Rede:
ID1022701600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. der: 2
    2. Das: 1
    3. Wort: 1
    4. hat: 1
    5. Bundesminister: 1
    6. Finanzen.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Kollege Müller gerade gesagt hat, es seien nur drei Sozialdemokraten da

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Jetzt vier!)

    — ein vierter ist jetzt zugewandert —, hat er nicht nach hinten geschaut; sonst hätte er gesehen, daß von der sozialdemokratischen Fraktion zwei Abgeordnete mehr im Raum sind.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Entschuldigung!)

    Er hat aber sicher in einem recht gehabt: Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Apel, hat den Raum verlassen.

    (Roth [SPD]: Er kommt gleich wieder!)

    Meine Damen und Herren, das muß ich nun doch einmal sagen: Wer über eine Stunde lang eine solche Rede hält, wie hier Herr Apel, und dann nicht bereit ist, sich wenigstens in den Erwiderungen der anderen Fraktionen das anzuhören, was in aller Kürze dazu gesagt werden muß, der benimmt sich zumindest unparlamentarisch.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Glos [CDU/CSU]: Er schämt sich seiner Rede!)

    Ich will das in aller Kürze — weil ich natürlich andere Dinge sagen will -- begründen. Herr Apel hat hier von Redlichkeit gesprochen, meine Damen und Herren. Er hat als eines der Beispiele die Zwangsanleihe genannt, die seinerzeit auf Grund eines Gerichtsurteils — das weiß er natürlich genau — und nicht auf Grund des politischen Willens — davon hat er nicht gesprochen — zurückgezahlt werden mußte.
    Er hat von Redlichkeit gesprochen und gesagt, innerhalb von 13 Regierungsjahren hätten der damaligen Koalition nur 13 Milliarden DM Bundesbankgewinn zur Verfügung gestanden, also pro Jahr 1 Milliarde DM. Meine Damen und Herren, im letzten Jahr waren es 10,5 Milliarden DM. Dann kann man ausrechnen, wieviel es in den zwölf Jahren vorher war. Meine Damen und Herren, ist ein solches Zahlenspiel Redlichkeit?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Daß der Sprecher der SPD-Fraktion hier keine Alternativen aufgezeigt hat, hat der Kollege Carstens ausgeführt.

    (Glos [CDU/CSU]: Das war bei Herrn Apel auch nicht zu erwarten!)

    Der Versuch einer Generalabrechnung ist schon deshalb gescheitert,

    (Glos [CDU/CSU]: Kläglich!) weil keine Alternative geboten wurde.

    Es ist, meine Damen und Herren, noch etwas ungewohnt, hier im neuen Ersatzplenarsaal des Deutschen Bundestages das Wort zu ergreifen. Natürlich



    Dr. Weng (Gerlingen)

    geht der Blick zunächst einmal etwas in die Runde.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Immer zur Tribüne! — Bohl [CDU/CSU]: Damit ist das Foto für den Wahlkreis gemacht!)

    Wir haben hier die Debatte über den Haushalt 1987. Das Haushaltsrecht als — mit gutem Grund — Königsrecht des Parlaments ist zumindest bei denjenigen von großem Interesse, denen es um die tatsächliche Mitarbeit des Parlaments geht.
    Der Blick fällt auf die Regierungsbank:

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Die ist leer!)

    Der Bundeskanzler und seine Regierung sind durch den federführenden Finanzminister Stoltenberg optimal vertreten.
    Dann fällt der Blick auf die Opposition, und es fällt der Blick auf die Bank des Bundesrats. Und siehe, der Kanzlerkandidat der Sozialdemokratischen Partei, der ja als Ministerpräsident des größten Bundeslands hier Platz nehmen und auch das Wort ergreifen könnte, fehlt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Dieses Fehlen, meine Damen und Herren, kann zwei Gründe haben. Es kann einen menschlichen Grund haben, nämlich denjenigen, daß auch seine eigenen Genossen ihm nicht gesagt haben, wo die heutige Sitzung stattfindet, so daß er jetzt oben durch die Baustelle irrt.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Da war mein Witz mit Herrn Wallmann besser!)

    Der zweite Grund ist der wahrscheinlichere: Er kneift. Das würde zu dem passen, was die Wochenzeitung „Die Zeit" in der vergangenen Woche zu Johannes Rau geschrieben hat:
    Das Dilemma der SPD offenbart sich auch in
    ihrem Spitzenkandidaten. Schweiß oder gar
    Tränen hat er bisher von niemandem verlangt.
    Das kann nur heißen, daß er mit unangenehmen Tatsachen nicht in Verbindung gebracht werden will.
    Meine Damen und Herren, nach der Wende nun der Wechsel, das hat Johannes Rau in Nürnberg gefordert. Dieser Wechsel ist nicht gedeckt. Wer wird denn irgend jemandem einen großen Betrieb anvertrauen, der gerade einen kleineren Betrieb konkursreif gewirtschaftet hat?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Ich sage das ausdrücklich deswegen, weil ich mit einigen Fakten aus dem Land Nordrhein-Westfalen belegen kann und belegen will, daß dieser Wechsel ungedeckt ist und daß dieser Wechsel platzen wird.

    (Bohl [CDU/CSU]: Das wird interessant werden! — Glos [CDU/CSU]: Wechselreiter!)

    Nordrhein-Westfalen macht nämlich deutlich, in welchem Maße unter dem augenblicklichen Ministerpräsidenten dort haushaltsmäßig und finanzpolitisch abgewirtschaftet worden ist.
    Man muß in einer Haushaltsdebatte — um den Fragen vorzugreifen — auch auf das hinweisen, was man nicht möchte. Wir möchten nicht die finanzpolitischen Verhältnisse, die das Land Nordrhein-Westfalen zu beklagen hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Noch im Jahr 1980 betrug dort der Anteil der Kommunen und der Kreise am Steueraufkommen des Landes 28,5%. Jetzt, nachdem die SPD in der zweiten Periode über die absolute Mehrheit verfügt, hat sie diesen Anteil im Gemeindefinanzierungsgesetz 1986 auf 23 % heruntergeschrieben.

    (Glos [CDU/CSU]: Das kann sie ja leicht machen! Die OBs sind alle Genossen!)

    Über 8 Milliarden DM Einnahmeverluste mußten die Gemeinden seit Beginn der 80er Jahre verkraften. Vergleichbare Zahlen beim Bund dagegen: die Einnahmen des Bundes erhöhen sich 1986 um mäßige 2 %, die der Länder um satte 6 %. Wie geht es in Nordrhein-Westfalen weiter? Zuschußkürzungen im Jahre 1987 von mindestens einer Milliarde DM für die Gemeinden, und die Einbeziehung des Grunderwerbsteueraufkommens in den allgemeinen Steuerverbund sowie weitere Maßnahmen werden zusätzliche Mindereinnahmen der Gemeinden von einer halben Milliarde DM zur Folge haben,

    (Glos [CDU/CSU]: Deshalb wollen die auch den Herrn Rau loshaben!)

    kein Wunder, wenn es hier zu Kürzungen bei den Sozialleistungen kommen muß und wenn die von der SPD andernorts immer lauthals proklamierte „Neue Armut" hier wirklich stattfindet,

    (Zuruf des Abg. Roth [SPD])

    im kommunalen Bereich notwendige Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Das sind die Folgen der genannten verfehlten Haushaltspolitik, für die allein die SPD und ihr dortiger Ministerpräsident Rau die Verantwortung zu tragen haben. Ein Schuldenstand von 100 Milliarden DM Ende 1988 und Zinsbelastungen von 6,7 Milliarden DM im Jahre 1987! Kein Wunder also, meine Damen und Herren, daß Johannes Rau heute lieber nicht hier sein will; denn das von ihm regierte Land Nordrhein-Westfalen ist schließlich in den Jahren seiner Regierung im Länderfinanzausgleich von einem reichen Geber- zu einem hochverschuldeten Nehmerland geworden.
    Dagegen steht der wesentliche Erfolg der Haushaltspolitik der Koalition seit 1982 und der auch hierauf fußenden Politik der Deutschen Bundesbank. Hier haben wir erreicht, daß sich z. B. die Wirtschaftssituation ganz eindeutig verbessert hat. Eine Vielzahl von Fakten belegt dies. Ein Wirtschaftswachstum von zirka 3% mit den daraus resultierenden Verbesserungen der Lebensumstände aller Bürger

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    und natürlich auch verbesserte Spielräume der öffentlichen Hände hat 1982 überhaupt niemand mehr für möglich gehalten. Niedrige Zinsen, bei denen wir sogar eine weitere Senkung erhoffen können, geben Privatleuten wie der Wirtschaft Spiel-



    Dr. Weng (Gerlingen)

    raum für Investitionen. Eine Preisstabilität mit einem unter null liegenden Steigerungsfaktor verbessert die Situation vor allem der sozial schwächeren Bürger in unserem Land, und die trotz des gefallenen Dollarkurses ausgezeichnete Situation unseres Außenhandels, der Überschuß in der Handelsbilanz ebenso wie in der Leistungsbilanz sind stabile Säulen der Wohlfahrt unserer Bürger.
    In diesem Rahmen, meine Damen und Herren, paßt sich jeder Entwurf des Haushaltsplans 1987 und des gleichzeitig vorgelegten Finanzplanes gut ein, ohne daß wir, ohne daß meine Fraktion, hierbei die Risiken übersehen würden, Risiken allerdings, die zunächst einmal bei uns Parlamentariern eine besondere Aufmerksamkeit wecken müssen und die in der Detailberatung im Ausschuß waches Handeln fordern. Wir wollen mit dem Ziel in diese Beratung einsteigen, die im Regierungsentwurf noch geplante Erhöhung der Nettokreditaufnahme für 1987 wieder abzubauen, d. h. Einsparungen von rund 600 Millionen DM bei einem Gesamthaushaltsvolumen von 271 Milliarden DM zu erreichen. Dies wird sicherlich keine leichte Arbeit sein, denn die freien Spielräume — das ist allgemein bekannt — wie auch die Haushaltsrisiken werden uns hier die Arbeit erschweren, um so mehr erschweren, als wir damit rechnen müssen, daß sich die Opposition an dieser Arbeit nicht ernsthaft beteiligen, sondern, wie gewohnt, alles fordern wird, was populär ist, aber nicht mit realistischen Finanzierungsvorschlägen dienen kann.

    (Bindig [SPD]: Sie lesen ja alles ab, und deshalb ist es falsch!)

    Es ist allerdings, Herr Kollege, wenn das richtig ist, wie es zitiert wird, eine unglaubliche Verweigerung der wichtigeren Oppositionspartei, nämlich der, von deren Bank aus Sie gerade gerufen haben, wenn Sie erklären, Sie würden beim Haushalt überhaupt keine Änderungsanträge vorlegen, weil Sie nach Ihrem selbst prognostizierten Wahlsieg im kommenden Januar sowieso einen ganz neuen Haushalt machen wollten.

    (Bindig [SPD]: Das ist richtig!)

    Wer erinnert sich dann nicht ganz schnell an die vollmundigen Äußerungen wiederum Ihres Kanzlerkandidaten Johannes Rau nach seiner damaligen Vorernennung zum Kanzlerkandidaten, er werde alle Kosten einsparen und Gesetze der augenblicklichen Koalition seit 1982 revidieren? Wer die daraus resultierenden Folgen für den Bundeshaushalt auch nur grob abschätzt, der braucht nicht lange nach dem Grund zu suchen, wenn er die Frage stellt, warum Johannes Rau heute nicht hier ist: Er kneift.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Parlamentarier der Koalition werden — wie auch in den letzten Jahren — natürlich nicht darauf verzichten, durch Umschichtungen eigene politische Schwerpunkte während der Beratungen zu bilden.
    Lassen Sie mich nur zwei von vielen Gesichtspunkten aufführen, die für unsere Haushaltsgruppe von besonderer Bedeutung sein werden.
    Erstens. Die Bildung des Umweltministeriums — und da will ich dem Herrn Kollegen Müller ganz ausdrücklich widersprechen — war für uns nicht Effekthascherei, sondern politisch-inhaltliche Aussage. Ich wundere mich, daß die Angehörigen der Parteien, die ein solches Ministerium lange und oft gefordert haben, jetzt, wo es gebildet ist, schon wieder am mäkeln sind.
    Es war für uns politisch-inhaltliche Aussage, denn für unser Land und seine Bürger wird dieses Ministerium in der Zukunft an wichtiger Stelle gestaltend wirken, und dies ja nicht als Eintagsfliege, sondern auf lange Jahre.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Dieses Ministerium ist ein Zombi!)

    Also muß in diesem Ministerium, das in der Kürze der Zeit gewisse Probleme bei der Gestaltung des Haushaltsentwurfs hatte, für eine Ausstattung Sorge getragen werden, die die künftige Arbeit erfolgreich zu gestalten verspricht.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Stellen haben sie geschaffen! Demokratie statt Leistung, Herr Weng!)

    In dieser Arbeit erwarten wir auch verstärkt die Mitwirkung der Umweltverbände und deren Bereitschaft zur Unterstützung der handelnden Politiker. Gerade diese Verbände dürfen sich nicht als Claqueure von Oppositionsparteien verstehen,

    (Schulte [Menden] [GRÜNE]: Das liegt doch an Ihrer Politik!)

    die nach dem Motto „Viel versprechen ist auch Politik" ihre Forderungen formulieren, die sie im Falle der Verantwortung dann aber, wie an mancher Stelle belegbar, schnell wieder vergessen.
    Umweltpolitik ist zu wichtig, um sie roten oder gar grünen Ideologen zu überlassen.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie sind nicht einmal ein gelber Ideologe! — Tatge [GRÜNE]: Er ist blaß und farblos!)

    Wie schnell die Sozialdemokraten umweltpolitische Forderungen von gestern vergessen haben, zeigt ihre Bereitschaft, jetzt massiv in die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern einsteigen zu wollen. Meine Damen und Herren, ich habe noch gut im Ohr, wie es vor wenigen Jahren, und zwar von allen Parteitagen der politischen Parteien, klang: Kohle und 01 sind viel zu schade, um verfeuert zu werden. Und was ist nun?

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Diese Bemerkung von damals ist nach meiner Überzeugung immer noch richtig. Die selbsternannten Umweltparteien haben sie vergessen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Dr. Weng (Gerlingen)

    Sozialdemokraten und GRÜNE wollen unseren Kindern eine Erde überlassen, in der diese Vorräte aufgezehrt sind.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist ja nun ganz neu! — Das Brett, das Sie vor dem Kopf haben, wird auf Ihre eigenen Füße fallen! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ihre eigenen Argumente fallen auf Sie zurück, Herr Kollege von den GRÜNEN.

    (Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Auf die Probleme der möglichen Erwärmung der Erdatmosphäre durch ständig steigende Konzentrationen von Kohlendioxyd will ich hier nur am Rande hinweisen.
    Meine Damen und Herren, zweiter wichtiger Punkt für uns: Der Haushalt 1987 muß in der Ausgabendisziplin die für die nächste Wahlperiode geplante Steuerreform vorbereiten. Diese Steuerreform — von meiner Partei zuerst gefordert — —

    (Abg. Suhr [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Suhr, ich möchte gern im Zusammenhang sprechen und bin Ihnen verbunden, wenn Sie hier auf eine Unterbrechung verzichten.

    (Tatge [GRÜNE]: „Zusammenhang" war jetzt sehr gut! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie versuchen, im Zusammenhang zu sprechen! — Zuruf des Abg. Roth [SPD])

    — Herr Kollege Roth, daß Sie es nicht merken, das glaube ich ohne weiteres.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Diese Steuerreform, die von meiner Partei zuerst gefordert wurde und die inzwischen erfreulicherweise vom Koalitionspartner in gleicher Weise getragen werden wird, soll ein mutiger Schritt zur Entlastung aller Bürger und zur Reduzierung der Staatsquote werden.

    (Dr. Spöri [SPD]: Wo ist die Finanzierung?)

    Dieser Schritt ist auch notwendig, denn ohne eine Senkung der Steuerlastquote würden wir 1988 den Wert von 1982 wieder erreichen. Wer erinnert sich nicht daran, daß damals die Regierung des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt nicht mehr die Kraft und den Mut hatte, die notwendigen Sparentscheidungen zu treffen, und daran scheiterte? Wenn also im Jahre 1987 die Finanzausgleichsmasse deutlich wird und wenn 1988 die zweite Stufe der bereits beschlossenen Steuerreform in Kraft tritt, in Kraft tritt mit den bekannt dringend erforderlichen Entlastungen in der Wirtschaft und den daraus resultierenden weiter verbesserten Investitionsbedingungen mit ihren Folgewirkungen auf die Arbeitsplätze, dann sollte doch spätestens zum 1. Januar 1989 die geplante große Reform in einem Schritt gewagt werden können.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Natürlich wird der erforderliche Subventionsabbau kein Zuckerlecken sein. Natürlich müssen wir auch ehrlicherweise sagen, daß nicht nur Zuwendungen, sondern auch Steuervergünstigungen als Subventionen zählen und daß deren Abbau für Betroffene eine Erhöhung der Steuerlast darstellt. Aber unter dem Strich soll bei dieser Reform für alle steuerzahlenden Bürger eine Entlastung stehen. Haushaltsdisziplin im Blick auf 1987 ist eine notwendige Voraussetzung für diese Pläne.
    Interessant ist, daß die Oppositionsparteien zu dieser geplanten Steuerreform ohne Konzept geblieben und nur mit Mäkelei angetreten sind. — Herr Apel ist inzwischen wieder eingetroffen.

    (Dr. Apel [SPD]: Ich habe mal etwas gegessen! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Was war es denn? — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Er hat aber bei Ihnen nichts versäumt!)

    — Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt, Herr Kollege. Nach Ihrer Rede hätte ich auch gern etwas gegessen. —

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Weng, das war gut!)

    Herr Apel hat hierfür jedenfalls beredten Beweis geliefert. Vielleicht ist diese Konzeptionslosigkeit aber auch ein Grund dafür, daß Johannes Rau der heutigen Debatte fernbleibt.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das sagen Sie bei Ihrer „Superreform"! Kein Detail bekannt, heiße Luft! — Roth [SPD]: Der Lambsdorff liest sogar bei seinem Parteifreund dauernd Zeitung! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Haushaltsdisziplin, meine Damen und Herren, bedeutet natürlich, daß wir den Wünschen aller Interessengruppen, die jetzt an uns herangetragen werden, äußerst reserviert gegenübertreten müssen.

    (Roth [SPD]: Lambsdorff liest Zeitung!)

    Und wer die Neigung von Verbänden kennt, sich hinter die entsprechenden Abgeordnetengruppen zu klemmen, der weiß auch, daß die Aufmerksamkeit unserer Haushaltsgruppe vor den Wünschen von Kollegen aus allen Fraktionen nicht aufhören darf und aufhören wird.
    Meine Damen und Herren, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und öffentlicher Wirtschaftsbeteiligungen in den Bereichen, in denen durch staatliches Handeln Wettbewerbsverzerrungen entstehen, und da, wo staatliches Handeln nicht erforderlich ist, ist für meine Fraktion von Anfang an ein ordnungspolitisches Anliegen von hoher Priorität. Insofern begrüßen wir, daß im vorliegenden Haushaltsentwurf durch die Privatisierung der Bundesanteile an VW und VEBA ein mutiger Schritt gemacht wird. Da Privatisierung für uns nicht nur der Haushaltsfinanzierung dienen darf, sondern, wie gesagt, ordnungspolitisch motiviert ist, werden wir dieses Thema weiter in der Diskussion halten und die Regierung mit konkreten Vorschlägen auch da weiterhin unter Zugzwang setzen, wo



    Dr. Weng (Gerlingen)

    keine großen Haushaltsauswirkungen zu erwarten sind. Wir hätten uns die jetzige Entscheidung auch ohne die Haushaltsdeckungslücke bei anderen Bundesunternehmen, z. B. im vergangenen Jahr bei der Deutschen Lufthansa, gewünscht. Das Beispiel der bürgerlichen Regierung in Frankreich sollte unsere Koalition und sollte unsere Regierung ermutigen — der Kanzler hat ja gerade wieder in Frankreich Gespräche geführt —,

    (Zuruf von der SPD: Hat er was gesagt? — Dr. Apel [SPD]: Herr Weng, schlafen Sie bloß nicht ein!)

    diesen für richtig erkannten Weg auch gegen Widerstände aus eigenen Reihen, gegen Widerstände, die ja bekannt sind und die sich am stärksten bei der CSU artikulieren, weiter zu beschreiten.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, zwar ist das Konsolidierungsziel noch lange nicht erreicht

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wann fangt ihr denn an?)

    und muß man mit Begehrlichkeiten rechnen, die wir immer wieder bremsen müssen, aber die Finanzpolitik des Bundes ist auf einem verläßlichen Kurs. Dies ist auch ein Grund dafür, daß die Nachrichten vom Arbeitsmarkt besser geworden sind, und zwar in einer Weise besser, die hier dokumentiert worden ist und bei der ich mich wundere, daß manche Kollegen in diesem Haus diese Besserung einfach nicht wahrhaben wollen. Man fragt sich manchmal, ob sie schlechtere Zahlen wünschen, um damit ihre Polemik betreiben zu können. Es ist ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen, es ist eine sehr deutliche Reduzierung der Zahl der Kurzarbeiter und eine Steigerung der Zahl der offenen Stellen zu verzeichnen. Das ist doch keine Selbstverständlichkeit nach den Entwicklungen, die erst 1983 zu ihrem vorläufigen Ende gekommen sind. Und daß die Beschäftigtenzahl deutlich zugenommen hat — ich will mich nicht absolut festlegen, aber es werden Zahlen von erheblich über 350 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen im Vergleich zu 1984 genannt —, beweist, daß die Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition auch in diesem schwierigen Bereich erfolgreich ist.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Und der Gewerkschaften!)

    — Ich verhehle nicht, daß an diesem Erfolg viele beteiligt sind, sicherlich auch die Gewerkschaften.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Okay!)

    Es sind sicher aber nicht alle Gewerkschaften, und bisher hat Ihre Fraktion in der heutigen Debatte gesagt, es sei gar kein Erfolg zu verzeichnen. Insofern freut mich Ihr Zwischenruf, Herr Kollege Bekker.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Das steht ja in der Bildzeitung!)

    Erfolg der Regierung ist natürlich etwas, was die Chancen der Opposition bei ihrem öffentlichen Auftreten und insbesondere die Chancen der Opposition im Hinblick auf kommende Wahlen mindert.

    (Suhr [GRÜNE]: Warten Sie mal ab, wie es in Bayern ausgeht!)

    Vielleicht ist dieses Gefühl, daß hier in einer offenen Diskussion, in einer ehrlichen Argumentation die Chancen der Sozialdemokraten gemindert werden, der Grund dafür, daß Johannes Rau heute nicht hier ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Was wissen Sie als Splitterpartei!)

    Meine Damen und Herren, wir sehen natürlich auch die Risiken für das Jahr 1987, Risiken, die z. B. im Bereich der Europäischen Gemeinschaft zu finden sind oder bei der Entwicklung der Wechselkurse und viele andere bekannte Risiken. Wenn solche Risiken zum Tragen kommen, wenn es tatsächlich Probleme gibt, werden wir wie im abgelaufenen Jahr — Stichwort Folgen von Tschernobyl, Stichwort Landwirtschaft, wo wir auf Grund der dort eingetretenen Sondersituation handeln mußten — diese Probleme lösen unter der Voraussetzung — und darauf hoffen wir —, daß die Wähler uns im Januar mit einem entsprechenden Votum ausstatten.
    Daß meine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik an der Gestaltung dieses Landes und an der Wohlfahrt der Bürger dieses Landes in vielfacher Weise beteiligt war, bedarf keiner Erwähnung.

    (Dr. Spöri [SPD]: Ihr klebt doch am Sessel!)

    Daß wir zur erneuten Übernahme von Verantwortung bereit sind, brauche ich nicht ausdrücklich zu betonen. Wir stellen uns überall unserer Verantwortung.
    Die Haushaltsberatung, die heute in erster Lesung beginnt, ist ein guter Ansatz, um die Leistungsfähigkeit der von uns mitgetragenen Regierungskoalition der Mitte erneut zu belegen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Apel, warm anziehen!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Grundsatzreden der Sprecher der vier Fraktionen möchte ich auf einige der Argumente eingehen, auf einige der Anregungen und natürlich auch auf die Attacken der Opposition.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Attacke, Herr Stoltenberg? Sehr militärisch die Sprache! — Gegenruf des Abg. von Hammerstein [CDU/CSU]: Du hast von Kampf gesprochen, das ist noch schlimmer!)

    — Zum Kampf gehört die Attacke, Herr Kollege.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Es ist selbstverständlich, daß zum Ende einer Wahlperiode mit Blick auf den Wahltermin harte Vorwürfe zu hören waren. Diese Vorwürfe müssen sich aber natürlich auf ihre sachliche Richtigkeit und Glaubwürdigkeit hin überprüfen lassen.

    (Dr. Penner [SPD]: Sie stehen auf dem Prüfstand!)

    — Nein, wir alle stehen auf dem Prüfstand. Sie haben ein obrigkeitsstaatliches Verständnis, wenn Sie sich hier ausschließen wollen, Herr Kollege Penner.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Noch ist das Ihr Haushaltsentwurf, Herr Stoltenberg!)

    In solchen Zwischenrufen werden manchmal die tiefen Schichten einer Partei sichtbar, die immer von Demokratisierung redet, aber da, wo sie regiert, rücksichtslos Minderheitenrechte mißbraucht.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Ach, Herr Stoltenberg, Sie haben doch den Haushalt eingebracht! — Weiterer Zuruf von der SPD: Der Minderheitenschützer!)

    — Es ist doch gut, wenn wieder etwas mehr Farbe in unsere Diskussion kommt.
    Herr Kollege Apel, was mich an Ihrer Rede nicht überrascht hat, sind harte, kritische Anmerkungen. Was mich überrascht und befremdet hat, ist die Leichtfertigkeit, mit der Sie mit Tatsachen umgehen, das Fehlen auch nur des Ansatzes einer eigenen programmatischen Alternative

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist doch falsch! — Roth [SPD]: Grundfalsch!)

    und — das muß ich zum Schluß sagen — einige nach meiner Überzeugung über das Maß des Erlaubten hinausgehende persönliche Verletzungen —

    (Zuruf von der SPD: Jetzt wird er lyrisch!)

    zu denen ich Ihnen eine Antwort geben will —, die um so erstaunlicher sind, wenn Sie sie dann noch als Fehlgriffe eines praktizierenden Christen kennzeichnen wollen.
    Zunächst zur Sache. Herr Apel, Sie waren, seitdem ich Sie kenne, auch in Ihrer Amtszeit als Bundesfinanzminister, schon immer großzügig im Umgang mit Tatsachen und Zusammenhängen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    So ist auch das geflügelte Wort von Ihnen damals entstanden. Als Sie die Wirkung der eigenen Steuergesetzgebung nach der Verabschiedung endlich begriffen hatten, mußten Sie sagen: Ich denke, mich tritt ein Pferd. Diese Art, eigene Positionen, Aussagen und sogar Entscheidungen, die Sie verantwortlich treffen, nicht sorgfältig zu prüfen, hat auch Ihre heutige Rede in schlimmer Weise gekennzeichnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben hier heute, bezogen auf die vier Jahre, in
    denen wir bei Etatberatungen im Bundeshaus Ar-
    gumente austauschen, einen absoluten Rekord an Verdrehungen gebracht.

    (Bindig [SPD]: Jetzt wollen Sie ihn überbieten!)

    Ich will das an einigen Punkten nachweisen; Ihr Redetext liegt ja vor.
    Sie haben unsere Entscheidung zur Städtebauförderung heftig kritisiert. Ihre Aussage war, wir hätten für zwei Jahre eine Verdreifachung vorgesehen, dann den Abfall auf Null, und das Ganze sei eine „Strohfeueraktion". Es ist Ihnen sicher bekannt — aber genauso sicher nicht allen Kolleginnen und Kollegen —, daß der Sachverhalt ein vollkommen anderer ist. Die Ministerpräsidenten der elf Bundesländer haben vor zweieinhalb Jahren die Forderung an die Bundesregierung gerichtet, im Rahmen der sogenannten Entmischung — das ist kein schöner Ausdruck —, der Auflösung von gewissen Gemeinschaftsfinanzierungen im Interesse der Überschaubarkeit und der Verantwortung des Bundestages und der Landtage, auch der Verwaltungsvereinfachung, den Städtebau auf die Länder zu übertragen. Auf Initiative der Ministerpräsidenten aller elf Bundesländer, darunter fünf Sozialdemokraten einschließlich Ihres Kanzlerkandidaten Johannes Rau, ist in intensiven Gesprächen, an denen ich persönlich teilgenommen habe, die mehrmals unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers stattfanden, folgendes vereinbart worden. Die Bundesregierung wird — auch das war ein Wunsch der meisten Länder — auf Grund der akuten Probleme im Bausektor ihre Mittel zunächst erheblich erhöhen. Sie wird sich dann schrittweise zurückziehen. Das ist eine formelle Vereinbarung des Bundes und der elf Länder, wobei sich die Länder verpflichtet haben, dann in ihrer Verantwortung für ein angemessenes Niveau zu sorgen, so daß von einem Abfallen auf Null gar nicht die Rede sein kann. Sie haben gerade feierlich verkündet, daß Sie mit Johannes Rau durch dick und dünn gehen wollen, und Sie sind nicht einmal bereit, Tatsachen und Entscheidungen, die von ihm geprägt sind, hier im Bundestag anständig darzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zweiter Punkt der Verdrehungen. Sie haben in einer arroganten Weise wahrheitswidrig unsere Entscheidungen zur Privatisierung behandelt.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Keine Noten!)

    — O ja, ich komme noch darauf. Ich komme noch auf zwei Zitate von Herrn Apel, die mich persönlich berühren, Herr Becker, die ich so nicht stehen lasse.

    (Zuruf von der SPD: Den Finger bitte wegstecken!)

    — Sie haben die Etikette im Hause nicht zu bestimmen. Wann ich meine Hand hebe oder nicht, liegt im Rahmen meiner persönlichen Freiheit.
    Herr Kollege Apel, Sie haben in einer arroganten und unzutreffenden Weise unsere Privatisierungsentscheidungen und ihre Vorgeschichte beschreiben wollen. Sie haben gesagt, das alles sei ohne



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Bestandsaufnahme und ohne wirtschaftspolitisches Konzept erfolgt.

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist nicht zu bestreiten!)

    — Herr Kollege Apel, dies ist die schlichte Unwahrheit.

    (Roth [SPD]: DSL-Bank!)

    Ich weise sie entschieden zurück. Ich habe, als ich von meinen Vorgängern — zu denen auch Sie gehören — die Verantwortung für den überwiegenden Teil der Bundesunternehmen und Bundesbeteiligungen übernommen habe, einige in einem höchst beklagenswerten Zustand vorgefunden. Der Salzgitter-Konzern hat in dem Jahr, in dem ich ins Amt kam, einen Verlust von sage und schreibe 730 Millionen DM gemacht.

    (Dr. Apel [SPD]: Das war in der Stahlindustrie überall so, Herr Kollege Stoltenberg! Was hat Hoesch gemacht? — Roth [SPD]: Was hat Klöckner gemacht?)

    — Überall so? — Sie haben keine Ahnung. Jedes Privatunternehmen wäre in dieser Situation — mit 730 Millionen DM Jahresverlust bei 10 Milliarden oder 12 Milliarden DM Umsatz — in Konkurs gegangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Apel [SPD]: Wer hat denn Krupp gerettet?)

    — Vergleichen Sie mal die Verluste dieses Jahres mit anderen.

    (Roth [SPD]: Sie haben ja Krupp-Erfahrung!)

    — Wir reden zur Zeit von Bundesunternehmen, Herr Kollege Roth, bleiben Sie mal ganz schön bei der Sache.
    Ich habe persönlich sehr viel Zeit und Kraft darauf verwandt, zwei Dinge in die Wege zu leiten: einmal die Zurückführung der Verluste bei denen, die in dieser schweren Krise waren. Ich habe noch in der vergangenen Woche viele Stunden mit dem Vorstand des Salzgitter-Konzerns und dem Aufsichtsratsvorsitzenden über die aktuelle Situation gesprochen, die nicht problemfrei ist — wenn wir an den Schiffbau denken —, aber immerhin dazu führt, daß der Konzern zum zweitenmal wieder einen, wenn auch geringen Überschuß gemacht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit derselben Gründlichkeit haben wir uns mit den Unternehmen auseinandergesetzt, die auf Grund ihrer Ertragssituation, ihrer Wirtschaftslage, für eine Privatisierung in Frage kommen.
    Es hat im Laufe der Jahre — ich könnte es nicht sicher sagen — vier oder fünf Kabinettsvorlagen, mit den beteiligten Kollegen sorgfältig erarbeitete Vorlagen des Bundesfinanzministers, gegeben, um die Voraussetzungen für Privatisierungsschritte von der Bestandsaufnahme und der Einschätzung der Wirtschaftlichkeit her zu entwickeln.
    Ich glaube — ich sage es ohne Überheblichkeit —, ich habe mehr Zeit und Kraft in diese Aufgabe investiert als Sie in Ihrer Amtszeit. Deswegen weise ich diese arroganten Vorwürfe — „ohne Bestandsaufnahme und Prüfung" — mit Entschiedenheit zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Apel [SPD]: Mein Gott noch mal! Majestät, ich bitte untertänigst um Entschuldigung!)

    Es ist die glatte Unwahrheit, die hier von Herrn Apel verkündet wird. Jede Entscheidung ist nach intensiven Diskussionen mit Vorständen und Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen worden.
    Also, Herr Apel, wenn Sie das nicht gut ertragen und „Mein Gott noch mal" rufen, dann will ich Ihnen mal sagen:

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie machen doch den Beleidigten!)

    Mit einem Oppositionssprecher, der — aufgeschrieben — hier sagt: „Ungerechtigkeit ist das Prinzip Ihrer Politik", werde ich hart ins Gericht gehen. Wir nehmen das nicht hin.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Das ist so!)

    Sie müssen sich überlegen, was Sie aufschreiben, Herr Kollege Apel. Sie haben sich disqualifiziert. Sie sind mit solchen Sätzen für mich kein fairer, anständiger Partner.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bindig [SPD]: Das hat gesessen! Die Rede von Apel war gut! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Jetzt wird geantwortet, meine Herren. Wer hier pausenlos unter die Gürtellinie schlägt, bekommt von uns heute und auch in den kommenden Monaten die Antwort, die notwendig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wo haben Sie denn Ihren Gürtel?)

    Nein, wir haben erfreulicherweise die wirtschaftliche Situation der Bundesunternehmen erheblich gestärkt. Es ist nicht richtig, Herr Kollege Apel, daß, was VW betrifft, dies sozusagen eine Überraschungsaktion war. Ich kann nicht sicher sagen, ob es die letzte oder vorletzte Kabinettsberatung über Bundesbeteiligungen war,

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Die vorletzte!)

    also, ob es im Jahre 1985 oder 1986 war, aber dort war bereits in der Kabinettsvorlage des Bundesministers der Finanzen klar gesagt, daß zu prüfen sei, ob auf Dauer ein Bundesinteresse an dieser Form der Beteiligung bestehe. Wir haben die Prüfung durchgeführt und dem Kabinett nach ihrem Ergebnis die erforderlichen Vorschläge gemacht.

    (Roth [SPD]: Klasse!)

    Ich muß auch sagen, Herr Kollege Apel, daß Ihre massiven Attacken, auch persönlichen Attacken, zur Landwirtschaftspolitik und Vorsteuerpauschale alles andere als glaubwürdig sind.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Der bringt alles durcheinander!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Einmal machen Sie hier bewegte Ausführungen über die Nöte der Bauern und versichern, daß Sie ihnen helfen wollten, und dann kommen Sie hier mit unwahren und unaufrichtigen Polemiken gegen mich persönlich wegen der Erhöhung der Vorsteuerpauschale.

    (Dr. Apel [SPD]: Das war doch so! Das haben Sie doch über Nacht gemacht! Mein Gott noch mal! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Die Erhöhung der Vorsteuerpauschale ist das Ergebnis wochenlanger intensiver Beratungen in der Führung der Koalition gewesen, nicht das Ergebnis einer Nacht-und-Nebel-Aktion.

    (Roth [SPD]: Millionen und Millionen für die Großen! — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das wissen Sie selber nicht, wie die gewirkt haben!)

    — Wenn Sie, Herr Kollege Roth, nun wieder sagen: „Millionen und Millionen für die Großen", dann muß ich Sie daran erinnern: Wir sind auch deshalb auf die Vorsteuerpauschale gekommen, weil in einer schwierigen, aber nicht so schwierigen Lage der Landwirtschaft im Jahre 1970 die Regierung Willy Brandt genau dasselbe Instrument der Vorsteuerpauschale zur Unterstützung der Landwirtschaft angewandt hat.

    (Roth [SPD]: Man hat doch die Wirkung gesehen! Man kann doch einen Fehler korrigieren!)

    — Nein, man kann nun wirklich nicht sagen: Das, was wir 1970 mit der Anhebung der Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft getan haben, vertreten wir, weil es sachgerecht und sozial akzeptabel ist, aber wenn ihr dies tut, ist es eine Begünstigung der Großen auf Kosten der Kleinen. Das ist völlig unglaubwürdig.

    (Zuruf von der SPD: Man kann doch lernen!)