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    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Jetzt erregen sich einige schon über die Geschäfts-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    ordnung. Wir haben schon erstaunliche Dinge vor uns.
    Meine Damen und Herren, in den kommenden Jahren geht es darum, weiteren Spielraum für Steuersenkungen, für eine anspruchsvolle Steuerreform zu gewinnen. Nur in Verbindung mit einer solchen wachstums- und beschäftigungsfördernden Steuerpolitik erscheint eine vorübergehende begrenzte Erhöhung der Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände vertretbar.
    Als wir im Herbst 1982 Regierungsverantwortung übernahmen, ging es um die alles entscheidende Frage, ob es gelingen würde, bei Bürgern und Verbrauchern, Sparern und Investoren neues Zukunftsvertrauen zu schaffen. Ein überzogener Glaube an die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates und die Geringschätzung privater Initiative und privaten Erfindungsreichtums hatten zu einer nachhaltigen Schwäche der Konstitution unserer Volkswirtschaft geführt. Das Ergebnis war nicht erst seit 1981 in der Rezession eine riesige Investitions- und Arbeitsplatzlücke.

    (Zuruf von der SPD)

    Es gab zunehmend Zweifel, ob das einstige Wirtschaftswunderland Deutschland seinen Platz unter den Spitzenländern der Weltwirtschaft würde behalten können.
    In dieser Situation war vor allem die Finanzpolitik gefordert. Sie mußte das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen, einen neuen Gleichklang mit der Geld- und Kreditpolitik erreichen, die Überlastung des Kapitalmarktes durch eine ausgeuferte öffentliche Verschuldung beenden. Sie mußte vor allem auch den ordnungspolitischen Grundlagen unseres Wirtschaftssystems neue Geltung verschaffen.
    In meiner ersten Haushaltsrede im Deutschen Bundestag im November 1982

    (Zuruf von der SPD: Heute Ihre letzte!)

    hatte ich den Ausgangspunkt unserer Aufgabe so beschrieben:
    Die Gesundung der Wirtschaft, die Sanierung der öffentlichen Finanzen und der sozialen Sicherungssysteme, die Lösung der Arbeitsmarktprobleme können nur in einer großen, über mehrere Jahre wirksamen Gemeinschaftsleistung erreicht werden. Patentrezepte gibt es nicht, und manche Einzelschritte werden in einer offenen und demokratischen Gesellschaft immer kontrovers bleiben. Aber unbestreitbar ist, daß eine Umverteilung zugunsten der Arbeitsplätze schaffenden und sichernden Investitionen zu den vordringlichsten Aufgaben gehört.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Bilanz, die wir heute, 1986, vorlegen, ist positiv.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Sie ist erschreckend!)

    Erstens. Seit der Jahreswende 1982/83 befindet sich die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs mit einem Basistrend von rund 3%.

    (Zurufe von der SPD)

    Die Kraft des Aufschwungs ist ungebrochen und erhält jetzt einen neuen Schub. Sie können heute in den Zeitungen die letzte Analyse des angesehenen Münchener Info-Instituts lesen. Sie geht auf Grund der letzten Daten von einem anhaltenden, sich verstärkenden Aufschwung auch über das Jahresende hinaus und einer weiteren Verbesserung der Beschäftigung aus.

    (Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Apel, ich habe eine Agenturmeldung gelesen, danach haben Sie heute morgen in einem Rundfunkinterview gemeint — wenn die Agenturmeldung korrekt ist —, daß wir die Gefahr einer Rezession für das nächste Jahr sehen müssen.

    (Dr. Apel [SPD]: So ist es!)

    Diese Aussage ist nach meiner Überzeugung unzutreffend.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist unverantwortlich!)

    Wenn Sie vor Ihrem Interview die Morgenzeitungen gelesen hätten, hätten Sie z. B. einen Bericht in der „Financial Times" lesen können, der folgendes sagt: Der international hoch angesehene wirtschaftswissenschaftliche Stab des Internationalen Währungsfonds hat in diesen Tagen seine Wachstumsprognosen für die großen Industrieländer neu bestimmt. Er geht mit einer sorgfältigen Begründung davon aus, daß wir im nächsten Jahr ein reales Wachstum von 3,2 % erzielen können. — Nun ist jede Einzelanalyse im Sommer oder im Frühherbst immer noch mit Ungewißheiten behaftet. Aber das, was dieser hochangesehene Stab des Internationalen Währungsfonds in Washington über unsere Perspektiven und Aussichten veröffentlicht hat, ist heute die wirtschaftswissenschaftlich vorherrschende Meinung. Die Opposition sollte kritisieren; aber Angst als Prinzip für Ihren Wahlkampf ist ein schlechter Ratgeber und wird Ihnen nicht bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die in den ersten Jahren des Aufschwungs dominierende Rolle des Exports ist mittlerweile von den Investitionen und von dem privaten Verbrauch übernommen worden. Unsere Volkswirtschaft hat wieder innere Kraft und Substanz gewonnen. Alle Prognosen gehen davon aus, daß sich der Aufschwung über dieses Jahr hinaus auch 1987 fortsetzt.
    Zweitens. Das Wirtschaftswachstum vollzieht sich bei Preisstabilität und damit ohne Gefahr eines Rückschlags durch Zielkonflikte zwischen der Geld- und der Finanzpolitik. Das ist die wichtigste Voraussetzung für eine nicht nur verbal, sondern tatsächlich soziale Politik und eine verläßliche Ent-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Scheidungsgrundlage für Sparer, Investoren und Verbraucher.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was stabile Preise z. B. für die Sparer konkret bewirken, zeigen die folgenden Zahlen. 1981 — in Ihrer Regierungszeit — haben sie auf ihre Ersparnisse rund 82 Milliarden DM an Zinsen erhalten. Das entsprach damals einem durchschnittlichen Zinssatz von 6,5%. Gleichzeitig hatten wir in jenem Jahr eine Inflationsrate von 6,3%. Das bedeutet, daß 97% — oder, in absoluten Zahlen, 80 Milliarden DM — der gesamten Zinsgutschriften für die Sparer durch die Inflation wieder aufgezehrt wurden. In diesem Jahr werden die Sparer auf Grund der gestiegenen Sparleistung rund 100 Milliarden DM Zinsen erhalten. Davon wird ihnen nichts durch die Inflation weggenommen. Das ist soziale Politik, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Denn die Sparer, die ihr Geld zur Sparkasse bringen, die Sparbriefe kaufen, die Schatzbriefe kaufen, sind nicht die sogenannten Reichen, sondern im wesentlichen die kleinen Leute,

    (Zurufe von der SPD)

    die besser als Sie wissen, was Geldwertstabilität für sie bedeutet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD — Ströbele [GRÜNE]: Vor allem die Arbeitslosen!)

    Drittens. Die anfänglichen Einschränkungen durch Konsolidierungs- und Stabilitätspolitik zahlen sich jetzt für alle, insbesondere für Arbeitnehmer und ihre Familien, in steigenden Realeinkommen aus. Nach Jahren schmerzhafter Einbußen an realer Kaufkraft — allein von 1980 bis 1982 gab es ein Minus von 3,9% — steigen 1986 die Nettoreallöhne je Beschäftigten um rund 4%. Das ist der stärkste Zugewinn seit 16 Jahren. In absoluten Beträgen bedeutet dies, daß die Arbeitnehmer in diesem Jahr durchschnittlich 900 bis 950 DM real mehr ausgeben oder sparen können als im vergangenen Jahr.

    (Zuruf von der SPD)

    Auch bei Renten und Sozialleistungen kommt es 1986 wieder zu einem spürbaren Zuwachs der verfügbaren Einkommen. — Nein, Herr Kollege, zu Ihrem Zwischenruf will ich Ihnen nur sagen: Wir haben bereits vor der Ölpreissenkung die Inflationsrate von über 5,5% im Jahre 1982 auf 2% zurückgeführt. Den größeren Teil der Leistungen haben wir mit unserer Politik vollbracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Ölpreissenkung kommt jetzt sozusagen mit einem weiteren Schub noch hinzu, der allen hilft.

    (Zuruf von der SPD: Stimmt doch gar nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Noch wichtiger ist aber, daß auch Renter und Sozialleistungsempfänger hiervon profitieren,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Die Nachfrage fehlt!)

    daß die Rentenversicherung, die vor vier Jahren kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch stand, wieder auf eine sichere Grundlage gestellt ist.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir sind damit in der Lage, das notwendige langfristige Rentenkonzept für die nächsten beiden Generationen sorgfältig zu erarbeiten.

    (Zuruf von der SPD: Wo ist das Konzept? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Darf ich weiterreden, Herr Kollege?
    Viertens. Die Rückführung der öffentlichen Neuverschuldung hat die Kredit- und Kapitalmärkte erheblich entlastet. Im Jahre 1982 beanspruchte die Nettokreditaufnahme aller staatlichen Ebenen in Höhe von 70 Milliarden DM fast 40% des gesamten Kapital- und Kreditangebots. 1985 waren es nur noch rund 20%. Das ist keine graduelle Verbesserung, sondern ein qualitativer Sprung zu einem Kapitalmarkt, auf dem die privaten Investoren und Nachfrager und nicht die öffentlichen Hände den Ton angeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und FDP)

    Die neue Ergiebigkeit der Kapitalmärkte zeigt sich in deutlich verlängerten Laufzeiten und in Zinssätzen, die heute nur noch etwa halb so hoch sind wie vor fünf Jahren.
    Fünftens. Die privaten Investitionen sind wieder der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist heute lohnender, in Sachkapital und damit in Arbeitsplätze zu investieren als in risikolose Staatspapiere.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

    Heute übertreffen die Sachrenditen die Renditen von Finanzanlagen um rund 5 Prozentpunkte. 1982 hatten umgekehrt die Finanzanlagen noch einen Vorsprung von 4 Prozentpunkten. Das ist unserer Volkswirtschaft nicht gut bekommen.
    Besonders kräftig entwickeln sich die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie. Sie werden voraussichtlich 1985 und 1986 zusammen um real rund 20 % zunehmen. Das ist das beste Ergebnis seit anderthalb Jahrzehnten. Erfreulicherweise nimmt auch die Zahl der arbeitsplatzschaffenden Erweiterungsinvestitionen dabei erheblich zu. Auch die Sachinvestitionen der öffentlichen Hand, die zu rund zwei Dritteln von den Gemeinden vorgenommen werden, wachsen wieder an.

    (Zuruf von der SPD)

    Die arbeitsplatzschaffende Veränderung des Sozialprodukts hin zu mehr Investitionen ist in Gang gekommen.
    Sechstens. Die gemeinsamen Anstrengungen von Staat, Wirtschaft und Tarifparteien finden jetzt in einer zunehmenden Zahl an Arbeitsplätzen ihren Ertrag. Seit dem Tiefpunkt der Beschäftigung ist



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    von Anfang 1984 bis Ende 1985 die Zahl der Arbeitsplätze um rund 300 000 gestiegen. In diesem Jahr werden voraussichtlich weitere 300 000 dazukommen. Das ist ein Anstieg von etwa 600 000 in knapp drei Jahren. Die Zahl der Kurzarbeiter ist seit Anfang 1983 um fast eine Million gesunken.

    (Zuruf von der SPD)

    Die vorhandenen Arbeitsplätze sind durch neue Investitionen und Innovationen zukunftssicherer und wettbewerbsfähiger gemacht worden. Seit Januar dieses Jahres liegt nun auch die Arbeitslosenzahl unter dem jeweiligen Vorjahreswert, und diese Tendenz verstärkt sich. Die Zahl der männlichen Arbeitslosen sinkt, übrigens schon seit Mitte letzten Jahres. Anders ist die Entwicklung bei den Frauen: Ihre Beschäftigtenzahl ist prozentual sogar noch stärker gewachsen als die der Männer, zugleich ist aber die Arbeitsplatznachfrage der Frauen noch nachhaltiger gestiegen,

    (Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

    so daß die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Frauen im Saldo bisher leicht zugenommen hat. Ich stelle das einmal ohne Wertung fest. Es zeigt aber, daß den strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muß.
    Meine Damen und Herren, der ausschließliche Blick auf die Globalzahlen läßt auch andere wichtige Entwicklungen außer acht. Trotz einer Arbeitslosenzahl von insgesamt immer noch mehr als zwei Millionen treten in manchen Branchen und Regionen bereits deutliche Zeichen von Arbeitskräftemangel auf — und dies nicht nur bei qualifizierten Berufen. Der Versuch der SPD — in Nürnberg unternommen —, die heutige Lage auf dem Arbeitsmarkt generell mit dem Begriff der Massenarbeitslosigkeit zu etikettieren und damit die Erinnerung an die Krise am Anfang der 30er Jahre heraufzubeschwören, ist analytisch unzutreffend und verstellt den Blick für eine wirksame Arbeitsmarktpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Das Erreichte ist für uns kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Unsere Anstrengungen müssen angesichts noch ungelöster Probleme und neuer Herausforderungen weitergehen. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor viel zu hoch. Sie noch nachhaltiger abzubauen, bleibt vorrangiges Ziel unserer Politik.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich kann mich nach dem Gesagten über Ihre Zwischenrufe nur wundern, meine Damen und Herren.
    Erschwert wird diese Aufgabe durch strukturelle Probleme, wie wir sie jetzt etwa in der Krise der Werften, im Bereich der Landwirtschaft haben, die von den Betroffenen ohne flankierende Hilfe des Staates nicht bewältigt werden kann.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wieviel?)

    Entscheidend ist jedoch, daß wir — trotz gezielter Hilfen zur Förderung solcher Anpassungen — unsere Kräfte auch künftig darauf konzentrieren, eine weitere Festigung und Verbreiterung des neu geschaffenen wirtschaftlichen Fundaments zu erreichen. Wir müssen unsere Volkswirtschaft weiter modernisieren. Wer aus Wissenschaft und Technik und ihrer Anwendung aussteigen will, nimmt uns jede Zukunftsperspektive zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir müssen unsere Volkswirtschaft wettbewerbsfähig halten und diese Wettbewerbsfähigkeit, soweit wir Einbrüche haben, wiedergewinnen, damit unser Gemeinwesen auch dann bestehen kann, wenn einmal wieder schwerere Wetter heraufziehen sollten.
    Die Koalition sieht einen entscheidenden Ansatz hierfür in einer umfassenden Steuerreform, die die überhöhte Steuerbelastung bei Bürgern und Wirtschaft weiter zurückführt und die Steuerstruktur nachhaltig verbessert.

    (Conradi [SPD]: Für wen?)

    Das ist die wichtigste finanzpolitische Aufgabe der kommenden Wahlperiode. Wir sehen darin auch den unmittelbarsten und besten Weg, um neue Kräfte für mehr Innovation und wirtschaftliche Dynamik freizusetzen.
    In der in Nürnberg bekräftigten Ablehnung der SPD, Steuerlast und Staatsanteil zu senken, wird die grundsätzliche Gegenposition zu unserer Politik deutlich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie treiben es doch in die Höhe! 42,7 %, Herr Minister!)

    Wir wollen in der Tat weniger Staat — d. h. konkret: weniger Administration und weniger Steuern —, weil wir der Ansicht sind, daß die meisten Menschen fähig sind, zu entscheiden, wie sie ihr Leben in Selbstverantwortung gestalten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir gehen auch davon aus, daß die Bürger am besten wissen, wofür und zu welchem Zweck sie ihr Geld ausgeben wollen.

    (Löffler [SPD]: Auch die, die keines haben, Herr Minister!)

    Wir sind aber nicht nur der Ansicht, daß die Menschen zur freien sittlichen Entscheidung in der Lage sind, sondern daß sie diese Freiheit auch wollen. Ich glaube nicht, daß der bevormundete Mensch das Bild der Zukunft sein kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir glauben, daß mehr Raum für selbstverantwortliche Entscheidung letztlich zu einer höheren Lebensqualität der Bürger führt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie müssen mir doch gestatten, die Grundgedanken unserer Gesellschafts- und Finanzpolitik hier einmal vorzutragen. Wenn Sie die nicht einmal mehr anhören können, dann ist das ein schlimmes Zeichen von Intoleranz, meine Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Fraglos gibt es auch in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung immer wieder Fehlentwicklungen und falsche Entscheidungen. Unzulänglichkeiten und Fehlverhalten werden unsere menschliche Existenz immer begleiten.

    (Zuruf bei den GRÜNEN: Wie bei der Bundesregierung!)

    — Ja, auch bei uns, aber bei Ihnen ist das besonders ausgeprägt, sehr verehrter Herr Kollege.
    Eine soziale Marktwirtschaft, in der sich persönliche Initiative im Wettbewerb nicht nur von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch von Ideen und sozialem Engagement entfalten kann, ist eher als andere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen in der Lage, mit neuen Herausforderungen fertig zu werden.
    Das Gleichgewicht zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung wird in einer dynamischen Gesellschaft immer wieder zur Diskussion stehen.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

    Eines steht für mich aber außer Frage: Mit einem Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttosozialprodukt von immer noch rund 47 % und einer Abgabenquote von über 42 % liegen wir weiterhin über dem, was notwendig und vertretbar ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP — Zuruf von der SPD: Sie haben doch die Abgabenquote hochgetrieben! — Lachen bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir haben das Defizit entscheidend verringert und damit den Spielraum, durch Steuersenkung auch die Abgabenquote zu verringern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: 42,7 %!)

    — Herr Vogel, seien Sie vorsichtig mit diesen Rechnungen! Ich komme noch auf einige dieser Rechnungen zurück.
    Daß dies in zwei Phasen geschehen muß, ist j a auch Ihnen erkennbar. Zunächst mußten wir dieses unerträgliche Defizit verringern, und jetzt geht es darum, die Steuer- und Abgabenquote zu senken. Das ist die Reihenfolge der Aufgaben. Ich werde aber noch Gelegenheit haben, wenn wir Ihre Rechnung gehört haben, im Rahmen der Debatte dazu im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich kündige ausdrücklich an, daß ich das vorhabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Jetzt haben wir aber Angst! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wir werden ganz nervös!)

    — Nein, das brauchen Sie nicht. Es ist nur eine Anregung, Ihre Unterlagen noch einmal etwas sorgfältiger zu studieren, Herr Kollege Vogel.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach Ihren Nürnberger Reden kann ich Ihnen das nur dringend empfehlen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Nürnberg hat Ihnen imponiert, was? — Weitere Zurufe von der SPD: Das geht unter die Haut! — Dr. Vogel [SPD]: Sie reden so viel von Nürnberg!)

    — Nein, aber ich habe das mit Interesse verfolgt.

    (Erneute Zurufe von der SPD)

    Es gibt für uns viele Anregungen zur kritischen Auseinandersetzung mit Ihnen. Das ist das Kennzeichen Ihres Parteitages gewesen.
    Wir brauchen nur einen Blick zurück auf die eigene Nachkriegsgeschichte zu werfen oder uns bei unseren wichtigsten Handelspartnern umzusehen. Ein leistungsfähiges, sozial verpflichtetes Staatswesen ist durchaus nicht darauf angewiesen, fast die Hälfte des Sozialprodukts durch seine Hände zu leiten. Dies hat nichts mit einer „weitgehenden Reprivatisierung der großen Lebensrisiken wie Alter, Gesundheit und Arbeitslosigkeit" zu tun, wie die Opposition kürzlich behauptet hat.
    Meine Damen und Herren, das Sozialbudget, die Summe aller sozialen Leistungen des Staates einschließlich der Sozialversicherung, erreicht in diesem Jahr mit 604 Milliarden DM einen neuen Höhepunkt. Auch das ist ein Datum in der Debatte über soziale Politik. Das sind 15% mehr als 1982. Die staatlichen Einkommensleistungen werden sich allein 1986 um über 6 % erhöhen — und dies, wie gesagt, bei stabilen Preisen. 1982, im letzten Jahr der sozialdemokratischen Regierung, stiegen die Einkommensleistungen gerade noch um 21/2% bei einer Inflation von 51/2 %. Klarer als mit diesem Zahlenvergleich kann im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre nicht demonstriert werden, wer wirklich soziale Politik betrieben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Märchenerzähler!)

    — Nein, das sind die Unterlagen des Statistischen Bundesamtes. Wenn Sie das schon zu einer Märcheninstitution erklären, haben Sie sich weit vom Boden der Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland entfernt, meine Herren. Das läßt schlimme Erwartungen für die kommenden Monate wach werden.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir wollen keinen überbordenden Staat, der willfährig einer Fülle von Einzelinteressen dient. Unser Staat soll seine Ansprüche begrenzen, aber handlungsfähig sein. Er soll seine eigentlichen Aufgaben wirksam erfüllen, Rahmenbedingungen setzen, Regionalpolitik gestalten, Wissenschaft und Forschung tatkräftig fördern und die sozialen Sicherungssysteme festigen und verläßlich erhalten.

    (Zuruf von der SPD: Das haben wir gemerkt!)

    Überhöhte Steuern und Abgaben lähmen die Leistungs- und Risikobereitschaft des einzelnen Bürgers .und schwächen die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Auch nach dem Steuersenkungsgesetz 1986/88 ist der Verdienst aus Tarifverträgen, persönlicher Mehrleistung und beruflichem Aufstieg immer noch zu hoch belastet. 1960 befanden sich nur 5% der be-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    rufstätigen Steuerzahler in der Progressionszone des Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifs. 1970 waren es fast 35%. 1990 werden es 70% sein. Der Anteil der direkten Steuern auf Arbeit und unternehmerische Tätigkeit am Gesamtsteueraufkommen beläuft sich heute auf fast 60 % gegenüber 50% in der Nachkriegszeit. Grenzbelastungen mit Steuern und Abgaben der Berufstätigen von 40 %, 50 % oder gar 60 % sind weit verbreitet, bei Arbeitnehmern wie bei Selbständigen.
    Meine Damen und Herren, die Zunahme der Schwarzarbeit, die schleichende Abwanderung in die Schatten- und Untergrundwirtschaft ist besorgniserregend. Jüngste Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit zeigen, daß bis zu 190 Milliarden DM oder 10 % des Bruttosozialprodukts ohne die Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erbracht werden.

    (Lutz [SPD]: Dann müßte die Regierung mal was tun!)

    Schwarzarbeit ist nicht nur eine schwere volkswirtschaftliche Last und eine Frage des Verlustes öffentlicher Einnahmen; sie ist vor allem ein moralisches, ein sozial-ethisches Problem. Es vollzieht sich hier ein schleichender, aber gefährlicher Prozeß der Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sehen hier einen Zusammenhang. Es geht in den kommenden Jahren deshalb auch darum, die bereits in dieser Legislaturperiode eingeleitete steuerpolitische Neuorientierung mit einer weiterreichenden Reform fortzusetzen. Im Jahreswirtschaftsbericht 1986 hat die Bundesregierung die Eckpunkte für eine umfassende Steuerreform dargestellt. Der Leitgedanke heißt: besser niedrige Steuersätze mit weniger Ausnahmen als hohe Steuersätze mit vielen Ausnahmen.
    Diesen Weg — ich sage das unseren Kritikern aus der SPD — beschreiten auch andere wichtige Industrieländer, auch solche, in denen Sozialdemokraten regieren, vor allem jetzt aber die Vereinigten Staaten von Amerika. Fast überall setzt sich die Erkenntnis durch, daß ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Tarifen die Arbeitsfreude und Leistungsbereitschaft der Menschen besser anerkennt und damit motiviert und die Risikobereitschaft und Investitionsfähigkeit der Unternehmen erhöht. Nicht die Geschicklichkeit im Umgang mit dem Steuerrecht, sondern die berufliche Leistung und die Risikobereitschaft zu Investitionen und neuen Arbeitsplätzen müssen wieder stärker honoriert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daher muß es bei dieser Steuerreform auch um einen Abbau von Steuervergünstigungen und Sonderregelungen gehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Steuersubventionen!)

    Weniger Ausnahmeregelungen wären nicht nur
    ordnungspolitisch ein Fortschritt, sondern auch ein
    Beitrag zur Steuervereinfachung und letzten Endes zu mehr Steuergerechtigkeit.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und die Realität?)

    In den Mittelpunkt aller unserer Überlegungen stellen wir den Lohn- und Einkommensteuertarif. Er greift in seiner Wirkung am weitesten, weil durch Tarifsenkung alle Steuerpflichtigen entlastet werden. Unsere Zielvorstellung ist ein linear-progressiver Tarifverlauf, verbunden mit einer deutlichen Anhebung des Grundfreibetrags und einer weiteren Verbesserung der Kinderfreibeträge.
    Die Einkommensteuer sollte auch deshalb im Mittelpunkt der steuerpolitischen Überlegungen stehen, weil sie zugleich die wichtigste Unternehmenssteuer ist. Neun von zehn Unternehmen sind Einzelfirmen, vor allem im Mittelstand, deren Gewinn unmittelbar bei den Unternehmern oder Mitunternehmern versteuert wird.
    Die Bundesregierung strebt zudem eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes an. Wir würden damit bei dieser wichtigsten direkten Unternehmenssteuer den internationalen Entwicklungen folgen und die Stellung unseres Landes als attraktiven Produktionsstandort verbessern.
    Dazu gehört auch eine weitere Rückführung bei den ertragsunabhängigen Steuern.
    Meine Damen und Herren, eine durchgreifende Steuerreform mit den hier kurz skizzierten Eckpunkten erfordert ein deutlich größeres Finanzvolumen als das Steuersenkungsgesetz 1986/88. Es ist klar, daß eine Größenordnung von etwa 40 Milliarden DM nicht ohne einen Teilausgleich finanziert werden kann.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Je weiter wir bei der Rückführung von Steuersubventionen und Sonderregelungen kommen, desto weniger brauchen wir die Anhebung einzelner Verbrauchsteuern in das Konzept einzubeziehen.

    (Lachen bei der SPD — Vogel [München] [GRÜNE]: Aber geplant ist es!)

    — Wenn Sie sich darüber amüsieren, muß ich Ihnen in Erinnerung rufen — auch Ihnen, Herr Apel —, daß in Ihrer Regierungszeit die Verbrauchsteuern um über 30 Milliarden DM angehoben worden sind, ohne eine angemessene Reform bei der Einkommen- und Lohnsteuer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Das ist die Unwahrheit! — Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht wahr!)

    — Ich könnte Ihnen die Statistiken nachweisen: Verbrauchsteuern einschließlich Mehrwertsteuer.
    In diesen Grundfragen künftiger Steuerpolitik gibt es einen klaren Gegensatz zur sozialdemokratischen Opposition.

    (Conradi [SPD]: Subventionsminister!)

    Die schon erwähnten Beschlüsse des SPD-Parteitages würden für die Mehrzahl der arbeitenden Menschen nach wenigen Jahren zu einem unerträglichen Anstieg der Grenzbelastung führen, deren



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Verringerung eine vorrangige Aufgabe aus Gründen der Gerechtigkeit ist.
    Offiziell wollen Sie, meine Damen und Herren der SPD, die Bürger als Alleinstehende mit einem steuerpflichtigen Einkommen ab 60 000 DM durch eine Ergänzungsabgabe zusätzlich zur Kasse bitten.

    (Conradi [SPD]: Wir werden unser Wort halten, Herr Minister!)

    Tatsächlich würde diese Mehrbelastung aber bereits früher eintreten. Nach einer Berechnung der zuständigen Beamten des Bundesfinanzministeriums —

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    — Was heißt hier „Aha"? Das sind bewährte, anerkannte Beamte, die von meinen Vorgängern in ihre Positionen berufen worden sind. Was haben Sie eigentlich gegen diese Experten?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nach einer Berechnung der zuständigen Beamten des Bundesfinanzministeriums hätten die Forderungen der Sozialdemokraten für die Neugestaltung des Steuertarifs 1988 gegenüber unserem Gesetzesbeschluß folgende Wirkungen: Ein lediger —

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist doch eine Horrorvision!)

    — Also, Sie sind schon in Opposition, bevor Sie die Zahlen kennen. Der Zustand der Daueropposition gegen alle Tatsachen und Berechnungen ist wirklich ein beklagenswerter. Ich muß Ihnen das sagen.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie kennen das!)

    Ein lediger Arbeitnehmer mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 41 000 DM soll nach Ihrem Vorschlag 1988 gegenüber unserem Gesetzesbeschluß für kurze Zeit um 38 DM jährlich bessergestellt werden. Aber die Grenzbelastung wird auch für ihn höher. Sein Kollege mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 48 000 DM würde nach Ihren Vorstellungen schon 1988 um 344 DM zusätzlich belastet werden. Bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 60 000 DM erhöhte sich dieser Betrag 1988 auf 1 898 DM. Meine Damen und Herren, auch der Arbeitnehmer mit heute 38 000, 40 000 oder 42 000 DM als Alleinstehender kann sich ausrechnen, daß er bei dieser Kurve, bei dieser Grenzbelastung, die Sie vorsehen, schon nach zwei, drei Tarifrunden von der SPD härter belastet würde als nach dem von uns in Kraft gesetzten Tarif für 1988. Der immer wieder verkündete Anspruch der Opposition, Arbeitnehmerinteressen zu vertreten oder der sozialen Gerechtigkeit zu dienen, erweist sich in der Finanzpolitik als völlig unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei allen Planungen zur steuerlichen Entlastung darf die Problematik der Sozialabgaben nicht in den Hintergrund treten. Steuersenkungen verlieren ihre Wirkung, wenn ihr Ergebnis durch höhere Sozialversicherungsbeiträge wieder beeinträchtigt wird.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Die Sozialabgaben zu stabilisieren erfordert vor allem grundlegende Entscheidungen im Gesundheitswesen.
    „Aha", sagen Sie, Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer hat denn gesteigert? 19,2 %, mein Lieber!)

    — Die Sozialabgabenquote ist von 1969 bis 1982 um fast 6 % unseres Bruttosozialprodukts angestiegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: In Ihren vier Jahren um 3 — Nein, Ihr Zwischenruf ist sachlich unrichtig. Wir können uns nachher darüber unterhalten. — Selbst die Herren, die ihn gar nicht gehört haben, lachen darüber. So weit geht die Solidarität bei den Genossen. Das ist schon eindrucksvoll. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


    (Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Steuerentlastungen setzen die Fortsetzung der bisher sparsamen und verläßlichen Haushaltspolitik voraus. Auch im Haushaltsvollzug 1986 verfolgen wir konsequent diese Linie. Unabweisbare Mehrausgaben von rund 1 Milliarde DM, die durch die Ausgleichszahlungen nach dem sowjetischen Reaktorunglück und durch die notwendigen Hilfsmaßnahmen für die deutsche Landwirtschaft begründet sind, werden wir mit Hilfe der beschlossenen Haushaltssperre auffangen können.
    Auf der Einnahmeseite kommen in diesem Jahr die dem Bund zustehenden Steuern bei jetzt sogar sinkenden Preisen etwas langsamer auf als veranschlagt. Bei den Verwaltungseinnahmen zeichnen sich jedoch Mehreinnahmen ab. Ich bin zuversichtlich, daß wir deshalb insgesamt einen positiven Abschluß für dieses Haushaltsjahr erreichen werden
    — im Rahmen der bewilligten Nettokreditaufnahme.
    Mit 271 Milliarden DM liegt das vorgesehene Haushaltsvolumen für 1987 nur um knapp 11 % über den Ausgaben von 1982. Im gleichen Zeitraum steigt das Bruttosozialprodukt mit voraussichtlich 28% nahezu dreimal so schnell.
    Werfen wir einen Blick zurück auf die fünf Jahre vor 1982, so war es damals genau umgekehrt: Die Zunahme der Bundesausgaben lag erheblich über dem Wachstum der volkswirtschaftlichen Leistung. Die ständige Ausdehnung des staatlichen Sektors, die von der SPD nach wie vor als politisches Ziel proklamiert wird, mündete seinerzeit in den fatalen Teufelskreis steigender Staatsquoten und zunehmender Haushaltsdefizite

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist doch eindeutig unredlich, das wissen Sie!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    und endete letztlich in der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktkrise zu Beginn der 80er Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ein Neubeginn und eine Neuorientierung war deshalb erforderlich. Wichtige Ergebnisse habe ich beschrieben. Wir richten unsere Bemühungen jetzt zunehmend auf die Verbesserung der Struktur des Bundeshaushalts. Auch hier sind wir vorangekommen, auch wenn wir nicht alle Ziele erreicht haben. Wir haben den Abbau beschäftigungswirksamer Investitionen gestoppt und den überproportionalen Anstieg der Personalausgaben und Zinsausgaben deutlich abgebremst.
    Herr Kollege Apel, auch zu Ihren öffentlichen Erklärungen will ich Ihnen sagen: Im Bundeshaushalt sind 1987 investive Mittel in Höhe von 34,9 Milliarden DM eingeplant. Das sind 3 Milliarden DM mehr als 1982. Hinzu kommen aber die Investitionen der Sondervermögen Bahn und Post

    (Dr. Apel [SPD]: Die waren immer drin!)

    mit voraussichtlich 25 Milliarden DM im Jahre 1987.
    — Ja nun, Sie haben seit 1982 eine wesentlich höhere Steigerungsrate. Es sind nämlich 81/2 Milliarden DM mehr als 1982. Wenn Sie diese Gesamtleistung des Bundes für Investitionen — Etat, Bahn und Post — zusammennehmen, dann muß ich feststellen, daß es falsch ist, wenn die Sozialdemokraten immer wieder behaupten, die Investitionen oder die Investitionsquote des Bundes sei abgesunken. Diese Behauptung ist unzutreffend.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Sie wollen sie absenken, der Finanzplan sagt es doch!)

    — Aber Herr Kollege Apel, wir wollen doch keine Silbenstecherei betreiben.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir wollen korrekt und ehrlich sein!)

    Wenn wir die Gesamtinvestitionen des Bundes im Etat plus Post und Bahn zusammennehmen, kommen wir zu einem deutlichen Anstieg der Investitionen und der Investitionsquote.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Äpfel und Birnen sind Obst, Herr Kollege!)

    — Nein, Investitionen, ob im Bundeshaushalt oder von der Bundespost getätigt, haben dieselbe volks-
    und arbeitsmarktpolitische Wirkung, unabhängig davon, in welchem Einzelplan oder Sondervermögen sie etatisiert sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mein Rat ist ja nur, sich nicht ausschließlich auf die Einzelpläne des Etats im engeren Sinne zu beschränken.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir kommen darauf noch zurück!)

    — Ja, gut, ich darf Ihnen diesen Vorschlag machen und mit guten Argumenten begründen.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Ich will Ihnen einmal zu Ihrer Kritik, die ich in der Presse hinsichtlich der schrittweisen Zurückführung der Mittel des sozialen Wohnungsbaus gelesen habe, sagen: Sie müssen sich nun wirklich daran erinnern, was die von Ihnen gestellte Regierung eingeleitet hat. Der Kollege Matthöfer hat als Bundesfinanzminister 1981 zu Protokoll gegeben — das können Sie j a nachlesen —, daß mit der damals erfolgten Verständigung mit den Ländern der Rückzug des Bundes aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus geboten sei. Sie haben damit begonnen; wir setzen das fort, und wenn wir dies fortsetzen, dann ist die Kritik aus Ihrer Richtung angesichts dieser Ausgangslage doch total unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Deutsche Bundespost will Ihre Investitionen in Sachanlagen — nach einer über 13%igen Steigerung im Vorjahr — im laufenden Jahr noch einmal um knapp 8 % erhöhen.
    Erhebliche zusätzliche Impulse gehen auch von dem ERP-Sondervermögen und den verbesserten Kreditangeboten der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank — insbesondere für den Umweltschutzbereich und kommunale Vorhaben — aus.
    Meine Damen und Herren, die notwendige Anpassung der Bauwirtschaft haben wir durch eine Reihe von Entscheidungen — vor allem im letzten Jahr — wirksam unterstützt. Heute sind Bauindustrie und -handwerk nach schweren Jahren aus der Talsohle heraus.

    (Zurufe von der SPD: Na!)

    Die Nachfrage nach Bauleistungen hat sich im ersten Halbjahr 1986 spürbar belebt. Bis Mitte des Jahres nahmen die Aufträge im Bauhauptgewerbe um 9 % zu; im gewerblichen und industriellen Wirtschaftsbau waren es 12,5 %.
    Meine Damen und Herren, auf Ihre Zwischenrufe will ich in zwei Punkten antworten. Sie konnten am letzten Wochenende in den Zeitungen lesen, daß der Verband des deutschen Baugewerbes, also der Verband, der die Interessen der Betroffenen vertritt, diese positive Entwicklung in einer Erklärung dargestellt und begrüßt hat, und auf derselben Seite stand, die SPD bestreite jede Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft. Mit solchen Dingen gewinnen Sie doch keine Glaubwürdigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wir haben die Zahl der Konkurse bedauert!)

    Herr Kollege Apel, zu der Grundsatzauseinandersetzung über Steuerpolitik, die sicher heute auch von Ihrer Seite geführt werden wird, will ich folgendes sagen: Die stärkste Zunahme ist, wie die genannten Zahlen zeigen, im gewerblichen und industriellen Wirtschaftsbau zu verzeichnen. Wir haben uns im letzten Jahr entschlossen, die Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude erheblich zu verbessern. Diese Entscheidung wirkt bei einem Zuwachs von 12,5 %. Sie sollten es endlich aufgeben, konkrete Verbesserungen bei Unternehmenssteuern, die wir eingeführt haben, um planen zu können, um Investitionen auszulösen und Arbeitsplätze zu sichern, als Geschenke für die Reichen abzuqualifizieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die günstigen Rahmenbedingungen mit niedrigen Hypothekenzinsen,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist der Grund!)

    stabilen Bau- und Grundstückskosten bei realen Einkommenszuwächsen geben jetzt auch dem privaten Eigenheimbau nach einem starken Rückgang wieder Impulse.
    Im Bereich der Subventionen ist ebenfalls eine differenzierte Analyse nötig.

    (Duve [SPD]: Weiß Gott!)

    Der Abbau von Steuervergünstigungen ist in diesen Jahren insgesamt nicht vorangekommen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

    Es gibt einzelne Ausnahmen bei der Reform der Grunderwerbssteuer. Insgesamt können wir mit dieser Bilanz nicht zufrieden sein. Nur, es ist, wie ich glaube, erlaubt, darauf hinzuweisen, daß auch Sie in einer längeren Zeit vorher keine besonderen Ergebnisse auf diesem Gebiet zu verzeichnen hatten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir haben auch nicht gesagt, wir wollten um 5 % senken! Wir haben auch nichts versprochen!)

    Diese Aufgabe stellt sich im Rahmen der vorgesehenen Steuerreform.
    Ich habe in diesen Jahren eines gelernt: Sonderregelungen und Steuersubventionen lassen sich auf breiter Front offensichtlich nur in Verbindung mit einer durchgreifenden Tarifreform abbauen. Dieser Zusammenhang ist mir vollkommen bewußt geworden,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    weil ich in diesem Punkte — das will ich Ihnen offen sagen — auch mit einigen Vorschlägen keine Erfolgserlebnisse hatte.
    Beim Abbau von Finanzhilfen, von Subventionen im Haushalt, haben wir eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen. Wenn die Globalzahlen 1987 dennoch einen leichten Anstieg um 700 Millionen DM ausweisen, so beruht dies im Saldo ausschließlich auf dem Mehrbedarf bei der Kokskohlenbeihilf e.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber nur für 1987!)

    — Ich spreche über den Haushalt 1987, Herr Wieczorek. — Auf Grund des Ende der 60er Jahre im Zuge der Neuordnung des Ruhrbergbaus vereinbarten Hüttenvertrages soll die deutsche Stahlindustrie deutsche Kokskohle zum niedrigen Weltmarktpreis verarbeiten. Der Bund und die Bergbauländer gleichen die Differenz zwischen den hohen deutschen Förderkosten und dem niedrigen Weltmarktpreis durch Subventionen aus. Vor allem



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    durch den Rückgang des Dollarkurses öffnet sich die Schere in diesem Jahr weiter. Die Folge ist — ich sage das als Finanzminister mit Bedauern; da gibt es einen Vertrag, den wir beachten müssen — ein nachhaltig steigender Subventionsbedarf, der nach der jüngsten Entwicklung der letzten zwei Monate sogar noch etwas über dem Ansatz des Regierungsentwurfs liegen kann. Um so wichtiger ist es, daß die 1985 von uns vereinbarte Neufassung des Hüttenvertrages nun mittelfristig auch zu einer Entlastung des Bundes und der Länder in diesem Bereich führt.
    Meine Damen und Herren, nun aber will ich Ihren heftigen Angriffen, zum Teil sehr massiven Attacken zum Subventionsthema, einen Punkt hinzufügen. Die SPD fordert auf breiter Front neue Subventionen und kritisiert uns, weil wir mit dem Subventionsabbau nicht genug vorankommen. Es ist deshalb erforderlich, über die ordnungspolitischen Voraussetzungen für die Bewilligung von Finanzhilfen zu diskutieren. Über 50% unserer Subventionen im Bundeshaushalt sind Transferleistungen, Sozialleistungen für einkommensschwächere Mitbürger. Soweit es sich um Zuschüsse und Darlehen für Wirtschaftsunternehmen handelt, sollte eines auch weiterhin unbestritten sein: Zunächst müssen die Eigentümer aus ihrem Betriebs- und Privatvermögen das Mögliche leisten, bevor der Staat mit Steuergeldern antritt. Das ist die langbewährte Praxis der Regierungen des Bundes und der Länder, auch jetzt bei den Diskussionen über zusätzliche Hilfen an mittelständische private Werften. Aber dieser Grundsatz soll nach Ansicht namhafter sozialdemokratischer Politiker offenbar dann nicht gelten, wenn es um die eigenen politischen Freunde geht.
    Der wohnungsbaupolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Herr Kollege Sperling, hat am Wochenende ganz ungewöhnliche Ausführungen zur Bewältigung der Krise der Neuen Heimat gemacht. Er erklärte im Gegensatz zu den Beteuerungen der Herren Breit und Hoffmann, des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden, die Gefahr eines Konkurses bestehe sehr wohl. Jetzt, so sagte der Kollege Sperling, gehe es um eine — ich zitiere — Konkursvermeidungsstrategie. Er fügte dann die Mitteilung hinzu, der Deutsche Gewerkschaftsbund habe beschlossen, keinen einzigen Pfennig mehr in seinen angeschlagenen Wohnungskonzern fließen zu lassen. Gefordert sei — ich zitiere noch einmal den Kollegen Sperling nach den Presseberichten vom Wochenende —, daß die Hauptbeteiligten, Gewerkschaften, öffentliche Hände und Banken, wie — so ist das Zitat — „in einem pokerhaften Spiel zusammenarbeiten sollten".

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist vernünftig!) — Ist das vernünftig,


    (Dr. Vogel [SPD]: Zusammenarbeit ist immer vernünftig!)

    zunächst, Herr Kollege Vogel, zu sagen, der Eigentümer gibt keinen Pfennig, und dann zu sagen, die müßten zusammenarbeiten?

    (Dr. Vogel [SPD]: Er verlangt es doch!)

    Dann stellt sich die Zusammenarbeit wahrscheinlich so dar, daß der Staat und die Banken das Geld geben und der Deutsche Gewerkschaftsbund es entgegennimmt. Das ist nicht unsere Vorstellung von Zusammenarbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: „Gewerkschaften" hat er doch gesagt!)

    Ich halte das auch in Verbindung mit Ihren Attacken gegen uns bezüglich Subventionen für einen unglaublichen Vorgang. Jeder, der sich ernsthaft mit den Problemen der Neuen Heimat befaßt hat, weiß spätestens seit Jahresanfang, daß ein tragfähiges Konzept ohne einen ganz erheblichen finanziellen Beitrag des Eigentümers nicht erreichbar ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kann selbstverständlich sein Milliardenvermögen in anderen Gewerkschaftsunternehmen, Versicherungen, Banken, Handelsunternehmen, aktivieren, um den berechtigten Interessen der Millionen Mieter, der Kreditgeber, der Geschäftspartner, nicht zuletzt der Mitarbeiter der Neuen Heimat zu entsprechen. Die von dem Kollegen Sperling offen unterstützte Weigerung des DGB, dies zu tun, entspricht nicht den elementarsten Grundsätzen sozialer Verantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das steht ja gar nicht in Ihrem Zitat!)

    — Ich zitiere, Herr Kollege Vogel, an Hand der nicht dementierten Berichte großer Zeitungen vom Sonnabend.

    (Dr. Vogel [SPD]: Der hat von Zusammenarbeit der Gewerkschaften usw. geredet! Was denn? Wollen Sie nicht zusammenarbeiten? — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ohne Eigenleistung! — Frau Dr. Timm [SPD]: Buhmann aufbauen, das ist billig!)

    — Was ich hier vorgetragen habe, ist ein nicht dementierter Bericht großer deutscher Zeitungen. Ich habe, weil ich mit solchen Zwischenrufen gerechnet habe, diesen in meinen Akten; ich stelle ihn nachher gern zur Verfügung. Meine Damen und Herren, dieser Auffassung widerspricht auch der von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Neuen Heimat, Herrn Breit, und seinen Kollegen so oft in anderen Zusammenhängen zitierte Grundsatz unserer Verfassung: Eigentum verpflichtet.
    Meine Damen und Herren mit etwa einem Drittel der Gesamtausgaben stellen die Mittel des Bundes für den Sozialbereich weiterhin den größten Ausgabenblock im Regierungsentwurf dar. Vor allem die Familie gewinnt mit unserer Politik wieder den ihr gebührenden gesellschaftspolitischen Rang. Wir haben ihre finanzielle Lage schon jetzt wesentlich verbessern können. Steuerliche Entlastungen für Kinder, Kindergeldzuschläge, höheres Wohngeld, Erziehungsgeld und die Anrechnung von Erziehungszeiten im Rentenrecht sind Bausteine einer neuen familienfreundlichen Politik. Ich bin sicher, daß auch im Rahmen der Steuerreform, die wir uns für die nächste Periode vorgenommen haben, die finanzielle Lage der Familie weiter verbessert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Die Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 werden nach einer Vereinbarung der Koalition stufenweise in die Regelung über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung einbezogen.

    (Zuruf von der SPD)

    In der Koalition ist abgesprochen, hierfür ab 1. Oktober 1987 finanzielle Vorsorge zu treffen. Zugleich wird die Verlängerung der Bezugszeit des Arbeitslosengeldes bei der Bundesanstalt für Arbeit eine Entlastung des Bundesetats bewirken. Wir wollen dem Haushaltsausschuß einen Ergänzungsvorschlag zu beiden Punkten machen, um Ihre Frage, Frau Fuchs, zu beantworten. Es wird sich in der Größenordnung etwa ausgleichen.
    Mit den für die Verteidigung eingeplanten Beträgen leisten wir unseren Beitrag für das Bündnis, das unseren Bürgern ein Leben in Freiheit und Frieden ermöglicht. Die Steigerungsrate von 2,8 — das entspricht etwa dem Haushaltswachstum — gewährleistet und verbessert die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Schwerpunkte sind hier die Verstärkung der Mittel für Wehrforschung und -technik sowie für die soziale Sicherung der Soldaten unter anderem durch die Erhöhung des Wehrsoldes und der besonderen Zuwendungen.
    Die Zinsausgaben sind weiterhin eine schwere Last. 308 Milliarden DM Schulden und eine jährliche Zinsbelastung von 26,6 Milliarden DM fand die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt vor. Wir haben den dramatischen Anstieg abgebremst, aber solange wir Kredite aufnehmen, wachsen die Zinsausgaben weiter. Unser langfristiges Ziel bleibt, die Entwicklung des Einzelplans „Bundesschuld" an den Trend der Gesamtausgaben des Bundes anzupassen.

    (Zuruf des Abg. Walther [SPD])

    Auch mit dem Haushalt 1987 leistet der Bund seinen Beitrag für gesamtwirtschaftlich oder regional bedeutsame Wirtschaftsbereiche, die einen schwierigen strukturellen Anpassungsprozeß vornehmen müssen oder durch eingreifende politische Entscheidungen in Bedrängnis kommen.
    Durch die Krise der EG-Agrarpolitik ist die Landwirtschaft weiterhin hart betroffen. Ihre heutigen Probleme sind nicht über Nacht entstanden, sondern das Ergebnis von Fehlern und Versäumnissen von anderthalb Jahrzehnten. Stetig wachsende Produktionsüberschüsse treiben die EG-Agrarmarktausgaben weiter in die Höhe, während die Einkommen der Bauern sinken. Erste Brüsseler Entscheidungen wie die Quotenregelung bei Milch und die Neuregelung bei Wein haben sektorale Entlastung gebracht. Aber wichtige Beschlüsse der Gemeinschaft für die Marktentlastung in anderen Bereichen stehen noch aus. Wir halten sie für dringend erforderlich.
    So bleibt die Aufgabe des Bundes und der Länder, einen Beitrag für die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe zu leisten, den raschen Strukturwandel in der Landwirtschaft zu flankieren und die Entwicklungschancen der ländlichen Räume zu verbessern. Wir wollen deshalb 1987 für die nationale Agrarpolitik 1,7 Milliarden DM mehr ausgeben als 1982. Hinzu kommen die steuerlichen Entlastungen.
    Das reicht nach Meinung sehr vieler Landwirte nicht aus, während andere, darunter Sprecher der SPD, die Höhe dieser Bundeshilfen heftig kritisieren. Die Kritiker möchte ich daran erinnern, daß die Mittel des Bundes für die Kohle in den letzten fünf Jahren etwa im selben Umfang gestiegen sind, prozentual sogar noch stärker, hier in voller Übereinstimmung aller Parteien.
    Für Schiffbau und Schiffahrt sind die Förderungsmittel des Bundes ebenfalls seit 1982 gestiegen, nach dem Haushaltsentwurf 1987 auf insgesamt 530 Millionen DM. Die schwere internationale Werftenkrise macht jetzt einschneidende Anpassungsmaßnahmen in den Küstenstandorten erforderlich. Wir sind bereit, für die Flankierung einen Beitrag zu leisten. Voraussichtlich ist eine Bundeshilfe an die Küstenländer nach Art. 104 a Grundgesetz der sinnvolle Weg. Ich fordere die Verantwortlichen des Schiffbaus und der Küstenländer auf, uns unverzüglich die erforderlichen Konzepte zuzuleiten, damit wir in Kürze konkrete Initiativen einleiten können.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, wir brauchen Anpassungskonzepte.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: In Ordnung! Akzeptiert!)

    — Ja. Da sind wir uns einig. Danke.
    Die Ausgaben für Forschung und Technologie haben wir in den Vorjahren ganz erheblich gesteigert. Für 1987 ist eine Zunahme um weitere 2 % auf rund 7,6 Milliarden DM vorgesehen. Innerhalb des Plafonds ergibt sich jedoch durch das Auslaufen der Zuschüsse für die beiden Reaktorlinien ein zusätzlicher Spielraum für die Großforschung und andere Schwerpunkte von rund einer Viertelmilliarde DM.
    Für unsere Beteiligung an der europäischen Weltraumforschung ist ein finanzieller Rahmen von 1 Milliarde DM eingeplant.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Sinnlose Verschwendung!)

    Für die nichtnukleare Energieforschung stehen über 400 Millionen DM zur Verfügung,

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist aber billig!)

    um den Förderschwerpunkten neue Energiequellen, rationelle Energieverwendung und Kohletechnologien Rechnung zu tragen.
    Im Einzelplan des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft haben wir erneut die Mittel für das Benachteiligtenprogramm aufgestockt. Wir können 1987 voraussichtlich 7 000 Auszubildende in Vollmaßnahmen und weitere rund 7 500 Jugendliche über ausbildungsbegleitende Hilfen neu fördern.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Dem neuen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stehen für 1987 rund 430 Millionen DM zur Verfügung.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: 0,2 %!)

    Schwerpunkte mit höheren Mitteln sind hier Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen bei der Luft- und Wasserreinhaltung sowie in der Abfallwirtschaft. Verstärkt sind ferner die Mittel für Forschungsvorhaben zugunsten des Umweltschutzes.
    Auf Ihren Zwischenruf zu jenem Betrag möchte ich unterstreichen: Den ganz überwiegenden Anteil der rasch wachsenden finanziellen Anforderungen im Umweltschutz müssen auch in Zukunft die Verursacher, also vor allem die Industrie und die Energieversorgungsunternehmen, zahlen.

    (Lachen bei den GRÜNEN — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wann machen Sie solche Gesetze?)

    Das muß weiter so bleiben.

    (Dr. Apel [SPD]: Wasserpfennig!)

    Der Regierungsentwurf sieht rund 200 neue Planstellen für den Umweltschutz und weitere rund 400 vor allem für die nachgeordneten Bundesbehörden vor. In gleichem Umfang sollen Planstellen eingespart werden. Auf den Bereich der inneren Sicherheit entfallen darüber hinaus 1 000 neue Stellen für den Bundesgrenzschutz. Der in jüngster Zeit weiter verstärkte Zustrom von Asylbewerbern stellt das Bundesamt in Zirndorf vor erhebliche Probleme. Wir haben im Regierungsentwurf eine Aufstokkung der Planstellen vorgesehen. Für eine weitere Verstärkung darüber hinaus, die wir dem Haushaltsausschuß vorschlagen wollen, empfehlen wir ebenfalls einen Ausgleich durch Wegfall von Planstellen im Gesamthaushalt.
    Wir vollbringen diese und andere wichtige Leistungen auf der Grundlage einer gegenüber Ländern und Gemeinden verhaltenen Entwicklung unserer Steuereinnahmen. Vor allem durch die erwähnte Übertragung von Steuereinnahmen des Bundes an die EG und die ungünstigere Steuerstruktur sinkt der Anteil des Bundes am Steueraufkommen. 1985 belief er sich auf 47,5 %. 1990 werden es nach den jetzigen Verteilungsrelationen nur noch 46 % sein. Deshalb wird es in der neuen Wahlperiode um eine angemessenere Regelung für den Bund gehen. Andernfalls müßten die Länder und Gemeinden einen wesentlich höheren Anteil der Aufgaben und Ausgaben im Bereich gemeinsamer Finanzierungen übernehmen.
    Soweit sich, wie bei Kokskohle und Werften, gegenüber dem Kabinettsbeschluß vom 2. Juli aus der Sicht der Bundesregierung Mehraufwendungen abzeichnen, werden wir dem Haushaltsausschuß entsprechende Einsparungsvorschläge machen. Die jüngste Entwicklung des Dollarkurses führt ja in einigen Bereichen auch zu Entlastungen.
    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich verpflichtet uns, die Grundsätze der Steuerverteilung zwischen den Ländern und die Bundesergänzungszuweisungen neu zu regeln. Ich hoffe hier auf die konstruktive Mitwirkung aller Beteiligten. Denn wir müssen erreichen, daß die Neuregelung 1987 vom Bundesgesetzgeber in Kraft gesetzt werden kann.

    (Dr. Apel [SPD]: Sehr gut!)

    Die Bundesregierung setzt ihre Politik der Privatisierung geeigneter Bundesbeteiligungen und Bundesunternehmen bei möglichst breiter Streuung der Aktien fort.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1984 haben wir einen großen Schritt bei der VEBA getan. In diesem Jahr sind 40 % der VIAG-Aktien privatisiert worden. In den nächsten Wochen folgen 45 % unserer Beteiligungen an der Industrieverwaltungsgesellschaft. Ab 1987 wollen wir u. a. die noch in Bundesbesitz befindlichen Anteile am Volkswagenwerk und der VEBA privaten Erwerbern anbieten und unser Engagement bei der Pfandbriefanstalt und der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank verringern. Darüber hinaus haben ganz oder teilweise im Bundesbesitz befindliche Konzerne aus ihrem Bereich Anteile an geeignete private Interessenten veräußert.

    (Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

    — Ja, Herr Kollege, Sie kommen mit der „Verschleuderung". Ich werde darauf eingehen.
    Wir befinden uns auch hier in einem internationalen Trend. Nicht nur liberal-konservative und christlich-demokratische Regierungen wie in Großbritannien, Frankreich und in den Niederlanden gehen diesen Weg. Auch die sozialistische Regierung Spaniens unter Felipe Gonzalez beschreiten ihn, so bei der stark beachteten Übertragung maßgeblicher Anteile und Funktionen der staatlichen SEAT an das deutsche Volkswagenwerk.

    (Zurufe von der SPD)

    — Das ist das Problem. Wir haben im Ausland, wo Sozialisten regieren, zu viele Betriebe, die im Staatsbesitz sind und pleite gegangen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Sie können j a auch ein paar Pleitebetriebe aufkaufen!)

    Die sozialistische Regierung Österreichs

    (Lebhafte Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — hören Sie sich das doch in Ruhe an — kündigte jetzt angesichts der krisenhaften Lage ihrer nationalisierten Unternehmen an, sie wolle private Eigentümer zunehmend an geeigneten Betrieben beteiligen. Das ist der internationale Trend, meine Damen und Herren, aber Sie reden von Verschleuderung von Volksvermögen. Sie haben sich auch von den fortschrittlichen sozialdemokratischen und sozialistischen Politikern in anderen Ländern Europas abgehängt. Das ist der Tatbestand.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir gehen aus ordnungspolitischen Überzeugungen unter voller Wahrung der Belange der Mitarbeiter in der Tat weiter voran. 1984 haben allein 33 000 Arbeitnehmer des Konzerns Belegschaftsaktien bei



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    der VEBA-Teilprivatisierung erworben. Im Juni dieses Jahres gab es fast 400 000 Ersterwerber bei der Veräußerung von Bundesanteilen der VIAG. Es ist deshalb schon abwegig, wenn der Herr Kollege Glotz als Bundesgeschäftsführer seiner Partei behauptet, hier vollziehe sich die „Umleitung von nationalem Vermögen in die Taschen der reichen Oberschicht". Den Mitarbeitern von VEBA, VIAG und VW geht es heute sicher besser als vor fünf Jahren. Ich möchte sie aber nicht zur reichen Oberschicht zählen; das wäre wirklich eine Fehleinschätzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben seit 1982 keinen Zweifel an unserem Kurs in dieser Frage gelassen. Deshalb ist es auch verfehlt, Herr Apel, fiskalische Motive für diese Entscheidung zu unterstellen,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    obwohl wir natürlich auch gerne Einnahmen in den Haushalt einstellen, wie es der Haushaltsordnung entspricht.

    (Zurufe von der SPD: Drei Milliarden!)

    Eine breitere Eigentumsstreuung am Produktivvermögen ist seit Jahrzehnten ein programmatisches Ziel von CDU, CSU und FDP. Jetzt sind wir in einer politischen Kombination, wo wir das ohne Hemmnisse verwirklichen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP. — Zurufe von der SPD: Ohne Hemmungen! Das ist wahr! — Dr. Apel [SPD]: Nur nicht bei der Lufthansa!)

    — Man kann nicht alles auf einmal machen. Wir kommen auch noch auf andere Unternehmen zu sprechen.

    (Zuruf von der SPD: Sie brauchen ja auch noch Reserven!)

    Freuen Sie sich nicht zu früh, es kann sein, daß mit der Konjunktur die Steuereinnahmen in den nächsten Monaten dieses Jahres wesentlich besser werden als bisher; dann brauchen Sie nicht mehr von Haushaltslöchern zu reden.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Dann freuen wir uns mit Ihnen!)

    — Das möchte ich erleben, Herr Wieczorek.
    In den letzten Monaten ist in der internationalen Diskussion erneut auch die Frage nach den weltwirtschaftlichen Wirkungen unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik gestellt worden. Vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Stimmen lauter geworden, die von der Bundesrepublik Deutschland eine expansivere Politik verlangen.
    Die Bundesregierung übersieht neben den ermutigenden Fakten im Bild der Weltwirtschaft — Verstärkung der Auftriebskräfte in vielen Industrieländern, Ölpreisrückgang, Abflachung des Preisauftriebs — nicht die Risiken. So wird das Wirtschaftswachstum in den USA und Japan in diesem Jahr unter früheren Schätzungen liegen. Offensichtlich belasten außenwirtschaftliche Ungleichgewichte nach wie vor die Weltwirtschaft und die Entwicklung an den Devisenmärkten.
    Das Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten von Amerika wird in diesem Jahr voraussichtlich auf mehr als 130 Milliarden US-Dollar ansteigen, während sich die Überschüsse Japans und der Bundesrepublik auf über 75 Milliarden bzw. bei uns 25 Milliarden Dollar belaufen dürften. Die genannten Größenordnungen verdeutlichen freilich auch, daß das eigentliche Problem nicht in dem deutschen Leistungsbilanzüberschuß, sondern in den wesentlich höheren Salden der USA und Japans liegt; immerhin ist der Fehlbetrag der Vereinigten Staaten annähernd fünfmal, der japanische Überschuß fast dreimal so hoch wie der deutsche Saldo.
    Aber wichtiger erscheint mir, daß sich für die Bundesrepublik Deutschland bereits eine Verringerung der internationalen Ungleichgewichte abzeichnet. Hierfür sprechen zunächst einmal die seit 15 Monaten erfolgten erheblichen Änderungen bei den Wechselkursen. Sie werden künftig stärkere Wirkungen in den Außenhandelsergebnissen haben.
    Was die deutsche Position betrifft, beläuft sich die effektive Aufwertung der Deutschen Mark seit 1985 gegenüber den wichtigsten Währungen immerhin auf mehr als 10 %, im Verhältnis zum US-Dollar sogar auf mehr als 50 %.
    Das Wachstum der realen Inlandsnachfrage wird bei uns in diesem Jahr etwa 4,5 % betragen. Diese dynamische Entwicklung verringert unsere Überschußposition durch verstärkte Importe, vor allem aus den Schwellen- und Entwicklungsländern. In realen Größen, also preisbereinigt, vor allem bereinigt um die Ölpreisentwicklung, ist unser Handelsbilanzüberschuß schon seit einiger Zeit spürbar rückläufig. Das wird sich 1987 auch im Außenhandelssaldo niederschlagen.
    Für die Bundesrepublik sind, wie auch die letzten Stellungnahmen des Internationalen Währungsfonds und der OECD anerkennen, die Weichen grundsätzlich richtig gestellt. Aus diesem Grund können wir mit unseren Partnern auch vernünftig sprechen und, ohne uns zu überschätzen, auf die Leistungen unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik hinweisen. Bundesregierung und Bundesbank betreiben eine abgestimmte und konsistente Politik und beurteilen Lage und Probleme national wie international einvernehmlich.
    Meine Damen und Herren, ein künstliches Anheizen der Nachfrage mit den Mitteln der Geld- und Finanzpolitik als Hebel für eine stärkere internationale Konjunkturbelebung würde nur die nächste Inflationswelle und nach ihr die nächste Stabilisierungskrise vorprogrammieren. Damit wäre weder uns noch anderen gedient. Die Erfahrungen der 70er Jahre unterstreichen diese Einschätzung.
    Sehr ernst zu nehmen sind nach wie vor die wirtschaftliche Situation, die gewaltige Problematik, die finanzielle Not der Länder der Dritten Welt. Wir intensivieren unsere Beziehungen zu diesen Ländern und leisten tatkräftige Hilfe: Wir bieten unseren Partnern in der Dritten Welt wachsende Ab-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Satzmärkte. Im letzten Jahr haben wir aus den Entwicklungsländern außerhalb der OPEC für 3 Milliarden DM mehr Waren bezogen, als wir dorthin geliefert haben.
    Wir gehören zu den größten Kapitalgebern der internationalen Finanzierungsinstitutionen. Wir sind bereit, bei der bevorstehenden Aufstockung der Mittel für die IDA, also für jene Agentur, die den ärmsten Ländern praktisch zinslose Kredite gibt, um 11,5 Milliarden Dollar einen Anteil von 11,5% zu übernehmen — mehr, als uns nach den objektiven Daten der Industrieländer zukommt.
    Wir unterstützen nachdrücklich eine allgemeine Kapitalerhöhung der Weltbank. Im Haushaltsentwurf 1987 sind für deutsche Beiträge an die Weltbankgruppe, die regionalen Entwicklungsbanken und den Europäischen Entwicklungsfonds allein insgesamt 1,7 Milliarden DM vorgesehen.
    Unsere Kapitalmärkte stehen den internationalen Entwicklungsorganisationen weiter offen als in sehr vielen anderen Ländern. So hat sich die Weltbank im Geschäftsjahr 1985/86 5 Milliarden DM — das ist immerhin ein Fünftel ihres gesamten Mittelbedarfs — auf dem deutschen Kapitalmarkt beschafft.
    32 Milliarden DM an öffentlichen Entwicklungshilfemitteln haben wir in den letzten vier Jahren bereitgestellt. Im Haushalt 1987 haben wir den Verpflichtungsrahmen für die finanzielle Zusammenarbeit noch einmal um 210 Millionen DM auf 3 Milliarden DM erweitert.

    (Brück [SPD]: Sie sind damit immer noch unter 1982!)

    Davon stehen allein 300 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen der allgemeinen Warenhilfe zur Verfügung.
    Meine Damen und Herren, annähernd 4 Milliarden DM hat die Bundesrepublik den am wenigsten entwickelten Ländern an Schulden erlassen; das sind rund zwei Drittel dessen, was überhaupt an Schulden erlassen wurde. Zwei Drittel der Mittel hat die Bundesrepublik auf sich genommen. Ich glaube, viele andere wären jetzt auch einmal an der Reihe, diesen ärmsten Ländern in ihrer Schuldenlast zu helfen;

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    im Westen, aber vor allem auch im Ostblock. Denn es gilt j a weiterhin der Tatbestand, daß die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland höher ist als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe des Ostblocks.
    Schließlich ist die Bundesregierung auch weiterhin bereit, im Interesse der Erhaltung von Märkten auch für hochverschuldete Länder das Instrument der Ausfuhrbürgschaften aufrechtzuerhalten. Vom gesamten Obligo, das wir auf Risiko des Bundeshaushalts hier haben — 154 Milliarden DM — entfielen Ende letzten Jahres rund 70 % auf Entwicklungsländer.

    (Dr. Holtz [SPD]: Was machen Sie mit den steigenden Zinsrückflüssen?)

    Wirkungsvoller als Kredite und Bürgschaften sind jedoch offenere Märkte für die Erzeugnisse der Entwicklungsländer; sie verbessern die Chancen der Dritten Welt, ihr Schicksal zu meistern. Die Bundesregierung wird sich hierfür mit allem Nachdruck in den bevorstehenden Verhandlungen im GATT einsetzen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend folgendes sagen. Mit dem Entwurf des Bundeshaushalts 1987 und dem Finanzplan bis 1990 unterstreicht die Bundesregierung ihren festen Willen, auch weiterhin am Kurs einer vertrauensbildenden Finanzpolitik festzuhalten. Immer mehr Bürger erfahren heute, daß sich Anstrengungen und Einschränkungen der letzten Jahre gelohnt haben. Stabiler Geldwert, niedrige Zinsen, zunehmende Beschäftigung und deutlich steigende Realeinkommen konnten nur auf der Basis wiedergeordneter Staatsfinanzen und einer gleichgerichteten Geldpolitik erreicht werden. Die Erfolge der vergangenen vier Jahre verstehen wir gleichsam als eine Bestätigung, vor allem aber als eine Verpflichtung. Jenseits aller sachlichen Gegensätze sollten wir gemeinsam unsere ganze Kraft darauf richten, die Voraussetzungen für die Bewältigung der noch nicht gelösten Probleme, für ein fruchtbares Miteinander von Staat und Bürgern zum Wohle jedes einzelnen und unserer Gesellschaft dauerhaft zu sichern. Nur so kann unser Land auch in Zukunft als wichtiger Partner in der Gemeinschaft der Völker seinen positiven Beitrag leisten.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Apel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, daß der Bundesminister der Finanzen sich in seiner Einbringungsrede eben nicht auf die Vorstellung des Entwurfs des Bundeshaushalts 1987 beschränkt hat, sondern daß er aus seiner Sicht den Versuch einer Bilanz für die vier Jahre Wendepolitik vorgenommen hat. Ich denke, wir sollten es genauso halten. Wir sollten am Beginn des Wahlkampfes, am Ende dieser Legislaturperiode kritisch bewerten, was wir aus unserer Sicht zur Arbeit dieser Koalition zu sagen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Da beginne ich mit dem Thema, das uns allen am meisten am Herzen liegt, das uns alle bedrückt. Trotz der Bemerkung von Herrn Stoltenberg bleibe ich bei dem Begriff Massenarbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin nicht sicher, ob sich der Bundesfinanzminister, wenn er hier abqualifizierende Bemerkungen zu diesem Begriff gemacht hat, darüber im klaren ist, was denn nun eigentlich Arbeitslosigkeit für den einzelnen an finanziellen, persönlichen, auch familiären Problemen bringt.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Apel
    Da wollen wir Sie, Herr Kollege Stoltenberg, und diese Koalition an Ihren eigenen Versprechungen festhalten. Sie haben vor der letzten Bundestagswahl versprochen, innerhalb kurzer Zeit die Zahl der Arbeitslosen auf eine Million zu senken.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Eingetreten ist genau das Gegenteil. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen — ich bin hier bewußt ganz genau — ist trotz aller statistischen Mätzchen seit 1982 um über 300 000 zum 1. August dieses Jahres angestiegen. Herr Kollege Stoltenberg, die 1,2 Millionen derer, die sich schon gar nicht mehr melden, die sogenannte stille Reserve, sind in dieser Zahl ja überhaupt nicht mitgezählt.

    (Seiters [CDU/CSU]: Bei euch ja auch nicht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Heute melden sich mehr als zuvor!)

    Meine Damen und Herren, nun versuchen Sie seit einiger Zeit, weil Sie sich mit den Arbeitslosenzahlen öffentlich nicht mehr sehen lassen können, Beschäftigungszahlen danebenzustellen, aber auch diese Beschäftigungszahlen eignen sich eigentlich überhaupt nicht, um hieraus eine Erfolgsbilanz zu machen. Denn Tatsache ist doch, daß wir heute auf dem Beschäftigungshöhepunkt dieses Konjunkturzyklus gerade eben, gerade eben die Beschäftigtenzahl erreicht haben, die wir im Konjunkturtief vor vier Jahren hatten.

    (Zurufe des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU] und der Abg. Frau Hürland [CDU/CSU])

    Das ist dann das ganze Ergebnis von vier Jahren Beschäftigungspolitik, das Sie vorzuweisen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich füge hinzu — und das wissen Sie doch alle —, selbst wenn wir bis zum Jahre 1990 jährlich ein Wachstum von real 3% haben werden — und das ist konjunkturpolitisch eigentlich ausgeschlossen —, werden wir, so hat die Nürnberger Anstalt und ihr Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechnet, in den neunziger Jahren immer noch 2 Millionen Arbeitslose haben.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben heute erneut einen Versuch unternommen, der nicht akzeptabel ist. Sie haben davon gesprochen — und ich nehme einmal das Jahr 1985 —, daß es Ihnen zu verdanken sei, daß wir in diesem Jahre 1985 200 000 Arbeitsplätze mehr hätten.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: 300 000!)

    Aber nehmen wir doch endlich zur Kenntnis: 70 000 dieser 200 000 Arbeitsplätze,

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: 300 000!)

    die zusätzlich entstanden sind, sind das Ergebnis der Tarifauseinandersetzung bei der IG Metall gewesen.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Belegen Sie das mal!)

    Sie sind das Ergebnis der Arbeitszeitverkürzung.
    Herr Kollege, wenn Sie sagen, ich solle es Ihnen
    belegen, dann empfehle ich Ihnen, daß Sie hin und wieder lesen. Dann werde ich Ihnen gerne nach dieser Sitzung eine entsprechende Berechnung eines unabhängigen Instituts vorlegen, nämlich des Instituts, das unter Ihrem früheren Fraktionskollegen Heinrich Franke steht, dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das eben diese Zahlen ausgerechnet hat. Also nachlesen! Sie werden dann etwas kleiner werden, was Ihre vollmundigen Behauptungen anbelangt.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Herr Bundeskanzler — wir wollen das hier immer wieder anmerken — hat im übrigen diesen Arbeitskampf und seine Ergebnisse als dumm, töricht und absurd dargestellt. Heute will er diese Ergebnisse in die Bilanz seiner Arbeit einstellen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Dumm! Absurd! — Zurufe von der SPD: Er war zu dumm, um das zu erkennen! — Darüber lacht der nur!)

    Wir sollten etwas Weiteres hinzufügen. Wir sollten doch auch zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren, daß viele der Neubeschäftigten doch nur Zeitarbeitsverträge erhalten haben. Das geht doch nach dem Prinzip: Heuern und Feuern. Ihnen wird das volle Arbeitsplatzrisiko aufgebürdet.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Stoltenberg, zumindest vor einem Jahr haben Sie dann — wie vor der letzten Bundestagswahl — noch versucht, sich angesichts dieser Massenarbeitslosigkeit mit Versprechungen über die Runden zu retten. Sie haben das heute nicht wiederholt. Aber in der „Bild"-Zeitung haben Sie genau vor einem Jahr gesagt, Sie, Stoltenberg, gingen davon aus, daß wir im Jahre 1990 die Vollbeschäftigung erreicht hätten. Die CDU ist jetzt vorsichtiger geworden; ich weiß das.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ja, „jetzt weiter so"!)

    Sie sagen, die Arbeitslosigkeit würden Sie bis 1990 um eine Million Menschen abbauen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Sie haben gesagt, wir hätten 4 Millionen!)

    Aber, Herr Kollege Stoltenberg, was Sie wirklich erwarten, was die Bundesregierung wirklich erwartet, das steht doch in dem Finanzplan, den der Herr Kollege Stoltenberg uns mit dem Haushaltsentwurf vorgelegt hat. Darin steht: Die Bundesregierung stellt fest, daß wir mit 2 Millionen Arbeitslosen in die neunziger Jahre gehen werden. — Das ist das Faktum und nichts anderes.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Weiter so!)

    Wir Sozialdemokraten haben aufmerksam zugehört, als Sie in Ihrer Einbringungsrede wörtlich gesagt haben: Die Arbeitslosigkeit ist viel zu hoch. Sie nachhaltiger abzubauen, ist das Ziel dieser Bundesregierung. — Aber, Herr Kollege Stoltenberg, warum ist denn diese Einsicht in den letzten vier Jahren bei Ihnen nicht gewachsen? Warum haben Sie denn vier Jahre lang aber auch jede Initiative



    Dr. Apel
    abgelehnt und vermissen lassen, um die Massenarbeitslosigkeit abzubauen?

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie hier über Nettokaufkraft und ihre Entwicklung reden, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß die Kaufkraft der Arbeitnehmer 1985 auf das Niveau des Jahres 1977 gesunken war. Daran hat sich dann auch durch die hochgelobte und immer wieder in die Debatte eingeführte Steuersenkung der Jahre 1986 und 1988 überhaupt nichts geändert. Denn von den 20 Milliarden DM, die Sie durch eine Senkung in zwei Schritten zur Verfügung stellen wollen, gehen doch 15 Milliarden zugunsten der Besserverdienenden. Der Normalverdiener merkt von dieser Steuersenkung nichts. Denn parallel zu der Steuersenkung von 12 DM zugunsten des Durchschnittsverdieners sind doch die Sozialversicherungsbeiträge explodiert. Darüber kann man als Bundesminister hier doch nicht lamentieren. Da muß man doch im Kabinett und bei seinen Kollegen für Handeln sorgen. Sie sind doch nicht dazu da, um hier zu kritisieren, sondern um Politik zu machen. Sie, Herr Blüm, und andere stehen in der Verantwortung.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Natürlich gibt es in diesem Jahr eine Kaufkraftsteigerung; das ist richtig. Aber, Kollege Stoltenberg, das hat etwas mit dem Verfall der Einfuhrpreise, mit dem Verfall der Rohstoffpreise zu tun.

    (Breuer [CDU/CSU]: Die gelten für andere auch! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Sie selber haben darauf hingewiesen, daß die Preissteigerungsrate in unserem Lande ohne diesen Rückgang bei 2 % bis 3 % läge.

    (Bundeskanzler Dr. Kohl: Das stimmt doch gar nicht! Bei 1,5%, Herr Apel! Das wissen Sie doch!)

    Ich will, Herr Bundeskanzler, auch zu Ihrer Orientierung eins hinzufügen: Wenn Sie immer mit einer Preissteigerungsrate von 6,5% im Jahre 1981 rechnen und immer davon reden, dann nehmen Sie zur Kenntnis, daß das die Zeit der Ölpreisexplosion war.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Sehr richtig!)

    Da hätten auch Sie, Herr Bundeskanzler, die Preissteigerungsraten trotz aller Anstrengungen nicht niedriger halten können. So ist das eben in der Politik.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: So einfach ist das, Herr Apel! — Feilcke [CDU/CSU]: Sie sind das Opfer des internationalen Großkapitals, Herr Apel, ich weiß! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben mir empfohlen, ich sollte doch morgens, bevor ich Interviews gebe, die Zeitungen lesen. Ich bin nicht so sicher, ob Sie die Zeitungen gelesen haben. Denn die Zeitung, die Sie mir zur Lektüre empfohlen haben, die „Financial Times", habe ich hier vor mir liegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auszüge!)

    — Nein, das ist der ganze Artikel, und die Überschrift dieses Artikels ist sehr beunruhigend. Die Überschrift lautet nämlich:
    Der Internationale Währungsfonds
    — das war die Quelle, auf die sich Herr Stoltenberg gestützt hat —
    schraubt seine Wachstumsvoraussagen für die Industrienationen zurück.
    Da ist kein Jubel-Artikel geschrieben.

    (Lachen bei der SPD — Urbaniak [SPD]: „Weiter so!" — Weitere Zurufe von der SPD)

    In diesem Artikel steht — ich zitiere wörtlich in deutscher Übersetzung —:
    Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognosen für das wirtschaftliche Wachstum 1986/87 zurückgeschraubt und hat seine wachsenden Sorgen über die wachsenden Ungleichgewichte unter den wesentlichen Industrienationen formuliert.

    (Seiters [CDU/CSU] und Breuer [CDU/ CSU]: Jetzt weiter!)

    Und dann geht es weiter:
    Und 1988 wird es noch schwieriger werden.

    (Breuer [CDU/CSU]: Und weiter! Roßtäuscher! — Seiters [CDU/CSU]: Lesen Sie doch einmal vor, was über die Bundesrepublik geschrieben steht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Fälscher!)

    Da kann ich nur sagen: Ich verstehe diese Debatte nicht. Hier sagt Ihnen, uns allen eine renommierte Zeitung, daß es mit dem Wirtschaftswachstum schwierig werden wird, daß die Annahmen über das Wirtschaftswachstum zurückgeschraubt werden, daß von uns eigentlich Aktion erwartet wird, und der Bundesfinanzminister nimmt dann die Zahl 3,2 % Wirtschaftswachstum, die hier in der Tat drinsteht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Aber, Herr Stoltenberg: War es nicht vor einem Jahr genauso? Haben Sie nicht im Februar dieses Jahres hier im Deutschen Bundestag ein Wirtschaftswachstum von 3,5 % bis 4 % erwartet? Sie haben sich dabei auch auf andere Quellen gestützt. Und ist es nicht so, daß Sie Ihre Erwartungen jetzt auf 3 % zurückgenommen haben? Und ist es nicht so, daß das Ifo-Institut in München und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Ihnen sagen, es werden nur 2,5% werden? Und ist es nicht so, daß angesichts solcher Wachstumsraten beim Abbau der Massenarbeitslosigkeit viel zuwenig erreicht werden kann?

    (Beifall bei der SPD)

    Ich hätte gerne von Ihnen, Herr Kollege Stoltenberg, Bemerkungen über die Sorgen, die wir auf



    Dr. Apel
    dem Weltmarkt haben, gehört. Da braut sich doch einiges zusammen. Da geht doch der drittlängste Aufschwung in Amerika zu Ende. Das mag zu einer schweren Rezession führen. Da verlieren die Volkswirtschaft Japans und die Volkswirtschaft Englands an Geschwindigkeit. Da sagen die USA seit Monaten, an die Adresse der Bundesregierung gewandt: Wenn ihr nicht handelt, wenn ihr, Bundesrepublik Deutschland, nicht endlich aufhört, Trittbrettfahrer der Weltkonjunktur zu sein — — Und das sind wir j a in diesen Jahren gewesen. Wir haben ja von der Exportkonjunktur gelebt. Ohne sie hätte Wirtschaftswachstum in unserem Lande kaum stattgefunden.

    (Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    — Herr Kollege Dregger, Sie werden das sicher nicht bestreiten können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Muß man da von selbst nichts tun?)

    Wenn es so ist, daß sich drohende Sorgen zusammenballen, dann frage ich mich allerdings. Was sagt denn der Bundesfinanzminister hier im Deutschen Bundestag zu dieser Frage?

    (Zuruf von der SPD: Und wo ist der Wirtschaftsminister?)

    Vorher hat er sich dazu geäußert. Er hat die Amerikaner kritisiert, er hat auf ihre Haushaltsdefizite hingewiesen. Herr Kollege Stoltenberg, in dieser Kritik stimmen wir Ihnen ausdrücklich zu. Nur, im Gegensatz zu Ihnen haben wir Sozialdemokraten überhaupt keinen Nachholbedarf, was die Kritik der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzpolitik anbelangt. Wir haben Ihnen ja vor Jahren hier im Deutschen Bundestag gesagt, was diese Politik für verheerende Konsequenzen haben wird, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Sie diese „Reagonomics", diese amerikanische Wirtschafts- und Finanzpolitik, noch als Ihr Vorbild und als Ihr Modell für unser Land empfohlen haben.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Sehr richtig! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das haben Sie behauptet! Wir haben unsere eigene Politik gemacht! — Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Und nun reden wir über das nächste Jahr. Sie selber haben sich in Ihren Ausführungen, soweit ich sie habe verfolgen können, auf eine Wachstumsrate für 1987 nicht festgelegt. Die wichtigsten Institute sagen uns Wachstumsraten von 2,5% real voraus. Das wird dann eben nicht ausreichen, um die Massenarbeitslosigkeit in unserem Lande nachhaltig abzubauen. Es wird nicht ausreichen, um die Weltkonjunktur in Schwung zu halten. Es wird nicht ausreichen, um die internationalen Ungleichgewichte wenigstens teilweise zu beseitigen.
    Aber damit das auch klar ist: Wir führen hier keine Debatte über die törichte Lokomotivfunktion, die andere unserem Lande verordnen wollen. Wir wissen um die Größenordnung dieses Landes, wir wissen um unsere Möglichkeiten. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, Nichtstun ist nicht nur eine Sünde und eine Versündigung gegenüber der Massenarbeitslosigkeit in unserem Lande, sondern wird dazu führen, daß die Amerikaner reagieren. Und wenn dann die Amerikaner Protektionismus und weitere Dollarabwertung betreiben, dann ist das für uns eine tödliche Operation. Denn wir sind immerhin mit einem Drittel unseres Bruttosozialprodukts vom Ex- und Import abhängig.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Immerhin verdienen 25% unserer Arbeitskräfte ihr Brot beim Export. Deswegen können wir nicht mit Gelassenheit, mit „benign neglect", wie die Amerikaner früher gesagt haben, über die Fakten hinweggehen. Wir müssen in einer konzertierten Aktion mit den Japanern, mit den europäischen Nachbarn und auch mit den USA sicherstellen, daß die Welthandelslokomotive fährt.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist auch eine wichtige Hilfe für die Entwicklungsländer.
    Lassen Sie uns hier keine falschen Fronten aufreißen. Wir fordern keine Strohfeuer.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ganz neu!)

    — Herr Kollege Dregger, wenn wir über Strohfeuer in der Konjunkturpolitik reden, dann reden wir über Ihre Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Es war doch der Kollege Stoltenberg, der die Mittel für die Städtebauförderung für zwei Jahre nach oben puschte,

    (Zuruf von der SPD: Dann auf Null!)

    um dann das Ganze wie ein Strohfeuer zu Ende brennen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es waren doch Sie, die Sie im letzten Jahre zur Verlängerung der Beschäftigung in der Rüstungsindustrie plötzlich eine Milliarde D-Mark zur Verfügung hatten, um Panzer zu kaufen, die die Bundeswehr überhaupt nicht braucht.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die waren im Haushalt eingeplant, Herr Apel!)

    Das sind Strohfeuer. Das ist konjunkturpolitischer Unsinn, hochverehrter Herr Kollege Dregger.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die waren gar nicht zusätzlich; das wissen Sie!)

    Ich will hier eine Bemerkung zu den Werften machen. Herr Kollege Stoltenberg, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie sagen: Wir müssen für den Norden, für die Werftindustrie etwas tun. Ich bin zufrieden, daß der Bundesfinanzminister sagt, er wolle hier einen Beitrag leisten. Nur: Lassen Sie uns bitte gemeinsam darin einig sein, daß dieser Beitrag kein kurzatmiger sein darf.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns bitte darin einig sein, daß wir im Norden — Sie als Landesvorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein werden das auch wissen — eine tiefgreifende Strukturkrise haben. Da kann nicht



    Dr. Apel
    allein mit Geld, sondern es muß mit einer langatmigen Strukturpolitik geholfen werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Damit bin ich bei unseren Vorschlägen, die im Gegensatz zu dem stehen, was Sie wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt's!)

    Wir fordern eine Verstetigung und Ausweitung der öffentlichen Investitionen durch unser Zehnjahresprogramm „Arbeit und Umwelt".

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir können uns sicherlich darüber streiten — wir werden uns darüber auch streiten —, wie und wann der Ausstieg aus der Kernenergie bewältigt werden kann.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Viel Spaß!)

    Aber in einem Punkte dürfen wir uns nicht streiten, nämlich in der Notwendigkeit, daß wir alle zusammen alle Anstrengungen unternehmen, um sichere und umweltverträgliche Energieversorgung auch durch neue Investitionskraft möglich zu machen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Da sind wir dabei! — Breuer [CDU/ CSU]: Keine Frage!)

    Wir fordern die nachhaltige Stärkung der Investitionskraft der Gemeinden. Herr Kollege Stoltenberg, im Gegensatz zu Ihnen — ich werde darauf noch zurückkommen — fordern wir eine gerechte Steuerreform,

    (Beifall bei der SPD — Vogel [München] [GRÜNE]: Wir auch!)

    eine Steuerreform, die die Massenkaufkraft stärkt.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Wir haben sie erst leistungsfähig gemacht! Die waren doch am Ende! — Dr. Vogel [SPD]: Alfred, beruhige dich!)

    Der Bundeskanzler hat hier im Deutschen Bundestag — —(Zuruf von der SPD: Der ist ja gar nicht
    da!)
    — Das spielt ja keine Rolle. Wir können dennoch über ihn reden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist der Rau? — Dr. Vogel [SPD]: Den seht ihr noch jahrelang! Ihr könnt es gar nicht mehr erwarten! „Weiter so"! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ach ja, Herr Kollege, alles klar; das macht es mir auch leichter zu gucken. Sie, Herr Kollege Kohl, haben bei Ihrer Regierungserklärung am 13. Oktober 1982 im Deutschen Bundestag versprochen, die Konkurswelle zu brechen. Sie haben dann ausgeführt — ich zitiere den Bundeskanzler —:
    Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik
    Deutschland hat es so viele Firmenzusammenbrüche gegeben wie in diesem Jahr, und noch
    nie sind so viele selbständige Existenzen vernichtet worden.
    Herr Kollege Kohl, Herr Bundeskanzler, dieser Satz, den Sie damals geprägt haben, steht als Leitstern über Ihren vier Jahren Regierungstätigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: „Weiter so"!)

    Nur: Statt 15 000 Insolvenzen damals sind es inzwischen 19 000 geworden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Neugründungen? — Zuruf von der SPD: Weiter so!)

    Dazu lese ich Ihnen folgende Bewertung im wörtlichen Zitat vor

    (Dr. Vogel [SPD]: Wieder Kohl?) — nein —:

    Der Anstieg der Pleiten ist ein exakter Gradmesser für die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dieser Satz ist nicht von mir. Er stammt von Ihrem Fraktionskollegen, dem Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der CDU, Herrn Professor Zeitel. Professor Zeitel hat recht.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kohl, Sie haben uns damals vor vier Jahren vorgerechnet, daß durch die 15 000 Konkurse des Jahres 1982 100 000 Arbeitsplätze verlorengegangen seien. Nun setze ich Ihre Rechnung einfach fort. Sie hatten 70 000 Konkurse. Das wären 500 000 verlorene Arbeitsplätze. — Jetzt lachen Sie. Entweder haben Sie damals falsch argumentiert — dann tut es mir leid, daß Sie als Bundeskanzler so wenig Übersicht haben —, oder es stimmt heute.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wir haben ein Plus von 600 000 Arbeitsplätzen!)

    Nun ist ja von Herrn Stoltenberg, nicht nur heute, sondern auch in den letzten Jahren, immer wieder gesagt worden: Aber die Steuerpolitik wird es richten. Hier werden wir einen wichtigen Beitrag für die mittelständischen Unternehmen leisten.
    Ich stelle dazu zweierlei fest.
    Erstens. Die teure Vermögensteuersenkung —1,6 Milliarden DM Einnahmenausfall — ist im wesentlichen eine Vermögensteuersenkung für die Großunternehmen gewesen und ist eben am Mittelstand vorbeigerollt.

    (Beifall bei der SPD)

    Und da fordern die Vertreter des Mittelstandes immer wieder die Einführung einer steuerstundenden Investitionsrücklage für kleine und mittlere Unternehmen. Was hören wir aus Ihrem Lager — Herr Waigel, Sie nehme ich ausdrücklich aus, Sie sind da auf der Seite der Sozialdemokraten; ich weiß das wohl —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    in trauter Einheit mit den Interessen der Großindustrie: Nein, eine steuerstundende Investitionsrück-



    Dr. Apel
    lage kommt nicht in Frage! — Ich bin dafür, Herr Waigel, daß Sie sich durchsetzen. Auf unsere Unterstützung können Sie rechnen

    (Dr. Vogel [SPD]: In diesem Punkt!) — in diesem Punkte —;


    (Beifall bei der SPD)

    denn wir werden unsere Steuerpolitik auf den Mittelstand konzentrieren, und wir werden diese steuerstundende Investitionsrücklage einführen. Und wenn Sie dann an unserer Seite sind, so mag uns das willkommen sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, Sie haben in Ihrer Rede ein Zitat aus Ihrer Rede im November 1982 hier eingeführt. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie damals gefordert, es komme darauf an, zu einer Umverteilung der Staatsausgaben zugunsten der arbeitsplätzeschaffenden Investitionen zu kommen. Ist das richtig? —

    (Bundesminister Dr. Stoltenberg: Nur die Staatsausgaben!)

    Und da haben Sie dann eigentlich nur das getan, was Sie damals, Sie alle zusammen, versprochen haben — nämlich: Es komme darauf an, die privaten und die öffentlichen Investitionen zu erhöhen. — Nur die Tatsachen sprechen leider gegen Sie.

    (Breuer [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

    Die Investitionsquote der privaten und der öffentlichen Investitionen — da berufe ich mich nun einmal auf das Statistische Bundesamt; das ist ja nun nicht nur Herrn Stoltenberg vorbehalten —

    (Beifall bei der SPD)

    betrug im Jahre 1982 20,5, im Jahre 1985 — und das sind die letzten statistischen Zahlen — 19,6. Die öffentlichen Investitionen im Rahmen dieser Gesamtinvestitionen sind noch dramatischer zurückgegangen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Negativrekord! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Weil die Finanzhilfen weniger wurden!)

    Nun rede ich über den Bundeshaushalt 1987 und den Bundesfinanzminister.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der weiß nicht, was „Investitionen" sind!)

    Also, Herr Stoltenberg, ich finde es ja rührend, wenn Sie ausgerechnet Herrn Schwarz-Schilling mit seiner Verkabelungspolitik heranziehen müssen, um den Vorwurf abnehmender öffentlicher Investitionen zu konterkarieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber Bahn und Post waren auch zu unseren Regierungszeiten große Investoren, und es ist intellektuell unredlich und unzulässig, hier ausweichende Operationen zu unternehmen.

    (Beifall bei der SPD) Bleiben wir bei den nüchternen Zahlen.


    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal die Zahlen bei Bahn und Post!)

    — Ja, reden wir über die nüchternen Zahlen. Aber natürlich, das wird sofort gemacht. Ihr Wunsch ist mir Befehl.
    Der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben im Bundeshaushalt wird in diesem Jahre 13,1, im nächsten Jahr 12,9 betragen und, wenn es nach Herrn Stoltenberg geht, 1990 auf einem neuen Rekordtief von 11,9% sein.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Vogel [München] [GRÜNE]: Dazu wird es nicht kommen!)

    Herr Stoltenberg, nun können Sie mir ja viel sagen, und es kann hier viel erklärt werden; aber ich werde es jetzt so machen, wie Sie es 1982 mit uns gemacht haben. Sie haben sich damals hier hingestellt und haben der sozialliberalen Koalition eine öffentliche Investitionslücke von 13 Milliarden DM vorgerechnet. Nun nehmen wir ganz einfach Ihre Zahlen und Ihre Berechnungsmethoden — dagegen können Sie wohl nichts haben —; dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß wir im Jahre 1990, nach den Maßstäben von Herrn Stoltenberg errechnet, eine Investitionslücke von sage und schreibe 20 Milliarden DM haben werden.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört! — „Weiter so"!)

    Das ist dann auch, nach Ihren eigenen Maßstäben, Herr Kollege Stoltenberg, ein für Sie verheerendes Ergebnis.

    (Beifall bei der SPD)

    Vielleicht sollten wir in diese Debatte auch das einführen, was die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt fest — ich zitiere —: Statt sich neuen Aufgaben, insbesondere der Umweltsicherung, zu stellen, zehrt der Staat vom früheren hohen Niveau der Infrastrukturinvestitionen

    (Dr. Vogel [SPD]: Die Erblast!)

    und verlagert Kosten auf die nächste Generation.
    Der Sachverständigenrat hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben — Sie wissen es —, daß die Umstrukturierung der Staatsausgaben in die falsche Richtung gegangen ist. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Stoltenberg; alles andere ist Maniküre.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben einen beispiellosen Einbruch der kommunalen Investitionen gehabt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Gemeinden sind der größte Investor. Sie haben recht, Herr Kollege Stoltenberg, in diesem Jahr gibt es eine leichte Erhöhung der gemeindlichen Investitionen. Aber wenn Sie Ihre Politik über vier Jahre hin betrachten, können Sie nicht leugnen, daß die Investitionen der Gemeinden auch in diesem Jahre deutlich niedriger liegen werden als am Beginn Ihrer Amtszeit.

    (Zuruf von der SPD: Um 40%! — Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben die Gemeinden vorher finanziell ausgeblutet!)




    Dr. Apel
    Die kommunalen Bauinvestitionen liegen derzeit real auf dem Niveau des Jahres 1963.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)


    (Vorsitz : Vizepräsident Stücklen)

    Was für viele Kommunalpolitiker in unserem Lande besonders bedrückend ist — auch für Kommunalpolitiker der Union; bei der FDP gibt es keine —,

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) ist die Tatsache — —


    (Zuruf von der FDP)

    — Na gut, es mag irgendwo einen geben; es mag sein, daß ich ihn übersehen habe.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, das eigentlich Dramatische ist doch folgendes:

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Erfolglos, arrogant und intolerant! — Feilcke [CDU/CSU]: Das Pferd hat ihn an den Kopf getreten!)

    — Sie können mich überhaupt nicht stören; das sind ja wirklich geistreiche Zwischenrufe, die Ihrem Niveau entsprechen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das eigentlich Bedrückende ist doch, worüber wir alle, auch Sie, die Sie Kommunalpolitiker der Union sind, besorgt sein müssen: Die Strukturunterschiede und die Finanzunterschiede zwischen den strukturschwachen — meistens großen — Städten und den Städten in den strukturschwachen Gebieten haben sich verschärft. Wir können doch diese Städte, die meistens in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit liegen, nicht einfach im Regen stehen lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Stoltenberg, der Deutsche Städtetag hat immer wieder darauf hingewiesen, daß Sie mit Ihrer Steuersenkungspolitik den Gemeinden Steuereinnahmen weggenommen haben, ohne daß eingetreten wäre, was der Bundeskanzler zu Beginn seiner Arbeit versprochen hat, nämlich für vollen Ausgleich zu sorgen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das trifft nur für Nordrhein-Westfalen zu!)

    Dies, meine Damen und Herren, und die Untätigkeit der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die Sie geschaffen haben!)

    und die immer wieder vorgenommenen Kürzungen bei den Sozialausgaben haben immer mehr Menschen in die Sozialhilfe getrieben.
    — Herr Kollege Dregger, sie kommen doch an folgender Zahl nicht vorbei: In Ihrer Zeit sind die Sozialhilfeausgaben der Gemeinden um 40 % explodiert.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wir haben die Sozialhilfe um über 10 % erhöht, im Gegensatz zu Ihnen!)

    Sie belaufen sich auf 20 Milliarden DM.

    (Seiters [CDU/CSU]: Sind Sie dagegen, daß wir die Sozialhilfe erhöht haben?)

    — Herr Seiters, ich bin überhaupt nicht dagegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie spielen doch mit gezinkten Karten!)

    Aber ich bin gegen zweierlei: Ich bin erstens dagegen, daß Sie die Langzeitarbeitslosen ohne Hoffnung lassen und sie immer mehr in die Sozialhilfe treiben und daß Sie damit Ihre Pflicht als sozialer Gesetzgeber in Bonn nicht wahrnehmen und die Gemeinden aus diesem Grunde belasten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten sind im übrigen die einzige Partei, die sehr frühzeitig ihr Konzept für eine Gemeindefinanzreform vorgelegt hat. Wir sind der Meinung, daß die Finanzkraft der Gemeinden gestärkt werden muß.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Hätten Sie es verwirklicht, dann wäre es glaubwürdiger gewesen, Herr Finanzminister a. D.! Schuldenmacher im Amt waren Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich will Ihnen sagen: Es hat in dieser Republik eine Gemeindefinanzreform gegeben, die nachhaltig gewirkt hat; sie ist nicht mit Ihrem Namen, sondern mit dem Namen meines verstorbenen Freundes Alex Möller verbunden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Das ist schon lange her! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Und was hat sie gebracht?)

    Wir wollen eine neue Gemeindesteuerreform machen, weil wir die Not der Gemeinden sehen, weil wir ihre Finanzautonomie stärken müssen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Warum ist der Möller eigentlich gegangen?)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Koalition hat den massiven Abbau der Subventionen versprochen. Die Subventionen des Bundes werden 1987 um über 35 Milliarden DM, also um 30 %, höher liegen als 1982.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Welche wollen Sie ohne Steuerreform kürzen?)

    — Herr Kollege Dregger, die Steuersubventionen sind um 50 % gestiegen, geradezu explodiert: Damals 30 Milliarden DM, heute 45 Milliarden DM Steuersubventionen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wollen Sie nichts geben für die Kokskohle, nichts für die Bauern?)

    Ich kann nur sagen: Heute hat der Kollege Stoltenberg vorsichtiger argumentiert. Aber noch bei der Vorstellung seines letzten Haushalts hat er bis 1989 einen stufenweisen Subventionsanbau — — -abbau angekündigt.

    (Heiterkeit — Zuruf von der CDU/CSU: „Subventionsanbau", das ist gut!)




    Dr. Apel
    — Ja, das ist auch gut, ein Subventionsanbau. —

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Der kalauert den ganzen Tag, der Herr Apel!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gegenteil ist eingetreten. In diesem Zusammenhang möchte ich einmal ausdrücklich Graf Lambsdorff zitieren.

    (Breuer [CDU/CSU]: Wenn es paßt!)

    Graf Lambsdorff hat gesagt, der explosionsartige Anstieg der Subventionen sei der Minusrekord, den sich diese Bundesregierung vorwerfen lassen müsse.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Bravo für den Grafen! Weiter so!)

    Wer im übrigen glaubt, die Bundesregierung hätte aus diesen schlimmen Erfahrungen gelernt, der täuscht sich. Heute wurde erneut für die Steuersenkung in der nächsten Legislaturperiode ein Subventionsabbau von 10 Milliarden DM versprochen. Wer will ihnen das eigentlich noch glauben, nachdem Sie allein die Steuersubventionen in vier Jahren um 15 Milliarden DM nach oben getrieben haben?

    (Beifall bei der SPD)

    Die SPD dagegen hat bewiesen, daß Subventionsabbau durchsetzbar ist. Es war der Finanzminister Hans Matthöfer, der 1981/82 rund 8 Milliarden DM Steuervergünstigungen und Finanzhilfen abgebaut hat. Das wirkt bis heute weiter, Herr Kollege Stoltenberg. Im nächsten Jahr stehen noch 500 Millionen DM für die Sparprämie im Etat; im Jahr darauf fällt dieser Ansatz weg. Das sind gegenüber 1982 Ersparnisse von 2,1 Milliarden DM. Es ist eigentlich unverständlich, um nicht zu sagen peinlich, daß Sie ausgerechnet Werbung mit dem Abbau dieser Subvention betreiben — einer Subvention, die wir gegen harte Widerstände abbauen mußten und die Sie sich jetzt als Feder an Ihren Hut stecken wollen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: „Erblast"!)

    Für uns ist der Abbau von Subventionen nicht nur ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit. Für uns wird es auf diese Weise auch möglich sein, knappe Steuermittel für andere, wichtigere Vorhaben zu gewinnen, so z. B. für die Stärkung der Investitionen des Bundes.
    In einem Punkte aber unterscheiden wir uns gravierend:

    (Breuer [CDU/CSU]: Nennen Sie mal die Liste dessen, was Sie abbauen wollen!)

    Soweit steuerliche Subventionen und andere Sonderregelungen unvermeidlich sind, werden wir sie künftig in der Form eines progressionsunabhängigen, d. h. für alle gleich hohen Satzes gewähren. Auch das ist vernünftig und ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Jetzt mal konkret!)

    Der Bundesfinanzminister hat über die Privatisierung gesprochen. Er wird nicht umhin kommen festzustellen, daß er mit vollmundigen Ankündigungen in dieser Legislaturperiode Erwartungen geweckt hat, die er nicht erfüllt hat.

    (Seiters [CDU/CSU]: Wie waren denn Ihre Erwartungen?)

    Wie war es denn wirklich? Ohne Bestandsaufnahme und ohne wirtschaftliche Konzepte hat Herr Stoltenberg Bundesunternehmen auf seine Verkaufsliste gesetzt. Gab es dann Schwierigkeiten, wurden die Unternehmen von der Verkaufsliste wieder zurückgenommen. Gab es Widerstand aus Bayern — das ist kein schlechter Witz —, so bei der von Ihnen gewollten Privatisierung der Lufthansa, dann sind Sie eingeknickt. Ich sage Ihnen zum zweiten Mal — dies hat nichts zu bedeuten, Herr Kollege Waigel, keine Sorge; auch in diesem Punkte sind wir mit der CSU und Bayern einer Meinung —: Der Privatisierung der deutschen Lufthansa muß widersprochen werden, aus verkehrspolitischen, sicherheitspolitischen, aber auch aus strukturpolitischen Überlegungen.

    (Beifall bei SPD — Seiters [CDU/CSU]: Das hat aber nichts zu bedeuten!)

    Nun, Herr Kollege Stoltenberg, zu Ihrer letzten Aktion: Sie werden sich daran erinnern, daß Sie bei der Vorlage ihrer letzten Verkaufsliste, nämlich im März dieses Jahres, von VEBA und VW nicht gesprochen haben. Sie haben dann sehr plötzlich wie Ziethen aus dem Busch verkündet, nun müßten VEBA und VW verkauft werden, privatisiert werden. Den Erlös von 3 Milliarden DM haben Sie bereits in Ihren Etat eingesetzt. Was uns Sozialdemokraten besonders trifft, ist folgendes. Wir haben in unserer Regierungsverantwortung zusammen mit den Liberalen aus wohlerwogenen wirtschaftspolitischen Gründen Milliarden in den Bundesbesitz investiert, weil er eine wirtschaftspolitische Funktion hat, und Sie versilbern bei dieser Gelegenheit diese Investitionen der sozialliberalen Koalition gleich mit.

    (Beifall bei SPD)

    Wir lehnen die Veräußerung der wertvollsten Teile des ertragbringenden industriellen Bundesvermögens ab. Wir sind der Auffassung, Herr Kollege Stoltenberg, daß der Beteiligungsbesitz des Bundes im Rahmen eines wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeptes vernünftig weiterentwickelt werden muß.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Also Mercedes kaufen!)

    Strukturbereinigungen, Graf Lambsdorff, durch etwaige Privatisierung einzelner Unternehmen haben die gesamtwirtschaftlichen Bundesaufgaben zu berücksichtigen. Sie müssen sich — darüber hat Lahnstein damals geredet — an klar definierten wirtschaftspolitischen Zielen orientieren. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, bei Ihnen fehlt doch jede Orientierung, Sie haben doch zum Strohhalm der



    Dr. Apel
    Verschleuderung von Volksvermögen gegriffen, um Ihre Haushaltslöcher zu schließen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Das glaubt doch niemand! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ist das dünn!)

    1983 hat der Bundesfinanzminister angekündigt, er wolle die Neuverschuldung bis zum Beginn der kommenden Wahlperiode auf 15 bis 20 Milliarden DM senken; heute holen ihn die Tatsachen ein. Ich stelle hier ganz nüchtern Zahlen dar, Herr Kollege Stoltenberg, und da muß ich nicht vorsichtig sein, denn diese Zahlen kommen ja von Ihnen.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Dann erst recht! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der CDU/CSU)

    1982 lag die Gesamtverschuldung aller öffentlichen Hände bei 606 Milliarden DM, bis Ende 1985 ist sie auf 735 Milliarden DM gestiegen. Das ist ein Anstieg der Pro-Kopf-Verschuldung um 27 % auf
    12 460 DM. Sie haben uns mitgeteilt, daß wir am Ende dieses Jahrzehnts bei allen öffentlichen Haushalten einen Schuldenberg von 1 Billion DM haben werden.

    (Duve [SPD]: Stoltenberg als Schuldenberg! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wir nehmen Schulden auf, um die Zinsen für Ihre Schulden zu zahlen! — Dr. Vogel [SPD]: So unsolide seid nicht mal ihr, daß ihr Zinsen mit Schulden bezahlt!)

    Für den Bund, Herr Kollege Stoltenberg, haben Sie uns einen Haushaltsentwurf und eine mittelfristige Finanzplanung vorgelegt, die klarmachen, daß die Nettokreditaufnahme des Bundes wieder zunimmt. Sie haben in vier Jahren 100 Milliarden DM neue Schulden gemacht,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und das ist, ganz nüchtern festgestellt, ein neuer Rekord.
    Nun werden Sie dieses natürlich, wie Sie es immer gerne tun, wenn Sie in Schwierigkeiten sind, mit „Erblast" erklären.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Zinslast!)

    — Herr Kollege Dregger, lassen Sie uns die Dinge einmal so betrachten, wie sie sind!

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir haben in 13 Jahren sozialliberaler Koalition
    13 Milliarden DM Bundesbankgewinn bekommen, im Schnitt 1 Milliarde DM pro Jahr.

    (Zuruf von der FDP: Sie müssen das letzte Jahr nehmen!)

    Der Bundesfinanzminister hat in den vier Jahren seiner Regierungszeit 48 Milliarden DM Bundesbankgewinn bekommen.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Bundesbankgewinnler!)

    Da kann man sich in der Tat leicht in die Pose des
    Haushaltssanierers werfen. Nehmen Sie nun bitte
    zur Kenntnis, daß inzwischen weit mehr als die Hälfte — —

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das sind genau die Zinsen für Ihre Schulden! — Lachen bei der SPD)

    — Herr Kollege Friedmann, nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß inzwischen weit über die Hälfte der Zinsen, die der Bundesfinanzminister zu zahlen hat, Zinsen auf Ihre Schulden sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Wann werden Sie denn endlich den Mut haben, frage ich die gesamte Koalition, sich zu den Konsequenzen Ihrer eigenen Politik zu bekennen? Es wird doch langsam Zeit!

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Stoltenberg, ich will Ihnen am Ende eines zu diesem Thema sagen: Für uns ist Haushaltskonsolidierung kein Selbstzweck. Damit das aber ganz klar ist und endlich die Unredlichkeit aus Ihren Debattenbeiträgen herauskommt: Das, was wir im Regierungsprogramm vorstellen werden, was wir in der nächsten Legislaturperiode machen werden, wird weder durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme noch durch eine anhaltende Erhöhung der Steuerlastquote finanziert werden. Das sind die Fakten.

    (Beifall bei der SPD)

    Reden wir über Haushaltskonsolidierung. Es stimmt, Herr Kollege Stoltenberg: Sie haben in vier Jahren die Nettokreditaufnahme beim Bund — ich lasse einmal die Bundesbankgewinne heraus — um 12 Milliarden DM reduziert. Aber um welchen Preis?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben an die Solidarität, an die Opferbereitschaft der Bürger appelliert, Sie haben ihnen versprochen, die notwendigen Opfer auf alle Bürger sozial gerecht zu verteilen. Gehalten haben Sie Ihr Versprechen nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Arbeitnehmern, Mietern, Wohngeldbeziehern, BAFöG-Empfängern, Rentnern, Kriegsopfern, Kranken, Behinderten, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern haben Sie massive Daueropfer abverlangt, von 1983 bis 1985 60 Milliarden DM.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Eben haben Sie die Erhöhung der Sozialhilfe bedauert! — Feilcke [CDU/CSU]: Sie brauchen einen neuen Redenschreiber! Das ist falsch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wie war es dann bei den sehr gut Verdienenden? War es nicht so, daß Sie vor der Bundestagswahl einen Solidarbeitrag für alle Gutverdienenden beschlossen hatten, die sogenante Zwangsanleihe?

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)




    Dr. Apel
    War es nicht so, daß Sie von der Union dann in Ihrem Wahlprogramm beschlossen haben, diese Zwangsanleihe wird nicht zurückgezahlt?

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha! Weiter so!)

    War das nicht so, daß das das erste Wahlversprechen war, das Sie gebrochen haben?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir haben Ihnen in den Debatten vor der Beschlußfassung zur Zwangsanleihe gesagt, diese sei verfassungswidrig. Sie, Herr Kollege Stoltenberg, haben das bestritten. Sie haben gesagt, nein, dies sei nicht verfassungswidrig. Natürlich hatten wir recht. Die Zwangsanleihe war verfassungswidrig. Es gab ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
    Was passierte dann? Sie haben die Milliarden, die Sie bereits einkassiert hatten, schleunigst zurückgezahlt. Als wir Ihnen gesagt haben, wir bieten Ihnen eine gemeinsame Lösung an, damit dieser Solidarbeitrag — so haben Sie ihn ja immer genannt — der sehr gut Verdienenden weiter erhoben werden kann, haben Sie das abgelehnt. Damit ist dann endgültig bewiesen gewesen, daß Sie einseitig Lasten bei der Haushaltskonsolidierung verteilt haben.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD) Ich sage das mit allem Nachdruck.

    Die Probleme der Massenarbeitslosigkeit sind nicht gelöst. Im Gegenteil. Qualifizierung der Arbeitslosen und Jugendarbeitslosigkeit sind drängende Probleme. Deswegen bleiben wir Sozialdemokraten bei der Forderung, daß auch die sehr gut Verdienenden einen Solidarbeitrag zu leisten haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden für Steuerpflichtige, die über 120 000 DM zu versteuerndem Jahresfamilieneinkommen liegen — —

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — 60 000 bei Ledigen; okay. Aber Ihre Rechnungen waren ja insofern trickreich. Sie haben ja immer nur mit diesen Zahlen gerechnet. Ich komme darauf zurück. Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten sich mal ein bißchen mit den Konsequenzen Ihrer eigenen Steuersenkung auseinandergesetzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden diese Ergänzungsabgabe beschließen
    — nicht, weil es uns Spaß macht, sondern weil wir den Besserverdienenden sagen müssen: Auch sie müssen ein Opfer bringen, um im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit erfolgreich zu sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben die Ausgaben für Sozialpolitik und für Bildung massiv zusammengestrichen. Überproportional erhöht, Herr Kollege Stoltenberg, haben Sie dagegen die Ausgaben für Verteidigung,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    für Subventionen und für Landwirtschaft.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

    — Aber natürlich! Bis zum Jahr 1986 haben Sie diese Ausgaben überproportional erhöht. Und das hat dem Verteidigungsressort nicht gutgetan. Ist es denn vernünftig, daß in diesem Jahr Panzer bestellt werden, die niemand haben will

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Da lachen ja die Enten!)

    und die doch deutlich machen, daß hier in der Haushaltspolitik irgend etwas nicht stimmen kann.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir gehören doch zur NATO!)

    Im übrigen: Wofür dann diese Koalition Geld hat und wofür nicht, ist ja in einem interessanten Schlaglicht kurz vor der Sommerpause in diesem Jahr deutlich geworden.

    (Zuruf des Abg. Kroll-Schlüter [CDU/ CSU])

    Da hat Herr Stoltenberg nach der Niedersachsen-Wahl

    (Dr. Vogel [SPD]: Drei Tage danach!)

    — drei Tage danach — zur Finanzierung von Wahlversprechen eine Haushaltssperre in Höhe von 1 Milliarde DM ausgebracht. Das hat viele gesellschaftliche Gruppen und viele Sportvereine empfindlich getroffen. Gleichzeitig hatten Sie dann diese 1 Milliarde DM für die Panzer zur Verfügung. Und was das Peinlichste ist:

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das hängt damit gar nicht zusammen! — Lachen bei der SPD — Weitere Zurufe des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU] — Erneutes Lachen bei der SPD)

    — Herr Kollege Friedmann, ich freue mich, daß Sie wieder lachen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Auch künstliche Erregungen führen am Ende zu einem befreienden Lachen. Das finde ich gut.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Das Peinliche ist, Herr Kollege Stoltenberg, daß Sie just um diese Zeit erklärt haben, für die Finanzierung des Babyjahrs für alle Frauen, auch für die sogenannten Trümmerfrauen, hätten Sie kein Geld. Und 1987 — das können Sie doch nicht bestreiten — wird diese Politik fortgesetzt. Die Ausgaben für soziale Sicherung steigen geringer als der Gesamthaushalt. Der Haushalt für Bildung und Wissenschaft geht zurück. Der Anteil der Investitionen ist rückläufig. Von einer Umstrukturierung der Ausgaben in Richtung zukunftswirksame Ausgaben, die Sie, Herr Stoltenberg, bei Ihrer Antrittsrede hier im Deutschen Bundestag versprochen haben, kann keine Rede sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundesfinanzminister hat in seiner Einbringungsrede über die Steuer- und Abgabenbelastung gesprochen. Er hat bewegt Klage darüber geführt,



    Dr. Apel
    wie schlimm das alles sei. Herr Kollege Stoltenberg, in Ihrer Amtszeit ist die Steuer- und Abgabenbelastung auf neue Rekordhöhen gestiegen. Man kann nicht gleichzeitig beklagen und die Verantwortung für diese Entwicklung tragen. Wenn Sie klagen, dann handeln Sie! Wenn Sie nicht handeln, klagen Sie nicht, sondern nehmen Sie unsere Vorwürfe zur Kenntnis.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Entlastungen im Steuersenkungsgesetz 1986/88 sehen ja wohl folgendermaßen aus: Der Normalverdiener erhält 12 DM Steuersenkung. Ich habe darauf hingewiesen, daß das meiste davon allein durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge weggenommen wird.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

    Der Spitzenverdiener erhält mehr als fünfzigmal diese Summe von 12 DM als Steuerentlastung,

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Hört! Hört! — Dr. Vogel [SPD]: Das ist „gerecht"!)

    obwohl die Steuerlast, die er zu tragen hat, nur zwanzigmal so hoch ist wie die des Durchschnittsverdieners. Da kann ich nur sagen: Wenn Sie es sich zum Ziel gesetzt haben, die Steuer- und Abgabenlast zu senken, können Sie dabei eigentlich nur an die Spitzenverdiener gedacht haben, denn für die anderen findet das nicht statt.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU] und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Aus diesem Grunde ist es ja auch nicht erstaunlich, daß eine repräsentative Umfrage von „Infratest", die in diesem Falle — ich muß das zugeben — Herr Bangemann nicht bestellt hat — —

    (Heiterkeit bei der SPD — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wo ist er denn die ganze Zeit?)

    — Wir können auf ihn verzichten!

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine repräsentative Befragung durch „Infratest" hat ergeben — Herr Kollege Friedmann, das können Sie nachlesen —, daß nur jeder fünfte Bundesbürger von der Steuersenkung zum 1. Januar 1986 etwas gemerkt hat,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Schwerpunkt war die Familie!)

    und von denen, die etwas gemerkt haben, sind die meisten in den höheren Einkommensbereichen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist falsch, das ist wiederum falsch!)

    — Wenn Sie sagen, das sei falsch, bitte schön, dann reden wir über Zahlen, die Sie nicht bestreiten können:
    Die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung der Löhne und Gehälter betrug 1982 weniger als 16%. Sie wird 1986 trotz Steuersenkung auf 17 % steigen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    und sie wird trotz weiterer Steuersenkung 1988 im Jahre 1990 bei 19% liegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: 3% plus!)

    Und da sagen Sie, die Angaben seien falsch! Dies sind Fakten, und die spürt jeder Bürger, jeder Arbeitnehmer, am Wochenende oder am Monatsende auf seinem Gehaltsstreifen.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. Timm [SPD]: Das nennen sie Gerechtigkeit!)

    Wenn wir dann die Sozialabgaben mit einbeziehen, wird es noch dramatischer: 1981 mußte der Durchschnittsverdiener 39 Pf von jeder verdienten Mark abgeben, 1989 werden es 44 Pf sein.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Der Haushaltsentwurf 1987 macht doch deutlich, wohin die Reise gehen soll: Gegenüber dem Haushaltsj ahr 1986 werden die Einnahmen aus der Lohnsteuer um 8,5% steigen, die Einnahmen aus allen anderen Steuern lediglich um 2,7 %.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Sie wollen den Marsch in den Lohnsteuerstaat. Die Zahlen beweisen es. Nicht Klagen sind angebracht, sondern Handeln ist gefordert.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat uns heute morgen über die Finanzenge in seinem Bundeshaushalt berichtet. Er hat darauf hingewiesen, daß er Probleme auf der Einnahmenseite hat. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, konnten Sie davon eigentlich überrascht sein? Wer die Unternehmenssteuern um 10 Milliarden DM jährlich senkt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ein solches Erbe antritt!)

    wer die Steuersubventionen explodieren läßt, wer im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit nichts unternimmt und deswegen auf Steuereinnahmen verzichten muß, die er hätte bekommen können, wenn wir ein höheres Beschäftigungsniveau hätten,

    (Beifall bei der SPD)

    der muß zur Kenntnis nehmen, daß das auf der Einnahmenseite Konsequenzen hat.
    Die uns von Ihnen, Herr Kollege Stoltenberg, vorgelegte Finanzplanung ist bereits Makulatur. Das ist doch eine erstaunliche Geschichte: Da redet der Finanzminister anhaltend und lange über die größte Steuerreform in der nächsten Legislaturperiode, über diese Super-Steuerreform, und dann, meine Kollegen, schauen Sie einmal in die mittelfristige Finanzplanung hinein: Sie finden dort nicht eine müde Mark angesetzt; nichts ist vorgesehen. Anders gesagt: Außer vielen Worten, außer viel Nebel können wir heute nichts erkennen.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch andere Ausgabenansätze fehlen doch. Wo sind denn in der mittelfristigen Finanzplanung die Ausgabenansätze für das Babyjahr für alle Frauen? Gewiß: Die Regelung, die Sie nach der Niedersachsenwahl durchgesetzt haben, ist schäbig genug. Vor-



    Dr. Apel
    her hatten Sie den alten Damen das Blaue vom Himmel versprochen. Sie plündern vorerst zur Finanzierung dieses Babyjahrs die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit.

    (Breuer [CDU/CSU]: Was haben Sie denn 13 Jahre lang gemacht?)

    Meine Damen und Herren, es handelt sich doch um Bundesaufgaben und -ausgaben. Sie haben Versprechungen gemacht. Das gehört in die mittelfristige Finanzplanung hinein. Man kann doch nicht so tun, als gebe es sie nicht.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Wo war denn Ihr Babyjahr?)

    Deswegen sagen wir Ihnen: Die Milliardenversprechungen, die im Moment Generalsekretär Geißler aushändigt, sind überhaupt nichts wert; denn nicht eine Mark dieser Versprechungen ist in der mittelfristigen Finanzplanung angesetzt. Die Kassen sind leer; Sie wissen es. Sie versuchen erneut den billigen Weg der Wählertäuschung. Das ist es.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Bundesfinanzminister hat über die Probleme der EG-Finanzen gesprochen.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Sie haben Schulden gemacht, ohne was zu tun!)

    In Brüssel bestehen 44 Milliarden DM ungedeckte Verpflichtungen. Da kommen riesige Haushaltsrisiken auf uns zu. Die Bundesregierung trägt ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung dafür. Sie haben doch, weil Sie Ihre verfehlte EG-Agrarpolitik auch in Brüssel fortsetzen wollten, die mühsam gemeinsam erarbeiteten Grundsätze der Haushaltsdiziplin in Brüssel über Bord geworfen.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben hier im Bundestag am 7. Dezember des Jahres 1983 erklärt — ich zitiere Sie —:
    Nur über eine strengere Haushaltsdisziplin kann die Gemeinschaft den Weg aus der Krise finden. Es ist politisch nicht vertretbar, daß die Mitgliedstaaten ihren Bürgern Opfer zumuten, um die nationalen Haushalte in Ordnung zu bringen, gleichzeitig aber den Gemeinschaftshaushalt ungebremst expandieren lassen.
    Bravo, bravo! Aber wo sind denn die Taten geblieben?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Stoltenberg hat vor einem Jahr zum Haushaltsentwurf der EG 1986 hier im Bundestag gesagt — ich zitiere ihn —:
    23 % Zuwachs können wohl nicht das Ergebnis der Brüsseler Haushaltsberatungen sein. 2 % auf nationaler Ebene, 23% in Brüssel — das paßt nicht zusammen.
    Und nun? Der mit der Zustimmung der Bundesregierung und durch unvernünftige Forderungen im Bereich der Agrarpolitik aufgeblähte EG-Haushalt wächst nicht um 23 %, sondern sage und schreibe um 25%.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren von der Koalition: Natürlich können wir die Europäische Gemeinschaft nicht zum Null-Tarif haben; das wissen wir. Das kostet Geld.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wissen Sie das tatsächlich?)

    Wenn die Bundesregierung glaubt, die Europäische Gemeinschaft zu einer Agrargemeinschaft degenerieren lassen zu müssen, indem sie immer mehr Agrarforderungen in die Gemeinschaft hineinpreßt, dann wird Europa in der Tat unbezahlbar. Dann wird das, was der Bundeskanzler in seinen Sonntagsreden gern verkündet, nämlich die Vision vom Vereinigten Europa, die wir ja teilen, Herr Bundeskanzler, zu einer Farce, weil sie finanziell konterkariert wird. Wir werden daran nicht mitwirken.

    (Beifall bei der SPD — Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Ihr habt lange genug gepfuscht!)

    Ich habe in der Einführungsrede des Bundesfinanzministers ein interessantes Zitat gefunden. Ich will es Ihnen einmal vorlesen. Der Finanzminister sagte — ich zitiere ihn —:
    Wir wollen keinen überbordenden Staat, der — das ist die entscheidende Aussage —
    willfährig einer Vielzahl von Einzelinteressen dient.
    Als ich diesen Satz gelesen habe, habe ich an die Nacht- und Nebelaktion des Herrn Stoltenberg gedacht, die auf Grund von Bauernprotesten in Rendsburg, in dem Wahlkreis des Herrn Bundesfinanzministers, plötzlich über Nacht 22 Milliarden DM an zusätzlichen Haushaltsmitteln bereitstellen konnte.

    (Beifall bei der SPD — von Hammerstein [CDU/CSU]: Sie tun ja nichts für die Bauern! — Glos [CDU/CSU]: Jetzt geht es gegen die letzten Bauern!)

    Damit es ganz klar ist, meine Damen und Herren der Unionsparteien: Wir Sozialdemokraten wissen um die verzweifelte Lage unserer bäuerlichen Familienbetriebe

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist verleumderisch, was Sie da sagen!)

    — ja, nun, hören Sie doch erst einmal zu —, und wir werden ihnen beistehen,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    damit sie mit ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten fertigwerden. Wir wissen auch, daß es ohne öffentliche Mittel nicht geht. Wir wissen, daß eine neue Agrarpolitik teuer ist.
    Wir übernehmen im übrigen auch unsere Mitverantwortung für die Entwicklung der EG-Agrarpoli-



    Dr. Apel
    tik. Das ist doch klar. Wir haben 13 Jahre dieses Land regiert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber wie?)

    Aber im Gegensatz zu Ihnen haben wir bereits im Jahre 1980 unser neues Konzept für eine andere Agrarpolitik vorgelegt,

    (Beifall bei der SPD — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Na, ja! — Zuruf von der CDU/CSU: Von Agrarpolitik verstehen die Sozialdemokraten nichts! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    ein Konzept, meine sehr geehrten Damen und Herren, das zunehmend auf Zustimmung stößt und zunehmend Verbreitung findet. Sie dagegen wursteln borniert ohne Kurskorrektur in ihrer Agrarpolitik weiter. Reden Sie doch einmal draußen mit den bäuerlichen Familienbetrieben. Reden Sie doch einmal mit den Landwirten in Bayern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann haben Sie das letzte Mal mit einem Bauern geredet?)

    Reden Sie doch einmal mit den Landwirten in der Rhön und anderswo. Die wissen doch eines ganz genau: die von Ihnen verwandte Milliardensubventions-Gießkanne, aus der Sie da ausstreuen, nutzt den Ertragsstarken,

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Genau! Das ist richtig!)

    den großen Unternehmen. Die kleinen Betriebe gehen zugrunde. Ich sage Ihnen, diese Agrarpolitik und diese Finanzpolitik hat weder für Brüssel noch für unsere Landwirtschaft Zukunft. Sie muß deswegen schleunigst beendet werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Bundesfinanzminister hat heute wieder über die nächste größe Steuerreform geredet, nicht mehr über das, was da passiert ist — 1986 und 1988 — zu Lasten der Kleinen, und er hat sich damit, wie ich finde, in einen fahrlässigen Wettlauf um Steuersenkungsversprechungen eingelassen, nicht zuletzt deswegen, weil die Kassen ja wirklich leer sind. Herr Kollege Stoltenberg, ich verstehe nicht, warum das sein muß. Wenn Sie es dann schon tun, wenn Sie meinen, mit dieser neuerlichen Versprechung einen Wahlschlager zu haben, dann sagen Sie uns bitte mehr über die Konturen dieser nächsten Steuersenkung; dann sagen Sie uns, wie Sie diese 40 bis 45 Milliarden DM finanzieren wollen; dann geben Sie zu — Sie haben es heute zum erstenmal hier leicht angedeutet —, daß Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Verbrauchsteuern zur Finanzierung dieser Steuerreform bereits fest eingeplant haben.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Das ist nicht wahr! — Das stimmt ja überhaupt nicht! — Hat er überhaupt nichts von gesagt!)

    Herr Kollege Stoltenberg, Sie sprechen dann über den Abbau von Steuervergünstigungen. Ich habe ja bereits gesagt, daß wir wenig Vertrauen in Ihre Kraft haben. Sagen Sie dann aber auch, daß der CDU-Finanzminister des Landes SchleswigHolstein und die CDU-Finanzministerin des Landes Niedersachsen ganz öffentlich sagen und deutlich machen, was sie unter Abbau von Steuervergünstigungen verstehen, nämlich die Besteuerung der Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit, die Abschaffung der Arbeitnehmerfreibeträge und die Abschaffung der Weihnachtsfreibeträge. Ich verstehe, daß Sie in der Klemme sind, ein solches Steuerpaket konkret vorzustellen; denn es ist natürlich schwierig, dem Normalbürger zu sagen, er möge bei der nächsten Bundestagswahl für die Koalition stimmen, wenn sie die Spitzensteuersätze senken will, wenn die Unternehmenssteuern weiter gesenkt werden sollen, wenn aber zur Finanzierung die Mehrwertsteuer, die Verbrauchsteuern erhöht werden und Steuervergünstigungen bei Arbeitnehmern abgebaut werden sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben über unser Kontrastprogramm gesprochen, Sie haben viel über unseren Nürnberger Parteitag gesprochen. Wir finden das gut, vielleicht sollten wir Sie zu unserem nächsten ordentlichen Parteitag als Ehrengast einladen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    In jedem Falle, Herr Kollege Stoltenberg, bin ich doch dafür, daß wir bei den Fakten bleiben. Die Fakten sehen so aus, daß wir die zweite Stufe der Steuersenkung 1988 so umbauen werden, daß Familien mit einem Einkommen unter 8 000 DM, Ledige mit einem Einkommen unter 4 000 DM wesentlich stärker entlastet werden als bei Ihnen und daß wir oberhalb 8 000 DM Familieneinkommen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Im Jahr?)

    — im Monat, damit wir uns hier klar verstehen; ich bin gern bereit, Ihnen das noch einmal persönlich zu sagen —, weil wir der Meinung sind, daß es dort verantwortbar ist, die Steuersenkung geringer zu halten als von Ihnen vorgesehen. Das ist verantwortbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun haben Sie einen interessanten Trick gemacht. Er ist nur nicht zulässig. Sie haben gesagt: Und wenn das dann zwei, drei Jahre so weitergeht, dann wachsen mit zunehmendem Einkommen auch diejenigen, die von den Sozialdemokraten begünstigt werden sollen, in neue Progressionsstufen hinein.
    In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Wir werden uns an Ihren unseriösen Steuersenkungsversprechungen für die nächste Legislaturperiode nicht beteiligen. Das ist richtig. Das unterscheidet uns in der Tat.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber, Herr Kollege Stoltenberg, in einem Punkt ist es ja wohl auch klar — und ich schicke Ihnen gerne noch einmal unsere Nürnberger Beschlüsse —,

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sie lesen sie j a doch nicht!)




    Dr. Apel
    daß wir natürlich fortfahren müssen, die heimlichen Steuererhöhungen zurückzugeben und fortfahren müssen — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie aber in früheren Jahren nie getan!)

    — ja, das haben wir in Nürnberg so beschlossen; es empfiehlt sich, nicht nur Referentenvorlagen zu lesen, sondern das Original —

    (Beifall bei der SPD)

    und natürlich fortfahren werden, Steuerprogression und Steuerbelastung zu senken.
    Herr Kollege Stoltenberg, zu einem Thema haben Sie überhaupt nichts gesagt. Wir haben 1974 gemeinsam, wir alle hier in diesem Deutschen Bundestag gemeinsam — ich war damals noch nicht Finanzminister, es war noch Helmut Schmidt; ich wurde es dann — beschlossen, Schluß zu machen mit den unsozialen Kinderfreibeträgen. Wir haben damals gemeinsam gesagt: Dem Staat muß jedes Kind gleich viel wert sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Gemeinsam. Jetzt wird mit merkwürdigen Leistungsbegriffen gesagt, dies wollten Sie nicht mehr, dies sei Gleichmacherei — das sagen Sie —; Sie wollen die Kinderfreibeträge forcieren. Das führt doch dazu, daß der Spitzenverdiener für sein Kind zweieinhalbmal mehr Entlastung bekommt als der Normalverdiener.
    Herr Kollege Stoltenberg, wenn ich hier noch eine Anmerkung machen darf: Sie haben für ein einfacheres Steuerrecht plädiert, und Sie haben zu Recht gesagt, dies sei alles zu kompliziert. Das stimmt. Aber wenn ich mir die derzeitige Regelung anschaue — Kindergeld, Zusatzkindergeld, Kinderfreibeträge —, mein Gott, Kinder, Kinder,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Davon gab es keine mehr!)

    habt ihr da unser Steuerrecht kompliziert gemacht, nur um euer Prinzip wachsender sozialer Ungerechtigkeit im Familienlastenausgleich durchzusetzen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch beim Kindergeld genau umgekehrt!)

    Und um Ihnen das auch noch einmal zu sagen: Wir werden ohne zusätzliche Kosten, weil wir die Kinderfreibeträge — wie bereits 1974 von uns allen beschlossen — abschaffen werden, für das erste Kind 100 DM monatlich an Kindergeld, für das zweite 200 DM und für jedes weitere 300 DM zahlen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr mußtet schon mal kürzen! — Und zwar für alle! — Vor der Wahl!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen — und vielleicht finden wir ja Ihre Zustimmung — das Kindergeld auf die Finanzämter übertragen. Es soll quasi von der Steuerschuld abgezogen werden. Dies, Herr Kollege Carstens, führt dann dazu, daß eine Familie mit 2 800 DM Monatseinkommen und zwei Kindern nach Abzug dieser Steuerschuld „Kindergeld" mit der Lohnsteuer nichts mehr zu tun hat. Das ist ein Ziel, das vernünftig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich fasse zusammen: Für uns Sozialdemokraten und — ich denke — für viele Bürger in unserem Lande ist die Bilanz der Amtszeit des Bundesfinanzministers negativ.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das sieht die Bevölkerung ganz anders! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Die Finanzpolitik ist für die anhaltende Massenarbeitslosigkeit mitverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Der Finanzminister hat die öffentlichen Investitionen verkommen lassen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Während seiner Amtszeit haben die Unternehmenszusammenbrüche Rekordhöhen erreicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Und, Herr Kollege Stoltenberg: Ungerechtigkeit ist das Prinzip Ihrer Finanzpolitik.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie haben auf dem Rücken der großen Mehrheit unserer Bevölkerung gespart. Sie haben die Unternehmensteuern gesenkt, die Steuersubventionen explodieren lassen.
    Und lassen Sie mich eine ganz persönliche Bemerkung anfügen: Besonders betroffen bin ich, wenn Sie als praktizierender Christ vom Sozialneid reden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ach!)

    Dies finde ich unglaublich!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Immer primitiver! -Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich finde es unglaublich, wenn ein praktizierender Christ — und der ist Herr Stoltenberg — so über die sozial Schwächsten und über unseren Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit redet.

    (Beifall bei der SPD — von Hammerstein [CDU/CSU]: Der Schulmeister Nummer eins! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Sie haben die Steuer- und Abgabenbelastung unerträglich ansteigen lassen. Die Staatsverschuldung hat neue Rekordhöhen erreicht.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Wenn es der Partei nützt, lügt der auch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




    Dr. Apel
    Sie verscherbeln, Herr Kollege Stoltenberg, Volksvermögen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Diese Politik muß beendet werden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Die Finanzpolitik muß den ihr möglichen — den ihr möglichen! — Beitrag für ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit leisten, vor allem im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Last der Finanzierung der unabdingbaren staatlichen Aufgaben muß gerechter verteilt werden. Steuergerechtigkeit — Steuergerechtigkeit! — muß durchgesetzt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen muß der von Ihnen zu verantwortende Marsch in den Lohnsteuer- und Abgabenstaat gestoppt werden.
    Meine Damen und Herren, ich habe bereits darauf hingewiesen: Konsolidierung ist kein Selbstzweck. Aber damit das noch einmal ganz klar ist: Der Ausweg in eine erhöhte Nettokreditaufnahme ist für uns keine Antwort auf die vor uns liegenden großen Aufgaben in der Gesellschaftspolitik. Wir werden auch die Steuerlastquote konstant halten.
    In einem Punkt möchte ich dem Finanzminister am Ende meiner Ausführungen ausdrücklich zustimmen:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ah so, doch!)

    Wir brauchen eine Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Die bestehenden Ungerechtigkeiten müssen beseitigt werden. Ich bin davon überzeugt, daß diese wichtige Arbeit, die dringend ist — und ich stimme dem Finanzminister zu: Es ist vernünftig, sie im nächsten Jahre zu beenden —, im Parteienstreit allerdings nicht leistbar ist.
    Wir Sozialdemokraten stellen uns den Herausforderungen. Die Finanzpolitik der letzten vier Jahre trägt Mitverantwortung für Fehlentwicklungen;

    (Seiters [CDU/CSU]: 600 000 neue Arbeitsplätze! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    sie muß korrigiert werden. Auch deshalb kämpfen wir bei der nächsten Bundestagswahl für unsere Mehrheit.
    Schönen Dank.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)