Rede:
ID1022700200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 29
    1. Geschäftsordnung: 2
    2. Herr: 1
    3. Abgeordneter: 1
    4. Spöri,: 1
    5. bei: 1
    6. der: 1
    7. Einbringungsrede: 1
    8. gibt: 1
    9. es: 1
    10. nach: 1
    11. unserer: 1
    12. keine: 1
    13. Zwischenfragen.\n: 1
    14. —: 1
    15. Meine: 1
    16. Damen: 1
    17. und: 1
    18. Herren,: 1
    19. die: 1
    20. des: 1
    21. Deutschen: 1
    22. Bundestages: 1
    23. gilt: 1
    24. auch: 1
    25. hier: 1
    26. in: 1
    27. diesem: 1
    28. Saale: 1
    29. noch.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Bundeshaushalts 1987 und der Finanzplan bis 1990 setzen den 1982 begonnenen neuen Kurs unserer Politik fort.

    (Bindig [SPD]: Schuldenminister!)

    — Schonen Sie Ihre Kräfte! Die werden Sie in den nächsten Monaten noch brauchen, Herr Kollege. —

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Er ist bestimmt durch ein zurückhaltendes Wachstum der Ausgaben, eine vergleichsweise niedrige Neuverschuldung und wichtige Schwerpunkte, die der Zukunftssicherung dienen: der Förderung von Preisstabilität und Wettbewerbsfähigkeit wie der beruflichen Chancen vor allem der jungen Generation.
    Die Bilanz von jetzt fast vier Jahren neuer Finanzpolitik spricht für Kontinuität auch in den Grundlinien des Bundeshaushalts. Kontinuität, Stetigkeit schließt die Bereitschaft ein, veränderte Bedingungen, neue Herausforderungen zu erkennen und entsprechend zu handeln. Aber Berechenbarkeit und Verläßlichkeit in zentralen Punkten bleiben wichtig, wenn wir Vertrauen in die arbeitenden Menschen, in Investoren und Verbraucher setzen, in ihre Entscheidungen nicht nur für den persönlichen Bereich, sondern auch für die großen Gemeinschaftsaufgaben unseres Volkes.
    Der Beitrag der Finanzpolitik der letzten Jahre für die wirtschaftliche Trendwende, für die Festigung zuvor erschütterter Sozialsysteme,

    (Zuruf von der SPD: Was?)

    für das erreichte Höchstmaß an Preisstabilität und die seit 1984 wieder zunehmende Beschäftigung war positiv.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das wird heute im In- und Ausland, mit Ausnahme der Opposition in diesem Hause, allgemein anerkannt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD — Bindig [SPD]: Das glauben Sie selber nicht!)

    Auch deshalb — ich möchte das den Zwischenrufern der SPD sagen — brauchen wir keinen Wechsel nach der Wende. Meine Damen und Herren der SPD, vor 1982 sind von Ihnen zu viele ungedeckte Wechsel ausgestellt worden,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die unser Volk noch lange Zeit schwer belasten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Denken Sie an Ihre Trümmerfrauen! Denken Sie an Ihre Steuerentlastung!)

    Es soll nach den Kabinettsbeschlüssen bis 1990 bei einem jährlichen Wachstum der Bundesausgaben von weniger als 3% bleiben. Für 1987 beträgt die geplante Zuwachsrate 2,9%. Daraus ergibt sich ein Ausgaberahmen von 271 Milliarden DM. Der Rahmen für die Nettokreditaufnahme soll bei 24,3 Milliarden DM liegen, rund 600 Millionen DM mehr als in diesem Jahr. Das hat kritische Kommentare der Opposition ausgelöst, die für mich schwer nachvollziehbar sind.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sie wollten doch auf unter 15 Milliarden!)

    Meine Damen und Herren, wir haben die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer um fast 20 Milliarden DM in zwei Stufen 1986 und 1988 beschlossen, gegen Ihre Stimme. Wir mußten 1986 rund 4 Milliarden DM Steueranteile des Bundes an die Europäische Gemeinschaft übertragen, damit sie nach der Erweiterung ihre wichtigsten Aufgaben solide finanzieren kann.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist aber gequält, Herr Stoltenberg!)

    — Das sind Tatsachen, Herr Wieczorek, und Sie
    reagieren gequält. Das ist der Sachverhalt zur Zeit



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    in diesem Hause. — Wir erwarten 1987 einen gegenüber diesem Jahr um 5,7 Milliarden DM niedrigeren Bundesbankgewinn, eine erhebliche fiskalische Einbuße auf Grund sehr positiver Entwicklungen, nämlich eines starken Rückgangs der Zinsen und eines wachsenden internationalen Vertrauens in die Deutsche Mark.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Schließlich führt der weitere Rückgang der Inflationsrate kurzfristig auch zu Steuermindereinnahmen, die wir unter diesem Vorzeichen im Interesse der Bürger allerdings auch gerne in Kauf nehmen.
    Ich habe mich selbstverständlich über die Ankündigung der haushaltspolitischen Sprecher von CDU/CSU und FDP gefreut, bei den Einzelberatungen des Entwurfs — wie auch in den Vorjahren — die vorgesehene Nettokreditaufnahme weiter zurückzuführen.
    Meine Damen und Herren, die Kritik der SPD — wir haben sie j a sehr lautstark vernommen, uns sind j a schreckliche Dinge für heute hier angekündigt worden, Herr Apel — geht an den tatsächlichen Ergebnissen der Konsolidierungspolitik der letzten vier Jahre vorbei. Wir haben bei einer wieder wachsenden Volkswirtschaft die Neuverschuldung bei Bund, Ländern und Gemeinden erheblich verringert.

    (Zuruf von der SPD: Zu wessen Lasten? — Bindig [SPD]: Aber immer noch ziemlich hoch belassen!)

    — Der eine sagt: Zu wessen Lasten?, und der andere sagt: Immer noch ziemlich hoch! Schon in den Zwischenrufen wird die Verworrenheit Ihrer Position ganz deutlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber wenden wir uns vor der Emotion, die heute sicher noch kommt, zunächst einmal den Zahlen zu. Das ist in einer Haushaltsdebatte immer sehr vernünftig.
    1982 betrug unser Bruttosozialprodukt, also unsere volkswirtschaftliche Gesamtleistung, rund 1 600 Milliarden DM bei einer Nettokreditaufnahme des Bundes von 37,2 Milliarden DM. 1986 wird das Bruttosozialprodukt voraussichtlich rund 1 950 Milliarden DM erreichen bei einer Neuverschuldung des Bundes von etwa 23 Milliarden DM.

    (Zuruf des Abg. Wieczorek [Duisburg] [SPD] — Weitere Zurufe von der SPD)

    1982 nahm die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände 4,3 % unseres Bruttosozialprodukts, der volkswirtschaftlichen Leistung, in Anspruch. 1986 wird sie noch knapp 2% ausmachen. Das ist ein qualitativer Fortschritt, den Sie mit aller Dialektik nicht aus der Welt schaffen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Apel, zu Ihren heftigen Attacken der letzten Tage will ich folgendes sagen.

    (Duve [SPD]: Die müssen ja gesessen haben, wenn Sie sie wiederholen!)

    — Das werden wir sehen. — Die Zahlen von 1982, auch in der Haushalts- und Finanzwirtschaft, sind gleichsam die Schlußbilanz Ihrer Regierungszeit. Was Sie versuchen, ist nicht statthaft. Sie versuchen nämlich immer, ein gewogenes Mittel aus den letzten fünf oder zehn Jahren Ihrer Regierungspolitik einzuführen, um eine miserable Bilanz optisch zu verschönen. Das nehmen wir Ihnen nicht ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen müssen sich die Sozialdemokraten zunächst einmal selbst auf ihre kritischen Maßstäbe verständigen. Die einen wollen uns — wir werden das heute erleben — mit fragwürdigen Rechnungen als die großen Schuldenmacher darstellen;

    (Zurufe von der SPD)

    die anderen stimmen in den Vorwurf einiger ausländischer Kritiker ein, wir sollten eine expansivere Finanzpolitik betreiben, also mehr Kredit aufnehmen, mehr Schulden machen. Sie müssen sich entscheiden, von welcher Position aus Sie kritisieren wollen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Wenn Sie „Nein!" rufen, dann will ich Sie einmal an die Erklärungen des finanzpolitischen Sprechers Ihrer Fraktion, des Kollegen Spöri, vom 5. August erinnern. Wir konnten am 6. August in den deutschen Zeitungen lesen, daß der Obmann der SPDBundestagsfraktion im Finanzausschuß, Herr Spöri,

    (Zuruf von der SPD: Guter Mann!)

    in diesem Punkt die amerikanische Kritik an der Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland für richtig hielt.

    (Zurufe von der SPD)

    Er hat zustimmend darauf hingewiesen, daß die japanische Regierung — auf amerikanischen Druck, wie er sagte — ein massives Konjunkturprogramm zur Belebung der Binnennachfrage und zum Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte beschlossen hat.
    Jeder weiß, daß auch in Japan dies nur durch eine erhöhte Kreditaufnahme möglich war. Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie Schluß machen mit Ihren Rechnungen, daß wir zuviel Schulden machten. Nur eines von beidem kann stimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Dr. Spöri [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Spöri, bei der Einbringungsrede gibt es nach unserer Geschäftsordnung keine Zwischenfragen.

(Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gilt auch hier in diesem Saale noch.

(Heiterkeit und Beifall)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Jetzt erregen sich einige schon über die Geschäfts-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    ordnung. Wir haben schon erstaunliche Dinge vor uns.
    Meine Damen und Herren, in den kommenden Jahren geht es darum, weiteren Spielraum für Steuersenkungen, für eine anspruchsvolle Steuerreform zu gewinnen. Nur in Verbindung mit einer solchen wachstums- und beschäftigungsfördernden Steuerpolitik erscheint eine vorübergehende begrenzte Erhöhung der Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände vertretbar.
    Als wir im Herbst 1982 Regierungsverantwortung übernahmen, ging es um die alles entscheidende Frage, ob es gelingen würde, bei Bürgern und Verbrauchern, Sparern und Investoren neues Zukunftsvertrauen zu schaffen. Ein überzogener Glaube an die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates und die Geringschätzung privater Initiative und privaten Erfindungsreichtums hatten zu einer nachhaltigen Schwäche der Konstitution unserer Volkswirtschaft geführt. Das Ergebnis war nicht erst seit 1981 in der Rezession eine riesige Investitions- und Arbeitsplatzlücke.

    (Zuruf von der SPD)

    Es gab zunehmend Zweifel, ob das einstige Wirtschaftswunderland Deutschland seinen Platz unter den Spitzenländern der Weltwirtschaft würde behalten können.
    In dieser Situation war vor allem die Finanzpolitik gefordert. Sie mußte das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen, einen neuen Gleichklang mit der Geld- und Kreditpolitik erreichen, die Überlastung des Kapitalmarktes durch eine ausgeuferte öffentliche Verschuldung beenden. Sie mußte vor allem auch den ordnungspolitischen Grundlagen unseres Wirtschaftssystems neue Geltung verschaffen.
    In meiner ersten Haushaltsrede im Deutschen Bundestag im November 1982

    (Zuruf von der SPD: Heute Ihre letzte!)

    hatte ich den Ausgangspunkt unserer Aufgabe so beschrieben:
    Die Gesundung der Wirtschaft, die Sanierung der öffentlichen Finanzen und der sozialen Sicherungssysteme, die Lösung der Arbeitsmarktprobleme können nur in einer großen, über mehrere Jahre wirksamen Gemeinschaftsleistung erreicht werden. Patentrezepte gibt es nicht, und manche Einzelschritte werden in einer offenen und demokratischen Gesellschaft immer kontrovers bleiben. Aber unbestreitbar ist, daß eine Umverteilung zugunsten der Arbeitsplätze schaffenden und sichernden Investitionen zu den vordringlichsten Aufgaben gehört.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Bilanz, die wir heute, 1986, vorlegen, ist positiv.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Sie ist erschreckend!)

    Erstens. Seit der Jahreswende 1982/83 befindet sich die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs mit einem Basistrend von rund 3%.

    (Zurufe von der SPD)

    Die Kraft des Aufschwungs ist ungebrochen und erhält jetzt einen neuen Schub. Sie können heute in den Zeitungen die letzte Analyse des angesehenen Münchener Info-Instituts lesen. Sie geht auf Grund der letzten Daten von einem anhaltenden, sich verstärkenden Aufschwung auch über das Jahresende hinaus und einer weiteren Verbesserung der Beschäftigung aus.

    (Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Apel, ich habe eine Agenturmeldung gelesen, danach haben Sie heute morgen in einem Rundfunkinterview gemeint — wenn die Agenturmeldung korrekt ist —, daß wir die Gefahr einer Rezession für das nächste Jahr sehen müssen.

    (Dr. Apel [SPD]: So ist es!)

    Diese Aussage ist nach meiner Überzeugung unzutreffend.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist unverantwortlich!)

    Wenn Sie vor Ihrem Interview die Morgenzeitungen gelesen hätten, hätten Sie z. B. einen Bericht in der „Financial Times" lesen können, der folgendes sagt: Der international hoch angesehene wirtschaftswissenschaftliche Stab des Internationalen Währungsfonds hat in diesen Tagen seine Wachstumsprognosen für die großen Industrieländer neu bestimmt. Er geht mit einer sorgfältigen Begründung davon aus, daß wir im nächsten Jahr ein reales Wachstum von 3,2 % erzielen können. — Nun ist jede Einzelanalyse im Sommer oder im Frühherbst immer noch mit Ungewißheiten behaftet. Aber das, was dieser hochangesehene Stab des Internationalen Währungsfonds in Washington über unsere Perspektiven und Aussichten veröffentlicht hat, ist heute die wirtschaftswissenschaftlich vorherrschende Meinung. Die Opposition sollte kritisieren; aber Angst als Prinzip für Ihren Wahlkampf ist ein schlechter Ratgeber und wird Ihnen nicht bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die in den ersten Jahren des Aufschwungs dominierende Rolle des Exports ist mittlerweile von den Investitionen und von dem privaten Verbrauch übernommen worden. Unsere Volkswirtschaft hat wieder innere Kraft und Substanz gewonnen. Alle Prognosen gehen davon aus, daß sich der Aufschwung über dieses Jahr hinaus auch 1987 fortsetzt.
    Zweitens. Das Wirtschaftswachstum vollzieht sich bei Preisstabilität und damit ohne Gefahr eines Rückschlags durch Zielkonflikte zwischen der Geld- und der Finanzpolitik. Das ist die wichtigste Voraussetzung für eine nicht nur verbal, sondern tatsächlich soziale Politik und eine verläßliche Ent-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Scheidungsgrundlage für Sparer, Investoren und Verbraucher.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was stabile Preise z. B. für die Sparer konkret bewirken, zeigen die folgenden Zahlen. 1981 — in Ihrer Regierungszeit — haben sie auf ihre Ersparnisse rund 82 Milliarden DM an Zinsen erhalten. Das entsprach damals einem durchschnittlichen Zinssatz von 6,5%. Gleichzeitig hatten wir in jenem Jahr eine Inflationsrate von 6,3%. Das bedeutet, daß 97% — oder, in absoluten Zahlen, 80 Milliarden DM — der gesamten Zinsgutschriften für die Sparer durch die Inflation wieder aufgezehrt wurden. In diesem Jahr werden die Sparer auf Grund der gestiegenen Sparleistung rund 100 Milliarden DM Zinsen erhalten. Davon wird ihnen nichts durch die Inflation weggenommen. Das ist soziale Politik, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Denn die Sparer, die ihr Geld zur Sparkasse bringen, die Sparbriefe kaufen, die Schatzbriefe kaufen, sind nicht die sogenannten Reichen, sondern im wesentlichen die kleinen Leute,

    (Zurufe von der SPD)

    die besser als Sie wissen, was Geldwertstabilität für sie bedeutet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD — Ströbele [GRÜNE]: Vor allem die Arbeitslosen!)

    Drittens. Die anfänglichen Einschränkungen durch Konsolidierungs- und Stabilitätspolitik zahlen sich jetzt für alle, insbesondere für Arbeitnehmer und ihre Familien, in steigenden Realeinkommen aus. Nach Jahren schmerzhafter Einbußen an realer Kaufkraft — allein von 1980 bis 1982 gab es ein Minus von 3,9% — steigen 1986 die Nettoreallöhne je Beschäftigten um rund 4%. Das ist der stärkste Zugewinn seit 16 Jahren. In absoluten Beträgen bedeutet dies, daß die Arbeitnehmer in diesem Jahr durchschnittlich 900 bis 950 DM real mehr ausgeben oder sparen können als im vergangenen Jahr.

    (Zuruf von der SPD)

    Auch bei Renten und Sozialleistungen kommt es 1986 wieder zu einem spürbaren Zuwachs der verfügbaren Einkommen. — Nein, Herr Kollege, zu Ihrem Zwischenruf will ich Ihnen nur sagen: Wir haben bereits vor der Ölpreissenkung die Inflationsrate von über 5,5% im Jahre 1982 auf 2% zurückgeführt. Den größeren Teil der Leistungen haben wir mit unserer Politik vollbracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Ölpreissenkung kommt jetzt sozusagen mit einem weiteren Schub noch hinzu, der allen hilft.

    (Zuruf von der SPD: Stimmt doch gar nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Noch wichtiger ist aber, daß auch Renter und Sozialleistungsempfänger hiervon profitieren,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Die Nachfrage fehlt!)

    daß die Rentenversicherung, die vor vier Jahren kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch stand, wieder auf eine sichere Grundlage gestellt ist.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir sind damit in der Lage, das notwendige langfristige Rentenkonzept für die nächsten beiden Generationen sorgfältig zu erarbeiten.

    (Zuruf von der SPD: Wo ist das Konzept? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Darf ich weiterreden, Herr Kollege?
    Viertens. Die Rückführung der öffentlichen Neuverschuldung hat die Kredit- und Kapitalmärkte erheblich entlastet. Im Jahre 1982 beanspruchte die Nettokreditaufnahme aller staatlichen Ebenen in Höhe von 70 Milliarden DM fast 40% des gesamten Kapital- und Kreditangebots. 1985 waren es nur noch rund 20%. Das ist keine graduelle Verbesserung, sondern ein qualitativer Sprung zu einem Kapitalmarkt, auf dem die privaten Investoren und Nachfrager und nicht die öffentlichen Hände den Ton angeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und FDP)

    Die neue Ergiebigkeit der Kapitalmärkte zeigt sich in deutlich verlängerten Laufzeiten und in Zinssätzen, die heute nur noch etwa halb so hoch sind wie vor fünf Jahren.
    Fünftens. Die privaten Investitionen sind wieder der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist heute lohnender, in Sachkapital und damit in Arbeitsplätze zu investieren als in risikolose Staatspapiere.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

    Heute übertreffen die Sachrenditen die Renditen von Finanzanlagen um rund 5 Prozentpunkte. 1982 hatten umgekehrt die Finanzanlagen noch einen Vorsprung von 4 Prozentpunkten. Das ist unserer Volkswirtschaft nicht gut bekommen.
    Besonders kräftig entwickeln sich die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie. Sie werden voraussichtlich 1985 und 1986 zusammen um real rund 20 % zunehmen. Das ist das beste Ergebnis seit anderthalb Jahrzehnten. Erfreulicherweise nimmt auch die Zahl der arbeitsplatzschaffenden Erweiterungsinvestitionen dabei erheblich zu. Auch die Sachinvestitionen der öffentlichen Hand, die zu rund zwei Dritteln von den Gemeinden vorgenommen werden, wachsen wieder an.

    (Zuruf von der SPD)

    Die arbeitsplatzschaffende Veränderung des Sozialprodukts hin zu mehr Investitionen ist in Gang gekommen.
    Sechstens. Die gemeinsamen Anstrengungen von Staat, Wirtschaft und Tarifparteien finden jetzt in einer zunehmenden Zahl an Arbeitsplätzen ihren Ertrag. Seit dem Tiefpunkt der Beschäftigung ist



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    von Anfang 1984 bis Ende 1985 die Zahl der Arbeitsplätze um rund 300 000 gestiegen. In diesem Jahr werden voraussichtlich weitere 300 000 dazukommen. Das ist ein Anstieg von etwa 600 000 in knapp drei Jahren. Die Zahl der Kurzarbeiter ist seit Anfang 1983 um fast eine Million gesunken.

    (Zuruf von der SPD)

    Die vorhandenen Arbeitsplätze sind durch neue Investitionen und Innovationen zukunftssicherer und wettbewerbsfähiger gemacht worden. Seit Januar dieses Jahres liegt nun auch die Arbeitslosenzahl unter dem jeweiligen Vorjahreswert, und diese Tendenz verstärkt sich. Die Zahl der männlichen Arbeitslosen sinkt, übrigens schon seit Mitte letzten Jahres. Anders ist die Entwicklung bei den Frauen: Ihre Beschäftigtenzahl ist prozentual sogar noch stärker gewachsen als die der Männer, zugleich ist aber die Arbeitsplatznachfrage der Frauen noch nachhaltiger gestiegen,

    (Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

    so daß die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Frauen im Saldo bisher leicht zugenommen hat. Ich stelle das einmal ohne Wertung fest. Es zeigt aber, daß den strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muß.
    Meine Damen und Herren, der ausschließliche Blick auf die Globalzahlen läßt auch andere wichtige Entwicklungen außer acht. Trotz einer Arbeitslosenzahl von insgesamt immer noch mehr als zwei Millionen treten in manchen Branchen und Regionen bereits deutliche Zeichen von Arbeitskräftemangel auf — und dies nicht nur bei qualifizierten Berufen. Der Versuch der SPD — in Nürnberg unternommen —, die heutige Lage auf dem Arbeitsmarkt generell mit dem Begriff der Massenarbeitslosigkeit zu etikettieren und damit die Erinnerung an die Krise am Anfang der 30er Jahre heraufzubeschwören, ist analytisch unzutreffend und verstellt den Blick für eine wirksame Arbeitsmarktpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Das Erreichte ist für uns kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Unsere Anstrengungen müssen angesichts noch ungelöster Probleme und neuer Herausforderungen weitergehen. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor viel zu hoch. Sie noch nachhaltiger abzubauen, bleibt vorrangiges Ziel unserer Politik.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich kann mich nach dem Gesagten über Ihre Zwischenrufe nur wundern, meine Damen und Herren.
    Erschwert wird diese Aufgabe durch strukturelle Probleme, wie wir sie jetzt etwa in der Krise der Werften, im Bereich der Landwirtschaft haben, die von den Betroffenen ohne flankierende Hilfe des Staates nicht bewältigt werden kann.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wieviel?)

    Entscheidend ist jedoch, daß wir — trotz gezielter Hilfen zur Förderung solcher Anpassungen — unsere Kräfte auch künftig darauf konzentrieren, eine weitere Festigung und Verbreiterung des neu geschaffenen wirtschaftlichen Fundaments zu erreichen. Wir müssen unsere Volkswirtschaft weiter modernisieren. Wer aus Wissenschaft und Technik und ihrer Anwendung aussteigen will, nimmt uns jede Zukunftsperspektive zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir müssen unsere Volkswirtschaft wettbewerbsfähig halten und diese Wettbewerbsfähigkeit, soweit wir Einbrüche haben, wiedergewinnen, damit unser Gemeinwesen auch dann bestehen kann, wenn einmal wieder schwerere Wetter heraufziehen sollten.
    Die Koalition sieht einen entscheidenden Ansatz hierfür in einer umfassenden Steuerreform, die die überhöhte Steuerbelastung bei Bürgern und Wirtschaft weiter zurückführt und die Steuerstruktur nachhaltig verbessert.

    (Conradi [SPD]: Für wen?)

    Das ist die wichtigste finanzpolitische Aufgabe der kommenden Wahlperiode. Wir sehen darin auch den unmittelbarsten und besten Weg, um neue Kräfte für mehr Innovation und wirtschaftliche Dynamik freizusetzen.
    In der in Nürnberg bekräftigten Ablehnung der SPD, Steuerlast und Staatsanteil zu senken, wird die grundsätzliche Gegenposition zu unserer Politik deutlich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie treiben es doch in die Höhe! 42,7 %, Herr Minister!)

    Wir wollen in der Tat weniger Staat — d. h. konkret: weniger Administration und weniger Steuern —, weil wir der Ansicht sind, daß die meisten Menschen fähig sind, zu entscheiden, wie sie ihr Leben in Selbstverantwortung gestalten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir gehen auch davon aus, daß die Bürger am besten wissen, wofür und zu welchem Zweck sie ihr Geld ausgeben wollen.

    (Löffler [SPD]: Auch die, die keines haben, Herr Minister!)

    Wir sind aber nicht nur der Ansicht, daß die Menschen zur freien sittlichen Entscheidung in der Lage sind, sondern daß sie diese Freiheit auch wollen. Ich glaube nicht, daß der bevormundete Mensch das Bild der Zukunft sein kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir glauben, daß mehr Raum für selbstverantwortliche Entscheidung letztlich zu einer höheren Lebensqualität der Bürger führt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie müssen mir doch gestatten, die Grundgedanken unserer Gesellschafts- und Finanzpolitik hier einmal vorzutragen. Wenn Sie die nicht einmal mehr anhören können, dann ist das ein schlimmes Zeichen von Intoleranz, meine Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Fraglos gibt es auch in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung immer wieder Fehlentwicklungen und falsche Entscheidungen. Unzulänglichkeiten und Fehlverhalten werden unsere menschliche Existenz immer begleiten.

    (Zuruf bei den GRÜNEN: Wie bei der Bundesregierung!)

    — Ja, auch bei uns, aber bei Ihnen ist das besonders ausgeprägt, sehr verehrter Herr Kollege.
    Eine soziale Marktwirtschaft, in der sich persönliche Initiative im Wettbewerb nicht nur von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch von Ideen und sozialem Engagement entfalten kann, ist eher als andere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen in der Lage, mit neuen Herausforderungen fertig zu werden.
    Das Gleichgewicht zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung wird in einer dynamischen Gesellschaft immer wieder zur Diskussion stehen.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

    Eines steht für mich aber außer Frage: Mit einem Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttosozialprodukt von immer noch rund 47 % und einer Abgabenquote von über 42 % liegen wir weiterhin über dem, was notwendig und vertretbar ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP — Zuruf von der SPD: Sie haben doch die Abgabenquote hochgetrieben! — Lachen bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir haben das Defizit entscheidend verringert und damit den Spielraum, durch Steuersenkung auch die Abgabenquote zu verringern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: 42,7 %!)

    — Herr Vogel, seien Sie vorsichtig mit diesen Rechnungen! Ich komme noch auf einige dieser Rechnungen zurück.
    Daß dies in zwei Phasen geschehen muß, ist j a auch Ihnen erkennbar. Zunächst mußten wir dieses unerträgliche Defizit verringern, und jetzt geht es darum, die Steuer- und Abgabenquote zu senken. Das ist die Reihenfolge der Aufgaben. Ich werde aber noch Gelegenheit haben, wenn wir Ihre Rechnung gehört haben, im Rahmen der Debatte dazu im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich kündige ausdrücklich an, daß ich das vorhabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Jetzt haben wir aber Angst! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wir werden ganz nervös!)

    — Nein, das brauchen Sie nicht. Es ist nur eine Anregung, Ihre Unterlagen noch einmal etwas sorgfältiger zu studieren, Herr Kollege Vogel.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach Ihren Nürnberger Reden kann ich Ihnen das nur dringend empfehlen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Nürnberg hat Ihnen imponiert, was? — Weitere Zurufe von der SPD: Das geht unter die Haut! — Dr. Vogel [SPD]: Sie reden so viel von Nürnberg!)

    — Nein, aber ich habe das mit Interesse verfolgt.

    (Erneute Zurufe von der SPD)

    Es gibt für uns viele Anregungen zur kritischen Auseinandersetzung mit Ihnen. Das ist das Kennzeichen Ihres Parteitages gewesen.
    Wir brauchen nur einen Blick zurück auf die eigene Nachkriegsgeschichte zu werfen oder uns bei unseren wichtigsten Handelspartnern umzusehen. Ein leistungsfähiges, sozial verpflichtetes Staatswesen ist durchaus nicht darauf angewiesen, fast die Hälfte des Sozialprodukts durch seine Hände zu leiten. Dies hat nichts mit einer „weitgehenden Reprivatisierung der großen Lebensrisiken wie Alter, Gesundheit und Arbeitslosigkeit" zu tun, wie die Opposition kürzlich behauptet hat.
    Meine Damen und Herren, das Sozialbudget, die Summe aller sozialen Leistungen des Staates einschließlich der Sozialversicherung, erreicht in diesem Jahr mit 604 Milliarden DM einen neuen Höhepunkt. Auch das ist ein Datum in der Debatte über soziale Politik. Das sind 15% mehr als 1982. Die staatlichen Einkommensleistungen werden sich allein 1986 um über 6 % erhöhen — und dies, wie gesagt, bei stabilen Preisen. 1982, im letzten Jahr der sozialdemokratischen Regierung, stiegen die Einkommensleistungen gerade noch um 21/2% bei einer Inflation von 51/2 %. Klarer als mit diesem Zahlenvergleich kann im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre nicht demonstriert werden, wer wirklich soziale Politik betrieben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Märchenerzähler!)

    — Nein, das sind die Unterlagen des Statistischen Bundesamtes. Wenn Sie das schon zu einer Märcheninstitution erklären, haben Sie sich weit vom Boden der Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland entfernt, meine Herren. Das läßt schlimme Erwartungen für die kommenden Monate wach werden.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir wollen keinen überbordenden Staat, der willfährig einer Fülle von Einzelinteressen dient. Unser Staat soll seine Ansprüche begrenzen, aber handlungsfähig sein. Er soll seine eigentlichen Aufgaben wirksam erfüllen, Rahmenbedingungen setzen, Regionalpolitik gestalten, Wissenschaft und Forschung tatkräftig fördern und die sozialen Sicherungssysteme festigen und verläßlich erhalten.

    (Zuruf von der SPD: Das haben wir gemerkt!)

    Überhöhte Steuern und Abgaben lähmen die Leistungs- und Risikobereitschaft des einzelnen Bürgers .und schwächen die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Auch nach dem Steuersenkungsgesetz 1986/88 ist der Verdienst aus Tarifverträgen, persönlicher Mehrleistung und beruflichem Aufstieg immer noch zu hoch belastet. 1960 befanden sich nur 5% der be-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    rufstätigen Steuerzahler in der Progressionszone des Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifs. 1970 waren es fast 35%. 1990 werden es 70% sein. Der Anteil der direkten Steuern auf Arbeit und unternehmerische Tätigkeit am Gesamtsteueraufkommen beläuft sich heute auf fast 60 % gegenüber 50% in der Nachkriegszeit. Grenzbelastungen mit Steuern und Abgaben der Berufstätigen von 40 %, 50 % oder gar 60 % sind weit verbreitet, bei Arbeitnehmern wie bei Selbständigen.
    Meine Damen und Herren, die Zunahme der Schwarzarbeit, die schleichende Abwanderung in die Schatten- und Untergrundwirtschaft ist besorgniserregend. Jüngste Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit zeigen, daß bis zu 190 Milliarden DM oder 10 % des Bruttosozialprodukts ohne die Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erbracht werden.

    (Lutz [SPD]: Dann müßte die Regierung mal was tun!)

    Schwarzarbeit ist nicht nur eine schwere volkswirtschaftliche Last und eine Frage des Verlustes öffentlicher Einnahmen; sie ist vor allem ein moralisches, ein sozial-ethisches Problem. Es vollzieht sich hier ein schleichender, aber gefährlicher Prozeß der Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sehen hier einen Zusammenhang. Es geht in den kommenden Jahren deshalb auch darum, die bereits in dieser Legislaturperiode eingeleitete steuerpolitische Neuorientierung mit einer weiterreichenden Reform fortzusetzen. Im Jahreswirtschaftsbericht 1986 hat die Bundesregierung die Eckpunkte für eine umfassende Steuerreform dargestellt. Der Leitgedanke heißt: besser niedrige Steuersätze mit weniger Ausnahmen als hohe Steuersätze mit vielen Ausnahmen.
    Diesen Weg — ich sage das unseren Kritikern aus der SPD — beschreiten auch andere wichtige Industrieländer, auch solche, in denen Sozialdemokraten regieren, vor allem jetzt aber die Vereinigten Staaten von Amerika. Fast überall setzt sich die Erkenntnis durch, daß ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Tarifen die Arbeitsfreude und Leistungsbereitschaft der Menschen besser anerkennt und damit motiviert und die Risikobereitschaft und Investitionsfähigkeit der Unternehmen erhöht. Nicht die Geschicklichkeit im Umgang mit dem Steuerrecht, sondern die berufliche Leistung und die Risikobereitschaft zu Investitionen und neuen Arbeitsplätzen müssen wieder stärker honoriert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daher muß es bei dieser Steuerreform auch um einen Abbau von Steuervergünstigungen und Sonderregelungen gehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Steuersubventionen!)

    Weniger Ausnahmeregelungen wären nicht nur
    ordnungspolitisch ein Fortschritt, sondern auch ein
    Beitrag zur Steuervereinfachung und letzten Endes zu mehr Steuergerechtigkeit.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und die Realität?)

    In den Mittelpunkt aller unserer Überlegungen stellen wir den Lohn- und Einkommensteuertarif. Er greift in seiner Wirkung am weitesten, weil durch Tarifsenkung alle Steuerpflichtigen entlastet werden. Unsere Zielvorstellung ist ein linear-progressiver Tarifverlauf, verbunden mit einer deutlichen Anhebung des Grundfreibetrags und einer weiteren Verbesserung der Kinderfreibeträge.
    Die Einkommensteuer sollte auch deshalb im Mittelpunkt der steuerpolitischen Überlegungen stehen, weil sie zugleich die wichtigste Unternehmenssteuer ist. Neun von zehn Unternehmen sind Einzelfirmen, vor allem im Mittelstand, deren Gewinn unmittelbar bei den Unternehmern oder Mitunternehmern versteuert wird.
    Die Bundesregierung strebt zudem eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes an. Wir würden damit bei dieser wichtigsten direkten Unternehmenssteuer den internationalen Entwicklungen folgen und die Stellung unseres Landes als attraktiven Produktionsstandort verbessern.
    Dazu gehört auch eine weitere Rückführung bei den ertragsunabhängigen Steuern.
    Meine Damen und Herren, eine durchgreifende Steuerreform mit den hier kurz skizzierten Eckpunkten erfordert ein deutlich größeres Finanzvolumen als das Steuersenkungsgesetz 1986/88. Es ist klar, daß eine Größenordnung von etwa 40 Milliarden DM nicht ohne einen Teilausgleich finanziert werden kann.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Je weiter wir bei der Rückführung von Steuersubventionen und Sonderregelungen kommen, desto weniger brauchen wir die Anhebung einzelner Verbrauchsteuern in das Konzept einzubeziehen.

    (Lachen bei der SPD — Vogel [München] [GRÜNE]: Aber geplant ist es!)

    — Wenn Sie sich darüber amüsieren, muß ich Ihnen in Erinnerung rufen — auch Ihnen, Herr Apel —, daß in Ihrer Regierungszeit die Verbrauchsteuern um über 30 Milliarden DM angehoben worden sind, ohne eine angemessene Reform bei der Einkommen- und Lohnsteuer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Das ist die Unwahrheit! — Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht wahr!)

    — Ich könnte Ihnen die Statistiken nachweisen: Verbrauchsteuern einschließlich Mehrwertsteuer.
    In diesen Grundfragen künftiger Steuerpolitik gibt es einen klaren Gegensatz zur sozialdemokratischen Opposition.

    (Conradi [SPD]: Subventionsminister!)

    Die schon erwähnten Beschlüsse des SPD-Parteitages würden für die Mehrzahl der arbeitenden Menschen nach wenigen Jahren zu einem unerträglichen Anstieg der Grenzbelastung führen, deren



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Verringerung eine vorrangige Aufgabe aus Gründen der Gerechtigkeit ist.
    Offiziell wollen Sie, meine Damen und Herren der SPD, die Bürger als Alleinstehende mit einem steuerpflichtigen Einkommen ab 60 000 DM durch eine Ergänzungsabgabe zusätzlich zur Kasse bitten.

    (Conradi [SPD]: Wir werden unser Wort halten, Herr Minister!)

    Tatsächlich würde diese Mehrbelastung aber bereits früher eintreten. Nach einer Berechnung der zuständigen Beamten des Bundesfinanzministeriums —

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    — Was heißt hier „Aha"? Das sind bewährte, anerkannte Beamte, die von meinen Vorgängern in ihre Positionen berufen worden sind. Was haben Sie eigentlich gegen diese Experten?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nach einer Berechnung der zuständigen Beamten des Bundesfinanzministeriums hätten die Forderungen der Sozialdemokraten für die Neugestaltung des Steuertarifs 1988 gegenüber unserem Gesetzesbeschluß folgende Wirkungen: Ein lediger —

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist doch eine Horrorvision!)

    — Also, Sie sind schon in Opposition, bevor Sie die Zahlen kennen. Der Zustand der Daueropposition gegen alle Tatsachen und Berechnungen ist wirklich ein beklagenswerter. Ich muß Ihnen das sagen.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie kennen das!)

    Ein lediger Arbeitnehmer mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 41 000 DM soll nach Ihrem Vorschlag 1988 gegenüber unserem Gesetzesbeschluß für kurze Zeit um 38 DM jährlich bessergestellt werden. Aber die Grenzbelastung wird auch für ihn höher. Sein Kollege mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 48 000 DM würde nach Ihren Vorstellungen schon 1988 um 344 DM zusätzlich belastet werden. Bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 60 000 DM erhöhte sich dieser Betrag 1988 auf 1 898 DM. Meine Damen und Herren, auch der Arbeitnehmer mit heute 38 000, 40 000 oder 42 000 DM als Alleinstehender kann sich ausrechnen, daß er bei dieser Kurve, bei dieser Grenzbelastung, die Sie vorsehen, schon nach zwei, drei Tarifrunden von der SPD härter belastet würde als nach dem von uns in Kraft gesetzten Tarif für 1988. Der immer wieder verkündete Anspruch der Opposition, Arbeitnehmerinteressen zu vertreten oder der sozialen Gerechtigkeit zu dienen, erweist sich in der Finanzpolitik als völlig unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei allen Planungen zur steuerlichen Entlastung darf die Problematik der Sozialabgaben nicht in den Hintergrund treten. Steuersenkungen verlieren ihre Wirkung, wenn ihr Ergebnis durch höhere Sozialversicherungsbeiträge wieder beeinträchtigt wird.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Die Sozialabgaben zu stabilisieren erfordert vor allem grundlegende Entscheidungen im Gesundheitswesen.
    „Aha", sagen Sie, Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer hat denn gesteigert? 19,2 %, mein Lieber!)

    — Die Sozialabgabenquote ist von 1969 bis 1982 um fast 6 % unseres Bruttosozialprodukts angestiegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: In Ihren vier Jahren um 3 — Nein, Ihr Zwischenruf ist sachlich unrichtig. Wir können uns nachher darüber unterhalten. — Selbst die Herren, die ihn gar nicht gehört haben, lachen darüber. So weit geht die Solidarität bei den Genossen. Das ist schon eindrucksvoll. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


    (Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Steuerentlastungen setzen die Fortsetzung der bisher sparsamen und verläßlichen Haushaltspolitik voraus. Auch im Haushaltsvollzug 1986 verfolgen wir konsequent diese Linie. Unabweisbare Mehrausgaben von rund 1 Milliarde DM, die durch die Ausgleichszahlungen nach dem sowjetischen Reaktorunglück und durch die notwendigen Hilfsmaßnahmen für die deutsche Landwirtschaft begründet sind, werden wir mit Hilfe der beschlossenen Haushaltssperre auffangen können.
    Auf der Einnahmeseite kommen in diesem Jahr die dem Bund zustehenden Steuern bei jetzt sogar sinkenden Preisen etwas langsamer auf als veranschlagt. Bei den Verwaltungseinnahmen zeichnen sich jedoch Mehreinnahmen ab. Ich bin zuversichtlich, daß wir deshalb insgesamt einen positiven Abschluß für dieses Haushaltsjahr erreichen werden
    — im Rahmen der bewilligten Nettokreditaufnahme.
    Mit 271 Milliarden DM liegt das vorgesehene Haushaltsvolumen für 1987 nur um knapp 11 % über den Ausgaben von 1982. Im gleichen Zeitraum steigt das Bruttosozialprodukt mit voraussichtlich 28% nahezu dreimal so schnell.
    Werfen wir einen Blick zurück auf die fünf Jahre vor 1982, so war es damals genau umgekehrt: Die Zunahme der Bundesausgaben lag erheblich über dem Wachstum der volkswirtschaftlichen Leistung. Die ständige Ausdehnung des staatlichen Sektors, die von der SPD nach wie vor als politisches Ziel proklamiert wird, mündete seinerzeit in den fatalen Teufelskreis steigender Staatsquoten und zunehmender Haushaltsdefizite

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist doch eindeutig unredlich, das wissen Sie!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    und endete letztlich in der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktkrise zu Beginn der 80er Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ein Neubeginn und eine Neuorientierung war deshalb erforderlich. Wichtige Ergebnisse habe ich beschrieben. Wir richten unsere Bemühungen jetzt zunehmend auf die Verbesserung der Struktur des Bundeshaushalts. Auch hier sind wir vorangekommen, auch wenn wir nicht alle Ziele erreicht haben. Wir haben den Abbau beschäftigungswirksamer Investitionen gestoppt und den überproportionalen Anstieg der Personalausgaben und Zinsausgaben deutlich abgebremst.
    Herr Kollege Apel, auch zu Ihren öffentlichen Erklärungen will ich Ihnen sagen: Im Bundeshaushalt sind 1987 investive Mittel in Höhe von 34,9 Milliarden DM eingeplant. Das sind 3 Milliarden DM mehr als 1982. Hinzu kommen aber die Investitionen der Sondervermögen Bahn und Post

    (Dr. Apel [SPD]: Die waren immer drin!)

    mit voraussichtlich 25 Milliarden DM im Jahre 1987.
    — Ja nun, Sie haben seit 1982 eine wesentlich höhere Steigerungsrate. Es sind nämlich 81/2 Milliarden DM mehr als 1982. Wenn Sie diese Gesamtleistung des Bundes für Investitionen — Etat, Bahn und Post — zusammennehmen, dann muß ich feststellen, daß es falsch ist, wenn die Sozialdemokraten immer wieder behaupten, die Investitionen oder die Investitionsquote des Bundes sei abgesunken. Diese Behauptung ist unzutreffend.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Sie wollen sie absenken, der Finanzplan sagt es doch!)

    — Aber Herr Kollege Apel, wir wollen doch keine Silbenstecherei betreiben.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir wollen korrekt und ehrlich sein!)

    Wenn wir die Gesamtinvestitionen des Bundes im Etat plus Post und Bahn zusammennehmen, kommen wir zu einem deutlichen Anstieg der Investitionen und der Investitionsquote.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Äpfel und Birnen sind Obst, Herr Kollege!)

    — Nein, Investitionen, ob im Bundeshaushalt oder von der Bundespost getätigt, haben dieselbe volks-
    und arbeitsmarktpolitische Wirkung, unabhängig davon, in welchem Einzelplan oder Sondervermögen sie etatisiert sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mein Rat ist ja nur, sich nicht ausschließlich auf die Einzelpläne des Etats im engeren Sinne zu beschränken.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir kommen darauf noch zurück!)

    — Ja, gut, ich darf Ihnen diesen Vorschlag machen und mit guten Argumenten begründen.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Ich will Ihnen einmal zu Ihrer Kritik, die ich in der Presse hinsichtlich der schrittweisen Zurückführung der Mittel des sozialen Wohnungsbaus gelesen habe, sagen: Sie müssen sich nun wirklich daran erinnern, was die von Ihnen gestellte Regierung eingeleitet hat. Der Kollege Matthöfer hat als Bundesfinanzminister 1981 zu Protokoll gegeben — das können Sie j a nachlesen —, daß mit der damals erfolgten Verständigung mit den Ländern der Rückzug des Bundes aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus geboten sei. Sie haben damit begonnen; wir setzen das fort, und wenn wir dies fortsetzen, dann ist die Kritik aus Ihrer Richtung angesichts dieser Ausgangslage doch total unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Deutsche Bundespost will Ihre Investitionen in Sachanlagen — nach einer über 13%igen Steigerung im Vorjahr — im laufenden Jahr noch einmal um knapp 8 % erhöhen.
    Erhebliche zusätzliche Impulse gehen auch von dem ERP-Sondervermögen und den verbesserten Kreditangeboten der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank — insbesondere für den Umweltschutzbereich und kommunale Vorhaben — aus.
    Meine Damen und Herren, die notwendige Anpassung der Bauwirtschaft haben wir durch eine Reihe von Entscheidungen — vor allem im letzten Jahr — wirksam unterstützt. Heute sind Bauindustrie und -handwerk nach schweren Jahren aus der Talsohle heraus.

    (Zurufe von der SPD: Na!)

    Die Nachfrage nach Bauleistungen hat sich im ersten Halbjahr 1986 spürbar belebt. Bis Mitte des Jahres nahmen die Aufträge im Bauhauptgewerbe um 9 % zu; im gewerblichen und industriellen Wirtschaftsbau waren es 12,5 %.
    Meine Damen und Herren, auf Ihre Zwischenrufe will ich in zwei Punkten antworten. Sie konnten am letzten Wochenende in den Zeitungen lesen, daß der Verband des deutschen Baugewerbes, also der Verband, der die Interessen der Betroffenen vertritt, diese positive Entwicklung in einer Erklärung dargestellt und begrüßt hat, und auf derselben Seite stand, die SPD bestreite jede Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft. Mit solchen Dingen gewinnen Sie doch keine Glaubwürdigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wir haben die Zahl der Konkurse bedauert!)

    Herr Kollege Apel, zu der Grundsatzauseinandersetzung über Steuerpolitik, die sicher heute auch von Ihrer Seite geführt werden wird, will ich folgendes sagen: Die stärkste Zunahme ist, wie die genannten Zahlen zeigen, im gewerblichen und industriellen Wirtschaftsbau zu verzeichnen. Wir haben uns im letzten Jahr entschlossen, die Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude erheblich zu verbessern. Diese Entscheidung wirkt bei einem Zuwachs von 12,5 %. Sie sollten es endlich aufgeben, konkrete Verbesserungen bei Unternehmenssteuern, die wir eingeführt haben, um planen zu können, um Investitionen auszulösen und Arbeitsplätze zu sichern, als Geschenke für die Reichen abzuqualifizieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die günstigen Rahmenbedingungen mit niedrigen Hypothekenzinsen,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist der Grund!)

    stabilen Bau- und Grundstückskosten bei realen Einkommenszuwächsen geben jetzt auch dem privaten Eigenheimbau nach einem starken Rückgang wieder Impulse.
    Im Bereich der Subventionen ist ebenfalls eine differenzierte Analyse nötig.

    (Duve [SPD]: Weiß Gott!)

    Der Abbau von Steuervergünstigungen ist in diesen Jahren insgesamt nicht vorangekommen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

    Es gibt einzelne Ausnahmen bei der Reform der Grunderwerbssteuer. Insgesamt können wir mit dieser Bilanz nicht zufrieden sein. Nur, es ist, wie ich glaube, erlaubt, darauf hinzuweisen, daß auch Sie in einer längeren Zeit vorher keine besonderen Ergebnisse auf diesem Gebiet zu verzeichnen hatten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir haben auch nicht gesagt, wir wollten um 5 % senken! Wir haben auch nichts versprochen!)

    Diese Aufgabe stellt sich im Rahmen der vorgesehenen Steuerreform.
    Ich habe in diesen Jahren eines gelernt: Sonderregelungen und Steuersubventionen lassen sich auf breiter Front offensichtlich nur in Verbindung mit einer durchgreifenden Tarifreform abbauen. Dieser Zusammenhang ist mir vollkommen bewußt geworden,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    weil ich in diesem Punkte — das will ich Ihnen offen sagen — auch mit einigen Vorschlägen keine Erfolgserlebnisse hatte.
    Beim Abbau von Finanzhilfen, von Subventionen im Haushalt, haben wir eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen. Wenn die Globalzahlen 1987 dennoch einen leichten Anstieg um 700 Millionen DM ausweisen, so beruht dies im Saldo ausschließlich auf dem Mehrbedarf bei der Kokskohlenbeihilf e.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber nur für 1987!)

    — Ich spreche über den Haushalt 1987, Herr Wieczorek. — Auf Grund des Ende der 60er Jahre im Zuge der Neuordnung des Ruhrbergbaus vereinbarten Hüttenvertrages soll die deutsche Stahlindustrie deutsche Kokskohle zum niedrigen Weltmarktpreis verarbeiten. Der Bund und die Bergbauländer gleichen die Differenz zwischen den hohen deutschen Förderkosten und dem niedrigen Weltmarktpreis durch Subventionen aus. Vor allem



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    durch den Rückgang des Dollarkurses öffnet sich die Schere in diesem Jahr weiter. Die Folge ist — ich sage das als Finanzminister mit Bedauern; da gibt es einen Vertrag, den wir beachten müssen — ein nachhaltig steigender Subventionsbedarf, der nach der jüngsten Entwicklung der letzten zwei Monate sogar noch etwas über dem Ansatz des Regierungsentwurfs liegen kann. Um so wichtiger ist es, daß die 1985 von uns vereinbarte Neufassung des Hüttenvertrages nun mittelfristig auch zu einer Entlastung des Bundes und der Länder in diesem Bereich führt.
    Meine Damen und Herren, nun aber will ich Ihren heftigen Angriffen, zum Teil sehr massiven Attacken zum Subventionsthema, einen Punkt hinzufügen. Die SPD fordert auf breiter Front neue Subventionen und kritisiert uns, weil wir mit dem Subventionsabbau nicht genug vorankommen. Es ist deshalb erforderlich, über die ordnungspolitischen Voraussetzungen für die Bewilligung von Finanzhilfen zu diskutieren. Über 50% unserer Subventionen im Bundeshaushalt sind Transferleistungen, Sozialleistungen für einkommensschwächere Mitbürger. Soweit es sich um Zuschüsse und Darlehen für Wirtschaftsunternehmen handelt, sollte eines auch weiterhin unbestritten sein: Zunächst müssen die Eigentümer aus ihrem Betriebs- und Privatvermögen das Mögliche leisten, bevor der Staat mit Steuergeldern antritt. Das ist die langbewährte Praxis der Regierungen des Bundes und der Länder, auch jetzt bei den Diskussionen über zusätzliche Hilfen an mittelständische private Werften. Aber dieser Grundsatz soll nach Ansicht namhafter sozialdemokratischer Politiker offenbar dann nicht gelten, wenn es um die eigenen politischen Freunde geht.
    Der wohnungsbaupolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Herr Kollege Sperling, hat am Wochenende ganz ungewöhnliche Ausführungen zur Bewältigung der Krise der Neuen Heimat gemacht. Er erklärte im Gegensatz zu den Beteuerungen der Herren Breit und Hoffmann, des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden, die Gefahr eines Konkurses bestehe sehr wohl. Jetzt, so sagte der Kollege Sperling, gehe es um eine — ich zitiere — Konkursvermeidungsstrategie. Er fügte dann die Mitteilung hinzu, der Deutsche Gewerkschaftsbund habe beschlossen, keinen einzigen Pfennig mehr in seinen angeschlagenen Wohnungskonzern fließen zu lassen. Gefordert sei — ich zitiere noch einmal den Kollegen Sperling nach den Presseberichten vom Wochenende —, daß die Hauptbeteiligten, Gewerkschaften, öffentliche Hände und Banken, wie — so ist das Zitat — „in einem pokerhaften Spiel zusammenarbeiten sollten".

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist vernünftig!) — Ist das vernünftig,


    (Dr. Vogel [SPD]: Zusammenarbeit ist immer vernünftig!)

    zunächst, Herr Kollege Vogel, zu sagen, der Eigentümer gibt keinen Pfennig, und dann zu sagen, die müßten zusammenarbeiten?

    (Dr. Vogel [SPD]: Er verlangt es doch!)

    Dann stellt sich die Zusammenarbeit wahrscheinlich so dar, daß der Staat und die Banken das Geld geben und der Deutsche Gewerkschaftsbund es entgegennimmt. Das ist nicht unsere Vorstellung von Zusammenarbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: „Gewerkschaften" hat er doch gesagt!)

    Ich halte das auch in Verbindung mit Ihren Attacken gegen uns bezüglich Subventionen für einen unglaublichen Vorgang. Jeder, der sich ernsthaft mit den Problemen der Neuen Heimat befaßt hat, weiß spätestens seit Jahresanfang, daß ein tragfähiges Konzept ohne einen ganz erheblichen finanziellen Beitrag des Eigentümers nicht erreichbar ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kann selbstverständlich sein Milliardenvermögen in anderen Gewerkschaftsunternehmen, Versicherungen, Banken, Handelsunternehmen, aktivieren, um den berechtigten Interessen der Millionen Mieter, der Kreditgeber, der Geschäftspartner, nicht zuletzt der Mitarbeiter der Neuen Heimat zu entsprechen. Die von dem Kollegen Sperling offen unterstützte Weigerung des DGB, dies zu tun, entspricht nicht den elementarsten Grundsätzen sozialer Verantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das steht ja gar nicht in Ihrem Zitat!)

    — Ich zitiere, Herr Kollege Vogel, an Hand der nicht dementierten Berichte großer Zeitungen vom Sonnabend.

    (Dr. Vogel [SPD]: Der hat von Zusammenarbeit der Gewerkschaften usw. geredet! Was denn? Wollen Sie nicht zusammenarbeiten? — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ohne Eigenleistung! — Frau Dr. Timm [SPD]: Buhmann aufbauen, das ist billig!)

    — Was ich hier vorgetragen habe, ist ein nicht dementierter Bericht großer deutscher Zeitungen. Ich habe, weil ich mit solchen Zwischenrufen gerechnet habe, diesen in meinen Akten; ich stelle ihn nachher gern zur Verfügung. Meine Damen und Herren, dieser Auffassung widerspricht auch der von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Neuen Heimat, Herrn Breit, und seinen Kollegen so oft in anderen Zusammenhängen zitierte Grundsatz unserer Verfassung: Eigentum verpflichtet.
    Meine Damen und Herren mit etwa einem Drittel der Gesamtausgaben stellen die Mittel des Bundes für den Sozialbereich weiterhin den größten Ausgabenblock im Regierungsentwurf dar. Vor allem die Familie gewinnt mit unserer Politik wieder den ihr gebührenden gesellschaftspolitischen Rang. Wir haben ihre finanzielle Lage schon jetzt wesentlich verbessern können. Steuerliche Entlastungen für Kinder, Kindergeldzuschläge, höheres Wohngeld, Erziehungsgeld und die Anrechnung von Erziehungszeiten im Rentenrecht sind Bausteine einer neuen familienfreundlichen Politik. Ich bin sicher, daß auch im Rahmen der Steuerreform, die wir uns für die nächste Periode vorgenommen haben, die finanzielle Lage der Familie weiter verbessert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Die Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 werden nach einer Vereinbarung der Koalition stufenweise in die Regelung über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung einbezogen.

    (Zuruf von der SPD)

    In der Koalition ist abgesprochen, hierfür ab 1. Oktober 1987 finanzielle Vorsorge zu treffen. Zugleich wird die Verlängerung der Bezugszeit des Arbeitslosengeldes bei der Bundesanstalt für Arbeit eine Entlastung des Bundesetats bewirken. Wir wollen dem Haushaltsausschuß einen Ergänzungsvorschlag zu beiden Punkten machen, um Ihre Frage, Frau Fuchs, zu beantworten. Es wird sich in der Größenordnung etwa ausgleichen.
    Mit den für die Verteidigung eingeplanten Beträgen leisten wir unseren Beitrag für das Bündnis, das unseren Bürgern ein Leben in Freiheit und Frieden ermöglicht. Die Steigerungsrate von 2,8 — das entspricht etwa dem Haushaltswachstum — gewährleistet und verbessert die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Schwerpunkte sind hier die Verstärkung der Mittel für Wehrforschung und -technik sowie für die soziale Sicherung der Soldaten unter anderem durch die Erhöhung des Wehrsoldes und der besonderen Zuwendungen.
    Die Zinsausgaben sind weiterhin eine schwere Last. 308 Milliarden DM Schulden und eine jährliche Zinsbelastung von 26,6 Milliarden DM fand die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt vor. Wir haben den dramatischen Anstieg abgebremst, aber solange wir Kredite aufnehmen, wachsen die Zinsausgaben weiter. Unser langfristiges Ziel bleibt, die Entwicklung des Einzelplans „Bundesschuld" an den Trend der Gesamtausgaben des Bundes anzupassen.

    (Zuruf des Abg. Walther [SPD])

    Auch mit dem Haushalt 1987 leistet der Bund seinen Beitrag für gesamtwirtschaftlich oder regional bedeutsame Wirtschaftsbereiche, die einen schwierigen strukturellen Anpassungsprozeß vornehmen müssen oder durch eingreifende politische Entscheidungen in Bedrängnis kommen.
    Durch die Krise der EG-Agrarpolitik ist die Landwirtschaft weiterhin hart betroffen. Ihre heutigen Probleme sind nicht über Nacht entstanden, sondern das Ergebnis von Fehlern und Versäumnissen von anderthalb Jahrzehnten. Stetig wachsende Produktionsüberschüsse treiben die EG-Agrarmarktausgaben weiter in die Höhe, während die Einkommen der Bauern sinken. Erste Brüsseler Entscheidungen wie die Quotenregelung bei Milch und die Neuregelung bei Wein haben sektorale Entlastung gebracht. Aber wichtige Beschlüsse der Gemeinschaft für die Marktentlastung in anderen Bereichen stehen noch aus. Wir halten sie für dringend erforderlich.
    So bleibt die Aufgabe des Bundes und der Länder, einen Beitrag für die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe zu leisten, den raschen Strukturwandel in der Landwirtschaft zu flankieren und die Entwicklungschancen der ländlichen Räume zu verbessern. Wir wollen deshalb 1987 für die nationale Agrarpolitik 1,7 Milliarden DM mehr ausgeben als 1982. Hinzu kommen die steuerlichen Entlastungen.
    Das reicht nach Meinung sehr vieler Landwirte nicht aus, während andere, darunter Sprecher der SPD, die Höhe dieser Bundeshilfen heftig kritisieren. Die Kritiker möchte ich daran erinnern, daß die Mittel des Bundes für die Kohle in den letzten fünf Jahren etwa im selben Umfang gestiegen sind, prozentual sogar noch stärker, hier in voller Übereinstimmung aller Parteien.
    Für Schiffbau und Schiffahrt sind die Förderungsmittel des Bundes ebenfalls seit 1982 gestiegen, nach dem Haushaltsentwurf 1987 auf insgesamt 530 Millionen DM. Die schwere internationale Werftenkrise macht jetzt einschneidende Anpassungsmaßnahmen in den Küstenstandorten erforderlich. Wir sind bereit, für die Flankierung einen Beitrag zu leisten. Voraussichtlich ist eine Bundeshilfe an die Küstenländer nach Art. 104 a Grundgesetz der sinnvolle Weg. Ich fordere die Verantwortlichen des Schiffbaus und der Küstenländer auf, uns unverzüglich die erforderlichen Konzepte zuzuleiten, damit wir in Kürze konkrete Initiativen einleiten können.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, wir brauchen Anpassungskonzepte.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: In Ordnung! Akzeptiert!)

    — Ja. Da sind wir uns einig. Danke.
    Die Ausgaben für Forschung und Technologie haben wir in den Vorjahren ganz erheblich gesteigert. Für 1987 ist eine Zunahme um weitere 2 % auf rund 7,6 Milliarden DM vorgesehen. Innerhalb des Plafonds ergibt sich jedoch durch das Auslaufen der Zuschüsse für die beiden Reaktorlinien ein zusätzlicher Spielraum für die Großforschung und andere Schwerpunkte von rund einer Viertelmilliarde DM.
    Für unsere Beteiligung an der europäischen Weltraumforschung ist ein finanzieller Rahmen von 1 Milliarde DM eingeplant.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Sinnlose Verschwendung!)

    Für die nichtnukleare Energieforschung stehen über 400 Millionen DM zur Verfügung,

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist aber billig!)

    um den Förderschwerpunkten neue Energiequellen, rationelle Energieverwendung und Kohletechnologien Rechnung zu tragen.
    Im Einzelplan des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft haben wir erneut die Mittel für das Benachteiligtenprogramm aufgestockt. Wir können 1987 voraussichtlich 7 000 Auszubildende in Vollmaßnahmen und weitere rund 7 500 Jugendliche über ausbildungsbegleitende Hilfen neu fördern.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Dem neuen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stehen für 1987 rund 430 Millionen DM zur Verfügung.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: 0,2 %!)

    Schwerpunkte mit höheren Mitteln sind hier Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen bei der Luft- und Wasserreinhaltung sowie in der Abfallwirtschaft. Verstärkt sind ferner die Mittel für Forschungsvorhaben zugunsten des Umweltschutzes.
    Auf Ihren Zwischenruf zu jenem Betrag möchte ich unterstreichen: Den ganz überwiegenden Anteil der rasch wachsenden finanziellen Anforderungen im Umweltschutz müssen auch in Zukunft die Verursacher, also vor allem die Industrie und die Energieversorgungsunternehmen, zahlen.

    (Lachen bei den GRÜNEN — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wann machen Sie solche Gesetze?)

    Das muß weiter so bleiben.

    (Dr. Apel [SPD]: Wasserpfennig!)

    Der Regierungsentwurf sieht rund 200 neue Planstellen für den Umweltschutz und weitere rund 400 vor allem für die nachgeordneten Bundesbehörden vor. In gleichem Umfang sollen Planstellen eingespart werden. Auf den Bereich der inneren Sicherheit entfallen darüber hinaus 1 000 neue Stellen für den Bundesgrenzschutz. Der in jüngster Zeit weiter verstärkte Zustrom von Asylbewerbern stellt das Bundesamt in Zirndorf vor erhebliche Probleme. Wir haben im Regierungsentwurf eine Aufstokkung der Planstellen vorgesehen. Für eine weitere Verstärkung darüber hinaus, die wir dem Haushaltsausschuß vorschlagen wollen, empfehlen wir ebenfalls einen Ausgleich durch Wegfall von Planstellen im Gesamthaushalt.
    Wir vollbringen diese und andere wichtige Leistungen auf der Grundlage einer gegenüber Ländern und Gemeinden verhaltenen Entwicklung unserer Steuereinnahmen. Vor allem durch die erwähnte Übertragung von Steuereinnahmen des Bundes an die EG und die ungünstigere Steuerstruktur sinkt der Anteil des Bundes am Steueraufkommen. 1985 belief er sich auf 47,5 %. 1990 werden es nach den jetzigen Verteilungsrelationen nur noch 46 % sein. Deshalb wird es in der neuen Wahlperiode um eine angemessenere Regelung für den Bund gehen. Andernfalls müßten die Länder und Gemeinden einen wesentlich höheren Anteil der Aufgaben und Ausgaben im Bereich gemeinsamer Finanzierungen übernehmen.
    Soweit sich, wie bei Kokskohle und Werften, gegenüber dem Kabinettsbeschluß vom 2. Juli aus der Sicht der Bundesregierung Mehraufwendungen abzeichnen, werden wir dem Haushaltsausschuß entsprechende Einsparungsvorschläge machen. Die jüngste Entwicklung des Dollarkurses führt ja in einigen Bereichen auch zu Entlastungen.
    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich verpflichtet uns, die Grundsätze der Steuerverteilung zwischen den Ländern und die Bundesergänzungszuweisungen neu zu regeln. Ich hoffe hier auf die konstruktive Mitwirkung aller Beteiligten. Denn wir müssen erreichen, daß die Neuregelung 1987 vom Bundesgesetzgeber in Kraft gesetzt werden kann.

    (Dr. Apel [SPD]: Sehr gut!)

    Die Bundesregierung setzt ihre Politik der Privatisierung geeigneter Bundesbeteiligungen und Bundesunternehmen bei möglichst breiter Streuung der Aktien fort.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1984 haben wir einen großen Schritt bei der VEBA getan. In diesem Jahr sind 40 % der VIAG-Aktien privatisiert worden. In den nächsten Wochen folgen 45 % unserer Beteiligungen an der Industrieverwaltungsgesellschaft. Ab 1987 wollen wir u. a. die noch in Bundesbesitz befindlichen Anteile am Volkswagenwerk und der VEBA privaten Erwerbern anbieten und unser Engagement bei der Pfandbriefanstalt und der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank verringern. Darüber hinaus haben ganz oder teilweise im Bundesbesitz befindliche Konzerne aus ihrem Bereich Anteile an geeignete private Interessenten veräußert.

    (Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

    — Ja, Herr Kollege, Sie kommen mit der „Verschleuderung". Ich werde darauf eingehen.
    Wir befinden uns auch hier in einem internationalen Trend. Nicht nur liberal-konservative und christlich-demokratische Regierungen wie in Großbritannien, Frankreich und in den Niederlanden gehen diesen Weg. Auch die sozialistische Regierung Spaniens unter Felipe Gonzalez beschreiten ihn, so bei der stark beachteten Übertragung maßgeblicher Anteile und Funktionen der staatlichen SEAT an das deutsche Volkswagenwerk.

    (Zurufe von der SPD)

    — Das ist das Problem. Wir haben im Ausland, wo Sozialisten regieren, zu viele Betriebe, die im Staatsbesitz sind und pleite gegangen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Sie können j a auch ein paar Pleitebetriebe aufkaufen!)

    Die sozialistische Regierung Österreichs

    (Lebhafte Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — hören Sie sich das doch in Ruhe an — kündigte jetzt angesichts der krisenhaften Lage ihrer nationalisierten Unternehmen an, sie wolle private Eigentümer zunehmend an geeigneten Betrieben beteiligen. Das ist der internationale Trend, meine Damen und Herren, aber Sie reden von Verschleuderung von Volksvermögen. Sie haben sich auch von den fortschrittlichen sozialdemokratischen und sozialistischen Politikern in anderen Ländern Europas abgehängt. Das ist der Tatbestand.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir gehen aus ordnungspolitischen Überzeugungen unter voller Wahrung der Belange der Mitarbeiter in der Tat weiter voran. 1984 haben allein 33 000 Arbeitnehmer des Konzerns Belegschaftsaktien bei



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    der VEBA-Teilprivatisierung erworben. Im Juni dieses Jahres gab es fast 400 000 Ersterwerber bei der Veräußerung von Bundesanteilen der VIAG. Es ist deshalb schon abwegig, wenn der Herr Kollege Glotz als Bundesgeschäftsführer seiner Partei behauptet, hier vollziehe sich die „Umleitung von nationalem Vermögen in die Taschen der reichen Oberschicht". Den Mitarbeitern von VEBA, VIAG und VW geht es heute sicher besser als vor fünf Jahren. Ich möchte sie aber nicht zur reichen Oberschicht zählen; das wäre wirklich eine Fehleinschätzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben seit 1982 keinen Zweifel an unserem Kurs in dieser Frage gelassen. Deshalb ist es auch verfehlt, Herr Apel, fiskalische Motive für diese Entscheidung zu unterstellen,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    obwohl wir natürlich auch gerne Einnahmen in den Haushalt einstellen, wie es der Haushaltsordnung entspricht.

    (Zurufe von der SPD: Drei Milliarden!)

    Eine breitere Eigentumsstreuung am Produktivvermögen ist seit Jahrzehnten ein programmatisches Ziel von CDU, CSU und FDP. Jetzt sind wir in einer politischen Kombination, wo wir das ohne Hemmnisse verwirklichen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP. — Zurufe von der SPD: Ohne Hemmungen! Das ist wahr! — Dr. Apel [SPD]: Nur nicht bei der Lufthansa!)

    — Man kann nicht alles auf einmal machen. Wir kommen auch noch auf andere Unternehmen zu sprechen.

    (Zuruf von der SPD: Sie brauchen ja auch noch Reserven!)

    Freuen Sie sich nicht zu früh, es kann sein, daß mit der Konjunktur die Steuereinnahmen in den nächsten Monaten dieses Jahres wesentlich besser werden als bisher; dann brauchen Sie nicht mehr von Haushaltslöchern zu reden.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Dann freuen wir uns mit Ihnen!)

    — Das möchte ich erleben, Herr Wieczorek.
    In den letzten Monaten ist in der internationalen Diskussion erneut auch die Frage nach den weltwirtschaftlichen Wirkungen unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik gestellt worden. Vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Stimmen lauter geworden, die von der Bundesrepublik Deutschland eine expansivere Politik verlangen.
    Die Bundesregierung übersieht neben den ermutigenden Fakten im Bild der Weltwirtschaft — Verstärkung der Auftriebskräfte in vielen Industrieländern, Ölpreisrückgang, Abflachung des Preisauftriebs — nicht die Risiken. So wird das Wirtschaftswachstum in den USA und Japan in diesem Jahr unter früheren Schätzungen liegen. Offensichtlich belasten außenwirtschaftliche Ungleichgewichte nach wie vor die Weltwirtschaft und die Entwicklung an den Devisenmärkten.
    Das Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten von Amerika wird in diesem Jahr voraussichtlich auf mehr als 130 Milliarden US-Dollar ansteigen, während sich die Überschüsse Japans und der Bundesrepublik auf über 75 Milliarden bzw. bei uns 25 Milliarden Dollar belaufen dürften. Die genannten Größenordnungen verdeutlichen freilich auch, daß das eigentliche Problem nicht in dem deutschen Leistungsbilanzüberschuß, sondern in den wesentlich höheren Salden der USA und Japans liegt; immerhin ist der Fehlbetrag der Vereinigten Staaten annähernd fünfmal, der japanische Überschuß fast dreimal so hoch wie der deutsche Saldo.
    Aber wichtiger erscheint mir, daß sich für die Bundesrepublik Deutschland bereits eine Verringerung der internationalen Ungleichgewichte abzeichnet. Hierfür sprechen zunächst einmal die seit 15 Monaten erfolgten erheblichen Änderungen bei den Wechselkursen. Sie werden künftig stärkere Wirkungen in den Außenhandelsergebnissen haben.
    Was die deutsche Position betrifft, beläuft sich die effektive Aufwertung der Deutschen Mark seit 1985 gegenüber den wichtigsten Währungen immerhin auf mehr als 10 %, im Verhältnis zum US-Dollar sogar auf mehr als 50 %.
    Das Wachstum der realen Inlandsnachfrage wird bei uns in diesem Jahr etwa 4,5 % betragen. Diese dynamische Entwicklung verringert unsere Überschußposition durch verstärkte Importe, vor allem aus den Schwellen- und Entwicklungsländern. In realen Größen, also preisbereinigt, vor allem bereinigt um die Ölpreisentwicklung, ist unser Handelsbilanzüberschuß schon seit einiger Zeit spürbar rückläufig. Das wird sich 1987 auch im Außenhandelssaldo niederschlagen.
    Für die Bundesrepublik sind, wie auch die letzten Stellungnahmen des Internationalen Währungsfonds und der OECD anerkennen, die Weichen grundsätzlich richtig gestellt. Aus diesem Grund können wir mit unseren Partnern auch vernünftig sprechen und, ohne uns zu überschätzen, auf die Leistungen unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik hinweisen. Bundesregierung und Bundesbank betreiben eine abgestimmte und konsistente Politik und beurteilen Lage und Probleme national wie international einvernehmlich.
    Meine Damen und Herren, ein künstliches Anheizen der Nachfrage mit den Mitteln der Geld- und Finanzpolitik als Hebel für eine stärkere internationale Konjunkturbelebung würde nur die nächste Inflationswelle und nach ihr die nächste Stabilisierungskrise vorprogrammieren. Damit wäre weder uns noch anderen gedient. Die Erfahrungen der 70er Jahre unterstreichen diese Einschätzung.
    Sehr ernst zu nehmen sind nach wie vor die wirtschaftliche Situation, die gewaltige Problematik, die finanzielle Not der Länder der Dritten Welt. Wir intensivieren unsere Beziehungen zu diesen Ländern und leisten tatkräftige Hilfe: Wir bieten unseren Partnern in der Dritten Welt wachsende Ab-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Satzmärkte. Im letzten Jahr haben wir aus den Entwicklungsländern außerhalb der OPEC für 3 Milliarden DM mehr Waren bezogen, als wir dorthin geliefert haben.
    Wir gehören zu den größten Kapitalgebern der internationalen Finanzierungsinstitutionen. Wir sind bereit, bei der bevorstehenden Aufstockung der Mittel für die IDA, also für jene Agentur, die den ärmsten Ländern praktisch zinslose Kredite gibt, um 11,5 Milliarden Dollar einen Anteil von 11,5% zu übernehmen — mehr, als uns nach den objektiven Daten der Industrieländer zukommt.
    Wir unterstützen nachdrücklich eine allgemeine Kapitalerhöhung der Weltbank. Im Haushaltsentwurf 1987 sind für deutsche Beiträge an die Weltbankgruppe, die regionalen Entwicklungsbanken und den Europäischen Entwicklungsfonds allein insgesamt 1,7 Milliarden DM vorgesehen.
    Unsere Kapitalmärkte stehen den internationalen Entwicklungsorganisationen weiter offen als in sehr vielen anderen Ländern. So hat sich die Weltbank im Geschäftsjahr 1985/86 5 Milliarden DM — das ist immerhin ein Fünftel ihres gesamten Mittelbedarfs — auf dem deutschen Kapitalmarkt beschafft.
    32 Milliarden DM an öffentlichen Entwicklungshilfemitteln haben wir in den letzten vier Jahren bereitgestellt. Im Haushalt 1987 haben wir den Verpflichtungsrahmen für die finanzielle Zusammenarbeit noch einmal um 210 Millionen DM auf 3 Milliarden DM erweitert.

    (Brück [SPD]: Sie sind damit immer noch unter 1982!)

    Davon stehen allein 300 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen der allgemeinen Warenhilfe zur Verfügung.
    Meine Damen und Herren, annähernd 4 Milliarden DM hat die Bundesrepublik den am wenigsten entwickelten Ländern an Schulden erlassen; das sind rund zwei Drittel dessen, was überhaupt an Schulden erlassen wurde. Zwei Drittel der Mittel hat die Bundesrepublik auf sich genommen. Ich glaube, viele andere wären jetzt auch einmal an der Reihe, diesen ärmsten Ländern in ihrer Schuldenlast zu helfen;

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    im Westen, aber vor allem auch im Ostblock. Denn es gilt j a weiterhin der Tatbestand, daß die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland höher ist als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe des Ostblocks.
    Schließlich ist die Bundesregierung auch weiterhin bereit, im Interesse der Erhaltung von Märkten auch für hochverschuldete Länder das Instrument der Ausfuhrbürgschaften aufrechtzuerhalten. Vom gesamten Obligo, das wir auf Risiko des Bundeshaushalts hier haben — 154 Milliarden DM — entfielen Ende letzten Jahres rund 70 % auf Entwicklungsländer.

    (Dr. Holtz [SPD]: Was machen Sie mit den steigenden Zinsrückflüssen?)

    Wirkungsvoller als Kredite und Bürgschaften sind jedoch offenere Märkte für die Erzeugnisse der Entwicklungsländer; sie verbessern die Chancen der Dritten Welt, ihr Schicksal zu meistern. Die Bundesregierung wird sich hierfür mit allem Nachdruck in den bevorstehenden Verhandlungen im GATT einsetzen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend folgendes sagen. Mit dem Entwurf des Bundeshaushalts 1987 und dem Finanzplan bis 1990 unterstreicht die Bundesregierung ihren festen Willen, auch weiterhin am Kurs einer vertrauensbildenden Finanzpolitik festzuhalten. Immer mehr Bürger erfahren heute, daß sich Anstrengungen und Einschränkungen der letzten Jahre gelohnt haben. Stabiler Geldwert, niedrige Zinsen, zunehmende Beschäftigung und deutlich steigende Realeinkommen konnten nur auf der Basis wiedergeordneter Staatsfinanzen und einer gleichgerichteten Geldpolitik erreicht werden. Die Erfolge der vergangenen vier Jahre verstehen wir gleichsam als eine Bestätigung, vor allem aber als eine Verpflichtung. Jenseits aller sachlichen Gegensätze sollten wir gemeinsam unsere ganze Kraft darauf richten, die Voraussetzungen für die Bewältigung der noch nicht gelösten Probleme, für ein fruchtbares Miteinander von Staat und Bürgern zum Wohle jedes einzelnen und unserer Gesellschaft dauerhaft zu sichern. Nur so kann unser Land auch in Zukunft als wichtiger Partner in der Gemeinschaft der Völker seinen positiven Beitrag leisten.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)