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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 Inhalt: Wahl des Abg. Hiller (Lübeck) zum Schriftführer als Nachfolger des Abg. Heyenn . 17659A Begrüßung des Außenministers der Republik Malta 17727 D Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Dregger CDU/CSU 17659 B Schmidt (Hamburg) SPD 17668 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 17685 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 17692 B Frau Hönes GRÜNE 17703A Dr. Waigel CDU/CSU 17707 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17715B Dr. Barzel CDU/CSU 17721A Genscher, Bundesminister AA 17727 D Frau Borgmann GRÜNE 17731 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 17734 A Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 17738 C Gansel SPD 17742 A Frau Seiler-Albring FDP 17745 B Lange GRÜNE 17747 D Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 17751 C Vizepräsident Cronenberg 17721 A Vizepräsident Westphal 17742 A Nächste Sitzung 17751 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17753* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 17753* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 17659 228. Sitzung Bonn, den 10. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 226. Sitzung, Seite 17578* C: In der Anlage 32 ist die Vorlage Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für einen Entwurf einer Entschließung betreffend ein mittelfristiges Programm der Gemeinschaft (1986-1990) zur Chancengleichheit der Frauen (Drucksache 10/5627) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu streichen. Einzufügen ist: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Umsatzsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/5631) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 227. Sitzung, Seite 17585 D, Zeile 3: Statt „Zuruf von der CDU/CSU:" ist „Zuruf von der SPD:" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Dr. Bugl 10. 9. Eigen 12. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Dr. Haack 10. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Jahn (Marburg) 10. 9. Klein (München) 10. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 10. 9. Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Juni 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz - SVBEG) Gesetz zu dem Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Zweites Seerechtsänderungsgesetz) Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Seerechtliche Verteilungsordnung) Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundesrat geht bei seiner Zustimmung davon aus, daß im Vollzug des § 8 des Tierschutzgesetzes an die wissenschaftlich begründete Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die wissenschaftliche Darlegung muß den Verwaltungsbehörden die Grundlage für einen zuverlässigen Schluß auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen liefern. Die Verwaltungsbehörde darf sich selbst nicht auf die bloße formelle Prüfung, etwa ob der Genehmigungsantrag durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, beschränken. Sie hat sich vielmehr mit aller Gewissenhaftigkeit und unter Heranziehung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen zu überzeugen, daß die materiellen Voraussetzungen für den Tierversuch vorliegen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juli 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts Gesetz zu den Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (Unterhaltsvollstreckungs-Übereinkommens-Ausführungsgesetz ) Gesetz zur Änderung des Gebrauchsmustergesetzes Gesetz zur Änderung tarifrechtlicher Bestimmungen im Seehafenhinterlandverkehr Fünftes Gesetz zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERPSondervermögens für das Jahr 1987 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1987) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Januar 1986 zur Änderung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1986 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1986 - BBVAnpG '86) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz - AbfG) Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Der Bundesrat hält eine Erhöhung der Stundensätze der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Polizeibeamte allgemein für gerechtfertigt. Er bittet die Bundesregierung, die Erschwerniszulagenverordnung alsbald entsprechend zu ändern. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die nach § 14 Abs. 2 des Abfallgesetzes zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen der Wirtschaft zu setzenden Frist möglichst kurz zu bemessen, zumal sich die Wirtschaft auf Grund der bereits geführten Gespräche hierauf einstellen konnte. Er geht davon aus, daß im Falle einer erkennbaren fehlenden Bereitschaft der Wirtschaft oder Teilen davon zur Reduzie- 17754* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 rung der Abfallmengen aus Einwegverpackungen die Bundesregierung auch ohne Fristsetzung von den Ermächtigungen des § 14 Abs. 2 Gebrauch macht. Die Bundesregierung wird gebeten, für solche Fälle umgehend entsprechende Rechtsverordnungen vorzubereiten. 3. Im Hinblick auf die in der Anhörung im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommenen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfs bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bis zum 1. Januar 1989 einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit den novellierten Vorschriften vorzulegen. Dies gilt insbesondere für die neuen Regelungen im UWG über das Verbot der öffentlichen Werbung mit mengenmäßiger Beschränkung, das Verbot der öffentlichen Werbung mit Preisgegenüberstellungen sowie das nunmehr durchweg zivilrechtlich ausgestaltete Verfahren bei Räumungsverkäufen. Die in Drucksache 10/5706 unter Nummer 28 aufgeführte EGVorlage Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die koordinierte Einführung des dienstintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Europäischen Gemeinschaft — auf dem Weg zu einem europaweiten Telematikmarkt — KOM (86) 205 endg. — Rats-Dok. Nr. 7308/86 ist als Drucksache 10/5933 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Philipp Jenninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Abgeordneter Dr. Dregger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Scheer?


Rede von Dr. Alfred Dregger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Jetzt nicht mehr; ich komme zum Schluß.
Die zweite Alternative lautet: soziale Marktwirtschaft — und das heißt: eine solide Aufwärtsentwicklung für alle oder Schulden, Inflation und Arbeitslosigkeit, wie sie vor 1982 in beträchtlichem Umfange herbeigeführt worden waren.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, vor der Dramatik dieser Entscheidung treten alle anderen Gesichtspunkte in den Hintergrund!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden den Wählern klarmachen, daß sie 1987 vor einer politischen Richtungsentscheidung stehen,

(Vogel [München] [GRÜNE]: Das ist wahr!)

von der ihr eigenes Schicksal und das Schicksal der deutschen Nation abhängen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Philipp Jenninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).
    Schmidt (Hamburg) (SPD) (von der SPD-Fraktion mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige der Kolleginnen und Kollegen von heute haben schon dem zweiten oder gar dem ersten Bundestage angehört, und diesen fühle ich mich heute ganz besonders verbunden.
    Das Haushaltsgesetz, historisch das Geburtsrecht des Parlaments, hat mir in all der langen Zeit seit damals immer als ein parlamentarischer Höhepunkt gegolten, und ich freue mich, daß meine letzte Rede in einer Haushaltsdebatte stattfinden kann. Für mich ist das auch eine Gelegenheit, dem Bundestage, dem Parlament als dem Ausdruck erkämpfter Freiheitsrechte, meinen Respekt zu bezeugen.
    Nun gibt ja nach guter alter Sitte die Haushaltsdebatte Gelegenheit, mit der Politik der Regierung, mit der Politik des Bundeskanzlers, insgesamt ins Gericht zu gehen. Und da dies der letzte Haushalt ist, den diese Regierung einbringt,

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    muß sie sich natürlich an dem messen lassen und
    selber an dem messen, was sie sich anfangs ihrer
    Regierungszeit, nämlich im Herbst 1982 oder im Frühjahr 1983, vorgenommen hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was Sie hinterlassen haben!)

    Herr Bundeskanzler, man muß sich solchen Debatten immer stellen; sie sind selten bequem, aber sie können auch nützlich sein, wenn sie einen Fehler vermeiden helfen, einen Fehler, den Oscar Wilde so beschrieben hat: Politiker werden nach ihrer Standfestigkeit beurteilt,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    leider beharren sie deshalb auf ihren Irrtümern — Herr Dregger.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben am 13. Oktober 1982 im Plenum erklärt, Ihre Regierung sei notwendig geworden, weil die bisherige Regierung unfähig gewesen sei, gemeinsam die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

    (Demonstrative Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    Ein paar Monate später, im Jahre 1983, haben Sie das wiederholt und haben gesagt, Aufgabe Nr. 1 sei die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, und hier gehe es vor allem um ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Tatsächlich ist aber nun ein neuer Rekord an Arbeitslosigkeit eingetreten. Es waren im Jahre 1982 im Durchschnitt 1,8 Millionen Menschen. Im letzten Jahr waren es dann 2,3 Millionen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Und Sie sind völlig unschuldig gewesen!)

    Jetzt, 1986, sind es beinahe genauso viele. Und es wären noch mehr, wenn nicht durch eine Reihe. von Maßnahmen wie z. B. die 58er Regelung viele aus der Arbeitslosigkeit in andere Kategorien abgedrängt worden wären.

    (Beifall bei der SPD — Seiters [CDU/CSU]: Nennen Sie mal den Anstieg bei Ihnen!)

    Wir können Ihren gedruckten Zahlen entnehmen, daß Sie selbst für das Jahr 1990 bei Fortsetzung Ihrer Politik immer noch mit knapp 2 Millionen Arbeitslosen rechnen. Das ist nun lange hin. Wir sind im Jahr 1986. Auch nach weiteren vier Jahren Ihrer Politik rechnen Sie mit knapp 2 Millionen Arbeitslosen — und dies trotz der Tatsache, daß in der ganzen industriellen Welt gegenwärtig ein relativ hohes Wirtschaftswachstum Gott sei Dank wieder stattfindet.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wenn die Arbeitsplätze nicht vorhanden sind!)

    Sie können diese Entwicklung der Arbeitslosigkeitsziffern, die Sie selbst vorhersagen, nun wirklich nicht mehr, Herr Dregger, als Folge der angeblichen Erblast wegerklären.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber natürlich!)

    Denn Sie haben sie, wenngleich unwillentlich, trotz Ihrer guten Absichten selbst herbeigeführt.

    (Beifall bei der SPD)




    Schmidt (Hamburg)

    Am 13. Oktober des Jahres 1982 hat der Bundeskanzler auch erklärt: Wir wollen die privaten und öffentlichen Investitionen fördern. Nein: „anregen" haben Sie gesagt. Tatsächlich sind aber nun in vier Jahren die Investitionen der ganzen Volkswirtschaft, die öffentlichen und die privaten zusammen, Herr Stoltenberg, gemessen am Sozialprodukt, in Ihrer Regierungszeit keineswegs gestiegen, sondern vielmehr gesunken.
    Und Sie haben in derselben Regierungserklärung vor vier Jahren gesagt: Wir wollen die Konkurswelle brechen. Sehr gut! Tatsächlich liegen heute Konkurse und Insolvenzen deutlich höher als in jenem schlimmsten Jahr der damaligen Weltwirtschaftskrise.
    Vielleicht in dem Zusammenhang einige Worte an den Kollegen Dregger zur Aufklärung über die Sachverhalte, über die er gesprochen hat.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Wie eigentlich sah denn die Lage 1982 aus, von der Sie so genüßlich immer als „Erblast" sprechen, Herr Kollege Dregger?

    (Kolb [CDU/CSU]: Welche Wechsel hatten Sie denn ausgestellt?)

    In der zweiten Ölpreisexplosion, die die ganze Welt 1979, 1980 betraf, haben wir in der Spitze der 01-preise pro Faß 35 Dollar bezahlt. Gut zehn Jahre vorher, zu dem Zeitpunkt, als der letzte christdemokratische Bundeskanzler, Kiesinger, abtrat, waren es anderthalb oder maximal zwei Dollar gewesen. Und nun, 1980, 1981, 35 Dollar pro Faß. Da wir in Deutschland kein eigenes Öl und kein eigenes Erdgas haben, hatten wir gar keine Wahl: Wir mußten diese Preise bezahlen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Kernenergie!)

    Infolgedessen fehlte das Geld für viele andere Ausgaben der Konsumenten, der Unternehmungen, auch des Staates. Es trat infolgedessen nicht nur ein immenser Kaufkraftausfall ein, sondern auch eine drastische Verschlechterung unserer Zahlungsbilanz, genauer gesagt: der Leistungsbilanz.
    Aber schon 1982 hatten wir das Loch in der Leistungsbilanz wieder überwunden. Und Sie haben einen vertretbaren Überschuß in der Leistungsbilanz 1982 vorgefunden. Die meisten anderen europäischen Staaten haben zur Überwindung ihrer aus den gleichen Gründen eingetretenen Zahlungsbilanzdefizite ein wenig länger gebraucht. Natürlich, Holland und England waren nicht betroffen; die hatten eigenes Gas, eigenes Erdöl. Die anderen Länder haben sich in der binnenwirtschaftlichen Gestaltung ähnlich verhalten, wie wir und wie wir uns schon einmal nach dem ersten Ölpreisschock von 1973, 1974 verhalten hatten, nämlich so, daß wir den Kaufkraftausfall wenigstens zum Teil durch vermehrte Ausgaben des Staates ersetzt haben, die durch Kreditaufnahme finanziert wurden. Genauso haben es alle anderen nicht Ö1 produzierenden Staaten Europas gemacht. Aber wir konnten 1982 immerhin mit der Normalisierung des Haushalts beginnen, und Sie haben das dann fortgesetzt. Einige Einschränkungen von Subventionen, von denen Herr Stoltenberg gestern sprach, Sparprämie z. B., wobei er es sich als Verdienst anrechnete, daß sie verringert worden seien, gehen doch auf unsere Beschlüsse von 1982 zurück.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben diese Konsolidierung dann fortgesetzt. Ich will das überhaupt nicht bekritteln. Aber Japan z. B., in derselben Lage wie wir — ohne 01 und ohne Gas —, hat die Haushaltskonsolidierung erst zwei Jahre später begonnen, Frankreich hat seinen Haushalt überhaupt nicht konsolidiert, und aus jeweils anderen Gründen haben das auch Italien, England und Kanada nicht getan, sie haben ihre Haushaltsdefizite nicht wieder heruntergefahren. Und die Vereinigten Staaten von Amerika haben sogar das Gegenteil getan; sie haben fabelhaft die Steuern gesenkt und das Defizit in einem Maße aufgebläht, wie John Maynard Keynes sich das nie vorgestellt haben würde.
    Es waren zwei wichtige Ergebnisse unserer Haushaltspolitik, daß wir auch im ganzen Jahre 1982, dessen letzte drei Monate in Ihre Verantwortung fallen, Herr Dregger, die geringsten Inflationsraten und die niedrigsten Arbeitslosenzahlen hatten.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    — Wenn Sie dazwischenrufen, das stimme nicht, Herr Dregger, will ich Ihnen einräumen, daß ich das Großherzogtum Luxemburg in meine Berechnungen nicht einbezogen habe. Dort war die Arbeitslosigkeit geringer; das ist wahr.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Dort war sie am höchsten nach „Eurostat" 1981/82! — Seiters [CDU/CSU]: Nennen Sie mal den Anstieg!)

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, damals die Regierung hätten übernehmen müssen in, sagen wir, London, Paris oder in Rom, so würde vermutlich Herrn Dreggers Beschuldigung der jeweiligen Amtsvorgänger noch sehr viel drastischer aussehen. Es war sehr einleuchtend, Herr Dregger — das muß man wirklich zugeben —, was Sie gesagt haben. Wir waren alle hingerissen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Aber selbst im Falle Italiens oder Frankreichs oder Englands wäre Ihr Wort, Herr Kollege Stoltenberg, abwegig gewesen, der Sie gestern von „unerträglichen Defiziten" gesprochen haben. Unerträglich mag für die Welt das Defizit unseres wichtigsten Verbündeten sein;

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wir sind da empfindlicher!)

    Tatsache ist, daß Sie es trotzdem ertragen, wenngleich nicht ohne Geräusche, Interviews und Pressekonferenzen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Die haben auch keine Inflation gehabt wie wir!)




    Schmidt (Hamburg)

    — Lieber Herr Dregger, ich will Ihnen ja die Kompetenz für das Überlandkraftwerk nicht bestreiten,

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU]: Warum mußten Sie eigentlich abtreten, Sie Weltökonom?)

    aber Tatsache ist und bleibt, daß ganz Europa, ganz Nordamerika, daß Brasilien, Mexiko, daß alle Nichtölstaaten der Welt damals durch die OPEC in eine tiefe Krise gestürzt worden waren. Tatsache ist, daß sich die Bundesrepublik Deutschland während dieser Krise im internationalen Vergleich der vier entscheidenden Eckdaten der ökonomischen Politik gut sehen lassen konnte. Das galt für die Inflationsraten, für die Arbeitslosigkeit, für Wachstum und für die Leistungsbilanz oder, wie man damals zu sagen pflegte, für das außenwirtschaftliche Gleichgewicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Inzwischen haben wir — und ich erkenne das gerne an — noch niedrigere und heute sogar negative Inflationsraten. Wir haben auch — und ich erkenne das an — höheres Wachstum, und wir haben aber auch — und das müssen Sie anerkennen — höhere Arbeitslosigkeit. Sie müssen anerkennen: Wir haben weitaus höhere reale Zinsen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Mehr Arbeitsplätze!)

    Sie müssen anerkennen: Wir haben eine niedrigere Investitionsquote und einen ziemlich nutzlosen, enormen Leistungsbilanzüberschuß, letzterer nach dem Motto, gute deutsche Ersparnisse oder Kapitalbildung geben wir für viel bedrucktes ausländisches Papier, genannt Schuldscheine.
    Die Gründe für diese Veränderungen in vier Jahren sind die folgenden:
    Erstens. Die Ölpreise und infolgedessen die deutschen Ölrechnungen sind gewaltig zusammengeschrumpft, weil das OPEC-Kartell zusammengebrochen ist. Allerdings — in Klammern gesagt —: Es könnte gegenwärtig so scheinen, als ob es sich wieder aufrappelt; seit dem Sommer sind die Ölpreise wieder etwas gestiegen. Der Ölpreisverfall in den letzten drei, dreieinhalb Jahren hat uns allen Kaufkraft zurückgegeben und unsere Preis- und Inflationsraten stark gedämpft.
    Zum zweiten: Die Amerikaner haben durch ihr superkeynesianisches Haushaltsdefizit — mehr als 200 Milliarden Dollar jedes Jahr — so viel Kaufkraft künstlich geschaffen, daß sie im eigenen Lande einen ungeheuren Importsog ausgelöst und damit ungewollt die große Lokomotive für den japanischen Export, den europäischen Export, den deutschen Export, für unsere Exportbeschäftigung gespielt haben. Das hat dann auch bei uns — ebenso wie in Japan, ebenso wie in anderen Staaten — zu weitaus größerer Auslastung unserer industriellen Fertigungskapazitäten, zu höherer Produktivität, zu höherem Wachstum geführt. Aber leider haben die Vereinigten Staaten ihre Haushaltsdefizite doch nicht so groß gemacht, daß durch diesen Effekt auch unsere Arbeitslosigkeit gesunken wäre.
    Drittens. Sie, Herr Stoltenberg, haben wegen einer etwas zu schnellen Haushaltskonsolidierung heute eine höhere Arbeitslosigkeit.
    Viertens. Weil Bundesregierung und Bundesbank nichts dagegen getan haben, daß Investitionskredite in Deutschland heute mit realen langfristigen Zinsen befrachtet sind, wie Deutschland sie in dieser Höhe seit mehr als 30 Jahren nicht gekannt hat, und weil Sie außerdem Ihre eigenen Investitionsausgaben abgesenkt haben, konnte Ihnen die versprochene Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit nicht gelingen. Ihre eigene Investitionsquote mußte natürlich sinken, weil Sie ja die den Verbrauch finanzierenden Subventionen nach oben gefahren hatten.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    Wenn man das eine erhöht, muß sich das andere ermäßigen. Einschließlich der steuerlichen Subventionen hält die gegenwärtige Bundesregierung den deutschen Subventionsrekord.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn nun Herr Stoltenberg gestern die hohen realen Zinsen als soziale Tat gelobt hat — Sie haben mir liebenswürdigerweise Ihr Manuskript gegeben, so daß ich noch einmal verglichen habe —, so wird dem niemand beipflichten können, der etwa seine Investitionen oder seine Bauvorhaben mit langfristigen Krediten finanzieren muß und der sie infolgedessen in der Hoffnung auf spätere Zinssenkungen noch aufschiebt. Das ist ja einer der Gründe für die niedrige Investitionsquote der Volkswirtschaft. Und wenn Sie gestern mit Befriedigung gemeint haben, die Renditen der Sachinvestitionen lägen noch höher als die realen Zinsen, so stimmt das doch nur für die alten Investitionen, die sich heute bei höherer Auslastung wieder besser rentieren. Es gilt nicht für Investitionen, die etwa heute nachmittag oder morgen vormittag beschlossen werden. Wenn das dafür auch gelten sollte, dann wäre ja jeder Vermögensbesitzer ein Dummkopf, der seine Ersparnisse heute nicht sofort in ein neu zu bauendes Mietshaus steckt und daraus die angeblich hohe Sachrendite zieht.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — So ist es. Jeder weiß, daß es gar keine Nachfrage danach gibt. Das tun also nur sehr wenige.
    Fünftens. Weil nicht nur unser Ölpreis, sondern auch alle Rohstoffpreise, die wir zahlen müssen, soweit sie in Dollar gerechnet werden, zur Zeit des stark abgesunkenen Dollarkurses wegen sehr niedrig sind, haben Sie heute zum Teil negative Inflationsraten. Sie haben allerdings, Herr Stoltenberg
    — mit Recht —, Sorgen für das nächste Jahr vorsichtig angedeutet, die ich gut verstehe.
    Ich bin also, wie Sie sehen, wegen Ihrer Haushaltskonsolidierung insgesamt skeptisch, was die ökonomischen Auswirkungen angeht. Sie beruht einerseits auf Einsparungen am falschen Ort, und sie beruht andererseits auf der Inanspruchnahme von Bundesbankgewinnen, wie es sie vorher niemals gegeben hatte; sie sind die Folge der hohen Dollarzinsen. Herr Stoltenberg, Sie haben uns früher an-



    Schmidt (Hamburg)

    gekreidet, daß wir die Bundesbankgewinne in Anspruch genommen haben. Nun denke ich nicht daran, Retourkutschen zu fahren und Ihnen anzukreiden, daß Sie die Ihnen gesetzlich zustehenden Gewinne in Anspruch nehmen; ich denke nicht im Traum daran. Aber Sie dürfen nicht übersehen, daß die Bundesbank selbstverständlich die an den Bundesfinanzminister ausgezahlten Gewinne bei ihrer Geldpolitik, bei ihrer Zentralbankgeldmenge mitrechnet und mitrechnen muß. Mit anderen Worten: Auf eine ganz neuartige Methode wird der Staatsverbrauch zu Lasten der Allgemeinheit und der Wirtschaft finanziert. — Eine ganz neuartige Methode. Es steht so im Gesetz. Aber ich bitte, sich die ökonomischen Zusammenhänge klarzumachen.
    Ich will sehr hoffen, daß die Bundesbank nun endlich ein erstes Signal zur Zinssenkung in unserem Lande setzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Für Herrn Stoltenberg möchte ich noch hinzufügen: Ich für meine Person hätte Sie jedenfalls nicht kritisiert, wenn Ihnen diese 40 Milliarden — genau 38 Milliarden sind es, glaube ich, bisher — Bundesbankgewinne nicht hätten zur Verfügung stehen können und Sie statt dessen den gleichen Betrag auf dem Markt hätten aufnehmen müssen. Ich hätte Sie deswegen nicht kritisiert.
    Ich finde, lieber Kollege Stoltenberg, daß meine Freunde Apel und Dr. Spöri gestern einen deutlichen Punktsieg Ihnen gegenüber erzielt haben.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber eines weiß ich genau — ich war auch einmal Finanzminister — aus leidvoller eigener Erfahrung: Der Finanzminister hat so ziemlich das undankbarste Amt in jeder Bundesregierung. Jeder will etwas von ihm, und er soll dann das Ergebnis vor der Öffentlichkeit auch noch vertreten, verteidigen und schönmalen.

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Er kann das!) Ich habe große Sympathie


    (Zuruf von der CDU/CSU: Für Herrn Stoltenberg?)

    für Herrn Stoltenberg trotz seiner erzkonservativen Finanzpolitik.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Aber trotzdem hätten Sie, lieber Herr Stoltenberg, vielleicht auf eine persönliche Bemerkung Hans Apels gestern etwas gelassener antworten sollen; Sie hatten doch mit dem groben Geschütz begonnen. Sie hatten die SPD vor Sozialneid gewarnt und ihr attestiert — und jetzt wörtlich —: Der sozialdemokratische Anspruch zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen sei völlig unbegründet. Wer so austeilt, muß auch einstecken können.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun aber ein Wort zum Kollegen Dregger. Für die Bundesrepublik ist — da scheint mir eine gewisse Übereinstimmung gegeben — das Verhältnis zu ihrem stärksten und gefährlichsten machtpolitischen Nachbarn, zur Sowjetunion, von entscheidender Bedeutung. Die exponierte geostrategische Lage unseres Landes, der Zustand der Teilung Mitteleuropas und Deutschlands, aber auch die besonderen historischen Belastungen des deutsch-sowjetischen Verhältnisses erzwingen geradezu eine aktive deutsche Ostpolitik und Rußlandpolitik.
    Diese Ostpolitik, die inzwischen als deutsches Lehnwort in vielen anderen Sprachen Aufnahme gefunden hat, hat ihre Wurzeln in dieser besonderen Lage, übrigens auch Wurzeln in der Geschichte unseres gegenwärtigen Staates. Ich denke z. B. an einen Christdemokraten und an einen Freidemokraten — der erste hieß Sieveking, der andere hieß Plate —, die im Hamburger Rathaus vor mehr als 30 Jahren eine von ihnen damals so genannte Politik der Elbe vertreten haben. Sie dachten an die anderen Staaten, die an der Elbe liegen und die jenseits der Elbe liegen. Das ist über 30 Jahre her.
    Später haben bedeutende amerikanische Präsidenten unsere Ostpolitik zum Bestandteil ihrer eigenen Außenpolitik gemacht. Das war in den frühen 70er Jahren; das waren Nixon und Ford. Und die Ostpolitik hatte ihre Grundlage — und hat sie noch — in der Gesamtstrategie des westlichen Bündnisses, wie sie Ende 1967 definiert und mit dem Namen des damaligen belgischen Außenministers Pierre Harmel verknüpft worden ist.
    Diese damalige und, wie ich hoffe, zu revitalisierende Gesamtstrategie bedeutete zum einen gemeinsame Verteidigungsbereitschaft und den Willen, den eigenen politischen Entscheidungsfreiraum gegen jeden Versuch politischer oder gar militärischer Nötigung zu sichern, zum anderen aber auf diesem gesicherten Hintergrund den erklärten Willen zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion im diplomatischen Verkehr, auch im wirtschaftlichen Bereich, vor allem aber Zusammenarbeit im Bereich einer am militärischen Gleichgewicht orientierten vertraglichen Rüstungsbegrenzungspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies war die Grundlage der Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel. Diese Politik löste das ein, was ein knappes Jahrzehnt vorher John F. Kennedy in seiner Antrittsrede als Präsident folgendermaßen formuliert hatte: „Wir wollen niemals aus Furcht verhandeln, aber wir wollen uns niemals davor fürchten, zu verhandeln."

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Dieser — wenn Sie so wollen — westliche gesamtstrategische Grundansatz der Ostpolitik muß nach meiner Meinung für eine konstruktive deutsche Friedenspolitik auch in Zukunft verbindlich bleiben.

    (Beifall bei der SPD)

    In einer Zeit der Spaltung Europas in eine westliche Einflußsphäre und in einen östlichen Machtblock und in einer Zeit des fast nicht mehr gebremsten Wachstums der nuklearen Massenvernich-



    Schmidt (Hamburg)

    tungsmittel muß die Rüstungsbegrenzungspolitik in die Kategorie der höchsten Priorität fallen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie ist ja dringendes deutsches Interesse. Aber sie ist auch dringendes Interesse aller Europäer. Es macht da keinen Unterschied, ob einer in Amsterdam wohnt oder in Budapest, ob in Kopenhagen oder in Sofia, ob in Warschau oder in Rom oder in Paris. Es macht schon gar keinen Unterschied, was die Bedeutung der Rüstungsbegrenzungspolitik angeht,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    ob einer in Bonn lebt oder ob einer in Ost-Berlin lebt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der GRÜNEN)

    Aber wie sieht gegenwärtig die Zwischenbilanz der Rüstungsbegrenzungspolitik aus? Es hat seit 1973 keinen Abrüstungsvertrag zwischen den beiden Weltmächten mehr gegeben. Der später vereinbarte SALT-II-Vertrag ist nicht ratifiziert worden. Er wurde bisher zwar trotzdem weitgehend eingehalten, aber nun läuft er aus. Auf beiden Seiten werden Anstalten gemacht, sein zerbrechliches Gehäuse zu durchlöchern. Der ABM-Vertrag schließlich, der die Systeme von Antiraketen-Raketen sowohl für die Sowjetunion als auch für die Amerikaner begrenzt, wird bestritten. Damit gerät einer der letzten Pfeiler des bisherigen Systems beiderseitiger Rüstungsbegrenzungen in Gefahr oder gar in Verfall.
    Anstoß zu diesen Angriffen auf den ABM-Vertrag war die sogenannte Strategische Verteidigungsinitiative — SDI — vom März 1983. Herr Bundeskanzler, die Haltung der Bundesregierung dazu ist mir immer noch nicht klargeworden. Mir ist unklar, ob die Regierung diese SDI-Initiative im deutschen Interesse, im europäischen Interesse für einen Vorteil hält oder nicht. Eines müßte der Bundesregierung klar sein, nämlich: Wenn sich SDI irgendwann in der Zukunft als technisch machbar erweisen und wenn es dann auch tatsächlich verwirklicht werden sollte — was zwei völlig verschiedene Dinge sind —, dann würde die sowjetische Seite mit höchstens ganz kurzer Zeitverzögerung natürlich nachziehen. Das war bisher immer so. Sie bereitet sich längst und tatkräftig darauf vor, allerdings mit sehr viel geringeren Geräuschen, als dies in der anderen Hauptstadt geschieht.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das hängt mit dem System zusammen!)

    Es kann nur ein Träumer meinen, man könne die Sowjetunion ökonomisch totrüsten.

    (Beifall bei der SPD)

    Bei solcher Entwicklung würden also beide bisherigen Weltmächte — China wird ja in ganz kurzer Zeit von uns allen als die dritte große Weltmacht analysiert werden — über ein solches System verfügen, über ein solches ABM- oder SDI-System, und zwar nicht nur eines an einem Ort, sondern viele und an vielen Orten, um möglichst große Teile ihres jeweils eigenen Territoriums abzudecken. Wenn aber einer von den beiden den Eindruck gewinnen sollte, er werde durch die Raketenabwehr des anderen ins Hintertreffen gedrückt, dann hätte er viele Möglichkeiten, den Vorsprung oder den eingebildeten Vorsprung der anderen Seite durch neuerliche Aufrüstung mit noch mehr Angriffsraketen oder mit noch mehr Gefechtsköpfen auf jeder einzelnen Angriffsrakete zu unterlaufen. Hier lauert die Möglichkeit eines neuen Rüstungswettkampfs.