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ID1022801200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 Inhalt: Wahl des Abg. Hiller (Lübeck) zum Schriftführer als Nachfolger des Abg. Heyenn . 17659A Begrüßung des Außenministers der Republik Malta 17727 D Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Dregger CDU/CSU 17659 B Schmidt (Hamburg) SPD 17668 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 17685 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 17692 B Frau Hönes GRÜNE 17703A Dr. Waigel CDU/CSU 17707 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17715B Dr. Barzel CDU/CSU 17721A Genscher, Bundesminister AA 17727 D Frau Borgmann GRÜNE 17731 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 17734 A Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 17738 C Gansel SPD 17742 A Frau Seiler-Albring FDP 17745 B Lange GRÜNE 17747 D Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 17751 C Vizepräsident Cronenberg 17721 A Vizepräsident Westphal 17742 A Nächste Sitzung 17751 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17753* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 17753* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 17659 228. Sitzung Bonn, den 10. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 226. Sitzung, Seite 17578* C: In der Anlage 32 ist die Vorlage Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für einen Entwurf einer Entschließung betreffend ein mittelfristiges Programm der Gemeinschaft (1986-1990) zur Chancengleichheit der Frauen (Drucksache 10/5627) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu streichen. Einzufügen ist: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Umsatzsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/5631) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 227. Sitzung, Seite 17585 D, Zeile 3: Statt „Zuruf von der CDU/CSU:" ist „Zuruf von der SPD:" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Dr. Bugl 10. 9. Eigen 12. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Dr. Haack 10. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Jahn (Marburg) 10. 9. Klein (München) 10. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 10. 9. Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Juni 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz - SVBEG) Gesetz zu dem Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Zweites Seerechtsänderungsgesetz) Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Seerechtliche Verteilungsordnung) Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundesrat geht bei seiner Zustimmung davon aus, daß im Vollzug des § 8 des Tierschutzgesetzes an die wissenschaftlich begründete Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die wissenschaftliche Darlegung muß den Verwaltungsbehörden die Grundlage für einen zuverlässigen Schluß auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen liefern. Die Verwaltungsbehörde darf sich selbst nicht auf die bloße formelle Prüfung, etwa ob der Genehmigungsantrag durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, beschränken. Sie hat sich vielmehr mit aller Gewissenhaftigkeit und unter Heranziehung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen zu überzeugen, daß die materiellen Voraussetzungen für den Tierversuch vorliegen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juli 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts Gesetz zu den Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (Unterhaltsvollstreckungs-Übereinkommens-Ausführungsgesetz ) Gesetz zur Änderung des Gebrauchsmustergesetzes Gesetz zur Änderung tarifrechtlicher Bestimmungen im Seehafenhinterlandverkehr Fünftes Gesetz zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERPSondervermögens für das Jahr 1987 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1987) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Januar 1986 zur Änderung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1986 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1986 - BBVAnpG '86) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz - AbfG) Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Der Bundesrat hält eine Erhöhung der Stundensätze der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Polizeibeamte allgemein für gerechtfertigt. Er bittet die Bundesregierung, die Erschwerniszulagenverordnung alsbald entsprechend zu ändern. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die nach § 14 Abs. 2 des Abfallgesetzes zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen der Wirtschaft zu setzenden Frist möglichst kurz zu bemessen, zumal sich die Wirtschaft auf Grund der bereits geführten Gespräche hierauf einstellen konnte. Er geht davon aus, daß im Falle einer erkennbaren fehlenden Bereitschaft der Wirtschaft oder Teilen davon zur Reduzie- 17754* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 rung der Abfallmengen aus Einwegverpackungen die Bundesregierung auch ohne Fristsetzung von den Ermächtigungen des § 14 Abs. 2 Gebrauch macht. Die Bundesregierung wird gebeten, für solche Fälle umgehend entsprechende Rechtsverordnungen vorzubereiten. 3. Im Hinblick auf die in der Anhörung im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommenen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfs bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bis zum 1. Januar 1989 einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit den novellierten Vorschriften vorzulegen. Dies gilt insbesondere für die neuen Regelungen im UWG über das Verbot der öffentlichen Werbung mit mengenmäßiger Beschränkung, das Verbot der öffentlichen Werbung mit Preisgegenüberstellungen sowie das nunmehr durchweg zivilrechtlich ausgestaltete Verfahren bei Räumungsverkäufen. Die in Drucksache 10/5706 unter Nummer 28 aufgeführte EGVorlage Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die koordinierte Einführung des dienstintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Europäischen Gemeinschaft — auf dem Weg zu einem europaweiten Telematikmarkt — KOM (86) 205 endg. — Rats-Dok. Nr. 7308/86 ist als Drucksache 10/5933 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gerne.


Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Schmidt, darf ich Sie fragen, warum Sie den für mich entscheidenden Satz aus diesem Zitat ausgelassen haben, obwohl er im Manuskript Ihrer Rede steht, das ich besitze? Darf ich Sie fragen, warum Sie nicht vollständig zitiert haben? Das vollständige Zitat heißt:



Dr. Graf Lambsdorff
daß die Gewerkschaften ihre irreführende, täuschende und verlogene Argumentation, bei der Änderung des § 116 handele es sich um eine Einschränkung des Streikrechts ...
Warum haben Sie diesen Halbsatz soeben weggelassen?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Si tacuisses ...!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das will ich Ihnen gerne und sofort klar beantworten. Ich habe überhaupt keine Hemmung, diesen Satz vorzulesen; ich habe ihn ja auch verteilen lassen. Ich habe nur im Interesse der Zeit an vielen Stellen das Manuskript gekürzt.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Aber, Graf Lambsdorff, daß von § 116 die Rede war, hatte ich j a wohl vorher gesagt.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und ob es sich um § 116 oder um „dumm und töricht" handelt: Der Vorwurf des Terrorismus an die Adresse der deutschen Einheitsgewerkschaften ist absolut unzulässig.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Das ist der Punkt!)

    Sie, Graf Lambsdorff, und einige andere Führungspersonen der rechten politischen Parteien mögen die deutsche Gewerkschaftsbewegung auch weiterhin von Fall zu Fall oder generell bekämpfen, und Sie brauchen sich auch in Zukunft weder die protestantische Sozialethik noch die katholische Soziallehre seit „Rerum Novarum" — heute beinahe mehr als hundert Jahre alt — zur Richtschnur zu nehmen, aber ich bitte Sie um Respekt vor der kämpferisch-demokratischen Leistung unserer Gewerkschaften, einer Leistung, die insgesamt, Graf Lambsdorff, weiß Gott sehr viel älter ist als Sie und als ich.

    (Beifall bei der SPD)

    Und an die Adresse des Finanzministers gesagt — mit der gleichen persönlichen Sympathie, mit der ich soeben zu dem hervorragenden Vertreter einer immer noch angesehenen Partei gesprochen habe —: Herr Stoltenberg, Sie können die deutschen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften mit all Ihren gestrigen steuermathematischen Kunststücken nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der normale Arbeitnehmer heute den in der bundesrepublikanischen Geschichte bisher höchsten prozentualen Abzug an Steuern und an Sozialabgaben von seinem Bruttolohn, von seinem Bruttogehalt gefallen lassen muß.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Herr Kohl und Herr Stoltenberg haben dafür dank
    Graf Lambsdorff und dank der FDP bisher eine
    Mehrheit. Aber als Sozialdemokrat hoffe ich sehr,
    daß sie diese Mehrheit nicht noch einmal vier Jahre behalten.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD und der CDU/CSU)

    Uns Sozialdemokraten liegt der Sozialstaat, das soziale Klima und die soziale Gerechtigkeit am Herzen. Stabile wirtschaftliche Verhältnisse sind nur dann zu haben, wenn wir soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit fruchtbar miteinander verbinden.

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Mit den GRÜNEN?)

    — Diese Zwischenrufe sind nicht alle qualifiziert, Herr Kollege. —

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb muß dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes wieder Achtung verschafft werden.

    (Beifall bei der SPD)

    — Das war eben übrigens nicht mein Text, sondern der Text von Johannes Rau.

    (Seiters [CDU/CSU]: Wo ist er denn?)

    Das Zitat war auch in diesem Fall aus Gründen der Zeit nicht ganz vollständig, Graf Lambsdorff.

    (Zuruf von CDU/CSU: Sonst dauert es noch zwei Stunden!)

    Aber, damit Sie mich nicht mißverstehen: Ich stehe nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen hinter dem, was Johannes Rau da gesagt hat.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Wo ist er denn? — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ehrlich? — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Aber, Herr Schmidt, Liegestütze müssen Sie nicht machen!)

    — Herr Waigel, das werden wir abwarten.

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Sagen Sie ihm einen schönen Gruß von uns!)

    — Alle diese Zwischenrufe machen uns erneut bewußt, daß eine parlamentarische Demokratie keine harmonische oder diplomatische Veranstaltung ist. Das war sie vor zweieinhalbtausend Jahren im Athen des Perikles und des Demosthenes auch nicht. Demokratie im Parlament bleibt immer allzu menschlich, besonders dann, wenn die Politiker ihr Metier mit Leidenschaft betreiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Muß auch!)

    Trotzdem bleibt das Parlament der wichtigste Ort der Auseinandersetzung.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Wo ist der Rau?)

    — Er ist nicht Mitglied dieses Hauses.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo sind denn die anderen?)

    — Ja, wo sind denn die anderen zehn?

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)




    Schmidt (Hamburg)

    Sie können doch nicht im Ernst verlangen, daß einer aus München oder aus Düsseldorf anreist, um Herrn Dregger zu hören.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Neffermann [CDU/CSU]: Er hätte Herrn Schmidt das Händchen halten können! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Aber Herr Schmidt, Sie hätte er schon anhören müssen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aus reiner Pietät!)

    — Wenn das eben zu scharf gewesen sein sollte, dann bitte ich um Entschuldigung. Ich habe auch sonst in den 33 Jahren manchen Kolleginnen und Kollegen durch Überschärfe Wunden zugefügt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Mir nicht!)

    Ich hoffe, es wird mir nachgesehen. — Nein, ich weiß, Sie sind unverletzlich, Herr Dregger.

    (Heiterkeit bei der SPD --Zuruf von der CDU/CSU: Bei der Schlußvorstellung Kreide fressen, das paßt nicht zu Ihnen!)

    Was mir in diesem Zusammenhang noch am Herzen liegt, weil hier Emotionen geweckt worden sind: Man soll die parlamentarische Demokratie nicht idealisieren. Man muß sie so menschlich, allzu menschlich nehmen, wie sie ist. Der alte Churchill hat mit Recht gesagt, die Demokratie sei die schlechteste Regierungsform, aber doch besser als alle anderen, die wir schon ausprobiert haben.
    Wichtiger als solche Zitate ist mir aber die Erinnerung an Gemeinsamkeiten mit parteipolitischen Gegnern jenseits des Streits und nach allem Streit, auch nach dem heftigsten und bisweilen verletzendsten Streit.
    Eine meiner schärfsten polemischen Auseinandersetzungen habe ich mit einem damals herausragenden Sprecher der CSU erlebt, dem Freiherrn zu Guttenberg. Wir haben uns gegenseitig nichts geschenkt. Wir haben trotzdem den Respekt voreinander nicht verloren. Aus Respekt wurde mehr. Mir ist es unvergeßlich, wie ich dann von Guttenbergs Witwe gebeten wurde, an seinem Grab eine Rede auf diesen bedeutenden Mann zu halten, der sein schweres Leiden ebenso aufrecht und überzeugungstreu ertragen hat, wie er zu seinen politischen Grundeinsichten hielt.
    Ich habe auch die vertrauenswürdige, zuverlässige Zusammenarbeit mit Rainer Barzel in der Zeit der Großen Koalition und seit der Zeit der Großen Koalition nie vergessen. In solchen persönlichen Erlebnissen spiegelt sich für mich eine Grundeinsicht wider, die ich hier gewonnen habe: Kein Parlament, keine demokratische Ordnung kann überleben ohne ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit. Die kann sich inhaltlich ausdrücken als Konsens. Sie kann sich formal ausdrücken als Respekt, als Achtung. Sie kann sich sogar als persönliche Freundschaft zwischen Angehörigen verschiedener Parteien ausdrücken. All dies jedenfalls ist für unser Parlament notwendig.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wenn es das nicht gäbe, dann hätte das Parlament keine demokratische Dignität, keine Würde.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    In diesem Zusammenhang komme ich auf das Zitat des Kollegen Dregger aus der — wie Sie sagten — berühmten Rede von Herbert Wehner am 30. Juni 1960 zurück. Sie haben daraus zitiert. Lassen Sie mich das Zitat vervollständigen. Das, was ich eben meinte, hat damals, vor einem Vierteljahrhundert, Wehner folgendermaßen ausgedrückt:
    Warum sollten wir nicht versuchen, auf der Basis der Anerkennung der moralischen und der nationalen Integrität des innenpolitischen Gegners zu Resultaten zu kommen, die uns allen ... helfen könnten? ...
    Innenpolitische Gegnerschaft belebt die Demokratie. Aber ein Feindverhältnis, wie es von manchen gesucht und angestrebt wird, tötet schließlich die Demokratie, so harmlos das auch anfangen mag. Das geteilte Deutschland ... kann nicht unheilbar miteinander verfeindete christliche Demokraten und Sozialdemokraten ertragen.
    Nun kennt die Geschichte unseres Staats etliche Beispiele für das Zusammenwirken von Demokraten über alle parteilichen Grenzen hinweg, wenn das nationale Interesse es verlangt. Ich habe an unser Zusammenstehen anläßlich der Leidenszeit von Hanns-Martin Schleyer schon erinnert. Ein anderes Beispiel lag 20 Jahre vorher. Das war die Wehrverfassung von 1955/56. Die Debatte über die Einordnung der bewaffneten Macht in das Grundgesetz, in den Staat hat unsere Gemüter damals sehr bewegt — wir waren alle gerade aus dem Krieg nach Hause gekommen, zum Teil versehrt, zum Teil aus langer Gefangenschaft; einige waren glücklicher dran gewesen als andere —: Wie ordnet man die Streitkräfte in einen demokratischen Staat ein? Das hat unseren Verstand lange, lange beschäftigt. Allen von uns erschien damals der Primat der Politik über die Streitkräfte, erschien die Garantie der Grundrechte des einzelnen Mannes innerhalb der Streitkräfte verfassungspolitisch, aber auch verteidigungspolitisch als kardinale Notwendigkeit. Wenn ich sage „es erschien uns", was meine ich mit „uns", was meine ich mit dem Wort „wir"? Ich meine damit eine Gruppe von Abgeordneten aus allen drei damaligen Fraktionen, die gemeinsam in langer Arbeit eine parlamentarische Initiative entfalteten, die dann schließlich in jene Grundgesetzergänzung einmündete — im Grundgesetz waren ja Streitkräfte nicht vorgesehen gewesen — und sich übrigens auch in einer Reihe einfacher Gesetze niedergeschlagen hat.
    Zu dieser großen Verfassungsgebungskoalition — wenn ich das für einen Augenblick einmal so sagen darf — haben damals gehört: Richard Jaeger, Dr. Georg Kliesing, Hellmuth Heye von der CDU/CSU, der spätere Abgeordnete, damals, glaube ich, noch Ministerialrat, Rainer Barzel, entsandt für die Landesregierung NRW, der als Bundesratsvertreter an diesen Sitzungen teilnahm und sie befruchtete, Adolf Arndt, Fritz Erler, Ernst Paul, Karl Wienand



    Schmidt (Hamburg)

    und Erich Mende von der FDP. Tatsächlich ist uns allen sodann im Lauf der Jahre der Aufbau genuin demokratischer, genuin verfassungstreuer Streitkräfte gelungen, wie es das niemals vorher in der deutschen Geschichte je gegeben hat.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Ich erinnere mich mit Dankbarkeit an viele Soldaten. Drei möchte ich nennen, mit denen ich selbst besonders eng zusammengearbeitet habe. Der eine ist Graf Baudissin, der andere ist Ulrich de Maizière, und der dritte ist der an einer Kriegsverletzung früh verstorbene Admiral Armin Zimmermann.
    Natürlich, damals, in den 50er Jahren, als wir diese Dinge bewegten, war das Parlament sehr verschieden von dem heutigen Bundestag in den 80er Jahren. Ich erinnere mich mit Wehmut und andererseits mit Lebhaftigkeit an die großen parlamentarischen Gestalten der ersten zwei Jahrzehnte. Zur Zeit der ersten Wahlperioden des Bundestages war das Land in einer ganz außergewöhnlichen Lage. Personen beanspruchten — und mit Recht — die Führung, die unter dem Nazi-Unrechtsregime gelitten hatten, die sich aber nicht gebeugt, ja, die ihm widerstanden hatten. In ihrem Willen zur Gestaltung und zur politischen Erneuerung lebte die böse Erfahrung jener zwölf Jahre fort. Das Erlebnis der Scheußlichkeiten der Diktatur gab ihrem demokratischen Engagement die Tiefe. Aus dieser Erfahrung ist die mitreißende Kraft Adenauers gekommen oder Schumachers oder Thomas Dehlers. Aus diesen Gründen kam die Autorität von Hermann Ehlers oder von Gerstenmaier oder von Wehner oder Carlo Schmid oder Erler. Heute unterscheidet sich unser Staat kaum von anderen europäischen Demokratien. Die Ausnahmesituation ist inzwischen der Normalität gewichen. Das ist ein großer Erfolg. Der Bundestag braucht deshalb den Vergleich mit der Kammer in Paris oder mit dem Unterhaus in London oder mit dem Repräsentantenhaus in Washington nicht zu scheuen.
    In den nächsten Bundestag, der demnächst gewählt werden wird, werden abermals viele der heutigen Kolleginnen und Kollegen nicht zurückkehren, und neue Abgeordnete werden ihre Erfahrungen erst machen müssen. Sie werden lernen müssen, was eigentlich einen Abgeordneten ausmacht. Sie werden die zur Funktionsfähigkeit des Bundestages notwendige Fraktionsdisziplin kennenlernen, aber zugleich, hoffentlich, werden sie auch die Einsicht gewinnen, daß viele der Privilegien eines Abgeordneten ihre Rechtfertigung nur im Art. 38 des Grundgesetzes finden, wo bestimmt ist, daß der Abgeordnete keiner Weisung, sondern allein seinem Gewissen unterworfen ist. Und das Gewissen ist persönlich.
    Die Synthese zwischen Fraktionsdisziplin und eigenverantwortlichem Gewissen ist schwer herzustellen. Sie ist nur herzustellen, wenn jeder von uns einerseits bereit und willens ist, zu seiner Überzeugung zu stehen, aber andererseits die übergeordnete Notwendigkeit gemeinsamen Handelns nicht außer acht läßt. Dabei kann unser Parlament ohne eigenwillige Individualisten natürlich nicht auskommen, nicht ohne solche Menschen wie August Dresbach oder wie Käte Strobel oder wie Peter Nellen und Gustav Heinemann oder wie Karl-Hermann Flach oder Wolfgang Döring oder Hilde Hamm-Brücher oder Annemarie Renger und manche andere. Die sind bei bestimmten Gelegenheiten immer ihre eigenen Wege gegangen, nach reiflicher Überlegung. Sie haben damit anderen Abgeordneten ein Beispiel gegeben für Überzeugungstreue und für Standfestigkeit.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Jeder Abgeordnete hat gegenüber seinen Kollegen Anspruch darauf, daß man ihm nicht seine Würde nimmt. Aber die Abgeordneten müssen selbst auch menschlich anständig miteinander umgehen, auch nach der leidenschaftlichsten Schelte.
    Ein Parlament mit mehr als zwei Parteien — heute sind wir vier — muß sich j a doch die Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen allen Parteien schaffen und erhalten. Ein Mehrparteienparlament, wie es sich aus unserem Wahlsystem regelmäßig ergibt, verlangt grundsätzlich Koalitionsfähigkeit aller nach allen Seiten; grundsätzlich!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

    Daß einige davon gegenwärtig deutlich entfernt sind,

    (Seiters [CDU/CSU]: Sehr wohl!)

    bedarf keiner Konstatierung. Solche Grundeinstellung aber für möglich zu halten — daß man mit dem oder dem koaliert —, hat mit Verfilzung — wie es heute so schön heißt — nichts zu tun. Selbst die Enge des Raums in der kleinen Stadt Bonn — und die Enge in diesem Saal ist ja viel angenehmer als die große Bahnhofshalle dort drüben —,

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    selbst diese Enge in Bonn hat ja nicht zur Verfilzung geführt. Ich hatte in den 50er Jahren große Zweifel, ob es denn nun eigentlich richtig sei, Bonn als Bundeshauptstadt zu wählen. Ich habe inzwischen dazugelernt. Ich denke, Bonn hat sich als Sitz des Parlaments und der Regierung durchaus bewährt.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Die Stadt kann auch auf jene vielen Tausende von Bürgern und Staatsdienern stolz sein, ohne deren loyale Hilfe und ausführende Arbeit alle Politik doch im Sande verlaufen würde. Ich erinnere mich an viele tüchtige, engagierte Beamte, die mit meiner SPD gewiß nichts zu tun hatten, die aber SPDgeführten Regierungen gleichwohl loyal und pflichtbewußt gedient haben. Vielleicht darf ich jemanden nennen wie Dr. Wiek, heute Präsident des BND in München, oder Dr. Sanne, der nicht mehr unter uns ist, oder Bernd von Staden oder Dr. Ruhfus oder den aus der Industrie gekommenen ErnstWolf Mommsen. Einen Sozialdemokraten möchte



    Schmidt (Hamburg)

    ich auch nennen dürfen: den herausragenden Chef des Bundeskanzleramts Manfred Schüler.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Die älteren Kollegen im Saal werden j a wissen, um wen und um welchen politischen und persönlichen Hintergrund es sich bei den Namen handelt, die ich genannt habe. Es waren alle nacheinander meine engsten persönlichen Berater.
    Ich habe die Namen deswegen in Erinnerung gerufen, weil ich sagen möchte: Auch in Zukunft sollte die Auswahl der Spitzenbeamten nach Können und Loyalität geschehen und nicht nach dem Parteibuch.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ob dieser Ruf bis nach Wiesbaden geht? — Gegenruf des Dr. Vogel [SPD]: Gehen Sie mal in die Staatskanzlei nach München! — Seiters [CDU/CSU]: Hamburg!)

    Lassen Sie mich ein persönliches Wort sagen. Als der Krieg zu Ende war — —

    (Fortgesetzte Zurufe)

    — Sie machen wieder meinen Spruch wahr, daß dies keine diplomatische Versammlung ist, meine Herren.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Ja eben! — Heiterkeit)

    Sie verwechseln das mit der Volksversammlung in Fulda.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Fulda?)

    — Ich habe nichts gegen Fulda, ich habe auch nichts gegen Volksversammlungen; ich habe nur etwas dagegen, daß jener Stil vom „Blauen Bock" in den Bundestag übergreift.

    (Heiterkeit — Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ich lade Sie einmal ein, nach Hessen zu kommen, damit Sie die Unterschiede kennenlernen!)

    Ich möchte gern eine persönliche Erfahrung erzählen dürfen. Als der Krieg zu Ende war, ist es mir gegangen, wie Millionen deutschen Soldaten auch. Wir haben mit großer Erleichterung gesagt: Gott sei Dank, es ist vorbei! Im Kriege hatten wir Millionen deutscher Soldaten uns zuallermeist in einem schizophrenen Zustand befunden. Tagsüber haben wir gekämpft, teils weil wir das für unsere Pflicht hielten, teils um unser eigenes Leben zu bewahren, teils um nicht in Kriegsgefangenschaft zu fallen; aber des Nachts wünschten wir uns sehnlich das Ende des Krieges und der Nazidiktatur herbei — schizophren!
    Wir waren ja damals jung, ganz jung. Aber auch nur wenige der sehr viel älteren Vorgesetzten oder der sehr viel älteren Reservisten haben damals eine Vorstellung gehabt, was denn nun an die Stelle der Braunen treten müßte, und was wir dazu zu leisten hätten. Ich habe erst im Kriegsgefangenenlager in
    Belgien den Beginn einer geistigen Freiheit erlebt, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Ich war seit 1937 Wehrpflichtsoldat gewesen. Aber als die erste deutsche Demokratie 1933 völlig zerschlagen war, war ich gerade erst 14 Jahre alt geworden. Woher sollte diese Generation später erfahren, was eine Demokratie sein kann?
    Ein sehr viel älterer kriegsgefangener Soldat, Hans Bohnenkamp hieß er, ein religiöser Sozialist, dazu ein Pädagoge von großer persönlicher Ausstrahlung, hat im Kriegsgefangenenlager meine Erziehung zum bewußten Demokraten und Sozialdemokraten eingeleitet. Als ich dann aus der Gefangenschaft nach Hause zurückkam, war ich innerlich schon ein Sozialdemokrat, der ich aus Überzeugung geblieben bin und bleiben werde. Vielen Menschen meiner Generation, die damals zur CDU oder zur CSU oder zur FDP oder zur SPD gestoßen sind, ist es ähnlich ergangen. Wir alle wollten damals nicht Altes einreißen — da gab es gar nichts mehr einzureißen! —, sondern wir wollten etwas Neues aufbauen und wußten in unserer jugendlichen Unerfahrenheit in Wirklichkeit überhaupt nicht, wie man das macht.
    Aber wir haben dann doch manches aufbauen können. Wir haben z. B. in diesen 40 Jahren endlich eine positive Einstellung in unserem Volke zum Judentum aufgebaut.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Und wir haben gelernt, die politische Erbschaft der Schuldigen zu tragen und aus ihr die Konsequenz zu ziehen, obschon wir heute lebenden Deutschen zuallerallermeist Unschuldige sind.
    Die jungen Deutschen mögen aus der Geschichte der Nazi-Zeit aber bitte eines erkennen: In den ganz frühen 30er Jahren hat es unter dem Druck der damaligen ersten großen Weltwirtschaftskrise mit der Suche nach Sündenböcken angefangen. Dann hat es angefangen mit Gewalt gegen Schriften und gegen Bücher. Mit Gewalt gegen Sachen hat es sich fortgesetzt. Danach kam die Gewalt gegen Personen, und schließlich kam der Mord und der millionenfache Mord.
    Wenn wir heute auf die letzten 40 Jahre seit 1945 oder seit 1949 zurückschauen und uns die Frage stellen: Dürfen wir eigentlich zufrieden sein? Oder müssen wir unzufrieden sein? Was haben wir damals eigentlich erhofft? Was ist eigentlich daraus geworden? Haben wir dazu genug beigetragen? Die Antworten müssen wir den Späteren überlassen, wie die Geschichtsschreibung darüber befinden wird.
    Wir können nur subjektiv urteilen; aber wenn wir subjektiv — wenngleich unvoreingenommen — auf die vier Jahrzehnte zurückschauen, wenn wir ohne die parteilichen Brillen, die wir auch immer einmal wieder aufsetzen müssen, den Blick auf die Bundesrepublik dieses Jahres 1986 richten und sie mit der des Jahres 1946 vergleichen, dann, denke ich, dürfen wir das Erreichte dankbar anerkennen, und zwar nicht nur deshalb, weil wir selbst uns noch so gut erinnern, in welcher Situation oder vor welchem



    Schmidt (Hamburg)

    Hintergrund dieser Staat und diese Gesellschaft aufgebaut werden mußten.
    Wer hätte sich damals eigentlich das heutige Maß an Wohlstand vorstellen können? Wer aus meiner Generation hätte sich das Maß an Freiheiten vorgestellt, das wir heute selbstverständlich nutzen? Und wer von uns hätte ein derartiges Maß an politischer Ordnung und sozialer Ordnung vorausgesagt, wie wir es trotz des damaligen Chaos erreicht haben? Wer hätte das erwartet?
    Es liegt im Charakter von Trauerarbeit, daß sie nicht vollständig geleistet wird, und es liegt an der Schwere von Trauerarbeit, daß einigen Menschen die Defizite, die dabei übrigbleiben, schmerzlicher erscheinen, als ihnen die Erfolge befriedigend vorkommen. Aber unser Land ist — auch wegen dieser Trauerarbeit — eben nicht den Verführungen erlegen, die von den 12 vorangegangenen braunen Jahren auch hätten ausgehen können. Das war doch unsere große Angst damals; man kann es sich heute gar nicht mehr vorstellen. Und dies allerdings, daß von den Verführungen nichts, aber auch nichts sich hat realisieren können im Leben unseres Staats, das ist in meinen Augen sehr viel mehr, als wir damals Anlaß gehabt haben zu hoffen.
    Sicher, viele Dinge haben wir nicht erreicht, manche Probleme sind nicht zufriedenstellend gelöst, nicht von meiner Regierung, nicht von denen, die vorhergegangen sind, nicht von Ihrer Regierung, nicht von denen, die Ihnen nachfolgen werden. Aber wenn wir jene Ausgangslage realistisch betrachten, so, denke ich, können wir stolz sein auch auf den moralisch-geistigen Neubau in unserem Lande.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der damalige Oppositionsführer Kohl hat moralisch-geistige Führung als Auftrag an die Bundesregierung verstanden wissen wollen.

    (Bundeskanzler Dr. Kohl: Auch an die Bundesregierung!)

    — Auch an die Bundesregierung. Ich habe die Protokolle vorgestern noch einmal sorgfältig gelesen: auch an die Bundesregierung. Es hat damals vor Jahr und Tag dazu im Parlament eine leichte Auseinandersetzung gegeben. Ich habe das alles noch einmal gelesen, was Sie, andere und auch ich damals gesagt haben. Auch Herr Barzel hat dazu früher gesprochen. Aber auch als ich vorgestern abend mit erheblichem zeitlichen Abstand an Ihre damalige Forderung dachte, so wurde mir nicht klar, was Sie, Herr Bundeskanzler, unter moralischer und geistiger Führung auch durch die Bundesregierung eigentlich verstanden wissen wollen.
    Meine Auffassung ist unverändert diese: Die Organe des Staates haben im wesentlichen andere Aufgaben. Die geistige Orientierung erwartet jemand wie ich, erwarten wir alle, denke ich, von denen, die dazu berufen sind in den Wissenschaften, in den Schulen, Universitäten, in der Kunst, der Literatur, jedenfalls in den Kirchen und den Religionsgemeinschaften. Dabei muß schließlich jeder einzelne Mensch seine persönliche Richtschnur finden. Die Richtschnur des Dissidenten wird sich von derjenigen des gläubigen Juden oder Christen sehr unterscheiden. Die moralische Richtlinie des Pazifisten wird sich sehr von jenen unterscheiden, welche Verteidigung für erlaubt oder — wie ich — für geboten ansehen.
    Geist, Philosophie, Ethik, Moral sind persönliche Entscheidungen von großer Vielfalt oder Pluralität, und deswegen bejahen wir doch alle den pluralistischen Staat und die pluralistische Gesellschaft.
    Im pluralistischen Staat, wie ihn die Grundrechte des Grundgesetzes gewollt haben, die ja den einzelnen und sein Gewissen schützen wollen, im pluralistischen Staat muß, wie mir scheint, die Bundesregierung, jede Bundesregierung, sich in geistiger und moralischer Hinsicht beschränken auf eben dieses Grundgesetz, auf unsere Grundrechte, unsere Grundfreiheiten. Sie allein sind die für alle geltenden gemeinsamen geistig-moralischen Grundlagen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Diese Art. 1 bis 20 des Grundgesetzes sind die geistig-moralischen Grundlagen von Regierten wie auch Regierenden.
    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, diese Beschränkung auf Moral und Geist und Buchstaben des Grundgesetzes meinen sollten, dann — allerdings auch nur dann — bin ich mit Ihrem Wort von der geistig-moralischen Orientierung auch durch Sie selbst und auch durch Ihre Regierung einverstanden.
    Darüber hinaus aber erwarte ich etwas ganz anderes von der Bundesregierung, nämlich politische Orientierung, politische Führung, angesichts der Arbeitslosigkeit wie angesichts von Tschernobyl oder SDI. Wir Deutschen bleiben ein gefährdetes Volk, das der politischen Orientierung bedarf. Das Leiden der Teilung bringt immer wieder die Gefahr, daß die ohnehin gegebene deutsche Neigung zum gefühlsmäßigen Überschwang gefährlich durchbricht. Deshalb bedürfen wir Deutsche der abwägenden Vernunft, der politischen Ratio als einem notwendigen Gegengewicht in der Ausbalancierung unserer nationalen, sagen wir genauer: nationalstaatlichen Anomalie. Teilung gleich Anomalie.
    Deshalb — so denke ich — sollten wir gemeinsam die Grundpfeiler pflegen, auf denen wir unser Gebäude errichtet haben. Das geht nur mit Vernunft und mit Realismus. Aber ebenso muß man auch feststellen: Ohne Idealismus wären wir arm, und eine Jugend ohne Idealismus wäre ganz besonders arm.
    Aber Idealismus darf nicht idealistische Romantik sein. Idealismus darf nicht umschlagen in moralische Besserwisserei und Beckmesserei, sondern Idealismus muß in sich den Willen zum eigenen Urteil, den Willen zur Kritik und zur Selbstkritik einschließen. Er muß die Standfestigkeit und die Zivilcourage einschließen. Von alledem sind Karrierismus und Opportunismus nur das Gegenteil. Rea-



    Schmidt (Hamburg)

    lismus und Vernunft schließlich gebieten auch, zum Kompromiß bereit zu sein.
    So möchte ich uns aufrufen zur Besinnung auf das Ethos eines politischen Pragmatismus in moralischer Absicht, unter moralischer Zielsetzung. Das heißt, das, was wir erreichen wollen, das, was wir tun wollen, das muß moralisch begründet sein. Der Weg, auf dem wir das Ziel zu erreichen versuchen, muß realistisch sein, er darf nicht illusionär sein. Aber was immer wir auch anstreben, vergessen dürfen wir nicht, daß der, der ein fernes Ziel erreichen will, sehr viele kleine Schritte tun muß.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Es sollte keiner glauben, daß solch Ethos die politischen Ziele ihres Glanzes beraube oder den politischen Alltag seines Feuers. Die Erreichung des moralischen Ziels verlangt pragmatisches, vernunftgemäßes politisches Handeln, Schritt für Schritt. Und die Vernunft erlaubt uns zugleich doch auf diesem Weg ein unvergleichliches Pathos. Denn keine Begeisterung sollte größer sein als die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft.
    Ich danke Ihnen sehr.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Die Abgeordneten der SPD erheben sich)