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ID1022704800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Im Augenblick nicht, aber gleich. Ich sage es dann.
    Sie glauben, daß der Staat für alles und jedes aufzukommen hat, daß der Staat selbst für die kleinsten Probleme, auch für die Sorgen des täglichen Lebens, eine Auffangstellung zu bieten hat. Dies ist nicht unsere Auffassung.
    Bitte, Herr Kollege!


Rede von Lothar Löffler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Graf Lambsdorff, glauben Sie nicht, daß für die Krankheit einer Gesellschaft die Arbeitslosenzahl ein sehr viel besserer Anzeiger ist als die Staatsquote?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sie glauben doch nicht, Herr Kollege, daß ich hier zur Wirtschaftspolitik spreche, ohne mich mit dem Thema Arbeitslosigkeit zu beschäftigen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ja wohl das mindeste!)

    Ich werde mir erlauben, darauf zurückzukommen.

    (Löffler [SPD]: Wir sind gespannt!)

    Ich werde Ihnen, meine Damen und Herren, allerdings sagen — und ich sage es schon an dieser Stelle —, daß die Höhe der Staatsquote, die nicht zuletzt durch die Höhe der Subventionen bestimmt wird,

    (Dr. Penner [SPD]: Aha!)

    auf diesem Wege zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit beiträgt, nicht etwa Arbeitslosigkeit abbaut.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lesen Sie im Gutachten des Weltwirtschaftsinstituts von Kiel über den Zusammenhang zwischen Subventionshöhe und Beschäftigungsstand in Ruhe nach.

    (Kühbacher [SPD]: Der Bundesfinanzminister wird ganz verlegen!)

    Meine Damen und Herren, nach wie vor halten die Sozialdemokraten — ich wiederhole das — daran fest, daß der Staat für alles und jedes aufzukommen hat, daß er den Menschen auch die Sorgen des täglichen Lebens — ich rede nicht von den existentiellen Risiken, für die die Gemeinschaft einzustehen hat — abzunehmen hat.

    (Kühbacher [SPD]: Ach, Sie wissen doch, daß Sie übertreiben!)

    Die Worte „Leistung", „Verantwortung" und „Risikobereitschaft" kamen in Nürnberg nicht vor.

    (Lachen bei der SPD -Bindig [SPD]: Hören Sie doch einmal auf, Dinge zu erzählen, die unwahr sind!)

    Dazu sagt die FDP, sagen die Liberalen:

    (Kuhlwein [SPD]: Sie waren doch gar nicht dabei!)

    Wir brauchen die Leistung, wir brauchen das Pflichtbewußtsein, wir brauchen die Risikobereitschaft von Unternehmern und Arbeitnehmern,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das Wort „Umwelt" kommt bei Ihnen nicht vor!)

    wir brauchen die Leistung, die Mitarbeit unserer Bürger, wenn wir in diesem Lande eine glückliche, eine zufriedenstellende Zukunft erreichen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der .CDU/CSU)

    Die Bundesrepublik Deutschland darf keine riesige Allgemeine Ortskrankenkasse unter dem Barmer Ersatzkanzler Johannes Rau werden.

    (Beifall bei der FDP — Unruhe bei der SPD — Bindig [SPD]: Von einer Polemik zur nächsten! Keine Substanz hat Ihre Rede! — Frau Dr. Timm [SPD]: Billig! — Dr. Vogel [SPD]: Graf, da waren schon geistreichere Sachen dabei! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, was kann der Wähler am Ende einer Legislaturperiode, wenn Bilanz gezogen wird, von der Regierung und der Koalition, die er vor knapp vier Jahren mit einer Mehrheit ausgestattet hat, erwarten? Er kann von ihr erwarten, daß sie solide Arbeit leistet, daß sie solide Ergebnisse vorzuzeigen hat. Er darf von ihr nicht erwarten — und der Wähler in der Bundesrepublik Deutschland, der politisch gescheit genug ist, tut das auch nicht —,

    (Suhr [GRÜNE]: Sie wollen doch die Leute für dumm verkaufen!)

    daß auf einer kurzen Wegstrecke von vier Jahren Wunder vollbracht werden.

    (Suhr [GRÜNE]: Sagen Sie einmal etwas zu den Gutachten zur Atomenergie!)

    Meine Damen und Herren, es gibt in der Bilanz, mit der wir uns vor dem 25. Januar 1987 dem Wähler stellen werden, unbestreitbar auch einige Punkte, die uns selbst nicht voll zufriedenstellen. Den Ursachen ist nachzugehen; nach den Ursachen ist zu fragen.
    Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist der Hauptpunkt dieser Bilanz, der uns nicht zufriedenstellt.

    (Dr. Penner [SPD]: Das werden die Barmer ändern!)

    Gewiß, meine Damen und Herren, die Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland steigt, und das ist gut so. Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten — nicht von dieser Stelle aus, sondern ein paar Meter weiter von einer ähnlichen



    Dr. Graf Lambsdorff
    Stelle aus — darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht der erste Konjunkturzyklus ist,

    (Dr. Vogel [SPD]: Der zu Ende geht!)

    in dem es drei Jahre des Aufschwungs gibt, in denen sich nicht einmal an der Beschäftigung etwas rührt. Im vierten und fünften Jahr tut sich etwas an der Beschäftigung. Erst im fünften und sechsten Jahr beginnt die Arbeitslosigkeit zurückzugehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wie lange dauert das?)

    Das war im vorigen Konjunkturzyklus, Herr Vogel, ganz genauso.
    Wir haben uns die Frage zu stellen: Warum ist das in der Bundesrepublik Deutschland so schwerfällig, so unflexibel? Warum ist das in anderen Ländern besser?

    (Suhr [GRÜNE]: Trotz Beschäftigungsförderungsgesetz!)

    Warum reagiert in anderen Ländern der Arbeitsmarkt, der immer ein Spätindikator ist, nicht mit so erheblicher Verzögerung wie bei uns auf eine Besserung der konjunkturellen Situation?
    Hier liegt die Verantwortung des Staates für die Rahmenbedingungen. Ich füge allerdings hinzu, meine Damen und Herren: Nach meiner, nach unserer Überzeugung, tragen die Hauptverantwortung für die Situation am Arbeitsmarkt diejenigen, die über den Haupteinsatzfaktor für das Produktionsmittel Arbeit unabhängig entscheiden, nämlich über den Preis,

    (Schreiner [SPD]: Die Ortskrankenkassen!)

    und das sind die Tarifvertragsparteien.

    (Suhr [GRÜNE]: Die Löhne sind wieder mal zu hoch!)

    — Nicht die Löhne sind zu hoch, sondern die Löhne sind unflexibel, das Tarifgefüge ist zu starr. Was wir brauchen, ist mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt, der die Bezeichnung „Markt" ja kaum noch verdient.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Unter bestimmten Voraussetzungen — sage ich:


    (Suhr [GRÜNE]: Heuern und feuern!)

    Es ist unsinnig, in einer maroden Werft — ich zitiere den Bundesfinanzminister und stimme ihm zu — dieselbe Lohnerhöhung zu zahlen wie bei Daimler-Benz.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Aber das heißt doch, bei Daimler-Benz höhere Löhne zu zahlen, oder nicht?)

    Wir wollen, meine Damen und Herren, mehr Beweglichkeit an unserem Arbeitsmarkt. Wir wollen eine Überprüfung, ob sich nicht Schutzrechte zur Plage entwickelt haben. Wir haben einiges getan in diesem Bereich; vielleicht muß noch mehr geschehen. Sie hören viele internationale Stimmen — abgesehen von der Bundesbank, vom Sachverständigenrat und den Forschungsinstituten —, die uns in dieser Auffassung bestärken.
    Sozialdemokraten und GRÜNE, meine Damen und Herren, wollen das Gegenteil.

    (Suhr [GRÜNE]: Sie wissen doch gar nicht, was wir wollen!)

    Sie wollen weniger Flexibilität. Herr Vogel hat es in den letzten Tagen mehrfach gesagt:

    (Suhr [GRÜNE]: Wir wollen den Kündigungsschutz beibehalten!)

    Sie wollen das Beschäftigungsförderungsgesetz sofort aufheben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Jawohl!)

    — Damit werden Sie weiter Arbeitsplätze ruinieren. Auch wenn es zeitlich befristete Arbeitsplätze sind — das ist immer noch besser als Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie wollen Überstunden gesetzlich verbieten. Ein völlig unsinniger Vorschlag des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers lautet:

    (Suhr [GRÜNE]: Sie wollen heuern und feuern!)

    Sie wollen die Kosten für Überstunden nicht mehr als Personalkosten bei der steuerlichen Gewinnermittlung zulassen. Wann, meine Damen und Herren, wird uns Herr Heinemann — mit Absegnung durch das Kabinett Rau — wohl empfehlen, daß wir auch die Materialkosten und die Energiekosten nicht mehr bei der steuerlichen Gewinnermittlung absetzen? Wann werden wir nach Ihren Vorstellungen den Umsatz zur Grundlage der Ertragsbesteuerung machen?
    Meine Damen und Herren, hier liegen Gefährdungen und Probleme, denen wir uns zuwenden müssen, bei denen wir aber sehen: Mit Ihnen ist hier nichts zu machen. Sie werden diese Verkrustungen, Sie werden diese Verhärtungen eher noch unterstreichen, eher noch verstärken.
    Wir haben einiges andere nicht in vollem Umfang erreicht, wie wir es uns vorgestellt hätten. Die Forschungsinstitute haben es in ihrem Frühjahrsgutachten in einem knappen Satz zusammengefaßt: Der ordnungspolitische Teil dieser Politik ist nicht so recht vorangekommen.
    Die Privatisierung ist für uns nicht ein Haushaltsproblem.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ideologie! — Suhr [GRÜNE]: Privatisieren Sie doch mal die Bundeswehr!)

    Ich bedaure es deswegen, daß mindestens optisch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den letzten Schritten der Privatisierung und dem Bundeshaushalt entstanden ist, weil das einen falschen Eindruck erwecken könnte, dem der Finanzminister heute morgen zu meiner Zufriedenheit mit Recht entgegengetreten ist.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Was hätte er denn ohne gemacht?)




    Dr. Graf Lambsdorff
    Nein, meine Damen und Herren, die Privatisierung ist für uns ein ordnungspolitisches Problem. Es geht nicht an, daß der Staat als Unternehmer in Gebieten tätig ist, bei denen er den Privaten Konkurrenz macht. Wenn der Staat als Unternehmer Pleite macht, dann geht er mit der offenen Hand zum Landes- oder zum Bundesfinanzminister und läßt sich die Verluste ersetzen. Der kleine und mittlere Unternehmer setzt den schwarzen Hut auf, geht zum Amtsgericht und meldet Konkurs an. Dies ist die Wettbewerbsverzerrung. Deswegen muß die Privatisierung zustandegebracht werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: AEG! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Da gibt es durchaus Sündenfälle, meine Damen und Herren, an denen wir beteiligt waren, an denen auch ich beteiligt war. Das ist überhaupt nicht bestritten. Aber dennoch, von Ihnen wird nicht einmal das Prinzip anerkannt.
    Sie haben vorhin „Lufthansa" dazwischengerufen. Ich bedaure, daß das nicht weitergeht. Ich habe der Deutschen Lufthansa schon mehrfach empfohlen, aus ihrem Leitwerk den Kranich zu entfernen und ihn durch einen Vogel Strauß zu ersetzen.

    (Zuruf von der SPD: Das wäre ja gelacht! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das war sehr gut mit dem Strauß!)

    Meine Damen und Herren, die ordnungspolitischen Gründe gelten auch für den Subventionsabbau. Gewiß ist die Bilanz, die hier vorgelegt werden muß, nicht so, wie wir uns das gewünscht und wie wir uns das vorgestellt hätten. Nur, die Kritik von Ihrer Seite, die Sie fortgesetzt Vorschläge machen, die zu höheren Subventionen führen würden, ist in hohem Maße unglaubwürdig.
    Die Subventionshergabe ist ein gewaltiges, fiskalpolitisch den Haushalt belastendes Problem, eine Größenordnung, die man nicht vernachlässigen kann. Aber auch hier gibt es ein ordnungspolitisches Problem erster Güte, weil die Erfahrung lehrt, daß die großen Unternehmen mit ihren Stabsabteilungen, mit ihren Experten den Weg zu den Subventionstöpfen, zu den Ministerien, zu den Amtsstellen finden, und die kleinen und mittleren gucken hinterher. Auch dies ist Wettbewerbsverzerrung.
    Und es ist im übrigen, meine Damen und Herren, ein Stück staatlicher Machtausübung, zusätzlicher, unnützer staatlicher Machtausübung. Was glauben Sie, wie es der Referent des zuständigen Ministeriums genießt, wenn die Vorstände großer Unternehmen in gebeugter Haltung erscheinen, um mit devoter Stimme um Subventionen nachzusuchen. Dies ist Machtausübung gegenüber dem Bürger, die sich damit verbindet.
    Wir haben in den letzten Monaten auf solche Fälle in ausreichender Zahl hingewiesen. Ich will sie heute nicht wiederholen. Ich freue mich nur darüber, daß sich die Landtagsfraktion der FDP in Stuttgart unserer Meinung über den jüngsten Fall von Subventionsvergabe mit aller Klarheit angeschlossen hat.

    (Beifall bei der FDP)

    , Nur eins, meine Damen und Herren, kann ich mir denn doch nicht verkneifen. Ich lese einen Auszug aus der Antragsdatenbank des BMFT vom 11. August 1986 und stelle fest, daß dort eine Finanzhilfe von 446 000 DM für die Einführung neuer Techniken der Bürokommunikation im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Baden-Württemberg beantragt wird.

    (Dr. Vogel [SPD]: Die sind klever!)

    Meine Damen und Herren, ich habe große Hochachtung vor schwäbischem Fleiß, Sparsamkeit und Erwerbssinn; aber dies geht mir denn doch ein bißchen zu weit.

    (Heiterkeit und Zurufe)

    Hier, meine Damen und Herren, zeigt sich im übrigen ein deutlicher Zusammenhang — ich habe gesagt, der Antrag ist eingegangen, ich habe noch nicht gesagt, Herr Riesenhuber, daß er bewilligt ist; ich entnehme Ihrer Gestik, daß Sie hoffentlich die Absicht haben, ihn nicht zu bewilligen —, ein enger Zusammenhang mit der beabsichtigten Steuerreform. Wenn wir die Kraft zur Teilfinanzierung dieser Steuerreform durch den Subventionsabbau nicht haben, werden wir die Steuerreform nicht zustandebringen.

    (Beifall bei der FDP)

    Diese Steuerreform ist notwendig. Ich begrüße all das, was der Bundesfinanzminister dazu gesagt hat.
    Ich will auch darauf eingehen, daß der Kollege Apel die Investitionsrücklage — die steuerstundende; er hat das immerhin in erfreulicher, ehrlicher und Klarheit schaffender Weise hinzugefügt — erwähnt hat. Wir sehen hier — eine Koalition will ich nicht sagen — eine Gruppierung, die einen doch amüsiert: CSU, SPD und GRÜNE sind für die steuerstundende Investitionsrücklage.

    (Dr. Vogel [SPD]: CSU und FDP interessieren viel mehr!)

    Es gibt erfreulicherweise in dieser Frage Übereinstimmung zwischen den Liberalen, den Finanzpolitikern der CDU und dem Bundesfinanzminister.
    Meine Damen und Herren, der Unterschied ist sehr simpel. Wir wollen nicht Steuern stunden, wir wollen Steuern senken. Dies ist das endgültige Ergebnis einer Steuerreform, wie sie der Bundesfinanzminister vorgestellt hat. Steuerstundung und dann überprüfen: Wie investiert er, wann investiert er, wo investiert er, hat er die Investitionsgebote eingehalten?, das heißt j a immer wieder Hineinregieren, Hineinkontrollieren in die Unternehmen. Genau dies wollen wir verhindern. Genau dies soll nicht stattfinden. Die Bürger wissen mit ihrem Geld in der eigenen Tasche besser umzugehen als es der Staat weiß. Natürlich verstehe ich schon, daß es den Sozialdemokraten zuwider ist, den Menschen das Geld in der Tasche zu lassen, daß sie lieber die



    Dr. Graf Lambsdorff
    Steuerstundung anpeilen, um dann weiter hineinreden zu können.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich begrüße die Erklärung des Bundesfinanzministers, die er zur Steuerreform abgegeben hat. Ich denke an eine große Steuerreform, die meine Partei am 25. August 1985 in Starnberg zum erstenmal vorgeschlagen hat und die erfreulicherweise in den Grundtatsachen die Zustimmung von CDU und CSU gefunden hat. Dies ist wirtschaftspolitisch ein entscheidendes Fundament für die Arbeit nach dem 25. Januar, aber auch für das Vertreten gemeinsamer Positionen vor dem 25. Januar 1987.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Drei Essentiale sind dabei notwendig:

    Erstens. Keine Besteuerung des Existenzminimums mehr. Es macht doch keinen Sinn, den Menschen das Geld abzunehmen, das sie für das Bestreiten ihrer Existenz brauchen, und es ihnen auf teuren Umwegen gnädig wieder zuzuteilen.
    Zweitens. Der linear-progressive Tarif mit der Abschaffung — nicht mehr des Mittelstandsbauchs; so darf das Ding ja nicht mehr heißen — des Facharbeiterbauchs, das es längst geworden ist. Ihre Ergänzungsabgabe trifft den Facharbeiter. Ich erinnere mich an eine Unterhaltung in der alten Koalition damals im NATO-Saal des Bundeskanzleramtes,

    (Zuruf von der SPD: 120 000 DM? — Weitere Zurufe von der SPD)

    als Sie mit Entsetzen feststellten, daß das Einkommen des Facharbeiters und das Einkommen der Textilhilfsarbeiterin als seiner Ehefrau ihn ja schon in den Bereich der Ergänzungsabgabe bringen würden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie bitten diejenigen zur Kasse, die Sie angeblich schonen wollen.

    (Zurufe von der SPD)

    Drittens. Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Absenkung auch des Spitzensteuersatzes, und zwar, wenn wir es nicht ordnungspolitisch, wenn wir es nicht steuerpolitisch wollen: Wir brauchen es wettbewerbspolitisch. Wenn das größte Land der Welt auf einen Spitzensteuersatz von 28 % heruntergeht, was glauben Sie, wo in Zukunft eigentlich investiert werden wird, wohin die Kapitalströme gehen werden? Dorthin, wo man 70 % an Steuern kassiert, oder dorthin, wo man mit den 28 % Einkommen- und Körperschaftsteuer bedacht wird? Dies wird ein Wettbewerbsfaktor, der in der internationalen Steuer- und Wirtschaftsdiskussion eine ganz erhebliche Rolle spielen wird.