlt werden müssen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal den Arbeitern! — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Was schlagen Sie denn vor?)

    Aber ich sage Ihnen dazu folgendes: Als die vier norddeutschen Küstenländer, zwei von Ihnen regiert — Schleswig-Holstein und Niedersachsen —, vor einigen Wochen mit einem umfangreichen Programm zugunsten der Küstenregionen und hier insbesondere der Werftstandorte gekommen sind

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Und Hamburg und Bremen?)

    und 850 Millionen DM einwerben wollten, hat Herr Stoltenberg das eiskalt vom Tisch gefegt. Er ist bereit, 300 Millionen DM zu zahlen. Das hilft allerdings nicht weiter. Doch für eine punktuelle Aktion haben Sie aus Gründen des Stimmenkaufs für die Bundestagswahl 1987 plötzlich Geld.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das hören die Werftarbeiter gern! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ja, da freuen sich die Werftarbeiter! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber diese Liste ist j a noch gar nicht beendet: Eine Milliarde DM zusätzlich hat Herr Stoltenberg, um in Kiel und München Panzer bauen zu lassen, Panzer, die die Bundeswehr überhaupt nicht aufnehmen kann, die sie nur aufnehmen kann, wenn sie fast gleichwertige Panzer an die Türkei verschenkt.

    (Glos [CDU/CSU]: Das ist Apels Version!)

    Auch das sichert vorübergehend zwar Arbeitsplätze — daran gibt es ja wohl keinen Zweifel —, aber ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition: Was ist das eigentlich für eine



    Dr. Apel
    Finanzpolitik? Ohne Linie, ohne Perspektive, ohne Verstand

    (Beifall bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: „Weiter so"!)

    wird mit Blick auf den Wahltag ausschließlich Stimmenkauf versucht. So können Sie aufgebrachte Wähler vielleicht vorübergehend beruhigen, aber, meine Damen und Herren, der Bakschisch

    (Dr. Rose [CDU/CSU]: Wer ist das denn? — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wir sind hier doch nicht in der Neuen Heimat! — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Schiesser hat Bakschisch gekriegt! — Weitere Zufrufe von der CDU/CSU)

    kann doch nicht an die Stelle zukunftsorientierter, den Konjunkturverlauf verstetigender Finanzpolitik treten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir lehnen diese kurzatmige Strohfeuerpolitik ab. Sie ist falsch, und, meine Damen und Herren, sie wärmt ja auch kaum über den Wahltag hinaus. Unsere Landwirte, unsere Werftarbeiter und die Werften wissen doch, daß sie dauerhafte Hilfen und dauerhafte Perspektiven brauchen, nicht aber einmalige Hilfe, die dann gegeben wird, um sich nach dem Wahltag auf dieser einmaligen Unterstützung auszuruhen.
    Wir sagen Ihnen: Die Arbeitsmarktprobleme unseres Landes sind vor allem struktureller Natur und verlangen mittel- und langfristige Lösungen. Wir wissen, daß es kein Patentrezept gibt, um die Massenarbeitslosigkeit binnen kurzem völlig zu beseitigen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Es gibt aber Mittel und Wege, um der Massenarbeitslosigkeit massiv zu Leibe zu rücken.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die haben Sie erst geschaffen!)

    Wir fordern diese Mittel und Wege seit der Wende. Wir wollen sie nach den Wahlen umsetzen

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ihr hattet 13 Jahre Zeit! Es ist nichts passiert! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    und Ihrem eklatanten Nichtstun damit ein Ende bereiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir halten — im Gegensatz zu Ihnen — eine weitere, schrittweise Arbeitszeitverkürzung für notwendig. Wir werden die Konjunktur durch Steuersenkungen für die kleinen und mittleren Einkommen stützen und beleben. Unser Steuertarif 1988 bringt mehr Geld in die Haushaltskassen der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Dadurch wird die Massenkaufkraft gestärkt, die Binnennachfrage stabilisiert und ein wirksamer Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit geleistet.
    Wir werden zur Stärkung der Investitionskraft der kleinen und mittleren Unternehmen eine steuerfreie Investitionsrücklage einführen. Sie lehnen sie ab, obwohl Ihre Mittelstandspolitker draußen dafür gefochten haben. Aber die haben ja in Ihrer Fraktion nichts zu melden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Sie hatten 13 Jahre Zeit, das zu machen! — Zuruf des Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP])

    Dafür wollen Sie eine Umverteilung zugunsten der Spitzenverdiener.

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Oh Gott, jetzt kommt das schon wieder!)

    Sie wollen die Senkung der Spitzensteuersätze, wir dagegen wollen die steuerfeie Investitionsrücklage. Wir wollen Investitionen fördern. Wir wollen Investitionen in Arbeitsplätze ermöglichen.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

    Wir wollen Unternehmensgründungen und Unternehmenserweiterungen fördern.

    (Glos [CDU/CSU]: Der Schiesser-Konzern soll größer werden!)

    Wir werden die Investitionstätigkeit im privaten und im öffentlichen Bereich durch unser Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" erhöhen. Auf diese Weise ermöglichen wir privaten und öffentlichen Unternehmen, Städten und Gemeinden den Zugang zu zinsgünstigen Krediten und zu Zuschüssen für Umweltinvestitionen. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir auf diese Art und Weise mehrere 100 000 Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig einen wesentlichen und wirksamen Beitrag zu einem verbesserten Umweltschutz leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden im Gegensatz zum Bundesminister der Finanzen die Investitionen des Bundes anheben und auf höherem Niveau stabilisieren. Wir werden im Gegensatz zu Ihnen die Gemeindefinanzen, die Sie j a weiter demontieren wollen — und damit gefährden Sie weitere Arbeitsplätze —, auf eine solide Grundlage stellen. Wir wollen, daß unsere Städte und Gemeinden mehr investieren können. Wir wollen, daß auf diese Art und Weise mehr Arbeitsplätze auch vor Ort im Kleingewerbe und im Ausbaugewerbe geschaffen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden unser Projekt aktive Arbeitspolitik verwirklichen. Wir wollen arbeitslosen Jugendlichen und dauerhaft Arbeitslosen ein Beschäftigungsangebot machen. Wir wollen ihnen dabei realistische und zukunftsorientierte Berufschancen und Berufsqualifikationen bieten. Es ist doch ein gesellschaftlicher Skandal ersten Ranges, daß in einem der reichsten Länder der Welt, der Bundesrepublik Deutschland,

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: ... wir im Wasserwerk sitzen müssen!)

    derzeit 500 000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit und ohne Zukunftsperspektive sind.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: „Weiter so"!)




    Dr. Apel
    Das muß beendet werden.
    Es ist auch ein Skandal, daß heute schon Arbeitnehmer von Mitte bis Ende 40 als altes Eisen gelten, daß wir auf ihre große berufliche Erfahrung verzichten. Auch dieser Skandal darf nicht länger hingenommen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden in der nächsten Legislaturperiode durch diese aktive Arbeitspolitik bis zu 400 000 arbeitslosen Jugendlichen und dauerhaft Arbeitslosen, insbesondere in den Problemregionen der Bundesrepublik Deutschland

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — so z. B. bei Ihnen, Herr Seiters —, Arbeit schaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir halten es deswegen auch für zumutbar,

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Was Sie alles für zumutbar halten!)

    daß die 4 % der Spitzenverdiener — —

    (Zurufe von der [CDU/CSU]: Lappas!)

    — Ja, zu denen z. B. Hans Apel gehört. Er hält es für zumutbar, daß er eine Ergänzungsabgabe für die bezahlt, die arbeitslos sind; das allerdings.

    (Beifall bei der SPD)

    Da unterscheiden wir uns von Ihnen allerdings sehr deutlich. Wir übernehmen Mitverantwortung für das Schicksal der sozial Schwachen, während Sie nichts weiter tun, als an den Egoismus derer zu appellieren, denen es gutgeht.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Politik ist solide finanziert. Wir werden dafür keine neuen Schulden machen. Die Steuerlastquote unserer Volkswirtschaft bleibt konstant. Wir werden allerdings die Lasten gerechter verteilen. Die breiteren Schultern müssen und können mehr als bisher tragen.
    Dazu einige Zahlen. In der Zeit von 1982 bis 1986 stieg das Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 164 Milliarden DM. Dabei blieben 154 Milliarden DM netto übrig.

    (Zuruf von der SPD): Aha!)

    Im gleichen Zeitraum, von 1982 bis 1986, mußten sich alle Arbeitnehmer mit einer Erhöhung ihres Bruttoeinkommens um 139 Milliarden DM begnügen. Davon blieben bei den Arbeitnehmern nur 53 Milliarden DM übrig.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist Gerechtigkeit à la CDU/CSU!)

    Damit wird klar, was Ihre Politik bewegt hat: Den Arbeitnehmern werden 62 % ihres zusätzlichen Einkommens über Steuern und Abgaben abgeknöpft, den Kapitaleignern und den Unternehmern dagegen nur 6 %. Deutlicher läßt sich wohl nicht zeigen,
    wie einseitig Ihre Steuer- und Finanzpolitik zupackt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Dr. Vogel [SPD]: Weiter so!)

    Sie ziehen den Lohnsteuerzahlern das Fell über die Ohren; diese sind in Ihrer Politik zu den Melkkühen der Nation geworden.

    (Beifall bei der SPD — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Haifischmentalität! — Zuruf von der CDU/CSU: Ganz Deutschland lacht doch über das, was Sie hier sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Es ist Ihnen — das muß ich zugeben — sehr lange gelungen, diese Politik der Privilegierung der Privilegierten vor der großen Mehrheit unserer Bevölkerung zu verbergen. Immer wieder haben Sie, Herr Kollege Stoltenberg, die Steuerzahler auf die Steuersenkung am 1. Januar 1986 vertröstet; aber heute wissen wir, wie groß die Verbitterung und die Enttäuschung der großen Mehrheit der Steuerzahler ist.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Familien zahlen weniger!)

    80% haben von dieser Steuersenkung laut genauen Umfragen nichts gemerkt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Das ist j a auch gar kein Wunder; denn Sie haben gleichzeitig auf Grund Ihrer verfehlten Politik im Gesundheitswesen zugelassen, daß die Krankenversicherungsbeiträge massiv erhöht wurden.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    Was Sie an 12 DM dem Durchschnittsverdiener im Monat in die Tasche gesteckt haben, haben Sie ihm auf der anderen Seite wieder herausgezogen; da merkt niemand etwas.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Aus der gleichen Tasche! So machen die das! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Familien haben etwas gemerkt!)

    Herr Kollege Friedmann, die von Ihnen bereits beschlossene Steuersenkung zum 1. Januar 1988 macht noch klarer, wohin die Reise gehen soll. Derzeit liegt der Durchschnittsverdienst eines verheirateten Arbeitnehmers bei etwa 3 000 DM im Monat. Zum 1. Januar 1988 gibt es allerdings die erste Senkung um eine Steuermark erst für einen Familienvater, der 4 000 DM im Monat verdient.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Sie reden gerade von den Kindern und werden mir wohl zustimmen, daß Sie am 1. Januar 1988 für die Familien mit Kindern, für die Kinder nichts, gar nichts tun.

    (Beifall bei der SPD — Frau Hürland [CDU/CSU]: Ich hätte wenigstens erwartet, daß Sie lesen können und die Gesetze verstehen!)




    Dr. Apel
    Dafür wird der Spitzenverdiener mit 23 000 DM Monatseinkommen zusätzlich zu den mehreren tausend Mark, die er bereits am 1. Januar 1986 kassiert hat, noch einmal 4 136 DM Steuersenkung im Jahr bekommen, und das nennen Sie dann Gerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Das ist ja unglaublich! — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn die Familienverbände, die Gewerkschaften und wir diese Politik ablehnen und ihre Korrektur fordern, dann spricht der Finanzminister von Sozialneid. Der Finanzminister hat dieses böse Wort vom Sozialneid erst vor kurzem wieder benutzt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Neidhammel!)

    Her Stoltenberg, Sie sagen, mit diesem bösen Wort wollten Sie die sozial Schwächeren nicht treffen, sondern uns. Herr Kollege Stoltenberg, die sozial Schwächeren, die Lohnsteuerzahler und die kleinen Selbständigen, haben Sie hinlänglich mit Ihrer Steuer- und Finanzpolitik getroffen. Da kommt es auf eine verbale Entgleisung mehr oder weniger durch Sie nicht an.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sagen Ihnen ganz kühl, Herr Kollege Stoltenberg: Wir bewerten hier nicht Ihre Sprache und Ihre Vokablen, wir bewerten die von Ihnen geschaffenen Fakten, und die sprechen gegen Sie und dafür, daß Ihre Steuerpolitik die Fortsetzung Ihrer unsozialen Umverteilung von unten nach oben mit anderen Mitteln ist.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Das ist auch in Hamburg geschehen, Herr Apel!)

    Bemerkenswert ist im übrigen die aktuelle koalitionsinterne Debatte über den künftigen Subventionsabbau als Finanzierungsquelle weiterer Steuersenkungen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Haben Sie in Hamburg vor der Wahl auch so argumentiert, Herr Apel? Muß ja sehr erfolgreich gewesen sein!)

    Der Finanzminister will seine Steuersenkung des Jahres 1990 zum Teil über Subventionsabbau finanzieren. Nach dem Willen des Finanzministers sollen 10 Milliarden DM an Steuersubventionen verschwinden. Allerdings haben Sie, Herr Kollege Stoltenberg, bisher genau das Gegenteil getan. Heute liegen die Subventionen des Bundes um ein Drittel über dem Niveau von 1982. Die Steuersubventionen haben Sie sogar um 15 Milliarden DM explodieren lassen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Die wollten Sie doch immer senken!)

    Nun erklärt die FDP, Graf Lambsdorff,

    (Zuruf von der FDP)

    — aber er hat für die FDP gesprochen, denke ich —,
    daß 10 Milliarden DM Subventionsabbau überhaupt
    nicht ausreichten; 20 bis 25 Milliarden DM an Subventionen müßten abgebaut werden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer hat das denn gesagt?)

    — . Graf Lambsdorff, Herr Kollege Vogel, hat am 5. November gesagt, für diesen 20 bis 25 Milliarden DM Subventionsabbau gebe es keine Alternative.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Das war natürlich auf den Koalitionspartner gezielt. Deswegen hat der bayerische Finanzminister Streibl auch sofort reagiert. Er hat gesagt, FDP und Lambsdorff müßten sich den Vorwurf der Steuerlüge gefallen lassen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Hui!)

    wenn die FDP vor den Bundestagswahlen nicht klipp und klar sagte, welche Subventionen sie denn nun streichen wollte.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hui!)

    Meine Damen und Herren, das Wort „Steuerlüge" ist hart, aber es ist zutreffend. Ich muß bestätigen: Es ist zutreffend.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP])

    — Herr Kollege, dieses Wort „Steuerlüge" trifft dann natürlich nicht nur die FDP, es betrifft insbesondere den Bundesminister der Finanzen und die CDU. Sie weigern sich ja ebenfalls, vor dem Wahltermin den Bürgern die Wahrheit zu sagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unglaublich!)

    Sie soll bis zum Wahltag verschleiert werden.
    Die erkennbaren Konturen Ihrer Steuerpolitik sagen uns aber, wohin die Reise gehen soll. Das können wir doch alle in Ihrem gemeinsamen Regierungsprogramm lesen: weiterer Abbau der Unternehmensbesteuerung, Senkung der Spitzensteuersätze, hohe Steuerentlastung für die sehr gut Verdienenden, ein Trinkgeld für den Normalverdiener.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es! Immer weiter so!)

    Finanzieren wollen Sie das durch die Anhebung der Verbrauchsteuern, der Mehrwertsteuer.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie!)

    Sie wollen beim Abbau der Steuervergünstigungen vor allem die Arbeitnehmer schröpfen.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

    Der Arbeitnehmerfreibetrag soll angegriffen werden,

    (Dr. Scheer [SPD]: Blutegelmethode!)

    die steuerfreien Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, der Weihnachtsfreibetrag.
    Wir stellen Ihrer Steuerpolitik unser Konzept für mehr Steuergerechtigkeit, für wirtschaftliche Vernunft, für einen wirksamen Familienlastenausgleich gegenüber. Wir werden die Steuersenkung zum 1. Januar 1988 so umgestalten, und zwar aufkommensneutral, ohne eine Mark zusätzlich auszu-



    Dr. Apel
    geben, daß 80 % aller Ledigen und 90 % aller Verheirateten eine höhere Steuerentlastung bekommen als nach Ihren Vorstellungen.

    (Beifall bei der SPD — Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Und die Betriebe mehr zahlen müssen!)

    — Herr Kollege, die Einkommensteuer ist bei 90 % der Unternehmen ihre Unternehmensteuer. Wenn wir bis zu 100 000 DM Jahresgewinn entlasten, dann entlastet das auch die große Mehrheit der Unternehmen.
    Allerdings unterscheiden wir uns in einem Punkt, das gebe ich zu. Wir wollen Steuerpolitik für die kleinen und mittleren Unternehmen machen; Sie denken, wenn Sie über Steuerpolitik reden, nur an die ganz großen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege, Sie können nicht bestreiten, daß die ungerechten Kinderfreibeträge zu einer massiven Ungerechtigkeit geführt haben. Wir werden sie abschaffen. Wir werden, ohne eine zusätzliche Mark auszugeben, dafür sorgen, daß dem Staat jedes Kind wieder gleichviel wert ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden ab 1. Januar 1988 das monatliche Kindergeld für das erste Kind auf 100 DM, für das zweite auf 200 DM und für jedes weitere auf 300 DM anheben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dann bekomme ich als Abgeordneter mehr als bisher!)

    Wir werden die weiteren notwendigen Strukturänderungen unseres Steuersystems in der nächsten Legislaturperiode durchsetzen. Herr Kollege Stoltenberg, hören Sie endlich auf, unredlich zu argumentieren. Wir werden wie in der Zeit der sozialliberalen Koalition auch in der nächsten Legislaturperiode, etwa um das Jahr 1990, die heimlichen Steuererhöhungen zurückgeben. Allerdings werden wir uns von Ihnen auch dann in einem Punkte unterscheiden: Bei uns liegt der zentrale Entlastungsbereich bei den kleinen und mittleren Einkommen und nicht bei den Spitzenverdienern.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach vier Jahren Haushaltspolitik des Finanzministers haben sich die Schulden des Bundes um über 100 Milliarden DM auf 415 Milliarden DM erhöht,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wegen der Zinsen für Ihre Schulden! — Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch ein Ladenhüter! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der Ladenhüter stimmt halt!)

    obwohl, Herr Kollege Friedmann, dem Bundesfinanzminister in diesen vier Jahren unverdient fast 50 Milliarden DM Bundesbankgewinne in den Schoß gefallen sind.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Erbgewinn! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ihr Erbschleicher!)

    Wenn wir über Haushaltskonsolidierung reden, dann verwenden wir am besten Ihre eigenen Zahlen, die des Bundesfinanzministeriums. Das Bundesfinanzministerium hat uns auf eine Anfrage mitgeteilt, daß die Haushaltskonsolidierung des Finanzministers jährlich weniger als 3 Milliarden DM ausmacht. Für die vier Jahre sind das 11,5 Milliarden DM. Da reiben sich unsere Steuerbürger allerdings die Augen. Das können sie nicht verstehen. Denn die Lohnsteuerzahlungen sind in Rekordhöhen gestiegen. Die Mehrwertsteuer wurde erhöht.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Die Rente war pleite!)

    Den Arbeitslosen, den Rentnern, den Wohngeldbeziehern, den Schülern und Studenten, den Familien mit Kindern wurden von Ihnen von 1983 bis 1985 allein 60 Milliarden DM weggenommen, 20 Milliarden DM pro Jahr!

    (Deres [CDU/CSU]: Wer hat das für Sie ausgerechnet?)

    Aber die einseitig auferlegten Opfer wurden von Ihnen weder zur Haushaltskonsolidierung noch im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit eingesetzt. Sie wurden umverteilt.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Opfer finanzieren die Steuersenkungen für die Unternehmen in Höhe von 10 Milliarden DM jährlich. Sie finanzieren die Explosion der Steuersubventionen um 15 Milliarden DM von 1982 bis heute. Da sind die vielen Milliarden geblieben, die Sie der großen Mehrheit unseres Volkes abgeknöpft haben. Nur im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit hat diese Politik nichts bewirkt.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Vogel [München] [GRÜNE])

    Wenn wir den Entwurf des Bundeshaushalts 1987 und die mittelfristige Finanzplanung betrachten, dann stellen wir fest, daß sie den gestellten Anforderungen nicht gerecht werden. Gefordert werden vom Haushalt und von der mittelfristigen Finanzplanung Ehrlichkeit, Haushaltsklarheit, ein Haushaltskonzept, in dem Plus und Minus, Einnahmen und Ausgaben, politische Absichten und bereits erkennbare Risiken genau und nachprüfbar vermerkt und finanziell abgesichert sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann hat Ihr Haushalt nie gestimmt!)

    Meine Damen und Herren, die uns vorgelegten Dokumente erfüllen diese Ansprüche nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Da sagen Ihnen z. B. die Steuerschätzer voraus — ich will gar nicht von den Zahlen des Sachverständigenrates reden; er kommt zu Steuerausfällen von 3,3 Milliarden DM im nächsten Jahr —, daß Ihnen im nächsten Jahr 800 Millionen DM an Steuereinnahmen fehlen werden. Sie unterziehen sich nicht dem mühevollen Geschäft, diesen hohen Fehlbetrag durch Kürzungen Posten für Posten hereinzuholen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Weil Sie zu viele Pöstchen verteilt haben!)




    Dr. Apel
    Da reicht Ihnen ein allgemeiner Beschluß. Sie wollen augenscheinlich die Haushaltssperre, die als Notmaßnahme durchaus vorgesehen ist, zum dauerhaften Bestandteil Ihrer Haushaltspolitik machen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wie war es mit den globalen Minderausgaben zu Ihrer Zeit?)

    Sie können doch nicht bestreiten, meine Damen und Herren von der Koalition, daß die Europäische Gemeinschaft so gut wie pleite ist. Ihr Festhalten an der verfehlten EG-Agrarpolitik — Sie sind geradezu Promotor der Fortsetzung dieser verfehlten Agrarpolitik —

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Dr. Vogel [SPD]: „Weiter so!")

    hat an dieser Situation der Europäischen Gemeinschaft beträchtlichen Anteil.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Bauernkiller!)

    Auch wenn wir ganz vorsichtig rechnen,

    (Jagoda [CDU/CSU]: Können Sie denn rechnen?)

    kommen wir zu dem Ergebnis, daß derzeit der Europäischen Gemeinschaft 22 Milliarden DM fehlen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Unser Anteil verlangt von uns eine Finanzierung von etwa 6 Milliarden DM.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wo sind die eigentlich?)

    Da fragen wir den Finanzminister: Wo haben Sie Vorsorge getroffen für diese drückende Ausgabenlawine?

    (Dr. Vogel [SPD]: Da lacht er! — Bohl [CDU/CSU]: Wie war es denn mit Tornado? Erzählt doch mal dazu etwas!)

    Sicherlich, sie kann noch eine kurze Zeit aufgehalten werden. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, Sie oder Ihr Nachfolger werden für die verfehlte EGAgrarpolitik, für die Milliarden, die in Brüssel fehlen, zahlen müssen. Da hilft auch kein Lächeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir fragen Sie, wann Sie endlich Vorsorge für diese Ausgabenlawine treffen werden. Insbesondere aber fordern wir Sie auf, endlich in Brüssel mitzuhelfen — das Bremserhäuschen verlassen —, um diese verfehlte EG-Agrarpolitik zu beenden. Sie nützt niemandem — nicht einmal unseren Bauern.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie beschließen, meine Damen und Herren von der Regierung und von der Koalition, den Einstieg in milliardenschwere Programme, für deren Finanzierung in den kommenden Jahren in Ihrer Finanzplanung erkennbar kein Geld vorhanden ist. Dazu gehört die Entscheidung über den Jäger 90, dazu gehört die Entscheidung über das Forschungsprojekt Hermes. Wir sehen durchaus den forschungspolitischen Sinn von Hermes ein. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, vom Finanzminister muß verlangt werden, wenn solche Großprojekte beschlossen werden, daß er uns sagt, woher das Geld kommen soll. Sonst werden sein Haushalt und seine mittelfristige Finanzplanung zu einem Muster ohne Wert.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, machen in Ihren Wahlprogrammen milliardenschwere Versprechungen. Finanzielle Deckung zeigen Sie nicht vor.

    (Zuruf des Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP])

    Vor der Niedersachsenwahl, Herr Kollege Cronenberg, haben Sie das Babyjahr für die alten Damen, für die Trümmerfrauen, versprochen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Sie 1972!)

    — Gnädige Frau, an Ihrer Stelle würde ich mich allerdings schämen;

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    denn was Sie beschlossen haben, wird nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Million ältere Frauen nicht mehr erreichen, weil sie vorher verstorben sind. Dies ist ein schlimmes Geschäft mit dem Tode, das Sie hier machen.

    (Beifall bei der SPD — Frau Hürland [CDU/CSU]: Wie viele sind in Ihrer Zeit gestorben?)