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    Plenarprotokoll 10/205 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 205. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Portugiesischen Republik unter Leitung ihres Präsidenten, Dr Fernando Monteiro do Amaral 15777 B Aktuelle Stunde betr. Möglichkeiten, die Neue Heimat Wohnungsbau und deren Eigentümer daran zu hindern, Sozialwohnungen an Dritte zu verkaufen, ohne die betreffenden Mieter darüber zu unterrichten Dr. Graf Lambsdorff FDP 15741 B Müntefering SPD 15742 C Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU . 15743 C Werner (Westerland) GRÜNE 15745 A Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 15746 A Menzel SPD 15747 A Niegel CDU/CSU 15748 B Dr. Sperling SPD 15749 A Dr. Möller CDU/CSU 15750 B Grünbeck FDP 15751 C Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 15752 D Schmitt (Wiesbaden) SPD 15754 C Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland — Drucksachen 10/2935, 10/2927, 10/4560 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 15755 D Dr. Vogel SPD 15764 B Dr. Waigel CDU/CSU 15769 C Dr. Schierholz GRÜNE . . . . 15773D, 15791C Ronneburger FDP 15777 C Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 15781A Löffler SPD 15783 C Windelen, Bundesminister BMB . . . 15785 D Büchler (Hof) SPD 15787 C Voigt (Sonthofen) fraktionslos 15789 B Frau Terborg SPD 15790 B Heimann SPD 15792 C Namentliche Abstimmung 15794 D Nächste Sitzung 15796 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15797* A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 15797* B Anlage 3 Äußerungen des Parl. Staatssekretärs Erhard im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß MdlAnfr 74, 75 07.03.86 Drs 10/5156 Bachmaier SPD SchrAntw StSekr Dr. Kinkel BMJ . . 15798* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 15741 205. Sitzung Bonn, den 14. März 1986 Beginn: 8.01 Uhr
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    Berichtigung 204. Sitzung, Titelseite linke Spalte: Statt „Oostergetelo FDP" ist „Oostergetelo SPD" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein ** 14. 3. Dr. Ahrens * 14. 3. Amling 14. 3. Bindig 14. 3. Böhm (Melsungen) * 14. 3. Dr. Corterier ** 14. 3. Cronenberg 14. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Duve 14. 3. Dr. Enders * 14. 3. Ertl 14. 3. Dr. Geißler 14. 3. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 14. 3. Franke (Hannover) 14. 3. Ganz (St. Wendel) 14. 3. Dr. Götz 14. 3. Haase (Fürth) * 14. 3. Jung (Düsseldorf) 14. 3. Dr. Kreile 14. 3. Frau Krone-Appuhn 14. 3. Landré 14. 3. Lemmrich * 14. 3. Link (Diepholz) 14. 3. Dr. Müller * 14. 3. Neumann (Bramsche) 14. 3. Petersen 14. 3. Pfeifer 14. 3. Pohlmann 14. 3. Reuschenbach 14. 3. Dr. Riesenhuber 14. 3. Rühe 14. 3. Rusche 14. 3. Schlaga 14. 3. Schmidt (Hamburg) 14. 3. Schröder (Hannover) 14. 3. Schulte (Unna) 14. 3. Dr. Schwenk (Stade) 14. 3. Sieler (Amberg) 14. 3. Stommel 14. 3. Vosen 14. 3. Dr. Voss 14. 3. Witek 14. 3. Dr. Wittmann 14. 3. Wittmann (Tännesberg) 14. 3. Zander 14. 3. Zierer * 14. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 7. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Berichtszeitraum 1984/85 (Drucksache 10/5114) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Verordnung der Bundesregierung: Nichtaufhebbare Sechsundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste -Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - (Drucksache 10/5136) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über das Baugesetzbuch; hier: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 10/5111) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr Haushaltsausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 83/643/EWG zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (Drucksache 10/4685) zuständig: Ausschuß für Verkehr Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Nachweis der Übereinstimmung von Fahrzeugen mit der Richtlinie 85/3/EWG - KOM (85) 147 endg. - EG-Dok. Nr. 6164/85 (Drucksache 10/3352 Nr. 18) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr. 83/643/EWG zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten - KOM (85) 436 endg. - Rats-Dok. Nr. 8800/85 (Drucksache 10/3957 Nr. 4) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Jahreswirtschaftsbericht 1985 bis 1986 Eine Kooperative Wachstumsstrategie für mehr Beschäftigung - KOM (85) 570 endg. - Rats-Dok. Nr. 9792/85 (Drucksache 10/4400 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von basischem Chromsulfat mit Ursprung in Jugoslawien - KOM (85) 629 endg. - Rats-Dok. Nr. 10393/85 (Drucksache 10/4495 Nr. 1) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Verpflichtungen bestimmter Ausfuhrkreditversicherungsinstitute der Mitgliedstaaten im Falle der Versicherung bestimmter Ausfuhrgeschäfte - KOM (85) 595 endg. - Rats-Dok. Nr. 10366/ 85 (Drucksache 10/4495 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren (1986) - KOM (85) 600 endg. - Rats-Dok. Nr. 10515/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 1) 15798* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif — KOM (85) 656 endg. — Rats-Dok. Nr. 10489/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 2) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Güteklassen von Ferrochrom der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 618 endg. — Rats-Dok. Nr. 10517/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 3) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 71/316/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend gemeinsame Vorschriften über Meßgeräte sowie über Meß- und Prüfverfahren — KOM (85) 627 endg. — Rats-Dok. Nr. 10738/ 85 (Drucksache 10/4681 Nr. 1) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von Rollenketten mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung der auf Einfuhren von Rollenketten für Fahrräder mit Ursprung in der UdSSR und der Volksrepublik China erhobenen vorläufigen Antidumpingzölle — KOM (85) 679 endg. — Rats-Dok. Nr. 10696/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 2) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Boysenbeeren, gefroren, ohne Zusatz von Zucker, für jegliche Verarbeitung, ausgenommen zum Herstellen von vollständig aus Boysenbeeren bestehender Konfitüre, der Tarifstelle ex 08.10 D des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 653 endg. — Rats-Dok. Nr. 10519/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 3) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) — KOM (85) 662 endg. — Rats-Dok. Nr. 10970/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 4) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) und zur Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte andere Papiere — KOM (85) 672 endg. — Rats-Dok. Nr. 10971/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 5) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, auf Handwebstühlen hergestellt, Tarifnummern ex 50.09, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) — KOM (85) 596 endg. — Rats-Dok. Nr. 10516/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 6) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Süßkirschen, in Alkohol eingelegt, zur Herstellung von Schokoladenwaren, der Tarifstelle ex 20.06 B I e) 2 bb) des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 631 endg. — RatsDok. Nr. 10518/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 7) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 288/82 aufgrund des Beitritts Spaniens und Portugals — KOM (85) 769 endg. — Rats-Dok. Nr. 11624/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 8) Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates betreffend den Abschluß einer Vereinbarung zur Verlängerung und Änderung der Vereinbarung vom 21. Oktober 1982 über den Handel mit Stahlerzeugnissen Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 2870/82/EWG über Beschränkungen für die Ausfuhr von Stahlerzeugnissen in die Vereinigten Staaten von Amerika Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates über den Abschluß einer Vereinbarung vom 10. Januar 1985 über den Handel mit Stahlrohren - Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates zur Änderung einer Verordnung (EWG) Nr. 60/85 über die Beschränkung der Ausfuhr von Stahlrohren nach den Vereinigten Staaten von Amerika Entwurf einer Entscheidung der Kommission betreffend den Abschluß einer Vereinbarung zur Verlängerung und Änderung der Vereinbarung vom 21. Oktober 1982 über den Handel mit Stahlerzeugnissen Entwurf einer Entscheidung der Kommission zur Änderung der Entscheidung Nr. 2872/82/EGKS über Beschränkungen für die Aufruhr von Stahlerzeugnissen in die Vereinigten Staaten von Amerika — KOM (85) 635 endg. — Rats-Dok. Nr. 10281/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 9) Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Dr. Kinkel auf die Fragen des Abgeordneten Bachmaier (SPD) (Drucksache 10/ 5156 Fragen 74 und 75): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich Äußerungen wie diejenigen des Parlamentarischen Staatssekretärs Erhard in der Bild-Zeitung vom 3. März 1986 zum Ermittlungsverfahren gegen den Bundeskanzler nach den bisherigen Gepflogenheiten aller Bundesregierungen verbieten? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung wegen dieser Äußerungen des Parlamentarischen Staatssekretärs ergreifen? Zu Frage 74: Nein. Parlamentarische Staatssekretäre sind nicht gehindert, persönliche Auffassungen zu äußern. Zu Frage 75: Die Bundesregierung hält Maßnahmen irgendwelcher Art nicht für erforderlich.
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ohne weiteres! Ich habe das auch gehört, und es steht überhaupt nicht im Widerspruch zu dem, was ich zitiert habe, denn, Herr Kollege Vogel, er hat damit nichts anderes ausgedrückt, als daß

    (Kuhlwein [SPD]: Daß er keine Phantasie hat, daß er sich nichts vorstellen kann!)

    Veränderungen in Europa und natürlich auch in Deutschland heute und in der Zukunft weder durch Krieg noch durch Revolutionen denkbar sind, sondern daß evolutionäre Entwicklungen durch Geist, Technik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunikation stattfinden und daß für ihn nicht erst heute, sondern schon in den 50er Jahren die Freiheit absolute Priorität hatte

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und die Freiheit vor allen anderen Werten rangiert. Wenn Freiheit gewährt ist, verlieren auch Grenzen und andere Dinge ihren furchtbaren Schrecken; darum geht es.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Vogel, es war schon geschmacklos, das Thema „Massenarbeitslosigkeit" in eine Debatte über die Lage der geteilten Nation einzuführen

    (Widerspruch bei der SPD)

    und dabei auf uns zu sehen, nachdem Sie durch eine liederliche, miserable Finanz- und Wirtschaftspolitik diese Massenarbeitslosigkeit herbeigeführt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ob es sehr geschmackvoll war, hier für Wallraff Buchwerbung zu betreiben, überlasse ich ebenfalls Ihrem persönlichen Urteil.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Frage ist auch, ob es Ihren Erfordernissen von politischer Kultur entsprach, hier das Thema „kriminelles Milieu in Berlin" einzuführen und eine Verbindungslinie zur Politik zu ziehen. Herr Vogel, überlegen Sie sich noch einmal gut, was Sie damit sagen wollten, auf wen Sie damit zeigen wollten

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf sich selber!)

    und was Sie damit angerichtet haben. Das ist eine ganz böse Unterstellung, die Sie hier subkutan versuchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Unredlich in größtem Umfang!)

    Drei Jahre dieser Koalitionsregierung — das wird niemand leugnen können — sind drei Jahre erfolgreicher Deutschlandpolitik. Der Bundeskanzler hat in seiner ersten Regierungserklärung angekündigt, die Teilung Deutschlands und Europas für die Menschen erträglicher zu machen und gute Beziehungen zu unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa zu unterhalten, und diese Politik war erfolgreich. Ich nenne nur wenige Dinge: Form und



    Dr. Waigel
    Atmosphäre der Grenzkontrollen und des Abfertigungsverfahrens durch die DDR-Organe wurden nach unseren massiven Protesten verbessert. Die Todesautomaten und Minen sind abgebaut. 1984 und 1985 konnten jeweils Zehntausende von Landsleuten ihren Wunsch nach Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland verwirklichen, und so wird es auch 1986 wieder sein. Immer mehr Bürger reisen in die DDR, die Reisen von Schülern haben beachtlich zugenommen, und die DDR gestattet mehr Reisen zu uns. Beim Umweltschutz und im Postwesen sind erfolgreiche Vereinbarungen getroffen worden, weitere erfolgversprechende Verhandlungen wurden geführt.
    Die DDR ist bereit, zumindest auf Teilgebieten mit der Bundesrepublik Deutschland eine konstruktive Politik zu betreiben, und dabei haben wir von Anfang an klargemacht: Die beiden Staaten in Deutschland stehen in einem Sonderverhältnis zueinander. Der Auftrag des Grundgesetzes zur deutschen Einheit ist verpflichtendes, politisches, rechtliches und moralisches Gebot. Die Deutschlandpolitik der CDU/CSU ist am Recht orientiert, und die rechtlichen und politischen Grundlagen dieser Politik sind nicht disponibel.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die deutsche Frage ist nicht nur theoretisch offenzuhalten, und die sogenannten Geraer Forderungen Honeckers sind unerfüllbar und nicht Gegenstand der Politik zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das weiß die SED, und sie stellt sich darauf ein. Das ist das Tragische: Sie bedient sich daher in diesen Fragen der SPD.
    Bei seinem Besuch vor einigen Wochen äußerte Herr Sindermann öffentlich im Fernsehen, die Ge-raer Forderungen würden nach und nach verwirklicht werden, auch mit Hilfe der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    in einigen Fragen, in denen sich auf diesem Gebiet doch große Übereinstimmung gezeigt hätte und die sehr nützlich sind. Kann es eigentlich Ihre Strategie sein, das, was nicht Gegenstand des Gesprächs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ist, von Ihnen aus einzuführen, um der anderen Seite hier Schützenhilfe zu leisten?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das kann doch nicht eine wirkliche verantwortungsvolle Strategie einer verantwortungsbewußten Opposition in der Bundesrepublik Deutschland sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist der Grund, weswegen wir Ihnen zu Recht und begründet vorwerfen, daß Sie damit zum Interessenvertreter der SED werden und den Boden deutschlandpolitischer Gemeinsamkeit der Demokraten verlassen.

    (Büchner [Speyer] [SPD]: Bösartige Polemik!)

    — Das ist nicht bösartig, das ist die Wahrheit, und die Wahrheit tut manchmal weh.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich erinnere nur an einige Stationen, wo Sie die Gemeinsamkeit verlassen. Am 9. Februar 1984 faßten die SPD und die Koalitionsfraktionen hier im Bundestag gemeinsam eine Entschließung, in der es u. a. hieß: „Die deutsche Frage ist offen." Schon 1985 war die SPD nicht mehr in der Lage, diese Entschließung zu wiederholen. Meine Damen und Herren, wir haben deswegen keine neue Entschließung miteinander verabschiedet, weil wir nicht bereit sind, jedes Jahr einen neuen Wortlaut, neue Begriffe zu suchen. Wenn wir bei dem bleiben, was wir miteinander vereinbart haben, dann müssen Sie auch in der Lage sein, ein Jahr später zuzustimmen oder zu sagen, daß Sie Ihre Meinung zwischenzeitlich geändert haben. Nur darum geht es.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Später erklärten die Kollegen Apel und Bahr ausdrücklich, die deutsche Frage sei nicht mehr offen. Der Kollege Apel hat dafür die Quittung bei den Berliner Wahlen bekommen.
    Der SPD-Vorsitzende Brandt findet plötzlich das Wort „Wiedervereinigung" im Grundgesetz nicht und leugnet damit das Gebot unserer Verfassung zur deutschen Einheit.
    Der Kollege Schmude, damals noch stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, verlangte die Aufgabe des Wiedervereinigungsgebots der Präambel des Grundgesetzes,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So wie jetzt der Frankfurter Kreis!)

    und Ministerpräsident Lafontaine forderte die Abschaffung der gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit. Herr Kollege Vogel, Sie können doch nicht leugnen, daß der „Frankfurter Kreis", immerhin eine gewichtige Gruppierung in Ihrer Partei, vor vier Wochen verlautbart hat:
    Die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands muß als Ziel aufgegeben werden.

    (Kuhlwein [SPD]: So wie das Strauß auch gesagt hat!)

    — Es ist ein starkes Stück, das, was der „Frankfurter Kreis" gesagt hat, mit dem gleichsetzen zu wollen, was Franz Josef Strauß hier gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das zeigt deutlich die fehlende Intellektualität, wenn Sie sich diesem Thema widmen,

    (Kuhlwein [SPD]: Was Sie sagen, ist totaler Quatsch!)




    Dr. Waigel
    und daß Sie unfähig sind, überhaupt zu begreifen, was sich hier vollzieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aus diesen Mosaiksteinen setzt sich das wahre Bild der Deutschlandpolitik der SPD zusammen. Da helfen keine Beschönigungen oder kurze Korrekturen von Glotz, Rau oder wem auch immer. Sie verletzen damit den Verfassungsauftrag zur deutschen Einheit. Sie leugnen das Sonderverhältnis, das die beiden Staaten in Deutschland zueinander haben, und Sie gefährden die gemeinsame deutsche Staatsangehörigkeit.
    Das verharmlosende Gerede von einer sogenannten Respektierung der Staatsbürgerschaft der DDR ändert daran nichts. Das Zentralkomittee der SED hat vor einem Jahr unmißverständlich gesagt, was „Respektierung" der Staatsbürgerschaft der DDR bedeuten soll: Anerkennung einschließlich der Änderung unseres Grundgesetzes. — Meine Damen und Herren, das ist für uns nie und nimmer akzeptabel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir würden sonst unseren Landsleuten die Möglichkeit nehmen, außerhalb der DDR die Fesseln des SED-Regimes abzustreifen, und wir würden die Berliner letztlich zu Staatenlosen machen. Das wissen Sie, und deswegen müßten Sie sich der Gefahr dieser Formulierung bewußt sein.

    (Berger [CDU/CSU]: Das nehmen die aber in Kauf! Das ist ihnen egal!)

    Wem soll eigentlich die Forderung der SPD nach Auflösung der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter dienen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Verantwortungslos, was die da fordern!)

    Salzgitter war 1961 die unmittelbare Folge der Mauer. Seit 25 Jahren droht unseren Landsleuten in der DDR bei Fluchtversuch Tod durch Erschießen. Die Stelle in Salzgitter ist eine ständige Mahnung und Warnung an die DDR. Wir finden uns mit dem Schießbefehl und dem Unrecht, das täglich auf deutschem Boden geschieht, nicht ab. Nur die DDR selbst kann Salzgitter überflüssig machen — durch Humanisierung der Grenzen und durch die Beendigung von Unrecht und Gewalt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Merkwürdig und zwiespältig ist auch die Haltung der SPD gegenüber den Vertriebenen. Die Vertriebenen und ihre Verbände haben in den zurückliegenden Monaten und Jahren wiederholt die Mißachtung der SPD zu spüren bekommen. Dagegen verwahren wir uns. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Vertriebenen-Charta von 1950 ist ein Dokument menschlicher und politischer Größe, eine Absage an Gewalt, Bekenntnis zum Heimatrecht und zu einem geeinten Europa. Das sind legitime Anliegen, da die deutsche Frage eine europäische Frage ist, die nur im Rahmen der Überwindung der europäischen Teilung gelöst werden kann. Ich erinnere an das Beispiel, das die Ackermann-Gemeinde als Vertretung der sudetendeutschen Katholiken gesetzt hat, als sie sich zum 40. Jahresgedenken von 1945 gemeinsam mit dem „Opus Bonum" als Vertretung der tschechischen Katholiken verpflichtete, eine Friedensordnung auf Recht und Wahrheit aufzubauen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer dies alles objektiv verfolgt, wird die Vertriebenen und ihre Verbände nicht diffamieren dürfen, wie dies in den letzten eineinhalb Jahren von verschiedenen Seiten leider geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die europäische und die deutsche Teilung sind nicht endgültig. Auch unsere Verbündeten in Paris, in London und in Washington finden sich mit der europäischen und deutschen Spaltung nicht ab. Amerikanische Kongreßabgeordnete haben vor kurzem in Ost-Berlin den Abriß der Mauer gefordert. Am 14. Dezember 1985 erklärte der amerikanische Außenminister Schultz in Berlin:
    Europa, Deutschland und Berlin sind immer noch geteilt. Diese künstlichen Teilungen sind selbst eine Spannungsquelle. Ein Grundbestandteil der Friedenssuche des Westens muß der Versuch sein, diese Teilungen zu überwinden. Doch solange sie fortbestehen, sind die westlichen Verbündeten bereit, ihre Funktion weiter auszuüben und in Berlin als Treuhänder der geteilten deutschen Nation zu handeln. Durch die Erhaltung der Freiheit in Berlin liefern wir den Beweis unserer Verpflichtung für die Freiheit in ganz Europa.
    Wir danken dem amerikanischen Außenminister für diese klaren Worte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Freiheit in Frieden ist die Voraussetzung für das Selbstbestimmungsrecht und damit die Überwindung der europäischen und deutschen Spaltung. Mit den Ost-Verträgen hat die Bundesrepublik Deutschland einen Modus vivendi zu den kommunistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa hergestellt. Die Verträge sind nach den Aussagen der damaligen Partner und Unterhändler Gewaltverzichtsverträge, die nicht unser Recht, unsere Verpflichtung und unseren Willen berühren, die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit anzustreben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Dazu gehört auch ein Friedensvertrag mit dem gesamten Deutschland.
    Es ist daher überflüssig, bei uns und gegenüber den kommunistischen Staaten ständig neue Debatten über die Grenzen Deutschlands zu führen.
    Überflüssig und schädlich sind auch die Versuche der SPD, in Geheimverhandlungen auf Parteiebene mit der SED und anderen alleinherrschenden Einheitsparteien des Ostblocks sogenannte Abkommen über Atomwaffen und C-waffenfreie Zonen und anderes zu inszenieren.

    (Berger [CDU/CSU]: Kungelei ist das!)

    Das Vorgehen der SPD ist eine politische Anmaßung und schadet den deutschen Interessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Waigel
    Nur Regierungen können Abkommen schließen und zur Verantwortung gezogen werden. Das Vorgehen der SPD ist mit den Bündnispartnern nicht abgestimmt und geeignet, die deutsche Stellung im Bündnis zu schwächen.
    Der Berliner Professor Schwan, früher Mitglied der SPD, hat dies als Geheimpolitik von Funktionärsklüngeln und als einen Skandal für unsere politische Kultur bezeichnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Entlarvend ist j a eine Meldung der „Frankfurter Rundschau", die Ihnen nicht so ganz fern steht, vom 11. März 1986 unter der Überschrift: „SPD kappt Kontakte zur SED aus wahltaktischen Gründen".

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Diesem Bericht zufolge hat das SPD-Präsidium Ende Februar eine Unterbrechung dieser Kontakte beschlossen, weil sonst in der Offentlichkeit die Trennungslinie zwischen SPD und SED verwischt werden könnte.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wen wundert's?)

    Der Vorschlag, die sogenannten Abrüstungsgespräche zwischen SPD und SED zu unterbrechen, soll auf Forderungen der Berater von Johannes Rau zurückgehen, damit die Nebenaußenpolitik der SPD nicht zum Wahlkampfthema wird. Das zeigt, wie es um die moralischen Ansprüche des SPD-Kandidaten Rau bestellt ist: Taktik statt Wahrheit und Klarheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Büchner [Speyer] [SPD]: Billige Polemik!)

    Für wen spricht der Kandidat Rau eigentlich, wenn er in Washington Bekenntnisse zur NATO abgibt, während seine SPD den Kurs des Neutralismus zunehmend ansteuert?

    (Zurufe von der SPD)

    Statt ihrer Lebenslüge einer sogenannten Sicherheitspartnerschaft mit dem Warschauer Pakt nachzuhängen, sollte sich die SPD mehr auf die Beseitigung der Ursachen der Spannungen konzentrieren. Die wesentlichen Ursachen der Spannungen in Europa liegen in der Unvereinbarkeit von Freiheit und Diktatur und in der Mißachtung der Menschenrechte im kommunistischen Machtbereich. Nur die Völker, die ihre Geschicke selbst bestimmen, können auch ihren Friedenswillen in die Tat umsetzen. Selbstbestimmung schafft Frieden und ermöglicht Abrüstung.
    Wer den Frieden wirklich fördern will, muß für die Verwirklichung der Menschenrechte eintreten. Wie vereinbaren sich beispielsweise die politischen Gefangenen in Bautzen, Hoheneck und anderen Haftanstalten der DDR mit der Aussage des Kremlchefs Gorbatschow auf dem 27. Parteitag der KPdSU von der „Lösung in humanitären und positivem Geist von Fragen der Wiedervereinigung von Familien, der Eheschließungen, der Entwicklung von Kontakten zwischen Menschen und Organisationen"? Die Botschaft allein genügt uns nicht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir erwarten konkrete Taten für unsere Landsleute in Mitteldeutschland und in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Uns obliegt die Aufgabe, den Anspruch der Deutschen auf Wiederherstellung der staatlichen Einheit lebendig zu halten, solange sich Moskau weigert, die fortbestehende Einheit der deutschen Nation als Realität anzuerkennen. Die Bundesrepublik Deutschland hält an ihrem Ziel fest, eine dauerhafte Friedensordnung in Europa zu schaffen, in der auch die offene deutsche Frage einer gerechten Lösung zugeführt werden kann.
    Wir müssen für eine Politik der Stetigkeit und des langen Atems gerüstet sein. Richtschnur können uns die Worte des israelischen Ministerpräsidenten Peres sein, die er kürzlich angesichts der Berliner Mauer gesprochen hat: „Mauern kommen, Mauern verschwinden, der menschliche Geist aber bleibt." Mauern seien nicht stark genug, die Menschen zu trennen. „Wir müssen auf die Wurzeln sehen und nicht auf das, was vergänglich ist."
    Und Reiner Kunze, der Dichter, der beide deutsche Seiten kennt, schreibt: „Ich bin ein Deutscher. Die Grenze, die Deutschland teilt, ging und geht durch mich hindurch, solange sie und ich existieren werden."
    Jede Begegnung mit den Menschen im anderen Teil Deutschlands, jeder Besuch dort zeigt, daß die Menschen einem Volk angehören und ihr Denken, Fühlen und Hoffen auf uns gerichtet sind. Sie erwarten von uns eine glaubwürdige Politik, treuhänderisch auch für ihre Anliegen. Wir leisten unseren Beitrag für alle Menschen in Deutschland, wenn wir unbeirrt Freiheit fordern und verteidigen, Frieden fördern und bewahren, Recht und Gerechtigkeit verwirklichen und die Einheit Deutschlands nicht aus den Augen verlieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die CDU/CSU-Fraktion dankt der Bundesregierung und dem Bundeskanzler. Wir unterstützen Sie in Ihrer erfolgreichen Politik für Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schierholz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Henning Schierholz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn es alljährlich um den Bericht zur Lage der Nation geht, dann versuchen Regierung und Koalition regelmäßig, in diesem Hause ein Stück Nationalfeiertagsatmosphäre zu verbreiten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    — Wenn Sie sehr richtig sagen: Nach einer Stunde ist der Saal so voll oder leer wie eh und je. Ich finde, das ist ein schwaches Bild für einen von Ihnen gewünschten Nationalfeiertag.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Eine Frechheit angesichts der geringen Präsenz Ihrer Fraktion! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Wo sind die GRÜNEN?)




    Dr. Schierholz
    Der Bericht des Bundeskanzlers war wie in den vergangenen Jahren gekennzeichnet durch jene eigentümliche Mischung aus Sonntagsrede und Arbeitsprogramm, aus deutschlandpolitischer Erfolgsbilanz und markigen Sprüchen. Wir GRÜNEN gewinnen immer mehr den Eindruck, daß Bundesregierung und Koalition uns eine Deutschlandpolitik der gespaltenen Zunge präsentieren: Herr Genscher — auch schon weg, wenn ich das richtig sehe — verkörpert den Bundesminister für Kontinuität der Politik der 70er Jahre, Herr Rühe markiert die Bindungswirkung der Verträge, Herr Dregger hält die Rechtsansprüche der Vertriebenenverbände aufrecht,

    (Frau Pack [CDU/CSU]: Jeder hat seinen Teil!)

    und der Präsident des Bundes der Vertriebenen hat gerade heute morgen eine Presseerklärung herausgegeben mit dem Tenor: Es gibt keine verbindlichen Nachkriegsgrenzen.

    (Lange [GRÜNE]: Einheit in der Vielfalt!)

    Hingegen wird der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen zum Spezialisten für Erfolge im Alltagsgeschäft aufgebaut, und über allem schwebt — vielleicht auch: wackelt — der Bundeskanzler und tut so, als hätte die Bundesregierung ein wirkliches Konzept für den Dialog zwischen den beiden deutschen Staaten. Wir haben heute morgen zur Kenntnis nehmen müssen: Dem ist nicht so.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tosender Beifall!)

    Meine Damen und Herren, alle salbungsvollen und beschwörenden Worte, die hier heute über die Einheit der Nation gefallen sind, können doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in den Grundfragen des deutsch-deutschen Verhältnisses in den letzten Jahren keinerlei Fortschritt gegeben hat. Wir stellen überhaupt nicht in Frage, daß es auch unter dieser Regierung — abseits von ideologischen Scheuklappen — hier und da praktische Verbesserungen gegeben hat. Doch der Zustand in den deutsch-deutschen Beziehungen ist und bleibt eine Hängepartie, und dafür trägt die Regierung mit ihrer realitätsfremden und in Teilen auch friedensgefährdenden Politik des Offenhaltens der Deutschen Frage die Hauptverantwortung.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

    Ich möchte das ausführlich erläutern: Solange jener deutsch-nationale Grundzug die Deutschlandpolitik der Bundesregierung mitbestimmt, der auf der Basis eine Fortexistenz des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 im Grunde die Eingemeindung der DDR als zwölftes Bundesland anstrebt und auf dieser Basis die Wiedervereinigung Deutschlands propagiert, bleiben alle Bekundungen von einer neuen europäischen Friedensordnung und einer Normalisierung der Beziehungen zur DDR hohl.
    Ich möchte für uns GRÜNE in dieser Debatte drei Thesen aufstellen und erläutern, die gewissermaßen unser Kontrastprogramm zur Politik der Bundesregierung sind.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Ein hohles!)

    Erstens. Unsere Verfassungsmütter und -väter waren von dem Willen beseelt, die nationale und staatliche Einheit der Nation zu wahren. Sie gingen 1949 davon aus, Weichenstellungen für eine Übergangszeit vorzunehmen. Heute ist es an der Zeit, den Selbstbetrug gesamtdeutscher Identität und Perspektive zu beenden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Zeug!)

    Die Selbstanerkennung der Bundesrepublik ist für uns die Grundlage für die Beziehungen zur DDR.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zweitens. Wir treten für die vollständige Gleichberechtigung zwischen Bundesrepublik und DDR auf der Grundlage des Grundlagenvertrages 1972 ein. Ohne die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR und der bestehenden Grenzen in Europa ist weder ein normales Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten noch eine gesamteuropäische Friedenspolitik möglich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Drittens. Die beiden deutschen Staaten tragen vor dem Hintergrund ihrer gemeinsamen Geschichte eine besondere Verantwortung für Entspannung und Frieden in Europa. Wir ziehen aus unserer unheilvollen Verstrickung in zwei schreckliche Weltkriege mit ihren millionenfachen Menschenopfern und der Zerstörung Europas die politische Konsequenz, den lebensbedrohenden Kräften von Aufrüstung, Zerstörung von Natur und Umwelt, Ausbeutung und Entfremdung der Menschen ein für allemal Einhalt zu gebieten und eine Politik der Entmilitarisierung, des Gewaltverzichts und der Blockauflösung einzuleiten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zur ersten These: Mehr als 40 Jahre nach Kriegsende und der Niederschlagung des nationalsozialistischen Deutschlands ist die Bundesrepublik immer noch in einer Situation, in der sie durch Politik und Verfassung in einem Zustand staatlichen Provisoriums mit dem scheinbaren Mangel deutscher Nationalstaatlichkeit gehalten wird. Für die GRÜNEN wie übrigens für die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung ist diese Bundesrepublik kein Provisorium mehr. Die Selbstanerkennung der Bundesrepublik als sich selbst beschränkender westlicher Staat ist für die innere politische Entwicklung von wesentlicher Bedeutung.
    Wie dringend ein breiter Diskussionsprozeß der Selbstvergewisserung und des selbstkritischen Nachdenkens über die demokratischen Grundlagen der bundesdeutschen Gesellschaft ist, haben die Äußerungen und Reaktionen auf dem 8. Mai, auf den Antisemitismus, hat vor allem der Flick-Parteispendenskandal gezeigt, der auch nach dem Blackout hier in diesem Hause gestern mittag nicht beendet ist. Die Tatsache, daß die Wahl der GRÜNEN in den Bundestag als Gefährdung und nicht als Bereicherung der parlamentarischen Demokra-



    Dr. Schierholz
    tie von Ihnen aufgefaßt wird, wirft ein warnendes Licht auf die politische Kultur dieser Republik.

    (Frau Pack [CDU/CSU]: So viel kann man j a nun nicht verlangen!)

    Ich möchte auch zur nationalen Idee etwas sagen. Als Fichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine „Reden an die deutsche Nation" hielt, wollte er zugleich die Denkfreiheit von den Fürsten Europas zurückfordern und ein Gegenmodell zum napoleonischen Zwangseuropa entwickeln. Die nationale Idee war ursprünglich eine fortschrittliche. Durch die historische Entwicklung — sowohl durch den Bismarckschen Nationalstaat Wilhelminischer Prägung, besonders aber den Nationalsozialismus und die offizielle Politik der Verdrängung nach 1945 — ist diese Idee arg belastet, wenn nicht weitgehend verbraucht.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie sind weitgehend verbraucht!)

    Zur zweiten These. Seit über 35 Jahren existieren zwei deutsche Staaten, die seit ihrer Gründung völlig unterschiedliche Wege gegangen sind und ihr eigenes Staats- und Gesellschaftssystem herausgebildet haben. Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR ist vor diesem Hintergrund genauso überfällig wie das, was ich zu Punkt 1 gesagt habe: die Selbstanerkennung der Bundesrepublik.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf der Abg. Frau Hürland [CDU/CSU])

    Die Politik des Bundeskanzlers versucht sich nicht nur an dieser Tatsache vorbeizumogeln, sondern sie verhindert durch den immer absurder werdenden Alleinvertretungsanspruch auch, daß substantielle Veränderungen im deutsch-deutschen Verhältnis eintreten und die Voraussetzungen für eine fruchtbare Dialogpolitik geschaffen werden. Die Regierung weiß genau, daß die völkerrechtliche Anerkennung der DDR eine Garantie der bestehenden Grenzen in Europa ohne Wenn und Aber einschließt. Und genau diese Garantie wollen — das haben wir heute morgen wieder erfahren müssen — maßgebliche Kreise in der CDU/CSU nicht abgeben.
    Die Antwort des Auswärtigen Amts, die wir heute nacht auf unsere Kleine Anfrage erhalten haben, die nach den territorialen Zielvorstellungen einer Wiedervereinigungspolitik und einer Politik für einen Friedensvertrag fragt, für die die Regierung drei Monate gebraucht hat, hat nur ein Positives, nämlich daß sie vom Auswärtigen Amt und nicht vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen verfaßt worden ist. Das bestätigt unsere Auffassung, daß dieses Ministerium überflüssig ist. Ansonsten ist sie derart nichssagend, daß sie uns unbedingt noch beschäftigen muß.

    (Zuruf des Abg. Schulze [Berlin] [CDU/ CSU])

    Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR — das können Sie auch nicht durch Ihre Zwischenrufe in Frage stellen — und der Oder-Neiße-Grenze beseitigt die Doppelbödigkeit bundesdeutscher Vertragspolitik, die die Gültigkeit von Verträgen nur bis zur
    Wiederherstellung Gesamtdeutschlands anerkennt und deshalb friedensgefährdend wirkt.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Lesen Sie doch mal das Verfassungsgerichtsurteil nach!)

    Für DIE GRÜNEN gehören folgende konkrete Maßnahmen zu einer Anerkennungspolitik in den deutsch-deutschen Beziehungen: die Herstellung offizieller Kontakte zwischen dem Deutschen Bundestag und der Volkskammer der DDR; eine den völkerrechtlichen Gewohnheiten entsprechende Regelung der Elb-Grenze in der Strommitte — es wäre schön, wenn auch Sie das so klar gesagt hätten, Herr Vogel —, die Auflösung der Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter und eben die Auflösung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Ein Zurückgehen auf die Geraer Forderung!)

    Insbesondere aber wollen wir, Herr Schulze, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 durch ein eigenes Staatsangehörigkeitsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ersetzen und deshalb die Begrenzung des Art. 116 GG auf Bundesdeutsche vornehmen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Aus menschenrechtlichen und aus humanitären Gründen muß eine Reihe zusätzlicher Regelungen für Bürger der DDR, die hierher kommen,

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Aha!) und die Bürgerinnen und Bürger West-Berlins


    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Sie sind ein ganz großer Schlaumeier!)

    getroffen werden.
    Was West-Berlin betrifft, sind wir uns über die Problematik durchaus im klaren.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Das ist ja sehr erfreulich! — Frau Pack [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!)

    Nur: Was tut denn die Bundesregierung? Sie tut gar nichts, statt mit den Westmächten dieses Problem oft anzusprechen, darüber zu verhandeln und eine aktive Politik zu betreiben. Das tut sie nicht.
    Die GRÜNEN knüpfen an die Realisierung dieser Maßnahmen die Erwartung, daß die Regierung der DDR Städtepartnerschaften zuläßt, Besuchsregelungen verbessert, die Reisefreizügigkeit vergrößert, die Familienzusammenführung und Ausreisepraxis erleichtert, Arbeitstreffen und Begegnungen zwischen den Menschen, zwischen Berufsgruppen, Wissenschaftlern und anderen gesellschaftlichen Gruppen möglich macht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zur dritten These: Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR haben auf dem Hintergrund gemeinsamer NS-Vergangenheit eine besondere Verpflichtung für den Frieden. Sie sollten am entschiedensten auf die Auflösung der Militärblöcke hinarbeiten, den Abbau der Feindbilder zwischen Ost



    Dr. Schierholz
    und West fördern und gemeinsame Initiativen zu Abrüstung und Entmilitarisierung ergreifen.
    Konkrete Handlungsmöglichkeiten sehen wir unter anderem darin, alle chemischen und atomaren Waffen vom Boden der Bundesrepublik und der DDR zu beseitigen. Auch haben wir nichts gegen multilaterale Maßnahmen zur Vertrauensbildung und Abrüstung, mit denen im Rahmen des KSZEProzesses die Interessen der kleinen und mittleren Staaten in Europa zur Geltung kommen.
    Wir begrüßen die mutige und klare Position der evangelischen Kirche in der DDR und der unabhängigen Friedensgruppen, die sich jetzt seit Jahren dafür einsetzen, Geist, Logik und Praxis der Abschreckung zu überwinden, und den ernsten Willen für Abrüstung und Realisierung der Menschenrechte in ihrer täglichen Arbeit verdeutlichen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wer wirklich abrüsten will, meine Damen und Herren, darf keine Sonntagsreden halten, sondern muß bei sich selbst anfangen. Bei einer seiner vielzitierten Reden im vergangenen Jahr hat der Bundespräsident gesagt: Alles, was in der Deutschlandpolitik unternommen werde, müsse sich an jenem Maßstab messen lassen, ob es den Menschen im anderen deutschen Staat dient. Sehr gut, sagen wir. Nun legen wir dieses Kriterium doch einmal an an die Programme für neue Waffen, für neue Raketen mit mehr als 70 km Reichweite, für weitere Schritte der Blockverfestigung und Blockbildung! Was ist denn da das Ergebnis? Ich will es Ihnen sagen. Der von der NATO forcierte und von der Bundesregierung unterstützte Aufrüstungsprozeß dient weder der Sicherheit noch den Menschen hier und auch nicht den Menschen in der DDR. Im Gegenteil; die werden dadurch bedroht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen nicht, was Sie reden!)

    Diejenigen leisten deshalb einen besonders aktiven Beitrag für die Weiterentwicklung der deutschdeutschen Beziehungen, die am 17. Juni dieses Jahres nicht der abgestandenen Nationalfeiertagsrhetorik lauschen, sondern nach Mutlangen fahren, um dort am Höhepunkt der Aktionstage für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit teilzunehmen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    der sowohl als Volksfest gefeiert wie als Blockade gegen die Pershing-II-Raketen begangen wird. Diejenigen fördern die deutsch-deutschen Beziehungen aktiv, die mit der Friedensbewegung am 11. Oktober im Hunsrück gegen die neuen Atomraketen des Typs Cruise Missile demonstrieren.
    Friedenspolitik zur Auflösung der Militärblöcke in Europa ist für uns mehr als Abkommen auf der Ebene staatsmännischer Vertraulichkeit. Das ist nur logisch durch ein Bekenntnis zu den bestehenden Grenzen, zum Gewaltverzicht, zu einseitigen Abrüstungsschritten und in der Unterstützung der emanzipatorischen Kraft der Friedensbewegungen von unten gleichzeitig.
    Wir setzen uns daher ein für ein Programm der Entmilitarisierung im Innern, in dem die Realisierung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung, die Schaffung eines Friedensdienstes, der Abbau von Blockloyalitäten in den Köpfen durch eine aktive Friedenserziehung wichtige Bestandteile sind.
    Stellen Sie sich mal vor, hier stellt sich eine Bundesregierung hin und sagt: Auf Grund dieser verfahrenen Aufrüstungssituation kürzen wir jetzt in den nächsten Jahren den Rüstungshaushalt um 10 %. Das wäre ein aktiver Beitrag für den Frieden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dann würde die Bundesrepublik Deutschland einen historischen Beitrag leisten, wenn Sie sich der aggressiven NATO-Politik und der Tendenz zur Herstellung einer europäischen Supermacht widersetzen würde.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ein solches friedenspolitisches Engagement würde den deutsch-deutschen Beziehungen am meisten nützen und zugleich demjenigen Auftrag des Grundgesetzes entsprechen, den sie so gerne zitieren, nämlich, daß wir verpflichtet sind, dem Frieden in der Welt zu dienen. Das heißt für uns, eine aktive abrüstungspolitische Vorreiterrolle zu spielen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Damit dienen Sie nur der DDR!)

    — Das ist ein bezeichnender Zwischenruf.

    (Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Lassen Sie mich schließlich einige Bemerkungen zur Ausgangsthese des Herrn Bundeskanzlers machen, die Freiheit sei der Kern der deutschen Frage. Wissen Sie, Herr Bundeskanzler — er ist ja nun glücklicherweise wieder da —,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    wenn ich solche Thesen und Parolen höre, muß ich immer an andere Thesen und Parolen denken. 1976 war Ihre Parole „Freiheit oder Sozialismus", und den Bürgerinnen und Bürgern steht täglich der „Genuß von Freiheit und Abenteuer" vor Augen. Das fällt mir dabei ein, das sind meine Assoziationen.
    Ausgerechnet jetzt reden Sie wieder von Freiheit als dem Kern der deutschen Frage, wo die Bundesregierung — Herr Vogel hat es bereits erwähnt — die organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer Streikfähigkeit entscheidend beschneiden will. Ausgerechnet jetzt reden Sie wieder von Freiheit als dem Kern der deutschen Frage, da die Bundesregierung mit den Überwachungsstaatgesetzen die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zur informationellen Selbstbestimmung elementar einschränken will.

    (Frau Pack [CDU/CSU]: Sie haben Ihr Thema verfehlt!)

    — Wenn Ihnen das mit konkretem Bezug auf deutsch-deutsche Probleme nicht genug ist, Frau Kollegin: Sowenig wir die Beschränkung der Bewegungsfreiheit von DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürgern durch eine abstruse militärisch gesicherte



    Dr. Schierholz
    Grenze zu akzeptieren und zu billigen bereit sind, so deutlich werden mir persönlich aber auch aus den letzten Jahren meine Erinnerungen bewußt, dieselben Stacheldrahtverhaue und Betonmauern auch mitten in der Bundesrepublik Deutschland an AKW-Baustellen, an der Startbahn West oder an Hochsicherheitstrakten von Gefängnissen erlebt zu haben. Das ist es, was mich empört.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bezüglich der Realisierung der Menschenrechte in West wie in Ost ist aus unserer Sicht durchaus vieles zu beklagen. Die Parole von der Freiheit als dem Kern der deutschen Frage allerdings halten wir für genauso unscharf wie platt.

    (Zuruf des Abg. Werner [Ulm] [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich glaube, Herr Bundeskanzler, Sie haben sich mit dem „Kern" schon einmal vergaloppiert, nämlich als Sie in Ihrer ersten Regierungserklärung das NATO-Bündnis zum Kern deutscher Staatsräson erklärten. Wenn man diese beiden Aussagen zusammen betrachtet, nämlich die Freiheit im Bündnis als Kern deutscher Staatsräson und die Freiheit als Kern der deutschen Frage, dann dürfte man zwar das Credo dieser Regierung einigermaßen erfaßt haben, damit zugleich aber auch jene KalteKrieger-Mentalität, die nach wie vor vorhanden ist und die bis heute beides verhindert hat, nämlich sowohl die Abrüstung und die Entmilitarisierung in Mitteleuropa als auch ein normales Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Unsere Erwartung an dieses Parlament, an die Bundesregierung ist, hier endlich eine realitätsbezogene, eine zukunftsorientierte, eine dem Frieden verpflichtete Kurskorrektur einzuleiten.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)