Rede:
ID1022703300

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    7. Spöri.: 1
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    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Apel, nach zwölf Jahren, also einer großen zeitlichen Perspektive,

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Vermittlungsausschuß! Wir waren dagegen!)

    kann man sich im Detail falsch erinnern. Ich glaube aber, mich an die eigentlichen Abläufe sehr gut zu erinnern. Nach meiner sicheren Erinnerung haben CDU und CSU insbesondere auch in der Stellungnahme der Bundesratsmehrheit Position gegen die Abschaffung der Kinderfreibeträge bezogen.

    (Dr. Apel [SPD]: Nein!)

    — Am Anfang schon, Herr Kollege Apel, zumindest in Reden.

    (Dr. Apel [SPD]: Nein, es hat sogar einen Gesetzentwurf der CDU/CSU gegeben!)

    — Doch, doch.
    Ich spreche jetzt einmal von der Entscheidung, an der ich im Bundesrat mitgewirkt habe. Wir sind dann in ein Vermittlungsverfahren gekommen. An dieses Vermittlungsverfahren erinnere ich mich auch deshalb noch sehr gut, weil es für eine sogenannte Gipfelkonferenz bei dem damals neu gewählten Bundeskanzler Helmut Schmidt unterbrochen wurde. Herr Kollege Genscher nahm für die Bundesregierung teil und Sie, und von unserer Seite kamen drei Politiker der CDU/CSU — einer von denen war ich —, und dann haben wir dort bis ein Uhr nachts gerungen, um eine Lösung zu finden. Diese Lösung war j a, weil durch Ihre politische Entscheidung die Steuersenkung mit diesem Punkt gekoppelt war, nur in der Form eines Kompromisses möglich. Aber wie immer das nun im einzelnen erinnert und beschrieben wird — man kann es den Historikern überlassen —, eines steht fest: daß sich die Abschaffung der Kinderfreibeträge und die ausschließliche Konzentration auf das Kindergeld deshalb als Enttäuschung erwiesen hat, weil es in Ihrer Regierungszeit nicht verbessert und 1981 sogar gekürzt wurde. Daraus haben wir Konsequenzen gezogen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD]: Das ist die Unwahrheit! — Becker [Nienberge] [SPD]: Fakten! Dreimal ist es erhöht worden! — Weiterer Widerspruch bei der SPD)

    Lassen Sie mich, damit die Diskussion weitergehen kann, fortfahren. Herr Becker, ich verstehe das überhaupt nicht. Sie haben zum Schluß der sozialliberalen Koalition noch eine Entscheidung zum



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Thema steuerbegünstigte Aufwendungen für gemeinnützige Zwecke getroffen. Da ist der Trabrennsport noch einbezogen. Ich sage das ohne jede Wertung; das kommt aus Ihrer Regierungszeit. Mir hat bis heute keiner klarmachen können, daß Sie vom Schachklub bis zum Trabrennsport, vom Frankfurter Zoo bis zu Hagenbecks Tierpark Aufwendungen steuerfrei und -mindernd geltend machen können, aber überhaupt nicht für die eigenen Kinder. Ich begreife es nicht.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU -- Zurufe von der SPD)

    Da haben wir halt einen grundlegenden Auffassungsunterschied, über den wir uns bei anderer Gelegenheit weiter unterhalten können.
    Ich wollte noch etwas zu Ihrer jetzt klargestellten Ausführung über die Entwicklung der Realeinkommen sagen. Sie haben das alles als massiven Vorwurf an unsere Adresse gerichtet. Nun ist interessant, wie sich das in den einzelnen Jahren entwikkelt hat. 1978 war in der Tat das letzte Jahr vor 1986 mit einem spürbaren Zuwachs der Realeinkommen: 3,6 %; 1979 noch 2,1 %. 1980, Herr Kollege Apel — das war vor der Weltrezession und allem, was dort angeführt wird —, gingen die Realeinkommen schon um 0,5% zurück, 1981 um 1,6 %, 1982 um 1,8%. Das war in jeder Hinsicht der Tiefpunkt, das Jahr, bevor die Regierung wechselte. 1983 flachte es sich ab: minus 0,9. 1984: minus 0,8. 1985: minus 0,4. 1986 kommen wir nun in der Tat auf eine massive Verbesserung auf Grund der Fundamente, die in den letzten Jahren neu geschaffen worden sind. Hier steht noch: plus 4. Wahrscheinlich wird es im Ergebnis ein höherer Prozentsatz sein.
    Man muß das hier sagen. Denn der Eindruck entsteht — und er mußte entstehen, Herr Kollege Apel —, daß diese Entwicklung der Realeinkommen in den letzten acht, neun Jahren von Ihnen als Vorwurf gegen die heutige Bundesregierung vorgebracht wird. Dies ist nicht zu begründen. Die entscheidenden Einbrüche -- und deswegen habe ich die Jahreszahlen vorgetragen — sind in den Jahren gewesen, in denen Sie Regierungsverantwortung getragen haben.

    (Unruhe bei der SPD — Seiters [CDU/ CSU]: Darüber hat er natürlich nicht geredet!)

    Ja, ja.
    Dasselbe gilt übrigens auch für Ihre Darstellung der kommunalen Investitionen. Sie haben mit Kunst verschwiegen, daß der einschneidende Einbruch bei den kommunalen Investitionen — ich bin bereit, die Jahreszahlen hier noch einmal zu verlesen — in den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung war. All diese wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Prozesse laufen aber auch nach einer politischen Zäsur noch einige Zeit weiter. So haben wir bei den kommunalen Investitionen erst 1985 die Trendwende nach oben erzielt. Aber sie geht nach oben. Und sie geht 1986 weiter.
    Derjenige, der als Kabinettsmitglied, Herr Apel, für diese schlimme Entwicklung der kommunalen
    Investitionen in den Jahren nach 1980 entscheidend verantwortlich war, kann sich hier doch nicht hinstellen und mir polemisch vorhalten, ich ließe die Investitionen verkommen. Ich würde mich ja schämen, bei dieser eigenen Bilanz so etwas jemand anderem hier zu sagen, wie Sie das tun.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich würde mich — höflich gesagt — genieren, wenn ich einer der Hauptverantwortlichen für diesen furchtbaren Einbruch nach 1980 gewesen wäre und uns, die wir jetzt die Voraussetzung geschaffen haben, daß sie seit 1984, 1985 wieder steigen, hier mit der Stimme und der Geste des Anklägers zu sagen: Dieser Finanzminister läßt die Investitionen verkommen. Es ist schon ziemlich weit mit Ihnen gekommen, Herr Apel. Ich muß Ihnen das wirklich einmal sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun zum Schluß. Wissen Sie, wir nehmen diese Schlußsätze da nicht hin, Herr Apel, mit der persönlichen Diffamierung — anders kann ich das nicht bezeichnen —.

    (Zuruf des Abg. Dr. Apel [SPD])

    Jeder Bundesminister leistet seinen Amtseid, nach besten Kräften in Gerechtigkeit für das deutsche Volk zu wirken.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Vielleicht haben Sie nicht genug!)

    Und dann zu sagen, die Bilanz der gesamten Tätigkeit sei durch Ungerechtigkeit bestimmt,

    (Dr. Vogel [SPD]: Kommen Sie wieder mal zu sich!)

    das ist eine Sache, die wir weiter mit Ihnen austragen werden. Dies ausgerechnet aus Ihrem Mund!

    (Seiters [CDU/CSU] zu Abg. Dr. Apel [SPD]: Sie wurden auf Ihrem Parteitag ja nicht einmal im ersten Wahlgang gewählt!)

    Ich will zum Schluß folgendes sagen. Der Kollege Apel hat in 70 Minuten die entscheidenden Grundfragen der künftigen Finanzpolitik nicht aufgenommen

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: So ist es!)

    und deshalb auch nicht beantwortet. Meine Frage: Wollen Sie eine expansivere Finanzpolitik, d. h. mit höherer Kreditaufnahme?

    (Abg. Dr. Apel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Nein. Sie haben 70 Minuten Zeit gehabt. Jetzt bitte ich um Verständnis, daß ich diese Frage dann an die kommenden Redner der SPD weitergebe.

    (Zurufe von der SPD)

    -- Nach der Geschäftsordnung können Sie Fragen stellen und kann ich Fragen beantworten.

    (Dr. Apel [SPD]: Sie haben mich getadelt, Majestät!)

    Das wissen Sie genauso gut wie ich.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Wollen Sie eine expansivere Finanzpolitik, wie es der Kollege Spöri am 5. August gefordert hat und wie es der Kollege Roth — ich habe gestern eine kurze Pressemeldung gesehen — in diesen Tagen aufgenommen hat, wobei das von Ihnen zustimmend zitierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung einen Leiter — Professor Krupp — hat, der ein Mitglied der sozialdemokratischen Regierungsmannschaft von Herrn Vogel war, — —

    (Dr. Apel [SPD]: Schlimm?)

    — Nein. Nichts an meinen Ausführungen weist darauf hin, daß ich das als schlimm ansehe. Ich sage das nur noch einmal zur Verdeutlichung des politischen Standorts: ... wobei Herr Professor Krupp mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in den dortigen Veröffentlichungen auch erkennen läßt, daß eine expansivere Finanzpolitik natürlich zu erhöhter Neuverschuldung führt. Das kann man dort bei den Wirtschaftswissenschaftlern, die Ihnen politisch verbunden sind, erkennen.
    Deswegen ist es nicht überzeugend, wenn Sie oder einige sagen, sie wollten eine expansivere Finanzpolitik, aber zugleich erklären: Ihr macht schon wieder zuviel Schulden.
    Die zweite Frage, Herr Kollege Apel, ist nicht beantwortet: Wie sieht es mit der Steuerreform und der Nettokreditaufnahme aus? Es ist nicht richtig, daß überhaupt kein Spielraum in der Finanzplanung der kommenden Wahlperiode für eine Steuerreform besteht. Wenn das noch einmal sehr sorgfältig darauf untersucht wird, werden Sie feststellen, daß wir in der zweiten Hälfte der nächsten Wahlperiode einen finanziellen Spielraum haben. Wir müssen ihn noch erweitern, auch durch eine wachstumsfördernde und beschäftigungsfördernde Politik, die uns als Nebenwirkung mehr Mittel einbringt. Ich will darauf nur hinweisen. Ich kann nicht sagen, daß es keinen Spielraum dafür gibt. Dies wäre apodiktisch und insofern unzutreffend. Aber wir müssen ihn erweitern. Meine Position und die Position der Koalitionsfraktionen ist: In Verbindung mit einer wachstums- und beschäftigungsfördernden Steuerpolitik — aber auch nur unter diesem Vorzeichen — ist eine vorübergehende begrenzte Erhöhung der Nettokreditaufnahme . vertretbar. Ich erwähne die 600 Millionen DM in diesem Jahr. Wenn es den Kollegen des Haushaltsausschusses gelingt — nämlich durch eine Verbesserung —, sie überflüssig zu machen, um so besser!
    Drittens. Meine Damen und Herren, wir müssen sicher weiter über das Verhältnis von Investitionen und Beschäftigung, über wichtige Fragen unserer internationalen Verantwortung diskutieren. Ich hoffe, daß wir von den sozialdemokratischen Kollegen dazu noch einige Stichworte erhalten.
    Schönen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Spöri.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Spöri


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir ja menschlich verständlich, daß nach der Rede meines Kollegen Apel der Bundesfinanzminister jetzt hier flammend empört ans Pult geeilt ist und repliziert hat. Denn diese Rede mit den Vorwürfen, daß Sie eine ungerechte Finanzpolitik betreiben, eine Politik gebrochener Versprechen, hat gesessen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundesfinanzminister, Ihre Regierung ist im letzten Bundestagswahlkampf 1983 mit dem Versprechen angetreten, die Abgabenbelastung und die Steuerbelastung der Bürger in unserem Lande zu senken. Es stimmt: Sie haben mit diesem attraktiven Versprechen die Bundestagswahl '83 gewonnen, und Sie haben dieses Versprechen wiederholt in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Jahre 1983 bekräftigt. Aber Sie haben in den folgenden Jahren Ihrer Finanz- und Steuerpolitik genau dieses Versprechen gebrochen, und nicht nur gebrochen, sondern ins genaue Gegenteil verkehrt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn man die Fakten betrachtet, dann sind Sie auf der rechten Seite dieses schön umgebauten Wasserwerkes die „Abgabenkoalition" und die „Steuerkoalition".
    Jetzt schreiben Sie auf Ihre Wahlplakate: Weiter so, Deutschland! oder: Weiter so, Helmut Kohl!
    Ich habe gehört, der Erfinder dieses ach so genialen Spruchs sei Heiner Geißler. Da ist mir spontan eingefallen: Diesmal hat den Geißler selbst der Blackout erwischt. Der Spruch geht, meine Damen und Herren, voll nach hinten los, der geht ja voll „in die Hosen".

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Allein in der Steuer- und Abgabenpolitik haben die Bürgerinnen und Bürger genügend Anlaß, um Ihnen am 25. Januar die verdiente Quittung zu geben. Und dafür gibt es mindestens zehn Gründe in der Steuer- und Abgabenpolitik, die ich jetzt einmal präzisieren möchte.
    Grund Nummer eins: Sie haben die Arbeitnehmer, die Rentner, die Schüler und die Behinderten seit 1983 mit einem finanzpolitischen Sonderopfer von über 60 Milliarden DM belastet. Sie haben die Besserverdienenden entgegen Ihrer Wahlankündigung nicht mit einem Sonderopfer belastet. Denen haben Sie inzwischen die verkorkste Zwangsanleihe wieder zurückbezahlt. Das war ja wohl von vornherein einkalkuliert.
    Ich kann nur sagen: Dieser Wortbruch ist ein eklatanter Verstoß gegen die soziale Symmetrie in der Steuer- und Finanzpolitik und ein eindeutiger Wählerbetrug der CDU. Der wird am 25. Januar nicht vergessen sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Grund Nummer zwei: Sie haben Ihr Wahlversprechen, Herr Minister Stoltenberg, vom letzten Wahlkampf, die Abgabenlast der Bürger zu senken, für die Mehrheit der Bürger ins genaue Gegenteil verkehrt. Die Abgabenlast des Durchschnittsverdieners ist in Ihrer Amtsperiode, Herr Bundesfinanzminister, von 39% auf inzwischen 43% vom Einkom-



    Dr. Spöri
    men angewachsen. Dies ist absoluter Bundesrekord, meine Damen und Herren.
    Glauben Sie jetzt, die Leute würden sagen „Weiter so, Helmut Kohl" oder „Weiter so, Gerhard Stoltenberg"? Das sind ja nicht alles Masochisten, die da betroffen sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Grund Nummer drei: Ihre Steuerreformversprechungen werden immer so in dem Stil angeboten, als gäbe es da große Geschenke für die Bürger. Tatsache ist: Heute zahlen die Bürger in diesem Land 28 Milliarden DM mehr Lohn- und Einkommensteuer als 1982. Das sind die Fakten.

    (Zuruf des Abg. Broll [CDU/CSU])

    1988 wird der Bürger trotz der Steuerreform 1986/88 50 Milliarden DM mehr an Lohn- und Einkommensteuer bezahlen. So sehen die Fakten aus.

    (Hornung [CDU/CSU]: Die verdienen halt wieder etwas! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Unter Ihrer Regierungszeit, Herr Bundesfinanzminister, haben Sie die Lohnsteuer unter allen größeren Steuerarten am stärksten gesteigert, explosionsartig gesteigert, und zwar auf den Rekordanteil von 34 % aller Steuereinnahmen in der Bundesrepublik. Das ist absoluter Bundesrekord seit 1949.
    Während Sie in der Koalition Ihre Choräle von der Abgabenentlastung der Arbeitnehmer anstimmen, marschieren die Arbeitnehmer in diesem Land immer weiter und immer schneller in den Lohnsteuerstaat. Das sind die Fakten.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß dieses so ist, ist das wahrscheinlich der einzige Grund dafür, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie inzwischen den einzigen statistischen Indikator, die einzige Kennziffer für diese Entwicklung der Lohnsteuerbelastung, nämlich die Lohnsteuerquote, in Ihren Veröffentlichungen nicht mehr ausweisen.

    (Zuruf von der SPD)

    Ich kann Ihnen nur eines sagen: Auch wenn Sie den Uhrzeiger anhalten, Sie halten damit nicht die Zeit an, Herr Bundesfinanzminister.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Grund Nummer vier: Von dem 20-Milliarden-Segen der sogenannten größten Steuerreform aller Zeiten haben Sie am Anfang des Jahres — dies kann man nicht oft genug betonen — den höheren Einkommen soviel zugeschanzt, daß für die Normalverdiener auf ihren Lohn- und Gehaltsstreifen nur 6 DM monatlich für den Ledigen übriggeblieben sind. Diese 6 DM sind längst weggefressen worden durch die Erhöhung der Pflichtbeiträge in der Sozialversicherung.
    Grund Nummer fünf: Die Rentenversicherungsbeiträge sind inzwischen auch auf ein Rekordniveau geklettert, nämlich auf 19,2% in diesem Jahr. Das können Sie nicht bestreiten. Dank Ihrer fulminanten Bemühungen zur Dämpfung der Kosten im
    Gesundheitswesen hat der Krankenversicherungsbeitrag inzwischen auch einen Höhenrekord von 12,2% erreicht. Bei der Abgabenbelastung der Arbeitnehmer sind Sie absolut Spitze.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Hornung [CDU/CSU])

    Jetzt wollen Sie auch noch behaupten, der diesjährige Anstieg der Reallöhne sei ein Ergebnis Ihrer Politik der Preisstabilität.

    (Zuruf der Abg. Frau Hürland [CDU/ CSU])

    Es weiß doch jedes Kind in Deutschland, daß diese Preisstabilität, diese erfreuliche Preisstabilität, ein Ölpreisgeschenk ist.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Natürlich weiß das jeder; sonst wäre der Preisindex doch nicht so weit unten, meine Damen und Herren.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Sie sollten wenigstens ehrlich sein!)

    Grund Nummer sechs: Sie haben hier zu Anfang der Legislaturperiode und auch in dieser Rede wieder, Herr Bundesfinanzminister, einen umfassenden Abbau der Subventionen angekündigt, auch zur Finanzierung Ihrer Superreform für die nächste Legislaturperiode. In der Praxis aber — und daran müssen Sie sich messen lassen — haben Sie die Subventionen in den letzten vier Jahren explosionsartig gesteigert, und die Kleinen haben nichts abbekommen. Wenn Sie uns vorwerfen, daß wir damals auch die Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft erhöht haben, so sage ich Ihnen dies. Erstens: Ich würde so etwas auf Grund der Erfahrung nicht mehr machen. Man muß ja auch ein bißchen lern- und erkenntnisoffen für das sein, was man vielleicht falsch gemacht hat. Zweitens war es so, daß die damalige Erhöhung der Vorsteuerpauschale bei uns erstens nach der Fläche und zweitens nach dem Umsatz gestaffelt war, also ganz anders strukturiert war als Ihre Gießkannensubventionen.

    (Beifall bei der SPD)

    Grund Nummer sieben: Herr Stoltenberg, Sie haben sich über den Vorwurf der Umverteilung aufgeregt, Sie haben sich über den Vorwurf einer ungerechten Steuerpolitik aufgeregt. Sie hatten aber genügend Geld, um knusprigen Offizieren lukrative Frühpensionen anzubieten,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    aber Sie hatten kein Geld, um die älteren Rentnerinnen beim Babyjahr gleichzustellen.

    (Beifall bei der SPD — Vogel [München] [GRÜNE]: Sagen Sie einmal etwas zu Bremen und Hamburg im Bundesrat!)

    Und jetzt spricht der Herr Bundesfinanzminister von einer gestuften Lösung für die Trümmerfrauen. Das ist makaber, diese stufenweise Lösung.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Warum haben Sie 13 Jahre gar nichts gemacht? — Gegenruf von der SPD: Weil Sie es abgelehnt haDr. Spöri ben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD)




    Wissen Sie, was das bedeutet? Dies bedeutet, daß während dieser Übergangszeit viele Frauen, die einen Anspruch haben, sterben werden und diese Vergünstigung nicht mehr in Anspruch nehmen können.

    (Hornung [CDU/CSU]: 13 Jahre haben Sie gewartet! — Frau Hürland [CDU/CSU]: Das ist makaber, was Sie jetzt sagen!)

    Grund Nummer acht: Sie hatten auf der einen Seite genügend Geld, Herr Bundesfinanzminister, um die Vermögensteuer um 1,5 Milliarden DM bei jenen Firmen zu senken, die vor vollen Taschen kaum mehr laufen können, sie hatten kein Geld, um den einkommensschwächsten Familien das Schüler-BAFöG zu erhalten.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Glauben Sie, die betroffenen Familien sagen jetzt: Weiter so, Deutschland?
    Grund Nummer neun: Sie hatten 10 Milliarden DM pro Jahr übrig, um kapitalkräftigen Firmen ein Unternehmenssteuergeschenk — mit reinem Mitnahmeeffekt, ohne Investitionseffekt — zu machen. Sie hatten keine müde Mark in Ihrem Haushalt für die Finanzierung unseres Programms zur ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft, das nach Auffassung vieler neutraler Institute 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hätte. Das ist die Politik, die Form von expansiver Politik, die wir im Interesse der Arbeitslosen gerne machen wollten.

    (Beifall bei der SPD)

    Grund Nummer zehn: Herr Bundesfinanzminister, Sie haben sich eben noch einmal exaltiert über die Attacke, über unseren Angriff auf die Kinderfreibeträge. Faktum ist, daß mit dieser Neueinführung der Kinderfreibeträge das Kind des Ministers oder das Kind der Ministerin Süssmuth dem Staat künftig zweieinhalbmal so viel wert ist, wie z. B. das Kind der Sekretärin, des Fahrers oder des Facharbeiters.

    (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    Das sind die Fakten, das ist keine familienpolitische Glanzleistung.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich könnte diese Latte finanzpolitischer Ungerechtigkeiten unter dem Motto „Umverteilung von unten nach oben" noch beliebig verlängern; aber diese zehn Gründe reichen aus.