Ich kann jedenfalls meinen Redebeitrag hier nicht losgelöst sehen von der Tatsache, daß ich heute in der Mittagspause zwei Stunden lang eine Gruppe dieser jungen Leute leiten werde, die unter dem Thema „Jugend und Staat" debattieren wollen.
Was antworte ich diesen jungen Leuten beispielsweise auf die Frage, welchen Schluß wir aus ihrem Protest gezogen haben, daß sie uns dutzendweise Aluminiumdosen in unsere Büros geschickt haben? Was antworte ich ihnen auf ihre Fragen, wie wir mit Bürgerprotest umgehen? Denn die heutige zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes zeigt ihnen doch, daß wir in den entscheidenden Fragen dieser Novellierung zum Abfallbeseitigungsgesetz aus dem Bürgerprotest nichts gelernt haben.
Was sage ich den jungen Leuten, die mich fragen, wieso sie die Hoffnung denn eigentlich nicht aufgeben sollten, daß sie etwas ändern können in diesem Staat?
Frau Dr. Martiny-Glotz
Während wir hier Lächerlichkeiten debattieren, daß nämlich das „Abfallbeseitigungsgesetz" jetzt in „Abfallgesetz" umbenannt werden soll und daß wir statt von Beseitigung künftig von Entsorgung reden — da denkt jeder gleich an die liebe Mutter, die sich Sorgen macht, wenn ihr Kind Grippe bekommt und mit dem Fieberthermometer und dem Hustensaft angerannt kommt —,
schleppen in der ganzen Republik Hausfrauen volle Einkaufstüten rein und rauf und übervolle Mülleimer raus und runter und schimpfen auf den Riesenberg Abfall. Während hier 90prozentige Männermehrheiten bezüglich des Hausmülls vordringlich wirtschaftsfreundliche Gesetze machen, rennen die Trümmerfrauen aller Jahrgänge, nämlich die 90prozentigen Hausfrauenmehrheiten in dieser Republik,
um die Glascontainer mit Flaschen zu bedienen, auch noch nach Farben sortiert, suchen nach der Altpapierannahmestelle für Zeitungen, was zunehmend schwieriger wird, bringen die ausgebrauchten Batterien ins Geschäft zurück, stapeln Farb- und Putzmittelreste sicher vor Kinderhänden, bis der Sondermüllwagen vielleicht einmal vorbeikommt, und bitten den Göttergatten, doch einmal mit anzupacken, um die alte Sportkarre und die abgelegten Gartenmöbel, dazu die Reste der Auslegware vom Wohnzimmer zum Sperrmüll zu bringen. Die Hausund Trümmerfrauen täten gern noch mehr, um die Umweltbelastung durch Müll zu reduzieren. Es ist aber unmöglich, daß Frauen das reparieren, was Männer als Gesetzgeber anrichten.
Dieses Gesetz macht wie damals beim Katalysator keine entsprechenden Vorgaben, damit die Bevölkerung tatsächlich mitmachen kann, Herr Wallmann.
Die Vorgaben fehlen nämlich auch hinsichtlich der Kommunen. Das weiß jeder Abgeordnete, der zusätzlich kommunalpolitisch tätig ist. Von den drei Kreistagsfraktionen in meinem Bundestagswahlkreis haben zwei eine umfangreiche Müllbereisung durchgeführt, um nach der besten Konzeption für die Abfallbeseitigung in den jeweiligen Landkreisen zu suchen. Die einen wollten ihr Müllverbrennungswerk nicht ausweiten, weil sie genau wissen, daß sie mit dem Filter nicht zu Rande kommen, und die zweiten wollten in einem bisher nicht zerstörten Wald keine Deponie errichten. Aber sie sind ratlos. Sie würden gerne mithelfen, den Müll zu vermindern, aber Bonn gibt ihnen hierzu keine konkreten Ziele vor,
was den Zeitraum und den Rahmen angeht, innerhalb dessen der Müll vermindert wird und wir eine geordnete Abfallwirtschaft beginnen können.
Meine letzte Bemerkung ist wirtschaftspolitischer Natur. Sie bezieht sich auf den § 14, auf den meine Kollegen im einzelnen sicherlich noch eingehen werden. Ich habe im Wirtschaftsausschuß miterlebt, wie die Regelung zugunsten der Mehrwegflaschen schließlich den Todesstoß bekam. Ich habe selten eine so interessenbestimmte, unsachgemäße Beratung erlebt. Da müssen sich die Lobbyisten von Aldi und der Aluwirtschaft bei den Herren von der CDU/CSU und der FDP buchstäblich die Klinke in die Hand gegeben haben.
Die Aluminiumherstellung ist außergewöhnlich stromintensiv, wie Sie wissen. Ich habe kürzlich gelesen, daß in einer Dose Strom für fünf Stunden Fernsehbetrieb steckt, um nur einmal eine Größenordnung zu haben.
Daraus können Sie ersehen, daß man, wenn man hier einen Riegel vorschieben würde, vielleicht den einen oder anderen Reaktor doch sofort abschalten könnte.
Sie von der Union sagen immer, Sie seien für fairen Wettbewerb. Nichts da! Die Ermächtigungsregelung im § 14 begünstigt ganz eindeutig die Großen. Ich sage dies jetzt hier als bayerische Abgeordnete, weil wir eine Fülle von mittelständischen Brauereien in Bayern haben, die einem ungeheuren Wettbewerbsdruck durch die Großbrauereien unterliegen, die eben über Aldi und ähnliche Läden ihr Bier oder andere Getränke in Dosen anbieten. Machen Sie doch endlich einmal Ernst damit, auch, die Kleinen und Mittleren im Wettbewerb und die Verbraucher durch Ihre Gesetze besserzustellen, statt immer Gesetze zu machen, bei denen die Wirtschaft im Hintergrund die Feder führt, Gesetze vielmehr, durch die mit gesundem Menschenverstand das geregelt wird, was die Bürger gern geregelt sähen, nämlich Müll vermeiden und soviel wie möglich nutzbringend wiederverwerten.
Schönen Dank.