Rede:
ID1022701800

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    Vokabeln: 10
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    8. Herrn: 1
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    10. Apel?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Grundsatzreden der Sprecher der vier Fraktionen möchte ich auf einige der Argumente eingehen, auf einige der Anregungen und natürlich auch auf die Attacken der Opposition.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Attacke, Herr Stoltenberg? Sehr militärisch die Sprache! — Gegenruf des Abg. von Hammerstein [CDU/CSU]: Du hast von Kampf gesprochen, das ist noch schlimmer!)

    — Zum Kampf gehört die Attacke, Herr Kollege.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Es ist selbstverständlich, daß zum Ende einer Wahlperiode mit Blick auf den Wahltermin harte Vorwürfe zu hören waren. Diese Vorwürfe müssen sich aber natürlich auf ihre sachliche Richtigkeit und Glaubwürdigkeit hin überprüfen lassen.

    (Dr. Penner [SPD]: Sie stehen auf dem Prüfstand!)

    — Nein, wir alle stehen auf dem Prüfstand. Sie haben ein obrigkeitsstaatliches Verständnis, wenn Sie sich hier ausschließen wollen, Herr Kollege Penner.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Noch ist das Ihr Haushaltsentwurf, Herr Stoltenberg!)

    In solchen Zwischenrufen werden manchmal die tiefen Schichten einer Partei sichtbar, die immer von Demokratisierung redet, aber da, wo sie regiert, rücksichtslos Minderheitenrechte mißbraucht.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Ach, Herr Stoltenberg, Sie haben doch den Haushalt eingebracht! — Weiterer Zuruf von der SPD: Der Minderheitenschützer!)

    — Es ist doch gut, wenn wieder etwas mehr Farbe in unsere Diskussion kommt.
    Herr Kollege Apel, was mich an Ihrer Rede nicht überrascht hat, sind harte, kritische Anmerkungen. Was mich überrascht und befremdet hat, ist die Leichtfertigkeit, mit der Sie mit Tatsachen umgehen, das Fehlen auch nur des Ansatzes einer eigenen programmatischen Alternative

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist doch falsch! — Roth [SPD]: Grundfalsch!)

    und — das muß ich zum Schluß sagen — einige nach meiner Überzeugung über das Maß des Erlaubten hinausgehende persönliche Verletzungen —

    (Zuruf von der SPD: Jetzt wird er lyrisch!)

    zu denen ich Ihnen eine Antwort geben will —, die um so erstaunlicher sind, wenn Sie sie dann noch als Fehlgriffe eines praktizierenden Christen kennzeichnen wollen.
    Zunächst zur Sache. Herr Apel, Sie waren, seitdem ich Sie kenne, auch in Ihrer Amtszeit als Bundesfinanzminister, schon immer großzügig im Umgang mit Tatsachen und Zusammenhängen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    So ist auch das geflügelte Wort von Ihnen damals entstanden. Als Sie die Wirkung der eigenen Steuergesetzgebung nach der Verabschiedung endlich begriffen hatten, mußten Sie sagen: Ich denke, mich tritt ein Pferd. Diese Art, eigene Positionen, Aussagen und sogar Entscheidungen, die Sie verantwortlich treffen, nicht sorgfältig zu prüfen, hat auch Ihre heutige Rede in schlimmer Weise gekennzeichnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben hier heute, bezogen auf die vier Jahre, in
    denen wir bei Etatberatungen im Bundeshaus Ar-
    gumente austauschen, einen absoluten Rekord an Verdrehungen gebracht.

    (Bindig [SPD]: Jetzt wollen Sie ihn überbieten!)

    Ich will das an einigen Punkten nachweisen; Ihr Redetext liegt ja vor.
    Sie haben unsere Entscheidung zur Städtebauförderung heftig kritisiert. Ihre Aussage war, wir hätten für zwei Jahre eine Verdreifachung vorgesehen, dann den Abfall auf Null, und das Ganze sei eine „Strohfeueraktion". Es ist Ihnen sicher bekannt — aber genauso sicher nicht allen Kolleginnen und Kollegen —, daß der Sachverhalt ein vollkommen anderer ist. Die Ministerpräsidenten der elf Bundesländer haben vor zweieinhalb Jahren die Forderung an die Bundesregierung gerichtet, im Rahmen der sogenannten Entmischung — das ist kein schöner Ausdruck —, der Auflösung von gewissen Gemeinschaftsfinanzierungen im Interesse der Überschaubarkeit und der Verantwortung des Bundestages und der Landtage, auch der Verwaltungsvereinfachung, den Städtebau auf die Länder zu übertragen. Auf Initiative der Ministerpräsidenten aller elf Bundesländer, darunter fünf Sozialdemokraten einschließlich Ihres Kanzlerkandidaten Johannes Rau, ist in intensiven Gesprächen, an denen ich persönlich teilgenommen habe, die mehrmals unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers stattfanden, folgendes vereinbart worden. Die Bundesregierung wird — auch das war ein Wunsch der meisten Länder — auf Grund der akuten Probleme im Bausektor ihre Mittel zunächst erheblich erhöhen. Sie wird sich dann schrittweise zurückziehen. Das ist eine formelle Vereinbarung des Bundes und der elf Länder, wobei sich die Länder verpflichtet haben, dann in ihrer Verantwortung für ein angemessenes Niveau zu sorgen, so daß von einem Abfallen auf Null gar nicht die Rede sein kann. Sie haben gerade feierlich verkündet, daß Sie mit Johannes Rau durch dick und dünn gehen wollen, und Sie sind nicht einmal bereit, Tatsachen und Entscheidungen, die von ihm geprägt sind, hier im Bundestag anständig darzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zweiter Punkt der Verdrehungen. Sie haben in einer arroganten Weise wahrheitswidrig unsere Entscheidungen zur Privatisierung behandelt.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Keine Noten!)

    — O ja, ich komme noch darauf. Ich komme noch auf zwei Zitate von Herrn Apel, die mich persönlich berühren, Herr Becker, die ich so nicht stehen lasse.

    (Zuruf von der SPD: Den Finger bitte wegstecken!)

    — Sie haben die Etikette im Hause nicht zu bestimmen. Wann ich meine Hand hebe oder nicht, liegt im Rahmen meiner persönlichen Freiheit.
    Herr Kollege Apel, Sie haben in einer arroganten und unzutreffenden Weise unsere Privatisierungsentscheidungen und ihre Vorgeschichte beschreiben wollen. Sie haben gesagt, das alles sei ohne



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Bestandsaufnahme und ohne wirtschaftspolitisches Konzept erfolgt.

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist nicht zu bestreiten!)

    — Herr Kollege Apel, dies ist die schlichte Unwahrheit.

    (Roth [SPD]: DSL-Bank!)

    Ich weise sie entschieden zurück. Ich habe, als ich von meinen Vorgängern — zu denen auch Sie gehören — die Verantwortung für den überwiegenden Teil der Bundesunternehmen und Bundesbeteiligungen übernommen habe, einige in einem höchst beklagenswerten Zustand vorgefunden. Der Salzgitter-Konzern hat in dem Jahr, in dem ich ins Amt kam, einen Verlust von sage und schreibe 730 Millionen DM gemacht.

    (Dr. Apel [SPD]: Das war in der Stahlindustrie überall so, Herr Kollege Stoltenberg! Was hat Hoesch gemacht? — Roth [SPD]: Was hat Klöckner gemacht?)

    — Überall so? — Sie haben keine Ahnung. Jedes Privatunternehmen wäre in dieser Situation — mit 730 Millionen DM Jahresverlust bei 10 Milliarden oder 12 Milliarden DM Umsatz — in Konkurs gegangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Apel [SPD]: Wer hat denn Krupp gerettet?)

    — Vergleichen Sie mal die Verluste dieses Jahres mit anderen.

    (Roth [SPD]: Sie haben ja Krupp-Erfahrung!)

    — Wir reden zur Zeit von Bundesunternehmen, Herr Kollege Roth, bleiben Sie mal ganz schön bei der Sache.
    Ich habe persönlich sehr viel Zeit und Kraft darauf verwandt, zwei Dinge in die Wege zu leiten: einmal die Zurückführung der Verluste bei denen, die in dieser schweren Krise waren. Ich habe noch in der vergangenen Woche viele Stunden mit dem Vorstand des Salzgitter-Konzerns und dem Aufsichtsratsvorsitzenden über die aktuelle Situation gesprochen, die nicht problemfrei ist — wenn wir an den Schiffbau denken —, aber immerhin dazu führt, daß der Konzern zum zweitenmal wieder einen, wenn auch geringen Überschuß gemacht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit derselben Gründlichkeit haben wir uns mit den Unternehmen auseinandergesetzt, die auf Grund ihrer Ertragssituation, ihrer Wirtschaftslage, für eine Privatisierung in Frage kommen.
    Es hat im Laufe der Jahre — ich könnte es nicht sicher sagen — vier oder fünf Kabinettsvorlagen, mit den beteiligten Kollegen sorgfältig erarbeitete Vorlagen des Bundesfinanzministers, gegeben, um die Voraussetzungen für Privatisierungsschritte von der Bestandsaufnahme und der Einschätzung der Wirtschaftlichkeit her zu entwickeln.
    Ich glaube — ich sage es ohne Überheblichkeit —, ich habe mehr Zeit und Kraft in diese Aufgabe investiert als Sie in Ihrer Amtszeit. Deswegen weise ich diese arroganten Vorwürfe — „ohne Bestandsaufnahme und Prüfung" — mit Entschiedenheit zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Apel [SPD]: Mein Gott noch mal! Majestät, ich bitte untertänigst um Entschuldigung!)

    Es ist die glatte Unwahrheit, die hier von Herrn Apel verkündet wird. Jede Entscheidung ist nach intensiven Diskussionen mit Vorständen und Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen worden.
    Also, Herr Apel, wenn Sie das nicht gut ertragen und „Mein Gott noch mal" rufen, dann will ich Ihnen mal sagen:

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie machen doch den Beleidigten!)

    Mit einem Oppositionssprecher, der — aufgeschrieben — hier sagt: „Ungerechtigkeit ist das Prinzip Ihrer Politik", werde ich hart ins Gericht gehen. Wir nehmen das nicht hin.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Das ist so!)

    Sie müssen sich überlegen, was Sie aufschreiben, Herr Kollege Apel. Sie haben sich disqualifiziert. Sie sind mit solchen Sätzen für mich kein fairer, anständiger Partner.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bindig [SPD]: Das hat gesessen! Die Rede von Apel war gut! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Jetzt wird geantwortet, meine Herren. Wer hier pausenlos unter die Gürtellinie schlägt, bekommt von uns heute und auch in den kommenden Monaten die Antwort, die notwendig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wo haben Sie denn Ihren Gürtel?)

    Nein, wir haben erfreulicherweise die wirtschaftliche Situation der Bundesunternehmen erheblich gestärkt. Es ist nicht richtig, Herr Kollege Apel, daß, was VW betrifft, dies sozusagen eine Überraschungsaktion war. Ich kann nicht sicher sagen, ob es die letzte oder vorletzte Kabinettsberatung über Bundesbeteiligungen war,

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Die vorletzte!)

    also, ob es im Jahre 1985 oder 1986 war, aber dort war bereits in der Kabinettsvorlage des Bundesministers der Finanzen klar gesagt, daß zu prüfen sei, ob auf Dauer ein Bundesinteresse an dieser Form der Beteiligung bestehe. Wir haben die Prüfung durchgeführt und dem Kabinett nach ihrem Ergebnis die erforderlichen Vorschläge gemacht.

    (Roth [SPD]: Klasse!)

    Ich muß auch sagen, Herr Kollege Apel, daß Ihre massiven Attacken, auch persönlichen Attacken, zur Landwirtschaftspolitik und Vorsteuerpauschale alles andere als glaubwürdig sind.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Der bringt alles durcheinander!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Einmal machen Sie hier bewegte Ausführungen über die Nöte der Bauern und versichern, daß Sie ihnen helfen wollten, und dann kommen Sie hier mit unwahren und unaufrichtigen Polemiken gegen mich persönlich wegen der Erhöhung der Vorsteuerpauschale.

    (Dr. Apel [SPD]: Das war doch so! Das haben Sie doch über Nacht gemacht! Mein Gott noch mal! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Die Erhöhung der Vorsteuerpauschale ist das Ergebnis wochenlanger intensiver Beratungen in der Führung der Koalition gewesen, nicht das Ergebnis einer Nacht-und-Nebel-Aktion.

    (Roth [SPD]: Millionen und Millionen für die Großen! — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das wissen Sie selber nicht, wie die gewirkt haben!)

    — Wenn Sie, Herr Kollege Roth, nun wieder sagen: „Millionen und Millionen für die Großen", dann muß ich Sie daran erinnern: Wir sind auch deshalb auf die Vorsteuerpauschale gekommen, weil in einer schwierigen, aber nicht so schwierigen Lage der Landwirtschaft im Jahre 1970 die Regierung Willy Brandt genau dasselbe Instrument der Vorsteuerpauschale zur Unterstützung der Landwirtschaft angewandt hat.

    (Roth [SPD]: Man hat doch die Wirkung gesehen! Man kann doch einen Fehler korrigieren!)

    — Nein, man kann nun wirklich nicht sagen: Das, was wir 1970 mit der Anhebung der Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft getan haben, vertreten wir, weil es sachgerecht und sozial akzeptabel ist, aber wenn ihr dies tut, ist es eine Begünstigung der Großen auf Kosten der Kleinen. Das ist völlig unglaubwürdig.

    (Zuruf von der SPD: Man kann doch lernen!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Apel?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, Herr Kollege Apel, ich möchte jetzt im Zusammenhang sprechen. Entschuldigung!

    (Lachen bei der SPD)

    Wir haben Sie hier über eine Stunde gehört.

    (Zuruf von der SPD: Warum dann keine Zwischenfrage?)

    — Ach, ich habe da keine Probleme, wie Sie wissen. Aber wir haben Sie, Herr Apel, über eine Stunde gehört, und ich möchte jetzt jedenfalls einen Teil der Verdrehungen und Unrichtigkeiten in einer noch angemessenen Redezeit wieder klarstellen können.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Fragen Sie doch mal Herrn Heeremann, was er von der Vorsteuerpauschale hält!)

    — Ich spreche über das Verfahren und die Gründe. Sie sind vollkommen unglaubwürdig, wenn Sie ein Instrument, das Sie 1970 bis 1978 angewandt haben, heute ständig als unsozial brandmarken wollen.

    (Zuruf von der SPD: Wir haben daraus etwas gelernt!)

    Das genügt nicht einmal mehr den Ansprüchen Ihrer eigenen Mitglieder, geschweige denn den Ansprüchen der kritischen Wähler in unserem Lande.

    (Dr. Apel [SPD]: Um Gottes willen, Majestät ist beleidigt, ich bitte untertänigst um Entschuldigung!)

    — Nein, Herr Kollege Apel. Ich fühle mich unangenehm berührt, da Sie mich als evangelischen Christen apostrophieren. Ich habe gewisse Vorstellungen darüber, was man tut und was man nicht tut. Sie haben mich als evangelischen Christen im Plenum des Deutschen Bundestages angesprochen, aber in diesem Zusammenhang mit einem moralischen Vorwurf falsch zitiert.

    (Zuruf von der SPD: Du sollst kein falsches Zeugnis reden!)

    Ich habe mehrfach vor dem Appell an den Sozialneid gewarnt. Aber diese Warnung galt nicht, wie Sie unterstellt haben, den sozial Schwachen, sondern sie galt Funktionären der SPD, die nach meiner Meinung auf diesem Gebiet Schlimmes anrichten. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie dann auf persönliche christliche Überzeugung abheben, was mich nicht beschwert, denn ich bekenne mich dazu, dann will ich allerdings unter dem Vorzeichen in einer Diskussion unter überzeugten Mitgliedern unserer Kirche oder unserer Kirchen — denn wir haben j a eine ökumenische Tradition — folgendes hinzufügen: Obwohl ich nicht Theologie studiert habe

    (Zuruf von den GRÜNEN: Gott sei Dank!)

    — ach, lassen Sie das doch —, ist mir doch aus meinem philosophischen Studium in Erinnerung, daß in der christlichen Theologie, und zwar sowohl in der katholischen als auch in der lutherischen, der Neid, die „invidia", eine der größten Gefährdungen und Sünden des Menschen ist. Das ist christliche Theologie und christliche Glaubenstradition. Deswegen ist die Warnung vor Neid oder vor Appell an den Neid nichts Unchristliches. Dies steht in der Tradition der christlichen Lehre und der christlichen Theologie.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Jetzt hält Kardinal Höffner auch Sie für unwählbar! — Dr. Vogel [SPD]: Ein Kirchenvater!)

    — Ich will mich in Ihre Kontroverse mit der katholischen Kirche nicht einmischen.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Nein, ich verwahre mich dagegen, daß Herr Kollege Apel eine Warnung, die an Funktionäre der
    SPD gerichtet ist, in eine Kritik an den sozial



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Schwachen umfälscht. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Ich sage das nur zur Klarstellung.

    (Dr. Apel [SPD]: Wie aber steht es mit der Tugend der Gerechtigkeit?)

    „Invidia" beschreibt wohl im sprachlichen Bezug die Tatsache, daß man den anderen nicht mehr sieht. Politiker wie Apel, die ständig Tatsachen verdrehen, verführen in der Tat dazu, daß man die Motive des anderen nicht mehr erkennt. Das ist in diesem Zusammenhang das Problem.

    (Beifall bei der CDU/CSU — von Hammerstein [CDU/CSU]: Und da spricht er von Nächstenliebe!)

    Herr Kollege Apel, ich habe das mit großer Entschiedenheit gesagt, weil ich Sie dringend auffordern möchte, einen Satz, der auf mich oder die Regierung bezogen war, „Ungerechtigkeit ist das Prinzip seiner oder ihrer Politik", nicht zu wiederholen.

    (Dr. Apel [SPD]: Dabei bleibe ich aber!)

    — Ja, dann bleiben Sie mal dabei; aber dann werden wir Ihnen auch weiterhin mit großer Härte die Unaufrichtigkeit und Unwahrhaftigkeit der Aussagen vorführen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und FDP — Zuruf von den GRÜNEN: Auge um Auge, Zahn um Zahn!)

    Meine Damen und Herren, die Trendwende bei den Investitionen ist erreicht. Ich sage das mit Blick auf Ihre unvollständigen Zahlen. Sie haben ja einige Zahlen gebracht, die aus dem Zusammenhang gerissen waren, die aber insofern nicht das richtige Gesamtbild bieten. Wir haben allein in den Jahren 1985 und 1986 eine Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen um 20 % zu verbuchen oder in der Vorhersage auf die letzten Monate zu erwarten. Zweifellos sind die Ausrüstungsinvestitionen das Entscheidende für die Modernisierung unserer Volkswirtschaft und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das stimmt seit einigen Jahren auch nicht mehr!)

    Der Trend — er ist hier mehrfach beschrieben worden, auch von Herrn Kollegen Carstens und Herrn Kollegen Weng — der Zunahme der Beschäftigung geht weiter. Wir können ihn zu den erhofften Ergebnissen mit einem deutlicheren Rückgang der Arbeitslosigkeit nur bringen, wenn wir einen hohen Stand in Ausrüstungsinvestitionen erhalten. Was immer sonst möglich ist — flankierende Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, die ja vieles tut, mehr als in der Regierungszeit vor 1982; auch durch die wichtigen Beiträge der kommunalen Investitionen, der öffentlichen Investitionen —, kann diese entscheidende Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen in der deutschen Volkswirtschaft nicht ersetzen, allenfalls flankieren.
    Herr Kollege Apel, was Sie hier vorgetragen haben, um die Aussage zu entkräften, daß die Anträge oder jedenfalls die Vorschläge Ihrer Partei zum Steuerreformtarif 1988 und in der weiterführenden
    Perspektive Millionen von Arbeitnehmern stärker belasten als unsere Beschlüsse und Absichten, ist nicht überzeugend. Ich habe mir während Ihrer Rede noch einmal die kurz zitierte Aufzeichnung meines in seiner fachlichen Kompetenz unbestrittenen Referats zur Hand genommen. Ich will eine Zahl ergänzen.

    (Ströbele [GRÜNE]: War das ein Eigenlob?)

    — Nein, ich spreche von Beamten meines Hauses; das ist kein Eigenlob. Ich habe sie ja gar nicht eingestellt. Ich habe heute morgen schon gesagt, daß sie bereits von meinen Vorgängern dort berufen worden sind.

    (Haehser [SPD]: Wenn Sie die nicht hätten, dann wären Sie noch schlechter dran!)

    Ich will Ihnen das ergänzend noch einmal kurz sagen, weil Sie das bestritten haben. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 41 000 DM für den Berufstätigen — natürlich 82 000 DM für das Familieneinkommen; aber man muß j a wohl auch die erste Zahl nennen — ist es in der Tat so, daß Ihre Vorschläge 1988 gegenüber unserem Gesetzesbeschluß zu einer Entlastung von 38 DM im Jahr führen würden. Aber schon bei dieser Einkommensgruppe würde der Grenzsteuersatz für diesen Arbeitnehmer nach dem Gesetzesbeschluß der Koalition von 38,3% auf 43,7 % ansteigen. Das heißt: Der folgende Tarifsprung bei jeder weiteren Lohnerhöhung oder Einkommensteigerung ist nach Ihren Plänen so stark, daß es kein Trick, sondern die Beschreibung des Sachverhalts ist, den ich hier ausgeführt habe. Bereits nach zwei, drei Tarifrunden werden dieser Arbeitnehmer und auch seine Kollegen mit 38 000 DM und 40 000 DM höher besteuert als nach den Beschlüssen der Bundesregierung.

    (Zuruf des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    — Herr Weng, ich weiß nicht, ob er es nicht begriffen hat. — Ich will — weil es bestritten wurde — hier nur noch einmal die Begründung deutlich machen, die ja eine große Bedeutung für die steuerlichen Rahmenbedingungen für die berufstätigen Menschen und vor allem auch die Arbeitnehmer hat.
    Man kann die momentanen Wirkungen einer Steuerentlastung, die Verteilungswirkung im Jahre des Inkrafttretens, nach meiner festen Überzeugung nicht zum alleinigen Maßstab machen. Man muß bei der Diskussion über einen neuen Tarif auch davon ausgehen, wie sich dies für jene auswirkt, die heute 35 000 DM haben, die aber die berechtigte Hoffnung haben, in sechs, acht oder zehn Jahren durch Tarifverhandlungen und beruflichen Aufstieg 45 000 DM, 48 000 DM oder 50 000 DM zu verdienen. Es ist ja wohl die Berufsperspektive der großen Mehrzahl der arbeitenden Menschen, daß ein momentanes Einkommensniveau nicht fixiert ist.

    (Dr. Apel [SPD]: Wir haben die Tarife alle zwei bis drei Jahre angepaßt! Nun hören Sie doch mit diesen Tricks auf!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    — Sie können nicht behaupten, in Ihrer Regierungszeit seien die Tarife alle zwei bis drei Jahre angepaßt worden. Das können Sie nicht ernsthaft behaupten.

    (Dr. Apel [SPD]: Bei Ihnen nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Nein, das kann man fairerweise auch nicht versprechen. Man muß jetzt wirklich einen grundlegenden Reformtarif schaffen, der diese Grenzbelastungen für die berufstätigen Menschen beseitigt,

    (Dr. Apel [SPD]: Sagen Sie doch mal, wie er aussieht!)

    und man muß dafür sorgen, daß wir nicht mehr in dem Maße inflationär bedingte Steuermehrbelastungen haben, wie das in Ihrer Zeit der Fall war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)