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    Plenarprotokoll 10/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 Inhalt: Wahl des Abg. Hiller (Lübeck) zum Schriftführer als Nachfolger des Abg. Heyenn . 17659A Begrüßung des Außenministers der Republik Malta 17727 D Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Dregger CDU/CSU 17659 B Schmidt (Hamburg) SPD 17668 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 17685 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 17692 B Frau Hönes GRÜNE 17703A Dr. Waigel CDU/CSU 17707 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17715B Dr. Barzel CDU/CSU 17721A Genscher, Bundesminister AA 17727 D Frau Borgmann GRÜNE 17731 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 17734 A Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 17738 C Gansel SPD 17742 A Frau Seiler-Albring FDP 17745 B Lange GRÜNE 17747 D Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 17751 C Vizepräsident Cronenberg 17721 A Vizepräsident Westphal 17742 A Nächste Sitzung 17751 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17753* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 17753* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 17659 228. Sitzung Bonn, den 10. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 226. Sitzung, Seite 17578* C: In der Anlage 32 ist die Vorlage Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für einen Entwurf einer Entschließung betreffend ein mittelfristiges Programm der Gemeinschaft (1986-1990) zur Chancengleichheit der Frauen (Drucksache 10/5627) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu streichen. Einzufügen ist: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Umsatzsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/5631) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 227. Sitzung, Seite 17585 D, Zeile 3: Statt „Zuruf von der CDU/CSU:" ist „Zuruf von der SPD:" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Dr. Bugl 10. 9. Eigen 12. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Dr. Haack 10. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Jahn (Marburg) 10. 9. Klein (München) 10. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 10. 9. Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Juni 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz - SVBEG) Gesetz zu dem Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Zweites Seerechtsänderungsgesetz) Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Seerechtliche Verteilungsordnung) Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundesrat geht bei seiner Zustimmung davon aus, daß im Vollzug des § 8 des Tierschutzgesetzes an die wissenschaftlich begründete Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die wissenschaftliche Darlegung muß den Verwaltungsbehörden die Grundlage für einen zuverlässigen Schluß auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen liefern. Die Verwaltungsbehörde darf sich selbst nicht auf die bloße formelle Prüfung, etwa ob der Genehmigungsantrag durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, beschränken. Sie hat sich vielmehr mit aller Gewissenhaftigkeit und unter Heranziehung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen zu überzeugen, daß die materiellen Voraussetzungen für den Tierversuch vorliegen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juli 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts Gesetz zu den Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (Unterhaltsvollstreckungs-Übereinkommens-Ausführungsgesetz ) Gesetz zur Änderung des Gebrauchsmustergesetzes Gesetz zur Änderung tarifrechtlicher Bestimmungen im Seehafenhinterlandverkehr Fünftes Gesetz zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERPSondervermögens für das Jahr 1987 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1987) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Januar 1986 zur Änderung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1986 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1986 - BBVAnpG '86) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz - AbfG) Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Der Bundesrat hält eine Erhöhung der Stundensätze der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Polizeibeamte allgemein für gerechtfertigt. Er bittet die Bundesregierung, die Erschwerniszulagenverordnung alsbald entsprechend zu ändern. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die nach § 14 Abs. 2 des Abfallgesetzes zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen der Wirtschaft zu setzenden Frist möglichst kurz zu bemessen, zumal sich die Wirtschaft auf Grund der bereits geführten Gespräche hierauf einstellen konnte. Er geht davon aus, daß im Falle einer erkennbaren fehlenden Bereitschaft der Wirtschaft oder Teilen davon zur Reduzie- 17754* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 rung der Abfallmengen aus Einwegverpackungen die Bundesregierung auch ohne Fristsetzung von den Ermächtigungen des § 14 Abs. 2 Gebrauch macht. Die Bundesregierung wird gebeten, für solche Fälle umgehend entsprechende Rechtsverordnungen vorzubereiten. 3. Im Hinblick auf die in der Anhörung im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommenen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfs bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bis zum 1. Januar 1989 einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit den novellierten Vorschriften vorzulegen. Dies gilt insbesondere für die neuen Regelungen im UWG über das Verbot der öffentlichen Werbung mit mengenmäßiger Beschränkung, das Verbot der öffentlichen Werbung mit Preisgegenüberstellungen sowie das nunmehr durchweg zivilrechtlich ausgestaltete Verfahren bei Räumungsverkäufen. Die in Drucksache 10/5706 unter Nummer 28 aufgeführte EGVorlage Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die koordinierte Einführung des dienstintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Europäischen Gemeinschaft — auf dem Weg zu einem europaweiten Telematikmarkt — KOM (86) 205 endg. — Rats-Dok. Nr. 7308/86 ist als Drucksache 10/5933 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich bin nicht bereit, die Redezeit jetzt zu unterbrechen.

    (Zurufe von der SPD)

    Zusammen, meine Damen und Herren, mit den europäischen Bündnispartnern sind wir für die Weiterbeachtung von SALT II eingetreten, sowohl gegenüber der Sowjetunion wie gegenüber den USA. Wir haben entschieden die Auffassung vertreten — Herr Kollege Schmidt, Sie haben nach diesem Punkt gefragt —, daß der ABM-Vertrag bis zu einer beiderseitigen, einvernehmlichen Lösung der Frage des Zusammenhangs zwischen Offensiv- und Defensivwaffen fortgelten muß. Ich habe übrigens bereits im Mai 1985 in meiner Rede auf dem letzten CDU-Parteitag darauf hingewiesen, daß zwischen dem Ausmaß der Reduzierung von Offensivwaffen und der Notwendigkeit und der Zahl von Defensivsystemen ein logischer Zusammenhang besteht. In der Frage eines allgemeinen Abkommens über den nuklearen Teststopp haben wir zum Ausdruck gebracht, daß ein schrittweises Herangehen über eine zeitliche und quantitativ-qualitative Beschränkung von Tests geboten ist. Wir haben eigene Vorschläge zur Verifikation von nuklearen Tests sowie zur Nichtproduktion und Nichtlagerung chemischer Waffen in die Verhandlungen eingebracht. Wir haben gemeinsam mit Großbritannien, meine Damen und Herren, Vorschläge zu MBFR innerhalb der Allianz und schließlich auch in Wien vorgelegt. Wir haben auch die Stockholmer Verhandlungen, wie jeder von Ihnen erkennen kann, ganz maßgeblich mitbestimmt.
    Letztlich will ich nur noch darauf hinweisen, daß wir bei der Tagung in Montebello gemeinsam mit unseren Bündnispartnern beschlossen haben, 2 400 nukleare Sprengköpfe in Europa einseitig abzubauen.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich stelle also fest, daß sich diese Bundesregierung mit ihren Initiativen und Beiträgen auf allen Ebenen tatkräftig und energisch in den Prozeß der Abrüstungsverhandlungen eingeschaltet hat. Wenn wir jetzt bei dem Gipfeltreffen weitere Fortschritte erreichen, dann, denke ich, darf man mit Recht am Ende dieser vier Jahre sagen: Wir haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß wir sagen können: Frieden schaffen mit weniger Waffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir waren auch immer der Meinung, daß eine Stabilisierung der West-Ost-Beziehungen, die von allen gewünscht wird, nicht allein auf dem Wege von Rüstungskontrollverhandlungen erreicht werden kann. Auch die anderen Probleme müssen Lösungen zugeführt werden. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion zeichnet sich nach dem Austausch mehrerer Botschaften zwischen Generalsekretär Gorbatschow und mir eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen ab, die man jetzt durchaus als konstruktiv bezeichnen kann. Sie haben ja äußere Zeichen dieser Entwicklung zur Kenntnis genommen anläßlich des Moskau-Besuches der Bundesminister Genscher und Riesenhuber vom 20. bis 23. Juli 1986. Meine Damen und Herren, bei diesem Anlaß erfolgte die Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Rahmenabkommens über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit und die Paraphierung dazugehörender Ressortabkommen und Programmabsprachen auf den Gebieten der Landwirtschaft, des Gesundheitswesens und der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
    Meine Damen und Herren, auf diesen Erfolg hat die Bundesrepublik seit 1972 gewartet; auch das ist doch ein Erfolg, der nicht geleugnet werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin auch in diesem Feld ohne jede Illusion; mit dieser Anbahnung eines konstruktiveren Arbeitsverhältnisses sind natürlich nicht alle Schwierigkeiten in den deutschsowjetischen Beziehungen ausgeräumt. Aber ich denke, es sind gute Grundlagen geschaffen für die Zukunft. Vieles deutet darauf hin, daß wir schon in nächster Zeit erleben werden, daß die daraus erwachsenden Chancen von beiden Seiten wahrgenommen werden.
    Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Besuch des Kollegen Wallmann in diesen Tagen in Moskau

    (Gansel [SPD]: Kriegt er denn nun Schadenersatz?)

    und an die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Umweltabkommens. — Ach, Herr Kollege, Sie wollen doch hier nicht diskutieren, sondern Sie wollen Ihre Häme ausbreiten, mit dem Ziel, die Wähler zu verwirren. Das ist doch eine ganz andere Vorstellung von Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir bereiten den Abschluß von Umweltabkommen, von Kulturabkommen und von wissenschaftlich-technischen Abkommen mit einer ganzen Reihe von Ländern des Warschauer Pakts vor. Die
    Entwicklung wird uns auch auf diesem Feld recht geben.
    Meine Damen und Herren, es ist ganz natürlich, daß in dieser Debatte nach den letzten vier Jahren die Wirtschafts-, die Finanz- und die Sozialpolitik eine große Rolle spielt. Für mich ist nur erstaunlich, mit welch einem Maß von Verwegenheit die Spitze der Sozialdemokratischen Partei auf die Vergeßlichkeit, um nicht zu sagen: auf die Dummheit der Wähler spekuliert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Professor Krupp, im Falle eines Wahlsiegs von Hans-Jochen Vogel 1983 als Wirtschaftsminister vorgesehen, hat am 14. Oktober 1982 geschrieben:
    Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich im Herbst — gemeint war: Herbst 1982 —
    dramatisch verschlechtert. Der Rückgang der Beschäftigung hat sich verstärkt, der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist steiler geworden.
    Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute haben im Oktober 1982 in ihrem Ausblick auf das Jahr 1983 hinzugefügt:
    Die Zahl der Arbeitslosen dürfte 1983 etwa 2,3 Millionen betragen und damit um mehr als 450 000 höher sein als 1982.
    Herr Kollege Vogel, im Februar 1983 und in den Tagen bis zu der großen Fernsehdebatte am Donnerstag vor der Bundestagswahl am 6. März 1983 sind Sie und andere durch das Land gezogen und haben dann noch einen Oppositionszuschlag draufgesattelt. 2,3 Millionen war Ihnen als Horrorzahl zu gering; Sie sprachen von 3 Millionen Arbeitslosen, die unsere Politik herbeiführen würde.

    (Dr. Vogel [SPD]: 2,6 Millionen haben Sie! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, das, was Sie uns vor allem hinterlassen haben — ich sage es noch einmal —, war eine depressive Stimmung, war Pessimismus, war Untergangsszenario.
    Es ist auch Übung geworden — wir haben heute wieder etwas davon gehört —, daß ein katastrophaler Abwärtstrend bei Wachstum, Stabilität und Beschäftigung mit dem Hinweis auf die ungünstigen internationalen wirtschaftlichen Verhältnisse entschuldigt wird. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß eine solide Diskussion, eine intellektuell redliche Diskussion in diesem Feld natürlich auch die internationalen Gegebenheiten beachten muß.

    (Zurufe von der SPD)

    Aber das ist eben nur die Hälfte der Wahrheit. Wenn die OECD — das sollten Sie sich merken, weil es für Ihre Politik steht — für den Zeitraum von 1969 bis 1982 unter den Kanzlern Brandt und Schmidt feststellt, daß in den USA mehr als 20 Millionen, in Japan 6 Millionen, in Kanada 2,5 Millionen und in Italien und in Frankreich jeweils 1 Million neue Arbeitsplätze hinzugekommen sind, dann sind das Zahlen, die Sie bitte mit den Ausführungen



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    des Kollegen Schmidt vor Ihrer Fraktion im Juni 1982 vergleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, hier bei uns, unter den gleichen internationalen Bedingungen, waren es am Ende Ihrer Regierungsverantwortung nicht mehr Arbeitsplätze, sondern rund 700 000 Arbeitsplätze weniger als 1969. Deswegen frage ich Sie schlicht und einfach: Woher nehmen Sie den Mut, hier den Arbeitslosen zu sagen, daß sozialistische Politik in Deutschland für sie Zukunft bedeutet?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Martin Bangemann hat schon ganz recht: Sie können solche Horrorszenarien hier im Haus entwickeln, Sie können sich vielleicht auch bei Ihrer Vorstandssitzung daran berauschen; im Land glaubt Ihnen dies kein Mensch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aus der Rezession ist wieder Wachstum geworden, und die marxistisch unterbauten Zukunftspropheten, die uns ja, auch aus Ihrem Lager kommend, zu Beginn der achtziger Jahre für ein ganzes Jahrzehnt — übrigens sehr zum Ärger des Kollegen Schmidt — Nullwachstum prophezeit haben, für die überhaupt das Thema „Null" immer etwas Positives enthielt,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    all diese falschen Propheten sind ja ad absurdum geführt worden.
    Dabei räume ich ein — da hat der Kollege Schmidt natürlich recht —, daß Dollarkurs und Exporte zu diesem Ergebnis ganz wesentlich beigetragen haben. Aber, meine Damen und Herren, es zeigt sich doch inzwischen, daß die Aufwärtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ganz entscheidend vom inländischen Impuls, d. h. vom privaten Verbrauch und von Investitionen in Maschinen und Anlagen, getragen wird und daß sich auch der so kritische und auf Grund der gegebenen schwierigen — nicht zuletzt demographischen — Verhältnisse beeinträchtigte Baubereich zunehmend stabilisiert hat.
    Wir können doch heute mit Fug und Recht behaupten, daß — und das ist ja die gemeinsame Leistung aller Bürger guten Willens in unserem Lande — der Aufschwung in der Bundesrepublik Deutschland auf einem breiten, auf einem soliden Fundament steht.
    Die Preise sind so stabil, daß man weit in die Vergangenheit zurückgehen muß, um Vergleichbares zu finden. Wenn Sie nun dauernd die Preisentwicklung bei Öl und Benzin vorrechnen, dann lassen Sie uns das abziehen; dann bleiben wir trotzdem noch bei 1,5 %, und das ist eine Stabilitätsrate, die in der Tat Weltspitze ist. Darauf können wir doch stolz sein!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen wissen Sie doch, weil Sie es draußen in Ihren Versammlungen erleben: Die große Mehrheit unserer Bevölkerung — gerade die Leute mit den kleinen Einkommen, die keine Gelegenheit hatten, in irgendwelche Sachwerte zu flüchten — weiß, daß die größte soziale Tat, die ein Land sich selbst antun kann, die ist, stabile Preise zu haben, und die haben wir.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist erstaunlich, wenn Sie, meine Damen und Herren, trotz dieses Beispiels, an dem sich ja im übrigen — das ist doch nicht nur eine Frage von Regierung und Opposition — viele verantwortliche Persönlichkeiten auch aus Ihrem Kreis mit beteiligt haben, an dem sich auch viele Gewerkschaftsführer durch vernünftige Lohnabschlüsse — auch das gehört doch in das Gesamtbild hinein — mit beteiligt haben, ein Szenario entwickeln, das besagt, dies alles gebe es nicht. Das glaubt Ihnen schlicht und einfach niemand.
    Nehmen Sie das als einen Rat von mir an.

    (Lachen und Zurufe von der SPD)

    — Hören Sie doch erst einmal zu! Das ist doch die politische Debatte der Steinzeit; es sind nur noch Töne, die herausgestoßen werden,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung bei der SPD)

    das ist völlig unartikuliert.
    Mein Rat auf Grund der leidvollen Erfahrung meiner eigenen Partei — ich denke an die Oppositionszeit — ist, daß es wenig sinnvoll ist, dann, wenn das Bild draußen Sonnenschein zeigt, der Bevölkerung klarmachen zu wollen, es sei finstere Nacht mit Sturm und Schnee.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Sie jetzt Ihre Beschlüsse von Nürnberg unter diesem Gesichtspunkt betrachten — oder auch das, was gestern einer Ihrer Sprecher vorgetragen hat, der es ja als früherer Finanzminister nun wirklich besser weiß, weshalb ich nur sagen kann, daß ich vermute, daß er es zum Teil wider besseres Wissen so vorgetragen hat —, dann ist das doch der Rückfall in den alten Kreislauf einer verhängnisvollen sozialistischen Wirtschaftspolitik, die über die Verhältnisse lebt, die einfach nicht die Grunderkenntnis wahrhaben will, daß auch der Staat nur das ausgeben kann, was wir gemeinsam erwirtschaftet und erarbeitet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir setzen auf eine Stabilitätspolitik mit langem Atem, auf eine Politik mit greifbaren Ergebnissen. Ich räume ein, das war in diesen vier Jahren oft schwierig genug. Wenn Sie am Abend einer Landtagswahl eine Niederlage eingestehen müssen, ist es für diese Stunde nur ein geringer Trost, daß Sie fest davon überzeugt sind und wissen, daß in Jahresfrist Erfolge sichtbar werden. Wir haben diesen langen Atem gehabt; wir werden ihn auch in Zukunft haben.
    In diesem Jahr steigen die Nettorealeinkommen, d. h. die Einkommen der Arbeitnehmer nach Abzug von Steuern, Abgaben und Preisanstieg, um rund 4 %. Das ist der höchste Anstieg seit 1970, also seit



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    16 Jahren. Das ist soziale Politik für die Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sehen Sie, Herr Kollege Schmidt, das wissen j a auch alle, die der großen demokratischen Tradition der deutschen Gewerkschaftsbewegung verpflichtet sind.

    (Gansel [SPD]: Netto!)

    — Ach wissen Sie, meine Damen und Herren von der SPD: Über „brutto" und „netto" rede ich mit Ihnen nicht,

    (Lutz [SPD]: Das glaube ich!)

    da sind Sie Spezialisten, wenn ich beispielsweise Ihre Politik in Sachen Neue Heimat betrachte.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dieses Realeinkommen der Arbeitnehmer mußte natürlich auch jeder Betriebsrat zur Kenntnis nehmen. Deswegen, Herr Kollege Schmidt, geht es hier nicht darum, eine antigewerkschaftliche Politik zu konzipieren.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Haben Sie aber gemacht!)

    — Das glauben Sie doch selber nicht.

    (Zurufe von der SPD)

    Vor einem Vierteljahr haben Sie doch noch proklamiert, wir würden das Streikrecht abschaffen. Das glaubt doch heute kein Mensch. Sie haben beim § 116 AFG gemeinsam mit Teilen der Gewerkschaftsbewegung, die Ihrer Partei angehören, probieren wollen, wer die Macht im Staat hat. Das Parlament und die Regierung entscheiden, der Wähler entscheidet — und nicht die Straße.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das ist ja Hochverrat! Seien Sie vorsichtig!)

    Alles, was wir zur Wiederbelebung der Wirtschaft getan haben — Preisstabilität, gefüllte Auftragsbücher —,

    (Gansel [SPD]: Unglaublich!)

    hat etwas mit sozialer Politik für Arbeitnehmer und ihre Familien zu tun.
    Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts lag die saisonbereinigte Zahl der Arbeitsplätze zuletzt um mehr als eine halbe Million über dem Tiefstand von Anfang 1984. Sie lag damit um mehr als 250 000 über dem Stand vom Herbst 1982.
    Das heißt — und das können Sie nicht hinwegreden -:

    (Lutz [SPD]: Doch! — Lachen bei der CDU/ CSU und der FDP)

    Arbeitsplätze und Beschäftigung liegen heute bereits deutlich über dem Stand, den diese Regierung bei ihrem Amtsantritt vorgefunden hat.
    Ich füge gleich hinzu, damit auch da kein Zweifel aufkommt: Wir sind in Sachen Arbeitslosigkeit mit dem bisher Erreichten noch keineswegs zufrieden.
    Wir sind noch nicht über den Berg. Aber wir haben ein gutes, ja ein entscheidendes Stück des Aufstiegs geschafft. Solides Wirtschaftswachstum, stabile Preise, wachsendes Realeinkommen, zunehmende Beschäftigung: Das sind die Markenzeichen der Sozialen Marktwirtschaft auch in der Mitte der 80er Jahre, und das wird der Wähler bestätigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben hier im Parlament wichtige Grundsatzentscheidungen auf diesem Weg getroffen. Ich bin vor allem dafür dankbar, daß die große Mehrheit unserer Bürger diese Entscheidungen letztendlich doch akzeptiert hat.
    Zu diesen Entscheidungen gehört die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen. Sie können noch so viele Rechenkünste hier aufbieten, und Sie können den Kollegen Stoltenberg noch so persönlich dabei angehen — er eignet sich ja so ziemlich gar nicht für dieses Verfahren, wie Sie genau wissen —:

    (Zurufe von der SPD)

    Jedermann in der Bundesrepublik, der wirklich Einsicht in die Dinge hat — und das ist wiederum die Mehrheit der Bürger —, weiß, daß wir auf dem Weg einer sparsamen Haushaltsführung, die natürlich auch Opfer gekostet hat, das Land wieder auf den richtigen Weg gebracht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Heute, vier Jahre später, ist deutlich sichtbar, was mit der Rückgewinnung des finanzpolitischen Handlungsspielraums erreicht werden konnte.

    (Kühbacher [SPD]: Die Reichen!)

    — Wissen Sie: Aus Ihrem Lager würde ich über die Reichen so nicht reden.

    (Kühbacher [SPD]: Doch! Es ist aber so!)

    Ich finde: Diese Mottenkiste können Sie doch wirklich im 19. Jahrhundert belassen. Wollen Sie denn im Ernst sagen, daß Sie hier mit Ihrer Partei für die sozial Schwachen stehen?

    (Lutz [SPD]: Ja!)

    Da schauen Sie sich doch einmal um! Da werden Sie doch selber über das lachen müssen, was Sie jetzt sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben auf den Kreditmärkten für den privaten Nachfrager Platz gemacht. Verbraucher und Investoren sind heute in der Lage, das notwendige Geld zu günstigen Bedingungen zu erhalten.
    Wir haben die Steuern für Arbeitnehmer und Unternehmen gesenkt, weil wir mehr Freiheit für die private Entscheidung des Bürgers haben wollen, weil wir gegen mehr staatliche Umverteilung und Bevormundung sind.
    Wir haben Spielraum für eine aktive Arbeitsmarktpolitik geschaffen. Mit mehr als 10 Milliarden DM pro Jahr hat sich diese Bundesregierung auf -diesem wichtigen Feld jedenfalls mehr engagiert als Sie zuvor. Hunderttausend Plätze für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind mehr als das Dreifache dessen, was wir im Jahre 1982 vorgefunden haben.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Meine Damen und Herren, wir treiben eine aktive Politik zugunsten der Familie. Das erste Steuersenkungspaket in der Größenordnung von über 10 Milliarden DM dient vor allem auch diesem Ziel. Mit dem Erziehungsgeld, mit steuerlichen Erleichterungen, mit der Anrechnung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung haben wir neue familienfreundliche Wege beschritten.
    Wir treiben eine aktive Sozialpolitik. Wir haben die Renten für die vor uns liegenden Jahre auf eine sichere Grundlage gestellt, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zweimal verlängert, das Wohngeld um 1 Milliarde DM angehoben, die Sozialhilfe erhöht und das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche wiedér eingeführt,

    (Seiters [CDU/CSU]: Wieder!)

    das Sie, meine Damen und Herren von der SPD, gestrichen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die wenigen Beispiele zeigen, daß wir eine solide Politik betrieben haben, die nicht Illusionen nachgelaufen ist, sondern die mit Solidität und Augenmaß immer auch die Finanzen in der Perspektive hat. Deswegen stellt sich natürlich vor der Wahl an Sie alle die Frage, wie Sie Ihre vielen Versprechungen halten wollen.
    In Nürnberg ist j a in der Tat niemand zu kurz gekommen. Sie haben allen alles versprochen, den Schülern BAföG, den jungen Männern einen kürzeren Wehrdienst, den Frauen die berufliche Wiedereingliederung, den Bauern ein Aktionsprogramm, dem Mittelstand die Investitionsrücklage und den Arbeitslosen Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Sie haben nur nicht gesagt, wie Sie es finanzieren würden. Das ist der Punkt, zu dem sich Fragen stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Weg, den Sie vorschlagen, ist klar: zurück zu höheren Schulden, höheren Steuern und zum Verlust von Arbeitsplätzen. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Das gilt auch für ein anderes wichtiges Kapitel — Herr Kollege Schmidt, ich hätte dazu gerne auch von Ihnen ein Wort gehört —, nämlich Kernenergie und Kernkraft.
    Die SPD hat trotz aller Warnungen aus den Gewerkschaften, von führenden Gewerkschaftlern aus ihrer eigenen Fraktion, Warnungen aus den Betrieben die Abschaltung der Kernkraftwerke innerhalb von zehn Jahren beschlossen, und dies, obwohl doch gerade unter ihrer Regierungsverantwortung 16 von den 20 deutschen Kernkraftwerken genehmigt wurden. Sie haben doch in der Nachbarschaft — ich war gerade letzte Woche in Stockholm —, in Schweden, einem Land, dessen Regierung Ihnen nun wirklich sympathisch sein sollte, ein Beispiel dafür bekommen,

    (Zurufe von der SPD: Die steigen auch aus!)

    daß sich die Schweden, von jetzt an gerechnet, einen Zeithorizont von 24 Jahren setzen.

    (Zurufe von der SPD: Und Sie? — Dr. Vogel [SPD]: Und Sie 25 Jahre?)

    — Herr Kollege Vogel, Sie haben zur Kernkraft fast jeden Tag etwas anderes gesagt,

    (Dr. Vogel [SPD]: So ein Unsinn!)

    nur Herr Rau hat zu diesem Thema noch nebulöser gesprochen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ebenso wie in der Außen- und Sicherheitspolitik steuern Sie in der Kernkraftfrage einen unberechenbaren Kurs.

    (Zuruf von der SPD: Ein nebulöser Kanzler!)

    Für diese Bundesregierung spielen Arbeitsplätze und Beschäftigung eine zentrale Rolle.

    (Lachen bei der SPD)

    Deswegen steuern wir auch in der Energiepolitik einen klaren Kurs.

    (Zurufe des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] sowie weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Abgeordneter Professor Dr. Ehmke, wenn Sie über die Not von Arbeitslosen sprechen, denkt sich jeder in diesem Haus seinen Teil. Das will ich Ihnen doch einmal sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen einen akzeptablen Sicherheitsstandard, und zwar nicht nur bei uns, sondern in allen Ländern, die Kernkraftwerke betreiben. Denn was nützt es uns, um bei Ihrer Vorstellung zu bleiben, wenn wir alle Kernkraftwerke abschalten, sich ringsherum aber nichts verändert?

    (Dr. Vogel [SPD]: Was ist mit Cattenom?)

    Sie wissen, daß weder die DDR noch die Französische Republik noch irgendein Land — —

    (Walther [SPD]: Das ist doch Ihre Sache, Sie sind doch Regierung! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Entschuldigung, Cattenom ist doch wirklich zu Ihrer Amtszeit genehmigt und gebaut worden.

    (Lachen bei der SPD)

    Die entscheidenden Genehmigungen sind doch alle zu Ihrer Amtszeit nach Konsultationen gegeben worden. Das wissen Sie doch so gut wie ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Was haben Sie gestern gemacht? Worüber reden Sie eigentlich? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Es ist doch absurd, nachdem Sie in Ihrer Verantwortung viele Jahre hindurch in bezug auf Cattenom nichts getan haben,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist dumm und töricht!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    daß Sie jetzt so tun, als sei dieses inzwischen gebaute Kernkraftwerk einfach stillzulegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Was haben Sie denn gemacht?)

    Die einfachsten internationalen Gegebenheiten auf diese Art zu leugnen ist doch wirklich absurd.

    (Dr. Vogel [SPD]: Euratom-Vertrag, was?)

    Meine Damen und Herren, ich habe nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Nichts getan!)

    die Initiative für eine internationale Konferenz über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen ergriffen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr wichtig!)

    Die Konferenz beginnt in vierzehn Tagen in Wien.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir werden nach der Rückkehr von Bundesminister Walter Wallmann Gelegenheit haben, nach einer Regierungserklärung hier im Haus über die Ergebnisse und die Perspektiven insgesamt zu diskutieren.
    Wir jedenfalls haben, was die Bundesregierung betrifft, nach Tschernobyl die notwendigen Konsequenzen gezogen. Wir haben in der vergangenen Woche ein Aktionsprogramm beschlossen, um alle Erfahrungen aus dem Reaktorunfall zu verwerten. Hierzu gehört auch der nach dem Unfall an die Reaktorsicherheitskommission erteilte Auftrag, alle in Betrieb, in Bau oder in Planung befindlichen Kernkraftwerke in der Bundesrepublik angesichts der Erfahrungen einer Überprüfung zu unterziehen.
    Meine Damen und Herren, wir wollen auch zur Entwicklung alternativer Energien unseren Beitrag leisten und jede Anstrengung zur Energieeinsparung weiter unterstützen.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    Dies hat ja auch sehr konkrete Folgen, die Sie im Haushalt, der jetzt beraten wird, erkennen können. Die Bundesregierung schlägt vor, für alternative Energien, Energieeinsparung mehr Geld zur Verfügung zu stellen, als dies je zuvor der Fall war. Ich glaube, daß noch Chancen für neue Entwicklungen bestehen.
    Aber ich weiß auch, daß niemand von uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen kann, wann sich diese Chancen so realisieren, daß sie in praktische und praktizierbare Technologien umgesetzt werden können.

    (Senfft [GRÜNE]: Das wird in Dänemark schon lange gemacht!)

    Es ist einfach richtig, daß im Augenblick niemand sagen kann, zu welchem Zeitpunkt neue Entwicklungen welche Beiträge zur Energieversorgung leisten können.
    Und solange wir das nicht wissen, meine Damen und Herren, ist es eine bewußte Täuschung des Bürgers, mit der Ankündigung fester Zeitpunkte und Zeiträume hinsichtlich des Verzichts auf Kernenergie den Eindruck zu erwecken, wir hätten diese Entwicklung bereits jetzt fest im Griff. Dies ist einfach nicht wahr!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer es dennoch tut, muß auch über die Konsequenzen einer solchen Aussteigerpolitik sprechen:
    Erstens. Konsequenzen für die Umwelt. Denn der Rückgriff auf die fossilen Energieträger, auf Öl, Gas und vor allem Kohle, wäre j a dann wohl unausweichlich.

    (Senfft [GRÜNE]: Das ist falsch, schon das ist falsch!)

    Und dieser Rückgriff würde doch, wie wir alle wissen — und Gutachten, die Sie gerne heranziehen, sagen das ja auch —, die Schadstoffbelastung der Umwelt beträchtlich erhöhen. Gestern noch hörte ich von seiten der SPD — ich denke an die Debatte im Bundestag zum Thema Buschhaus;

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    das ist ja so lange noch nicht her —: Kohlekraftwerke sind Dreckschleudern und damit Gift für Wald und menschliche Gesundheit. Stirbt aber erst der Wald, so lautete doch die Parole, so stirbt auch bald der Mensch.

    (Frau Hönes [GRÜNE]: Das ist richtig!)

    Heute werden uns Kohlekraftwerke demgegenüber als die ideale Lösung angepriesen.

    (Senfft [GRÜNE]: Das ist doch Blödsinn! — Frau Hönes [GRÜNE]: Umgerüstete! — Lachen bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Und wer rüstet sie um?)

    Zweitens. Die Konsequenzen für die Entwicklungsländer, meine Damen und Herren, von denen Sie doch so gerne sprechen, werden von Ihnen in dieser Debatte überhaupt nicht erwähnt. Jeder von Ihnen weiß, daß die Industrieländer und damit auch die Bundesrepublik Deutschland höhere Preise für 01, Gas und Kohle noch bezahlen können. Für die große Mehrheit der Entwicklungsländer würde dies aber das Ende ihrer wirtschaftlichen Zukunft bedeuten,

    (Seiters [CDU/CSU]: Das ist der SPD egal!)

    und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem die Zukunft in vielen Ländern noch gar nicht richtig begonnen hat.
    Drittens. Die Konsequenzen für unsere wirtschaftliche und damit auch politische Abhängigkeit von Ölförderländern, die wir doch gerade erst in den letzten Jahren gemeinsam verringert haben: Stehen Sie wirklich noch zu der Politik „Weg vom 01", die wir in den 70er Jahren gemeinsam diskutiert und beschlossen haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In der Energiepolitik kann es — bei allem Verständnis, ja Sympathie für Ängste von Menschen — nicht um eine Politik des Alles oder Nichts gehen, d. h. um das sofortige Abschalten oder Nichtab-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    schalten von Kernkraftwerken. Denn jeder weiß, daß eine abrupte Änderung in der Energiepolitik ohne schwerste Belastungen für die Umwelt, für die Wettbewerbsfähigkeit und für die Arbeitsplätze nicht denkbar ist.
    Unsere Energiepolitik muß sich an drei Leitlinien orientieren.
    Erstens. Die Sicherheit und die Gesundheit des Bürgers müssen absoluten Vorrang vor allen anderen — auch ökonomischen — Überlegungen haben.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Das heißt, es muß ein hoher und zugleich vertretbarer Sicherheitsstandard durchgesetzt werden, und zwar natürlich selbstverständlich über Ländergrenzen hinaus.
    Wir haben dazu vieles auf den Weg gebracht.
    Ich füge aber gleich hinzu: Ich sehe auch den Wiener Verhandlungen ohne Illusion entgegen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß dies keine Frage des Ost-West-Verhältnisses ist, sondern — ich habe das gestern abend wieder in einem Gespräch in Paris erfahren —, daß die Einschätzung, auch die tiefenpsychologischen Vorgänge im Zusammenhang mit Kernkraftwerken und nuklearen Vorgängen überhaupt in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aussehen und wir das natürlich bei internationalen Gesprächen in Rechnung stellen müssen.
    Wir müssen zweitens am Ziel, die Umweltbelastung zu verringern, konsequent festhalten, und zwar nicht erst mit Blick auf das Jahr 2000, sondern auch heute.
    Wenn uns heute die Waldbauern im Schwarzwald sagen: Unser Wald geht kaputt; wenn sie sagen: Was seid ihr bereit zu tun, damit unsere Existenz erhalten bleibt?, dann muß diese Anstrengung schon jetzt und heute unternommen werden.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Ja eben, was tut ihr denn?)

    — Da Sie, meine Damen und Herren, auf diesem Feld in der Vergangenheit wirklich wenig aufzuweisen haben, schlage ich vor, daß Sie am besten dazu schweigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir müssen zum dritten trotz des niedrigen Ölpreisniveaus, das viele dazu verleitet, vom Energiesparen abzusehen, dabei bleiben, daß Energieeinsparung und die Entwicklung alternativer Energien wichtige Ziele unserer Politik sind — auch dann — das füge ich ausdrücklich hinzu —, wenn wir nicht bei jeder Maßnahme und bei jedem Unternehmen, das gestartet wird, den Erfolg vorhersehen können.
    Meine Damen und Herren, wir halten am Kurs der deutschen Energiepolitik fest.

    (Senfft [GRÜNE]: Das ist schlimm!)

    Es kann dabei sehr wohl sein — niemand wird
    etwas dagegen haben —, daß wir Kernenergie zu
    einem späteren Zeitpunkt rückblickend als eine
    Energieform des Übergangs betrachten können. Aber heute können wir das so noch nicht sagen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir diese letzten vier Jahre rückblickend betrachten und den politischen Standort der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 1982 oder am Wahltag, 6. März 1983, mit dem im Herbst 1986 vergleichen, können wir mit Genugtuung und Dankbarkeit sagen: Wir haben in diesen vier Jahren ein gutes Stück Weg zurückgelegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Talsohle, von der Karl Schiller früher einmal gesprochen hat, liegt glücklicherweise ein gutes Stück hinter uns. Die OECD kommt im Sommer dieses Jahres zu dem Urteil: „Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind gut. Das Risiko einer Wiederbelebung der Inflation dürfte gering sein, die Realeinkommen erholen sich, und die Arbeitslosigkeit dürfte zu sinken beginnen."
    Das ist eine ermutigende Bilanz. Es ist aber keine Bilanz, die uns den Hinweis gibt, daß es an der Zeit sei, die Hände in den Schoß zu legen, sondern eine Bilanz, die uns den Auftrag gibt, noch entschiedener an den Problemen in Zukunft zu arbeiten.
    Auf der internationalen Tagesordnung steht unverändert das große Thema Friedenssicherung und Abrüstung an erster Stelle. Wir wissen als Deutsche, daß wir nur durch das Zusammenwachsen Europas in Zukunft auch die Einheit der Nation gewinnen können.
    Wir wissen, daß auch hierzulande viele wichtige Themen anstehen. Der Satz „Leistung muß sich lohnen" bedeutet für uns, daß wir die wirklich große Steuerreform durchführen müssen, die auch ein Stück Abbau von Bürokratie und Staatsfeindlichkeit beim Bürger ermöglichen wird.
    Ich möchte wiederholen, was Norbert Blüm immer wieder gesagt hat — und ich bin sehr dankbar, Frau Kollegin Fuchs, daß Sie Ihre Reaktion zu diesem Thema so ausgedrückt haben, wie es zu lesen war —, daß wir vielleicht doch bei allem, was uns trennt, den Versuch unternehmen können, in der neuen Legislaturperiode in Sachen Sicherung des Lebensabends der alten Mitbürger, der Rentenversicherung eine gemeinsame und tragfähige Grundlage zu finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir alle wissen, daß wir im Felde des Gesundheitswesens noch schwierigste Aufgaben zu erledigen haben.
    Ich habe nur diese drei Punkte unter vielen herausgegriffen, um deutlich zu machen, daß auch in der nächsten Legislaturperiode, in den nächsten vier Jahren wichtige Entscheidungen anstehen.
    Wir werden gemeinsam, FDP, CSU und CDU, für die Zukunft diesen Weg einer soliden und solidarischen Politik fortsetzen. Ich bin ganz sicher, daß wir im Blick zurück auf die letzten vier Jahre mit dem Nachweis einer erfolgreichen Politik und mit der überzeugenden Kraft unserer Ideen für die nächsten vier Jahre am Wahltag gut bestehen werden.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Meine Damen und Herren, wir werden in diesen Monaten miteinander viele Auseinandersetzungen haben. Ich möchte mit einem Satz schließen, den der Kollege Schmidt ausgesprochen hat: daß wir bei aller Härte der Auseinandersetzung in diesem Haus und noch mehr außerhalb des Hauses nicht vergessen sollten, daß wir gemeinsam unserer Republik dienen wollen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr. Erste Rednerin ist Frau Hönes.

(Unterbrechung von 13.32 bis 14.00 Uhr)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
    Das Wort hat die Frau Abgeordnete Hönes.