Herr Kollege Bohl, ich lade Sie gern zu einer Diskussion mit der Fraktion DIE GRÜNEN ein. Es ist Ihnen klar, daß es mir in diesem Rahmen — innerhalb der vier Minuten, die mir verbleiben — nicht möglich sein wird. Ich verweise auf die entsprechende reichhaltige Literatur, und ich kann Ihnen versichern: Es gibt Konzepte, die dann greifen, wenn die Mehrzahl der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland hinter diesem Konzept steht. Dafür wollen wir werben, dafür wollen wir eintreten. Es wäre schön, wenn wir eine 1 gemeinsame Diskussion darüber beginnen könnten. Dazu bin ich gerne bereit.
Ich möchte am Ende auf den heute schon oft angesprochenen Zusammenhang zwischen Entspannung und Sicherheit zu sprechen kommen. Ich meine den Harmel-Bericht aus dem Jahre 1967. Herr Kollege Barzel, das war 1967, und ich möchte wiederholen: Die Zeiten haben sich geändert. Sie haben sich in Ihren Ausführungen nicht der Frage gestellt: Wollen die USA als Bündnisvormacht des Westens Entspannung? Ich kann mich an zahlreiche Äußerungen führender amerikanischer Politiker erinnern, die verächtlich über die Détente gesprochen haben, über die Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition. Ich selbst habe verantwortliche Politiker in den USA hören können, die gesagt haben: Diese Zeit ist vorbei; es war ein Fehler, diese Politik zu betreiben.
Zweite Frage: Wollen die USA Sicherheit in dem Sinne, wie Sie sie verstehen? Oder könnte es nicht sein — ich hoffe, daß Sie sich zumindest mit der Frage auseinandergesetzt haben —, daß es doch so ist, wie ich vorhin ausführte, nämlich daß die USA ihre Politik in dem Sinne geändert haben, daß sie eine Politik des Drucks gegenüber der Sowjetunion betreiben, um damit ihre politischen Zielvorstellungen durchsetzen zu können, um den Einfluß der Sowjetunion eindämmen zu können? Das wäre eine höhere Risikoschwelle in der Politik mit militärischen Mitteln. Wenn das so ist, dann hat sich der Sicherheitsbegriff qualitativ geändert. Die Grundlage des Harmel-Berichts ist dadurch meiner Ansicht nach ausgehöhlt worden. Ich frage Sie, ob es zumindest nicht so sein könnte.
Noch ein letzter Exkurs über den heute schon so oft ins Feld geführte SPD-Parteitag. Ich meine, wenn Schwung schon eine Qualität ist, dann war dies ein erfolgreicher Parteitag. Da kam Dynamik auf. Und ich erkenne ausdrücklich den Anspruch von Johannes Rau an, der gesagt hat: Wir müssen Bewegung in die politische Landschaft in Europa bringen. Das ist ausdrücklich das, was auch wir akzeptieren. Nur frage ich mich, wenn ich mir seine Ausführungen zur NATO so ansehe, ob er hier nicht ein NATO-Wunschgemälde gezeichnet hat. Auch die Sprache in diesem Antrag, der dann durchgekommen ist, ist ja interessant, und Rau hat es im Grunde argumentativ auch so vertreten. Da steht drin:
Die Willensbildung im Bündnis muß den Beziehungen souveräner Vertragspartner entsprechen, die Sicherheitsinteressen aller Partner müssen in die Willensbildung des Bündnisses Eingang finden. Im Rahmen einer regional beschränkten und strikt defensiven Aufgabenstellung soll das Bündnis in seinem Geltungsbereich zur Kriegsverhütung beitragen ...
Darf, muß, soll, kann. Ich frage die SPD: Was ist denn, wenn dies alles nicht so sein wird? Dann reden wir weiter. Nur müssen Sie sich, wenn Sie Politik für die nächsten vier bis acht Jahre gestalten wollen, dieser Frage stellen: Was ist, wenn in der NATO das, was Sie hier beanspruchen, nicht
Lange
durchgesetzt wird? Wir stellen uns dieser Diskussion und sagen: Wir sind bereit,
mit den Mitteln der Ankündigung und der Durchsetzung des NATO-Austritts uns gegenüber den USA, falls es notwendig werden sollte, die politische Option zu eröffnen, doch die Politik, die wir betreiben wollen, im Bündnis und notfalls außerhalb des Bündnisses durchzusetzen. Das ist ein erweiterter Spielraum in der Politik, und ich denke, daß wir hier ehrlicher sind als Sie. Von Ihnen hört man das nur hinter verschlossenen Türen. Ich finde, Sie sollten Ihre Skepsis gegenüber der NATO auch öffentlich bekunden.
Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, die Sicherheitspolitik der Bundesregierung siecht im Grunde auf zwei Säulen vor sich hin: Die erste Säule ist die bedingungslose Unterwerfung unter die Politik einer Supermacht, der USA, die andere Säule ist die Förderung der Rüstungsindustrie, wo immer es nur geht und wann immer es nur geht. Daß diese Säulen brüchiger werden, als sie ohnehin schon sind, weil immer mehr Menschen diese Konstruktion nicht mehr zu akzeptieren bereit sind, dafür werden wir GRÜNEN jedenfalls weiterhin hart arbeiten.
Vielen Dank.