Rede von
Rudolf
Kraus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Lutz, ich kenne die Moral der deutschen Steuerzahler,
von der Sie jetzt sprechen, nur insoweit, als ich sehe, daß in Deutschland ungewöhnlich viel Steuern eingenommen werden. Wie sollten wir sonst alles andere finanzieren? Es mag durchaus sein, daß der eine oder andere etwas zurückhaltender ist, aber diese Mentalität ist wahrscheinlich ziemlich weit verbreitet. Wir wollen da sicher nicht eine einzige Gruppe in den Vordergrund stellen.
Ich möchte auf die Arbeitslosigkeit noch einmal aus anderer Sicht zu sprechen kommen, weil es einfach wichtig ist, die Struktur der Arbeitslosigkeit genügend zu differenzieren. Wie wollen Sie sonst Rezepte, die angeboten werden, überhaupt auf die theoretische Wirkungsmöglichkeit hin untersuchen? Da gibt es beispielsweise heute Gebiete in der Bundesrepublik — ich denke an die Ballungsräume wie z. B. München oder Frankfurt —, in denen tatsächlich in verschiedenen Berufen, ja, in einer ganzen Menge von Berufen, möchte ich sagen, Arbeitskräfte gesucht werden. Sie sind nicht zu finden, und zwar nicht nur in den hochqualifizierten Berufen,
sondern auch in Tätigkeiten für Hilfsarbeiter.
Es gibt in jüngster Zeit ein Beispiel aus der Stadt München: ein normalerweise sehr angesehener Arbeitgeber, jedermann ist bestrebt, soweit er den entsprechenden Beruf hat, dort tätig zu werden, weil man dort gerne arbeitet. Was passiert dort? Da werden einige Stellen ausgeschrieben, und ein Drittel der Leute, die vom Arbeitsamt zugewiesen werden, melden sich gar nicht erst dort. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Krankenstand bei Arbeitslosen so hoch ist, ein Drittel; das wäre sehr ungewöhnlich. Es ist doch auch ein Zeichen dafür, daß es eine Reihe von Leuten gibt, die vielleicht nicht unbedingt und unter allen Bedingungen hier diese Stelle antreten möchten. Das kann man doch nicht bezweifeln.
Auf was ich vorhin noch hinweisen wollte, war: Wenn es schon Gebiete gibt, in denen Facharbeitermangel herrscht, welche Wirkung könnte man sich denn dann davon versprechen, daß man sagt, Überstunden dürfen nicht mehr gemacht werden? Nicht einmal theoretisch kann ein solches Programm in einer solchen Situation wirksam sein.
Eine andere Frage, die ich noch gerne anschneiden möchte, ist die Frage der offenen Stellen. Tatsache ist, daß zur Zeit die Zahl der Beschäftigten steigt, die Zahl der Arbeitslosen geringfügig abnimmt und die Zahl der offenen Stellen zunimmt, nach meinen Erfahrungen aber viel zuwenig, weil die Arbeitgeber nicht bereit sind, die offenen Stellen zu melden.
Warum sind sie nicht bereit? Weil sie häufig die Erfahrung machen, daß es sinnlos ist, offene Stellen dem Arbeitsamt zu melden, weil dieses in aller Regel nicht in der Lage ist, diese Stellen zu besetzen.
— Aber Herr Amling, es gibt genügend Fälle, die ich Ihnen im Einzelfall nachweisen kann. Ich habe Ihnen vorhin den Fall, der in der Presseschau des Rathauses in München gestanden ist, vorgetragen. Davon können Sie sich ohne weiteres überzeugen. Natürlich stimmt das. Ich möchte ja nicht behaupten, daß diese Aussage für alle Gebiete der Bundesrepublik richtig ist; aber es gibt Gebiete, in denen das so ist. Wenn man ein Rezept suchen will, dann soll es umfassend und überall wirksam sein. Deswegen muß darauf hingewiesen werden.