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    Plenarprotokoll 10/205 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 205. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Portugiesischen Republik unter Leitung ihres Präsidenten, Dr Fernando Monteiro do Amaral 15777 B Aktuelle Stunde betr. Möglichkeiten, die Neue Heimat Wohnungsbau und deren Eigentümer daran zu hindern, Sozialwohnungen an Dritte zu verkaufen, ohne die betreffenden Mieter darüber zu unterrichten Dr. Graf Lambsdorff FDP 15741 B Müntefering SPD 15742 C Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU . 15743 C Werner (Westerland) GRÜNE 15745 A Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 15746 A Menzel SPD 15747 A Niegel CDU/CSU 15748 B Dr. Sperling SPD 15749 A Dr. Möller CDU/CSU 15750 B Grünbeck FDP 15751 C Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 15752 D Schmitt (Wiesbaden) SPD 15754 C Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland — Drucksachen 10/2935, 10/2927, 10/4560 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 15755 D Dr. Vogel SPD 15764 B Dr. Waigel CDU/CSU 15769 C Dr. Schierholz GRÜNE . . . . 15773D, 15791C Ronneburger FDP 15777 C Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 15781A Löffler SPD 15783 C Windelen, Bundesminister BMB . . . 15785 D Büchler (Hof) SPD 15787 C Voigt (Sonthofen) fraktionslos 15789 B Frau Terborg SPD 15790 B Heimann SPD 15792 C Namentliche Abstimmung 15794 D Nächste Sitzung 15796 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15797* A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 15797* B Anlage 3 Äußerungen des Parl. Staatssekretärs Erhard im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß MdlAnfr 74, 75 07.03.86 Drs 10/5156 Bachmaier SPD SchrAntw StSekr Dr. Kinkel BMJ . . 15798* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 15741 205. Sitzung Bonn, den 14. März 1986 Beginn: 8.01 Uhr
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    Berichtigung 204. Sitzung, Titelseite linke Spalte: Statt „Oostergetelo FDP" ist „Oostergetelo SPD" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein ** 14. 3. Dr. Ahrens * 14. 3. Amling 14. 3. Bindig 14. 3. Böhm (Melsungen) * 14. 3. Dr. Corterier ** 14. 3. Cronenberg 14. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Duve 14. 3. Dr. Enders * 14. 3. Ertl 14. 3. Dr. Geißler 14. 3. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 14. 3. Franke (Hannover) 14. 3. Ganz (St. Wendel) 14. 3. Dr. Götz 14. 3. Haase (Fürth) * 14. 3. Jung (Düsseldorf) 14. 3. Dr. Kreile 14. 3. Frau Krone-Appuhn 14. 3. Landré 14. 3. Lemmrich * 14. 3. Link (Diepholz) 14. 3. Dr. Müller * 14. 3. Neumann (Bramsche) 14. 3. Petersen 14. 3. Pfeifer 14. 3. Pohlmann 14. 3. Reuschenbach 14. 3. Dr. Riesenhuber 14. 3. Rühe 14. 3. Rusche 14. 3. Schlaga 14. 3. Schmidt (Hamburg) 14. 3. Schröder (Hannover) 14. 3. Schulte (Unna) 14. 3. Dr. Schwenk (Stade) 14. 3. Sieler (Amberg) 14. 3. Stommel 14. 3. Vosen 14. 3. Dr. Voss 14. 3. Witek 14. 3. Dr. Wittmann 14. 3. Wittmann (Tännesberg) 14. 3. Zander 14. 3. Zierer * 14. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 7. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Berichtszeitraum 1984/85 (Drucksache 10/5114) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Verordnung der Bundesregierung: Nichtaufhebbare Sechsundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste -Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - (Drucksache 10/5136) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über das Baugesetzbuch; hier: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 10/5111) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr Haushaltsausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 83/643/EWG zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (Drucksache 10/4685) zuständig: Ausschuß für Verkehr Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Nachweis der Übereinstimmung von Fahrzeugen mit der Richtlinie 85/3/EWG - KOM (85) 147 endg. - EG-Dok. Nr. 6164/85 (Drucksache 10/3352 Nr. 18) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr. 83/643/EWG zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten - KOM (85) 436 endg. - Rats-Dok. Nr. 8800/85 (Drucksache 10/3957 Nr. 4) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Jahreswirtschaftsbericht 1985 bis 1986 Eine Kooperative Wachstumsstrategie für mehr Beschäftigung - KOM (85) 570 endg. - Rats-Dok. Nr. 9792/85 (Drucksache 10/4400 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von basischem Chromsulfat mit Ursprung in Jugoslawien - KOM (85) 629 endg. - Rats-Dok. Nr. 10393/85 (Drucksache 10/4495 Nr. 1) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Verpflichtungen bestimmter Ausfuhrkreditversicherungsinstitute der Mitgliedstaaten im Falle der Versicherung bestimmter Ausfuhrgeschäfte - KOM (85) 595 endg. - Rats-Dok. Nr. 10366/ 85 (Drucksache 10/4495 Nr. 2) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren (1986) - KOM (85) 600 endg. - Rats-Dok. Nr. 10515/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 1) 15798* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. März 1986 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif — KOM (85) 656 endg. — Rats-Dok. Nr. 10489/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 2) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Güteklassen von Ferrochrom der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 618 endg. — Rats-Dok. Nr. 10517/85 (Drucksache 10/4583 Nr. 3) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 71/316/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend gemeinsame Vorschriften über Meßgeräte sowie über Meß- und Prüfverfahren — KOM (85) 627 endg. — Rats-Dok. Nr. 10738/ 85 (Drucksache 10/4681 Nr. 1) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von Rollenketten mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung der auf Einfuhren von Rollenketten für Fahrräder mit Ursprung in der UdSSR und der Volksrepublik China erhobenen vorläufigen Antidumpingzölle — KOM (85) 679 endg. — Rats-Dok. Nr. 10696/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 2) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Boysenbeeren, gefroren, ohne Zusatz von Zucker, für jegliche Verarbeitung, ausgenommen zum Herstellen von vollständig aus Boysenbeeren bestehender Konfitüre, der Tarifstelle ex 08.10 D des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 653 endg. — Rats-Dok. Nr. 10519/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 3) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) — KOM (85) 662 endg. — Rats-Dok. Nr. 10970/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 4) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) und zur Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte andere Papiere — KOM (85) 672 endg. — Rats-Dok. Nr. 10971/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 5) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, auf Handwebstühlen hergestellt, Tarifnummern ex 50.09, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) — KOM (85) 596 endg. — Rats-Dok. Nr. 10516/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 6) Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Süßkirschen, in Alkohol eingelegt, zur Herstellung von Schokoladenwaren, der Tarifstelle ex 20.06 B I e) 2 bb) des Gemeinsamen Zolltarifs — KOM (85) 631 endg. — RatsDok. Nr. 10518/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 7) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 288/82 aufgrund des Beitritts Spaniens und Portugals — KOM (85) 769 endg. — Rats-Dok. Nr. 11624/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 8) Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates betreffend den Abschluß einer Vereinbarung zur Verlängerung und Änderung der Vereinbarung vom 21. Oktober 1982 über den Handel mit Stahlerzeugnissen Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 2870/82/EWG über Beschränkungen für die Ausfuhr von Stahlerzeugnissen in die Vereinigten Staaten von Amerika Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates über den Abschluß einer Vereinbarung vom 10. Januar 1985 über den Handel mit Stahlrohren - Vorschlag einer Verordnung EWG des Rates zur Änderung einer Verordnung (EWG) Nr. 60/85 über die Beschränkung der Ausfuhr von Stahlrohren nach den Vereinigten Staaten von Amerika Entwurf einer Entscheidung der Kommission betreffend den Abschluß einer Vereinbarung zur Verlängerung und Änderung der Vereinbarung vom 21. Oktober 1982 über den Handel mit Stahlerzeugnissen Entwurf einer Entscheidung der Kommission zur Änderung der Entscheidung Nr. 2872/82/EGKS über Beschränkungen für die Aufruhr von Stahlerzeugnissen in die Vereinigten Staaten von Amerika — KOM (85) 635 endg. — Rats-Dok. Nr. 10281/85 (Drucksache 10/4681 Nr. 9) Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Dr. Kinkel auf die Fragen des Abgeordneten Bachmaier (SPD) (Drucksache 10/ 5156 Fragen 74 und 75): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich Äußerungen wie diejenigen des Parlamentarischen Staatssekretärs Erhard in der Bild-Zeitung vom 3. März 1986 zum Ermittlungsverfahren gegen den Bundeskanzler nach den bisherigen Gepflogenheiten aller Bundesregierungen verbieten? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung wegen dieser Äußerungen des Parlamentarischen Staatssekretärs ergreifen? Zu Frage 74: Nein. Parlamentarische Staatssekretäre sind nicht gehindert, persönliche Auffassungen zu äußern. Zu Frage 75: Die Bundesregierung hält Maßnahmen irgendwelcher Art nicht für erforderlich.
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    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage unserer Nation bleibt bestimmt durch die Teilung Deutschlands. Alljährlich debattieren wir darüber hier im Deutschen Bundestag, heute zum vierten Mal in dieser Legislaturperiode. Das gibt uns Anlaß zu Rückschau und Bilanz sowie zur Besinnung auf Ziele und Grundsätze unserer Deutschlandpolitik.
    Die Politik dieser Bundesregierung war für Deutschland ein Erfolg. Sie hat die Menschen näher zusammengebracht, sie hat ihnen neue Hoffnung gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Unsere Deutschlandpolitik will Freiheit für alle Deutschen. Die Bundesregierung bekräftigt hier vor dem Deutschen Bundestag die Prinzipien, die sie in ihren früheren Berichten zur Lage der Nation im geteilten Deutschland erläutert hat. Das gilt für die oft wiederholten rechtlichen Grundlagen unserer Deutschlandpolitik ebenso wie für die politischen Leitgedanken.
    Die Einheit der Nation

    (Ströbele [GRÜNE]: Welcher Nation?)

    soll und muß sich zuallererst in der Freiheit ihrer Menschen erfüllen: Die Freiheit ist der Kern der Deutschen Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Herr Abgeordneter, der Zwischenruf ist so bemerkenswert, daß ich ihn aufnehmen will. Wenn ein Mitglied des Deutschen Bundestages in einem Zwischenruf fragt, von welcher Nation ich spreche, so spricht das für sich. —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im August 1986 sind es 25 Jahre her, seit die Berliner Mauer errichtet wurde. Auf deutschem Boden entstand damals ein Monument der Unmenschlichkeit, das auch heute weltweit verachtet wird.
    Diese Mauer steht den Menschen im Weg.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das stimmt!)

    Sie trennt Deutsche von Deutschen, sie verläuft quer durch Familien, Verwandtschaften und Freundschaften,

    (Ströbele [GRÜNE]: Das stimmt!)

    sie reißt Menschen auseinander, die zusammengehören und zueinander kommen wollen.
    Die Berliner Mauer klagt jene an, die sie gebaut haben und immer noch stehen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung wiederholt und bekräftigt: Solange die Berliner Mauer nicht abgerissen ist, kann von Normalität zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nicht die Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Noch vor den Sperranlagen an der Havel steht die Heilandskirche — heute ein Symbol des Widersinns der Teilung, zugleich aber auch für notwendige Zusammenarbeit. Dieses Gotteshaus — leer und verlassen seit Heiligabend 1961 — wurde von der DDR im vergangenen Jahr renoviert und so vor dem Verfall bewahrt. Dabei wurden die Kosten von öffentlichen Stellen und Privatpersonen im Westen getragen. Doch dem Gebet darf die Kirche weiterhin nicht dienen, denn den Gläubigen bleibt der Zutritt versperrt. Auch diese zwiespältige Erfahrung ist deutsche Wirklichkeit im Frühjahr 1986.
    Im vergangenen Jahr mußten wir die Sprengung der Versöhnungskirche im Vorstreifen der Mauer durch die DDR beklagen. Daß die Heilandskirche gerettet werden konnte und so nachkommenden Generationen erhalten bleibt, zeigt, glaube ich, die Richtung, in die wir zu gehen haben.
    Ich füge aber hinzu: In Kirchen wollen Menschen beten; es ist Unrecht, sie daran zu hindern.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Deshalb trifft uns die Heilandskirche als Beispiel zunächst in unseren menschlichen Empfindungen; sie unterstreicht aber ebenso den politischen und den geschichtlichen Auftrag der Deutschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Um Menschenrechte geht es uns zunächst bei der Deutschen Frage, um Selbstbestimmung und um Volkssouveränität. Normalität

    (Zuruf des Abg. Tatge [GRÜNE])

    beginnt für uns da, wo Menschen ihre unveräußerlichen Rechte wahrnehmen und tatsächlich ausüben können.
    Freiheit und Demokratie werden für Deutschland und Europa erst vollendet sein, wenn alle Deutschen und alle Europäer endlich frei sind und über sich selbst nach freiem Willen bestimmen können.
    Den nationalen Auftrag müssen wir zuerst dadurch erfüllen, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland die freiheitliche Substanz unserer Nation erhalten und möglichst attraktiv ausgestalten.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Au Backe!)

    Die Bürger unseres Landes haben dazu gerade in dieser Legislaturperiode wichtige Beiträge geleistet.
    Die Bundesrepublik Deutschland erweist sich als Ort der Freiheit, als Ort, in dem zu leben und zu arbeiten sich lohnt, als Ort, der auch nach außen Dynamik und Kreativität austrahlt.

    (Tatge [GRÜNE]: Besonders der Kanzler!)

    Wir sind in der Welt angesehen und geachtet als ein Land wirtschaftlicher und politischer Stabilität. Unsere internationalen Partner bescheinigen uns eine Politik der Besonnenheit und des Augenmaßes, der Energie und Tatkraft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben uns nicht allein bei der Sicherung von Frieden und Freiheit nach außen als prinzipientreu und standfest erwiesen. Wir haben auch im Innern unsere Kraft zur Erneuerung unter Beweis gestellt — und damit unseren Willen, den schöpferischen Kräften unseres Volkes die nötige Chance zur freiheitlichen Entfaltung und Gestaltung zu geben.
    Wir alle sind aufgerufen, besonders in diesem Jahr die Attraktivität unserer freiheitlichen Ordnung zu stärken. In unserer Republik wählen die Bürger frei ihre Regierung. Viele Mitbürger in Europa wünschen sich, sie hätten die gleiche Chance.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Europa braucht in seiner Mitte dieses lebendige Modell für die Idee solidarischer Freiheit. Europa braucht eine stabile freiheitliche Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland, die mit der Freiheit für die Freiheit wirbt.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Wir Deutschen schulden es uns selbst und unseren Partnern, daß wir dabei unseren Überzeugungen treu bleiben: Die deutsche Frage bleibt gebunden an die demokratischen Prinzipien, an Menschenwürde und Rechtsstaat. Dies ist das Erbe unserer Geschichte, dies folgt aus der Verantwortung für ihre Lasten, und es bildet die Grundlage unserer europäischen Zukunft. Nur so, meine Damen und Herren, erhalten wir uns auch das Engagement unserer Freunde für unsere nationalen Anliegen.
    Heute wie in Zukunft streben wir nach der Schaffung einer europäischen Friedens- und Freiheitsordnung. In diesem größeren Rahmen — und nur in ihm — kann unser Vaterland seine Einheit finden, und nur so kann auch die Chance aller Europäer auf gemeinsame Freiheit eines Tages verwirklicht werden.
    Unsere Deutschlandpolitik bleibt eingebettet in unsere Gesamtpolitik. Zu ihren Leitgedanken gehören der Rückhalt im Atlantischen Bündnis und in den Europäischen Gemeinschaften, das Streben nach Ausgleich und Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn und das Verständnis von Deutschlandpolitik als europäischer Friedenspolitik.
    Die Bundesregierung hat durch ihre Politik dazu beigetragen, das Bewußtsein der Deutschen für die Einheit ihrer geschichtlich gewachsenen europäischen Nation zu stärken, der gefährlichen Illusion entgegenzuwirken, der gegenwärtige Zustand Deutschlands sei historisch von Dauer und könne ohne Schaden für den Frieden auf alle Zeit bleiben, den Irrtum zu widerlegen, die deutsche Frage sei politisch und rechtlich beantwortet und daher nicht mehr offen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden der Verantwortung gerecht, die die europäische und weltweite Tragweite der deutschen Frage uns auferlegt. Wir haben das völkerrechtliche Gewaltverbot in unserer Verfassung verankert. Es bindet die Staatsorgane, es bindet alle Bürger unseres Landes. Krieg und Gewalt dürfen und werden niemals Mittel deutscher Politik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch heute möchte ich aus gutem Grund erneut daran erinnern, daß sich dazu nur wenige Jahre nach Kriegsende gerade auch jene unserer Landsleute bekannt haben, die für die Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft persönlich einen sehr hohen Preis entrichten mußten: die vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge, denen ihre Heimat weggenommen worden war. Die Stuttgarter Charta von 1950 mit ihrem feierlichen Bekenntnis zur Idee eines freien und geeinten Europas, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können, hat allem voran den Teufelskreis von Gewalt und Rache durchbrochen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die deutsche Frage bleibt geschichtlich, rechtlich und politisch offen. Die Bundesregierung steht ganz selbstverständlich zur Präambel unseres Grundgesetzes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Präambel will das vereinte Europa, und sie fordert das gesamte deutsche Volk auf, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Wer daran tasten will, der hat keinen Sinn für Geschichte, und er verkennt, daß der Wille unseres Volkes zur Einheit in Freiheit Teil und bewegende Kraft der Zukunft unserer Nation ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im europäischen Rahmen müssen und wollen wir auch die deutsche Frage lösen. Wir wissen, daß dies nur im Einverständnis mit unseren Nachbarn geschehen kann.
    Es ist ein vitales Anliegen aller Völker in Europa, in gesicherten Grenzen zu leben. Auch deswegen ist für uns jede einseitige Änderung der heute tatsächlich bestehenden Grenzen ausgeschlossen. Uns geht es darum, Staatsgrenzen durchlässiger zu machen und ihren trennenden Charakter aufzuheben. Wir bleiben uns bewußt, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen eine grundlegende Bedingung für den Frieden sind.
    Aber wir wissen auch, daß es ohne Freiheit für die Menschen keinen wirklichen Frieden gibt. Und wir bleiben dabei, daß die künftige europäische Friedensordnung und damit die Lösung der deutschen Frage auch vom deutschen Volk in freier Selbstbestimmung angenommen werden müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere gemeinsame Kultur und Geschichte bleiben ein festes Band für die Einheit der deutschen Nation. Geschichte und Kultur, Suche nach Identität und dann erst staatliche Organisation haben an der Wiege des deutschen Nationalbewußtseins gestanden.

    (Tatge [GRÜNE]: Preußisches Großmachtstreben!)

    Die deutsche Kultur — und es gibt nur eine deutsche Kultur — bleibt ein wesentliches Element für das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen. Daran, meine Damen und Herren, haben uns in den letzten Jahren wichtige Daten und Ereignisse erinnert. 1983 begingen die Deutschen das Luther-Jahr. Das Wirken des Reformators hat unsere Nation geprägt. Nicht zuletzt die Erinnerung an Martin Luther hat uns Deutschen gemeinsame geistige Wurzeln wieder bewußter gemacht.
    40 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde in Dresden die Semper-Oper wiedereröffnet. Wir werden dadurch an die herausragende Stellung der Elbstadt in der deutschen Kulturgeschichte erinnert. Hier hatte Heinrich Schütz die erste deutsche Oper geschrieben und Carl Maria von Weber der Musikkultur unserer Nation kräftige Impulse gegeben. Friedrich Schinkel und Gottfried Semper sind große Namen der deutschen Baugeschichte.
    Es ist ein Dienst an unserem gemeinsamen kulturellen Erbe, daß in der DDR nach einer Phase des Zerstörens und Verfallenlassens auch andere Bau-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    denkmäler restauriert werden. Ich denke — um zwei Beispiele zu nennen — an die Arbeiten am 700 Jahre alten Kloster „Zum heiligen Kreuz" in Rostock oder an die Wiedereröffnung des Berliner „Deutschen Theaters".

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Menschen in beiden Staaten in Deutschland sind sich ihrer Verantwortung für die Pflege der gemeinsamen Kultur bewußt. Das haben z. B. viele Veranstaltungen zu Ehren der großen deutschen und zugleich europäischen Komponisten Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel im letzten Jahr gezeigt.
    An das Kulturerbe unserer Nation und die Chancen zur Gemeinsamkeit, die darin liegen, hat uns auch der 100. Geburtstag der Goethe-Gesellschaft erinnert. In ihrer Brückenfunktion erweist sich die Goethe-Gesellschaft nicht nur ihres großen Namensgebers als würdig; sie steht auch in der Tradition ihres ersten Präsidenten, Eduard von Simson, der 1848 der deutschen Nationalversammlung präsidiert hat. Wir sollten in dieser Gesellschaft nicht ein Relikt längst vergangener Zeiten sehen, sondern sie als Modell für mehr kulturelle Gemeinsamkeit über Grenzen hinweg begreifen.
    Der Chance der Verbesserung des Zusammenlebens dient auch das geplante „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über kulturelle Zusammenarbeit". Die Bundesregierung begrüßt die Einigung über dieses Abkommen. Die Arbeiten daran waren nicht einfach.
    Wir wollen vielfältige kulturelle Kontakte mit den Menschen in der DDR. Nicht alles, was wünschenswert bleibt, konnte realisiert werden. Aber dieses Abkommen bietet eine große Chance zu mehr Gemeinsamkeit. Es schützt und fördert in vielen Bereichen die bereits bestehenden kulturellen Kontakte und erleichtert die Ausdehnung der Zusammenarbeit.
    Erfaßt werden dabei die unterschiedlichsten Bereiche, von der bildenden und darstellenden Kunst über Literatur, Musik, Bildung und Wissenschaft bis hin zur Denkmalpflege. Die Bundesregierung begreift das Abkommen nicht als Endpunkt, sondern als Ausgangspunkt.
    Alle Regelungen des Abkommens gelten auch für Berlin. Das war und ist für die Bundesregierung unverzichtbar. Die konkreten Auswirkungen unserer Unnachgiebigkeit in dieser Frage werden vor allem nach Inkrafttreten des Abkommens sichtbar werden. So ist z. B. sichergestellt, daß die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bei Ausstellungen von der DDR nicht mehr diskriminiert wird.
    Ich danke allen, die an den Arbeiten zu diesem Abkommen mitgewirkt haben. Hervorzuheben ist auch die Mitarbeit der deutschen Bundesländer während der Verhandlungen. Ich rufe alle auf, die im kulturellen Bereich Verantwortung tragen, ihren Beitrag dazu zu leisten, dieses Abkommen jetzt mit Leben zu erfüllen. Die Unterzeichnung selbst wird, wie ich hoffe, in nächster Zukunft stattfinden, sobald alle Länder dem Abkommen zugestimmt haben.
    Meine Damen und Herren, wir haben die Pflicht, dieses Erbe der gemeinsamen Kultur an die Generationen nach uns weiterzugeben. Das bleibt eine zentrale Bildungsaufgabe. Ich appelliere erneut an die Regierungen unserer Bundesländer, ihrer Verantwortung für die historische Bildung junger Menschen gerecht zu werden. Auch das ist in Wahrheit ein Beitrag zu aktiver Deutschlandpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen, daß sich auch die DDR-Führung seit einiger Zeit wieder stärker als bisher auf deutsche Geschichte besinnt. Es geht dabei erkennbar darum, den eigenen sozialistischen Staat in der eigenen Weise historisch zu begründen. Aber Gemeinschaftsbewußtsein und Identifikation stiftet Geschichte nur dann, wenn sich die Menschen in Darstellung und Deutung wiedererkennen. Denn Sprache und Kultur, Recht und Religion, Werte und Traditionen sind ganz und gar unbestechliche Zeugen für das Gedächtnis eines Volkes. Meine Damen und Herren, wer Luther feiert, wird auf die Dauer zum christlichen Gewissen nicht schweigen können. Wer Goethe einbürgern will, der kann nicht das Erbe der Aufklärung verbieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die historische Standortbestimmung, die die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR suchen, hat nur dann ihre innere Berechtigung, wenn sie nicht in falscher Idylle verweilt oder zur Rechtfertigung einer Ideologie mißbraucht wird. Wir werden als Deutsche auch daran gemessen, ob es uns gelingt, aus der Geschichte zu lernen.
    Die letzten Jahre haben uns wieder besonders an die jüngere deutsche Vergangenheit erinnert. 1983 waren 50 Jahre seit der Machtergreifung Hitlers vergangen. Wir haben uns beschämt daran erinnert, wie viele Deutsche damals totalitärer Versuchung erlagen. 1984 jährte sich zum 40. Mal das Attentag auf Hitler vom 20. Juli. Wir haben jene geehrt, die ihr Leben im Widerstand gegen die Diktatur verloren. Ihr Vermächtnis zählt zum besten Teil deutscher Geschichte und Gegenwart.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1985 schließlich erinnerte der 8. Mai an das Ende von Krieg und Diktatur, an die Chance zum demokratischen Neubeginn, die wir in der Bundesrepublik Deutschland nutzen durften. Wie sehr diese Erinnerung die Deutschen im Osten wie im Westen bewegte, wurde in vielfacher Weise sichtbar. Ich erwähne nur die gemeinsame Stellungnahme des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland zu diesem Jahrestag.
    Wir Deutsche können uns unserer Geschichte nicht entziehen, und niemand von uns kann für sich nur die guten Erinnerungen reservieren und die bösen den Nachbarn zuschieben. Das gilt im Verhält-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    nis der Menschen wie der beiden Staaten in Deutschland.
    Als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland habe ich im April 1985 im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen von Scham und Trauer gesprochen, die wir angesichts dessen empfinden, was in deutschem Namen ungezählten Verfolgten, vor allem den Juden, angetan wurde. Niemand hat das Recht, diesen Teil deutscher Geschichte zu verdrängen. Es gehört zu unserer Verantwortung als Deutsche und Europäer, totalitärer Versuchung, woher sie immer kommen möge, auf alle Zeit zu widerstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin der festen Überzeugung, daß sich in der Geschichte unserer Nation die Idee durchsetzt, die mit der Frankfurter Paulskirche verbunden ist — oder mit dem Hambacher Schloß, wo man für die Ideale der Demokratie, für nationale, für europäische Einheit stritt.
    Daß im vergangenen Jahr an diesem Ort der amerikanische Präsident zur deutschen Jugend sprach, war ein Zeichen dafür, daß uns diese Ziele heute mit unseren Freunden in der Welt einen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Tatge [GRÜNE]: Die meisten waren von der Jungen Union!)

    Wir müssen uns des Erbes unserer Geschichte bewußt bleiben, wollen wir unsere Zukunft bewältigen.
    Auch in der Bundesrepublik Deutschland wächst das Interesse an der deutschen Geschichte. Die Menschen wollen wissen, wer wir Deutsche sind, wo wir herkommen und wo wir in der Kontinuität unserer Geschichte stehen. Die Fragen nach unserer Herkunft, vor allem auch aus der jungen Generation, sind wichtig geworden, weil wir gemeinsam nach Orientierung für die Gestaltung der Zukunft suchen. Deshalb hat die Bundesregierung zwei weitreichende Initiativen eingeleitet: in Bonn den Bau des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin die Errichtung des Deutschen Historischen Museums.
    Bei allem Reichtum unseres Landes an Sammlungen und Museen fehlt uns doch bis heute ein Gesamtüberblick über die ganze Vielfalt, aber auch den Zusammenhang der politischen, der sozialen, der wirtschaftlich-technischen und der kulturellen Entwicklung. Die Vorhaben in Berlin und Bonn sollen einander ergänzen, gerade auch im Blick auf die Entwicklung seit 1945. Sie sollen auf wissenschaftlicher Grundlage und zugleich in einer vor allem auch für jugendliche Besucher ansprechenden Form dazu einladen, deutsche Geschichte kennenzulernen, sie zu verstehen und ihre positiven wie ihre leidvollen Erfahrungen für die Gestaltung unserer Zukunft nutzbar zu machen.
    Es kann nicht darum gehen, eine amtliche Geschichtsschreibung oder gar ein amtliches Geschichtsbild zu vermitteln. Es wäre aber ebenso ein Irrweg, die innere Ausgestaltung solcher Museen der Proporzentscheidung interessierter Gruppen zu überantworten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zur konzeptionellen Vorbereitung der Museen hat die Bundesregierung hervorragende Historiker und Museumsfachleute berufen. Sie sind unabhängig, und sie arbeiten ohne Vorgabe zu Inhalt und Form. Sie berücksichtigen dabei auch die Erfahrungen angesehener und erfolgreicher Museen im In-und Ausland. In Bonn und in Berlin soll deutsche Geschichte so dargestellt werden, daß sich unsere Bürger darin wiedererkennen — offen für kontroverse Anschauungen und für die Vielfalt möglicher Entwicklungen.
    Diese Offenheit folgt aus unserer Einsicht, daß wir das Ziel der Geschichte nicht kennen. Es ist eben eine Bedingung unserer geistigen und politischen Freiheit, daß die Frage nach Sinn und Ziel der Geschichte nicht ein für allemal eine Antwort findet, sondern viele Antworten — und manches Mal auch gänzlich neue. In diesem Punkt vor allem — der der wichtigste ist — werden sich das Haus in Bonn und das Museum in Berlin von DDR-Geschichtsmuseen jenseits der Mauer wesentlich unterscheiden.
    Das Haus in Bonn errichten wir, weil es im vierten Jahrzehnt nach Gründung unseres Staates an der Zeit ist, die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang öffentlich darzustellen und zu vermitteln. Es ist dieser Staat, den die Deutschen, die frei entscheiden konnten, nach der Katastrophe unserer Geschichte im 20. Jahrhundert wollten. Er gründet auf die alte und unvergängliche Idee der Einheit von Nation und Demokratie, auch wenn einem Teil der Deutschen bis heute versagt bleibt, in einer rechtsstaatlichen und parlamentarischen Ordnung zu leben.
    Der ganzen deutschen Geschichte, meine Damen und Herren, wird das Haus in Berlin gewidmet sein. Dieses Deutsche Historische Museum, dessen Grundstein wir 1987 legen wollen,

    (Ströbele [GRÜNE]: Hoffentlich nicht!)

    soll das Geburtstagsgeschenk des Bundes zur 750Jahr-Feier Berlins im nächsten Jahr sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Ausstellungen, Feiern und Konferenzen aus diesem Anlaß werden Berlin darstellen als das, was es ist: selbstbewußt und vorwärtsschauend, eine europäische Metropole und ein Symbol der Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Zusammen mit Herrn Antes!)

    Die Bundesregierung unterstützt den Berliner Senat in seinen Vorbereitungen. Dabei geht es uns gemeinsam darum, das Jubiläum als Chance zu begreifen, die Einheit Berlins zu vergegenwärtigen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es darf die Teilung der Stadt nicht vertiefen. Wer
    anläßlich der 750-Jahr-Feier Berlin besucht, sollte
    immer die ganze Stadt kennenlernen und so für



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    sich ganz persönlich die Teilung zu einem kleinen Teil überwinden können.
    Die 750-Jahr-Feier Berlins wird nicht bei der Erinnerung stehenbleiben. Zum Wesen dieser großartigen Metropole gehören Wille und Fähigkeit zur Erneuerung. Erinnerung und Erneuerung, Standortbestimmung und Perspektive — das sind die Markierungen für das Berlin-Jubiläum.
    Die Berliner wissen, daß sie sich nicht nur an Feiertagen, sondern auch im Alltag auf diese Bundesregierung verlassen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Ströbele [GRÜNE]: Ach du meine Güte!)

    Deutschlandpolitik, meine Damen und Herren, ist uns auch aufgegeben als eine unablässige Bemühung, die Lebensfähigkeit des freien Berlin gemeinsam mit den drei Schutzmächten zu sichern und zu stärken sowie die Bindungen Berlins an den Bund zu festigen und weiterzuentwickeln.
    Wir erinnern uns nicht nur daran, daß vor 25 Jahren die Berliner Mauer errichtet wurde. Vor 15 Jahren wurde das Viermächteabkommen über Berlin beschlossen, für dessen strikte Einhaltung und volle Anwendung die Bundesregierung eintritt.
    Die geteilte Stadt ist seit dem Viermächteabkommen nicht länger Brennpunkt krisenhafter Entwicklungen. Berlin gehört zum freien Westen. Wie früher unterstreichen dies auch in unseren Tagen die Staats- und Regierungschefs der drei Schutzmächte und anderer Länder durch ihre Berlin-Besuche. In meiner Amtszeit — ich will dies dankbar erwähnen — habe ich den französischen Staatspräsidenten und die britische Premierministerin dorthin begleiten können.
    Als „Treuhänder" der deutschen Nation sind die Schutzmächte in Berlin: So formulierte es der langjährige amerikanische Botschafter Arthur Burns, ein bewährter Freund Deutschlands.
    Meine Damen und Herren, die Zugangswege nach Berlin wurden in den letzten Jahren verbessert. Der Transitverkehr hat wieder zugenommen. Im August ist mit der DDR vereinbart worden, weitere verkehrsgefährdende Straßenschäden auf den Transitstraßen zu beseitigen.
    In Berlin hat der Senat die S-Bahn übernommen und ist dabei, sie wieder zu einem attraktiven Verkehrsmittel zu machen.
    Im März 1985 gab es eine neue Vereinbarung der Bundesregierung mit der DDR über die Nutzung moderner Kommunikationstechnologien.
    Ein neues Kapitel der Energieversorgung hat für Berlin begonnen, seitdem eine Erdgaspipeline durch die DDR in Betrieb genommen wurde und die ersten Lieferungen sowjetischen Erdgases einsetzten.
    Die erfreuliche Aufwärtsentwicklung der Berliner Wirtschaft in den letzten Jahren hat sich auch 1985 deutlich und spürbar fortgesetzt. Die Bemühungen des Senats, die Subventionsmentalität abzubauen

    (Ströbele [GRÜNE]: Zusammen mit Herrn Antes!)

    und vorrangig auf zukunftsträchtige Innovationen zu setzen, tragen Früchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Ja, ja, was für Früchte!)

    Meine Damen und Herren, Anstrengungen auf den Gebieten Forschung und Entwicklung deuten den gewollten Strukturwandel an: Mehr und mehr Hochtechnologiekapazitäten werden genutzt; der viel zu lange brachliegende Transfer zwischen Wirtschaft und Universitäten ist inzwischen auf erfreuliche Weise in Gang gekommen.

    (Stöbele [GRÜNE]: Der Geldtransfer!)

    Die beiden Wirtschaftskonferenzen von 1982 und 1984, zu denen ich gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister eingeladen hatte, sowie die regelmäßigen Konferenzen der Berlin-Beauftragten der deutschen Industrie unter Leitung des Bundeswirtschaftsministers geben der Berliner Wirtschaft weiterhin wichtige Impulse.
    Berlin wird, meine Damen und Herren, wieder als europäische Metropole begriffen, deren Ausstrahlungskraft weit reicht, und Berlin bleibt für uns alle eine nationale Aufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deutschlandpolitik darf und kann niemals an Berlin vorbeigehen.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir wollen Fortschritte zum Wohl der Menschen und wollen dafür das Geflecht der Beziehungen zur DDR weiter festigen und ausbauen. „Fortschritte zum Wohl der Menschen", so haben es Generalsekretär Honecker und ich in unserer Moskauer Erklärung vom 12. März 1985 gemeinsam formuliert. Die Bundesregierung begrüßt, daß die Führung der DDR bereit ist, die Politik des Dialogs und der Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland zu intensivieren.
    Dabei wünschen wir die Ausweitung der Reisemöglichkeiten, insbesondere erheblich mehr Reisen für junge Menschen und eine weniger engherzige Genehmigung von Reisen in dringenden Familienangelegenheiten sowie, wenigstens schrittweise, die Schaffung von Reisefreiheit für alle Deutschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir drängen weiterhin auf einen spürbaren Abbau des Mindestumtauschs. Wir wollen die Ausdehnung der Regelungen des grenznahen Verkehrs, und wir wollen Vereinfachungen und Erweiterungen der Besuchsmöglichkeiten auch für die Berliner.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir erwarten die zugesagte Einschränkung der Kontaktverbote, die immerhin weit mehr als 1 Million Bürger der DDR betreffen. Ein Ärgernis bleibt auch die mißtrauische und unnötig komplizierte Ab-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    wicklung bei Reisen und Besuchen insgesamt, die immer wieder beobachtet wird.
    Meine Damen und Herren, eine Normalisierung im Reiseverkehr liegt gewiß auch im Interesse der DDR. Wir wissen, daß es dabei auf viele kleine Schritte ankommt, und wir konnten j a auch schon seit dem Herbst 1982 einige konkrete Verbesserungen beobachten. Diese Tendenz hat sich fortgesetzt. Sie wird sich in diesem Jahr, wie uns die DDR-Führung zugesagt hat, noch verstärken.
    Aus dem Bundesgebiet reisen wieder mehr Bürger zu unseren Landsleuten in die DDR. Manche Reise mag kürzer ausfallen als vor der Erhöhung des Mindestumtauschs. Gleichwohl trägt jeder dieser Besuche dazu bei, die Lebenskraft der Bindungen von Mensch zu Mensch in Deutschland zu stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte allen danken, die allen Belastungen zum Trotz weiter — und, wie ich hoffe, auch in Zukunft — Verwandte, Freunde und Bekannte in der DDR besuchen. Sie beweisen Solidarität und Treue im Alltag, und diese Mitmenschlichkeit gibt der Einheit unserer Nation festen Halt. Wir alle sollten mit Kraft und Energie daran festhalten, alte Verbindungen zu pflegen und neue zu knüpfen.
    Der Jugendaustausch ist von der DDR wieder aufgenommen worden. Bis Jahresende 1985 konnten wir noch über 1 000 Jugendliche aus der DDR in der Bundesrepublik Deutschland begrüßen; in diesem Jahr erwarten wir mehr als 3 000 Jugendliche aus der DDR.
    Es bleibt dabei, daß Bund und Länder Fahrten von Jugendlichen in die DDR engagiert fördern. 1985 reisten rund 68 000 so geförderte junge Mitbürger aus der Bundesrepublik in die DDR. Die Bundesregierung wird weiterhin die Bemühungen der Jugendverbände unterstützen, diese Reisen zu erweitern und damit verbundene Probleme zu lösen.
    Wir begrüßen auch die Bemühungen der Sportverbände um möglichst viele Sportbegegnungen. Das Ergebnis der jüngsten Verhandlungen zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Verband der DDR ist eine kleine Verbesserung, aber noch lange nicht das, was sich, wie ich denke, die Sportler auf beiden Seiten wünschen.

    (Zuruf von der SPD: Alles sehr mager!)

    Insbesondere beim Breitensport und beim Jugendsport müssen wir viel mehr Möglichkeiten der Begegnung über die innerdeutsche Grenze hinweg schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Kulturabkommen mit der DDR muß hier zusätzliche Impulse geben und wird auch darin seinen Nutzen für die Deutschen zu erweisen haben.
    1985, meine Damen und Herren, sind fast 25 000 Landsleute aus der DDR zu uns übergesiedelt. Wir heißen sie herzlich willkommen. Zugleich wissen wir, daß so mancher in seiner vertrauten Lebensumwelt bliebe, wenn er seine Verwandten und Bekannten auch ohne besondere Anlässe regelmäßig besuchen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Hier Erleichterungen zu schaffen liegt auch im Interesse der Führung der DDR.
    Die Bundesregierung hat ihre Bemühungen um Kontakte auf kommunaler Ebene fortgesetzt. Generalsekretär Honecker stellte vor kurzem fest, daß Städtepartnerschaften zwischen Städten und Gemeinden in beiden Staaten in Deutschland „sehr vieles tun" können „zur Begegnung der Menschen auf den verschiedensten Gebieten". Es ist zu wünschen, daß die Kontakte, die inzwischen angeknüpft wurden, kein Einzelfall bleiben und in der Praxis möglichst vielen zugute kommen.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, an der innerdeutschen Grenze hat die DDR das eine oder andere dazu getan, unkontrollierbare Gefahren für Leib und Leben von Menschen zu verringern. Aber dies darf niemanden täuschen. Die menschenverachtenden Sperranlagen sind immer noch da. Unverändert wird an der Grenze in Deutschland Menschen Gewalt angetan, und dazu können und werden wir niemals schweigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unter der Grenze mitten durch Deutschland leiden vor allem die Menschen im Zonenrandgebiet. Wir haben die Fördermittel 1983 und 1985 erhöht. Die Leistungskraft des Zonenrandgebietes zu sichern muß ein wichtiges Anliegen unserer Deutschlandpolitik bleiben.
    Dabei legt die Bundesregierung besonderen Wert auf die Zusammenarbeit beim Umweltschutz. Die gemeinsame Verantwortung für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen in Deutschland ist ein Bereich der innerdeutschen Beziehungen, der für Kooperation beispielhaft sein kann und — ich hoffe, man kann das sagen — beispielhaft sein muß. Auch hier konnten wir in dieser Legislaturperiode den innerdeutschen Kontakt vertiefen. Ich möchte sechs konkrete Ansätze nennen:
    Erstens. Im Sommer 1983 fanden in Leipzig und Bonn erste Fachgespräche über Fragen der Rauchgasentschwefelung statt. Es kam auch zu ersten ermutigenden Vereinbarungen beim grenzüberschreitenden Gewässerschutz.
    Zweitens. Bei der Münchener Umweltkonferenz im Juni 1984 hat die DDR erklärt, daß sie tatkräftig Maßnahmen zur Lösung der immer dringlicheren Probleme der Luftverunreinigung ergreifen wolle.
    Drittens. Schon zwei Monate später begannen die Gespräche von Forstexperten aus beiden Staaten in Deutschland über Waldschäden. Bei der internationalen Waldschutzkonferenz in Paris vor fünf Wochen habe ich mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß sich auch die DDR bereit erklärt hat, in dieser Frage ernsthaft voranzugehen.
    Viertens. Seit Sommer 1985 verhandeln wir mit der DDR über eine Regierungsvereinbarung zum Umweltschutz. Dabei geht es um Erfahrungs- und Informationsaustausch, vor allem aber um erste Ab-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    sprachen zur konkreten Zusammenarbeit. Die Vereinbarung soll neben den wichtigen Fragen der Waldschäden, des Gewässerschutzes und der Luftreinhaltung auch die Probleme der Abfallbeseitigung erfassen. Wir wollen damit zugleich einen produktiven Meinungsaustausch über Fragen des Naturschutzes einleiten. Es geht uns vor allem auch um die Gesundheit der Menschen diesseits und jenseits der Grenze.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Fünftens. Die Verhandlungen über Maßnahmen zur Reduzierung der Salzbelastung von Werra und Weser werden intensiv weitergeführt. Dabei geht es um schwierige technische Fragen, aber natürlich auch um finanzielle Probleme.
    Sechstens. Ebenso werden die Expertengespräche über Fragen des Strahlenschutzes und der Sicherheit kerntechnischer Anlagen fortgesetzt.
    Wir streben unverändert den Abschluß eines Umweltrahmenabkommens mit der DDR an.
    Fortschritte wünschen wir uns auch bei den Verhandlungen über Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Technik.
    Meine Damen und Herren, ein stabiles Element der Beziehungen bleibt der innerdeutsche Handel unter voller Einbeziehung von Berlin. Es gab in den letzten Jahren eine insgesamt befriedigende kontinuierliche Entwicklung. Der wieder annähernd ausgeglichene Handel erreichte 1985 ein Volumen von etwa 16,5 Milliarden Verrechnungseinheiten — eine Steigerung um rund 2,5 Milliarden seit 1982.
    Von der neuen Swing-Vereinbarung vom 5. Juli 1985 sind weitere Impulse für die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Staaten in Deutschland ausgegangen. Die Bundesregierung setzt sich auch weiterhin für eine Strukturverbesserung des Handels ein. Unser Ziel ist eine weitere Steigerung des Handels bei ungefährem Gleichgewicht zwischen Lieferungen und Bezügen. Auch die Zusammenarbeit auf Drittmärkten eröffnet noch ungenutzte Chancen.
    Einige Fortschritte — insbesondere für Rentner, Pensionäre, Sozialhilfeempfänger und minderjährige Waisen — haben wir auf dem sehr komplizierten Feld des Kontentransfers erreicht.
    Sorge bereitet uns weiterhin der Zustrom von Ausländern, die über die DDR illegal einreisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Allein im vergangenen Jahr kamen 38 000 über den Flughafen Schönefeld. Die Bundesregierung hat die DDR wiederholt aufgefordert, entsprechend internationalen Gepflogenheiten zu verfahren. Wir erwarten, daß die DDR Transitvisa künftig nur erteilt, wenn die erforderlichen Sichtvermerke des Ziellandes vorliegen. Auch hier muß die DDR ihre Bereitschaft zu einer Politik des Dialogs und der Zusammenarbeit deutlich machen. Der gegenwärtig für uns gänzlich unbefriedigende Zustand verträgt sich nicht mit dem Ziel einer vorteilhaften Entwicklung der Beziehungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es geht prinzipiell darum, konkrete Lösungen für bestehende Probleme zu finden, also das Machbare und das Vernünftige auch zu tun.
    Deshalb muß die Frage gestellt werden: Wo haben die beiden Staaten gleiche Interessen, wo ist ein Interessenausgleich möglich? Dabei beachten wir das Prinzip des ausgewogenen Gebens und Nehmens, das sich allerdings nicht unbedingt in ein und demselben Bereich auswirken muß. Jede Seite muß realistisch sehen, was möglich ist und was nicht. Basis bleibt der Grundlagenvertrag. In den grundsätzlichen Fragen, die durch dieses Vertragswerk nicht gelöst wurden, können und werden wir nicht leisten, was die DDR von uns will. Denn bei ihren Forderungen geht es im Grunde um nicht weniger als um die Festschreibung der Teilung Deutschlands.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Darauf werden wir uns niemals einlassen — auch deshalb nicht, weil wir nicht an unserer Verfassung rütteln lassen und ebensowenig an der Verantwortlichkeit der Vier Mächte in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die prinzipiellen Gegensätze zwischen den beiden Staaten in Deutschland bleiben bestehen. Wer sie übersieht oder zu verwischen sucht, schadet den deutschen Interessen und erschwert eher weitere Fortschritte zum Wohle der Menschen.
    Mit Zweideutigkeiten in Status- und anderen grundlegenden Fragen erreichen wir keinerlei Erleichterung für die Menschen. Meine Damen und Herren, dies ist jenen zu sagen, die dem Irrtum unterliegen, man könne etwa Verbesserungen im Reiseverkehr eher erreichen, wenn man Grundsatzpositionen aufgeben würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Erfahrung lehrt, daß die gegensätzlichen Positionen, etwa zur Staatsanhörigkeitsfrage, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten in Deutschland nicht zu hindern brauchen.
    So weiß die DDR sehr gut, daß wir an der durch Verfassung und Gesetze vorgegebenen Position festhalten, auch daran, daß es eben nur eine deutsche Staatsangehörigkeit gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihr ist bekannt, daß für uns verbindlich bleibt, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 1973 feststellt: Jeder Deutsche, der in den Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verfassung gerät, genießt alle Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes der Bundesrepulik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen selbstverständlich, daß die DDR schon 1967 ein eigenes Staatsbürgerschaftsgesetz erlassen hat. In der Praxis sind die dadurch ausgelösten Probleme im Rahmen unserer Gesetze bewältigt. Das erfahren zum Beispiel jene, die offiziell als Vertreter von Institutionen der DDR zu uns kommen und die Rechte als deutsche Staatsangehö-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    rige nicht wahrnehmen wollen. Aber keine unserer Behörden wird und darf einen Deutschen zurückweisen, der sich an sie wendet. Wir bürgern deutsche Landsleute nicht aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere Deutschlandpolitik bleibt klar und berechenbar. Wir haben auf diesem Weg viel erreicht. Zugleich verlieren wir den Weg, der vor uns liegt, nicht aus den Augen. Deshalb steht für uns ganz oben auf der Tagesordnung:
    Erstens. Wir fordern Humanität und Frieden an der Grenze mitten durch Deutschland. Mauer und Stacheldraht und Schießbefehl müssen weg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zweitens. Wir fordern Freizügigkeit in Deutschland. Reisefreiheit für die Menschen, der ungehinderte Fluß von Informationen und Meinungen, das sollte auch zwischen den beiden Staaten in Deutschland endlich alltägliche Praxis werden. Zum freien Austausch müssen Bücher gehören, Zeitungen, Filme, auch das Wort des Wissenschaftlers und das Werk des Künstlers.
    Drittens. Wir fordern die Einhaltung der Menschenrechte und die Gewährung der Grundrechte für unsere Landsleute in der DDR.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben ein selbstverständliches Recht, nach ihrem Gewissen zu handeln, ihre Meinung frei zu äußern und wegen ihres Glaubens nicht diskriminiert zu werden.
    Es darf und es wird keine Mißverständnisse geben: Wir sind bereit, zum Wohl der Menschen viele kleine Schritte zu tun. Aber diese drei Forderungen bestimmen unsere Richtung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, Deutschlandpolitik muß Frieden stiften. Sie bleibt eingebettet in die Gesamtentwicklung der Ost-West-Beziehungen.
    Die beiden Staaten in Deutschland sind eingeordnet in Bündnissysteme, die auf eine absehbare Zeit die Lage in Europa prägen. Die Deutschen allein können die Teilung Europas nicht überwinden. Auch die Deutschlandpolitik wäre damit überfordert. Für uns gilt: Unveränderliches Fundament unserer Politik bleibt die Verankerung im Bündnis. Es darf niemals Zweideutigkeiten und Illusionen darüber geben: Jedwede Abkehr von der europäischen Integration oder vom Atlantischen Bündnis würde unsere Bundesrepublik Deutschland unfähig machen, ihre Interessen wirksam zu vertreten und eine Deutschland- und Ostpolitik zu betreiben, die noch diesen Namen verdiente.
    Es ist ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland, die transatlantische Brücke zu stärken und den großen Entwurf für die europäische Integration durchzusetzen. Unsere Stärke ist immer auch die Zugehörigkeit zum freien Westen. Sie ist kein Tauschobjekt, auch nicht für Erleichterungen im Alltag, die die andere Seite ja stets rückgängig machen kann.
    Die Bundesregierung erteilt jedem Gedanken an einen nationalen Sonderweg eine klare Absage. Deutsches Streben nach Neutralität in der Mitte Europas — ob von rechts oder links propagiert — kann kein Weg zur Lösung der deutschen Frage sein und müßte Zweifel an unseren politischen Grundwerten aufkommen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesrepublik Deutschland, Bürger und Regierung, haben ein solches Konzept aus eigenem Entschluß von Anfang an verworfen. Es ist ein gefährlicher Irrweg, wenn etwa Kräfte der Opposition mit einer Nebenaußen- und Nebendeutschlandpolitik die Tür zum Neutralismus glauben aufschließen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ist durch die Werte- und Sicherheitsgemeinschaft im Bündnis bestimmt; unser Verhältnis zur Sowjetunion durch die europäische Geographie und durch das Wissen um ihren totalitären Machtanspruch.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    In der dadurch bedingten, je verschiedenen Weise bringen wir unsere Interessen bei unseren Freunden im Bündnis zur Geltung und vertreten sie auch gegenüber unseren Nachbarn im Osten.
    Mit besonderem Nachdruck hat sich die Bundesregierung gerade auch im deutschen Interesse für eine persönliche Begegnung von Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow eingesetzt. Mit der Gipfelbegegnung in Genf konnte der politische Dialog zwischen den beiden Weltmächten erheblich intensiviert werden. Er konnte an Konturen gewinnen.
    Die dort verabschiedete gemeinsame Erklärung ist ein Signal für einen umfassenden Dialog, in dem alle europäischen Staaten ihren Beitrag zu leisten haben. Das Gipfeltreffen hat damit Möglichkeiten zu einer neuen Phase der West-Ost-Beziehungen eröffnet. Beide Staaten in Deutschland haben die Aufgabe, durch den Ausbau ihrer Zusammenarbeit aktiv auf diesem Wege ihren Beitrag zu leisten. Konfrontation in Europa schadet niemandem mehr als den Menschen in Deutschland.
    Ich bin zuversichtlich, daß die vom Genfer Gipfeltreffen ausgehenden Impulse zugleich den KSZEProzeß und auch insoweit unsere Beziehungen zur DDR voranbringen können. Einen festen Platz im KSZE-Prozeß haben die humanitären Fragen. Die Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses der DDR zum Frieden hängt auch davon ab, ob sie bei den Menschenrechten Fortschritte ermöglicht. Das gilt in ganz besonderer Weise auch für die Behandlung inhaftierter Personen.
    Menschliche Kontakte und Begegnungen sind der Prüfstein für mehr Vertrauen. Sie leisten mehr für den Frieden als abstrakte Diskussionen über atomwaffenfreie Zonen. Die menschliche Dimension des KSZE-Prozesses bleibt eine unabdingbare Voraussetzung für dauerhaften Frieden und Stabilität in Europa. Hier denke ich in einer ganz besonderen Weise an unsere deutschen Landsleute in Mit-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    tel- und Osteuropa. Wir bleiben ihnen verbunden und zu einer besonderen Obhut verpflichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir können festhalten: Unsere Deutschlandpolitik war und ist erfolgreich, auch wenn wir wissen, daß noch große Aufgaben vor uns liegen. Wir haben viele konkrete Fortschritte für die Menschen in Deutschland erreicht. Vor allem aber haben wir dazu beigetragen, daß der Wille des deutschen Volkes zur Einheit in Freiheit ungebrochen bleibt.
    Das gemeinsame Ziel aller Demokraten in Deutschland ist es, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

(Unruhe)

— Herr Dr. Vogel, würden Sie einen Moment warten, bis die Damen und Herren entweder Platz genommen haben oder mindestens ruhig sind. — Meine Damen und Herren, würden Sie bitte Platz nehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erklärung zur Lage der Nation, die wir soeben gehört haben, läßt zwischen der Koalition und meiner Fraktion Gegensätze, aber auch gewisse Elemente der Übereinstimmung erkennen.
    Wir stimmen darin überein, daß in den beiden deutschen Staaten unterschiedliche Gesellschaftsordnungen bestehen und daß diese Unterschiede weder verwischt noch verschwiegen werden sollen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Schierholz [GRÜNE]: Das ist doch selbstverständlich!)

    Wir stellen mit Genugtuung fest, daß Sie, Herr Bundeskanzler, den Grundlagenvertrag, den Sie zusammen mit Ihrer Partei seinerzeit erbittert bekämpft haben, jetzt anerkennen und seine Möglichkeiten nutzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und wir stimmen auch darin überein, daß Berlin vor allem dem Viermächteabkommen, das auf unser Betreiben zustande kam und ohne die Ostpolitik der Regierung Brandt nicht zustande gekommen wäre,

    (Beifall bei der SPD)

    seine Stabilität und äußere Krisenfreiheit verdankt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir begrüßen die Verbesserungen im Reiseverkehr und die günstige Entwicklung des Handelsaustausches. Zu beidem haben wir wesentlich beigetragen. Wir begrüßen auch, daß die von uns eingeleiteten
    Verhandlungen über ein Kulturabkommen inzwischen zum Abschluß gekommen sind. Wir weichen wohl auch nicht allzu weit in der Einschätzung dessen voneinander ab, was die Menschen in beiden deutschen Staaten in ihrem Verhältnis zueinander vor allem geändert und verbessert haben wollen.
    Und noch etwas eint sicher den gesamten Deutschen Bundestag ohne jede Ausnahme, nämlich daß wir alle die Grenze in ihrer jetzigen Gestalt als eine schmerzende Wunde empfinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe dieses Wort, dem ein Gedanke aus einer Predigt des Dresdener Landesbischofs Hempel zugrunde liegt, zuletzt beim Besuch des Volkskammerpräsidenten Sindermann in einer Rede aufgegriffen. Mit dem vollen Wortlaut der Rede war auch diese Bewertung am nächsten Tag im „Neuen Deutschland", im Zentralorgan der DDR, zu lesen, ein Vorgang, den ich nicht überschätzen will, aber den die meisten von uns, den auch ich vor wenigen Jahren noch kaum für möglich gehalten hätte und den ich deshalb ausdrücklich vermerke — mit Freude und Genugtuung vermerke.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

    Auf dem Gebiet der Deutschlandpolitik, Herr Bundeskanzler, wäre, falls es Sie interessiert, noch mehr Gemeinsamkeit wünschenswert und auch möglich.

    (Seiters [CDU/CSU]: Herr Oberlehrer! Nur 10 % Ihrer Fraktion hören Ihnen überhaupt zu! Wo ist denn Ihre Fraktion eigentlich? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir hätten beispielsweise im letzten Jahr ebenso wie im Jahr 1985 erneut eine gemeinsame Entschließung mit sehr breiter Mehrheit verabschieden können. Der Text dieser Entschließung war ausgehandelt und vereinbart. Die Verabschiedung ist nicht an uns, sie ist an Ihnen gescheitert, nicht einmal an Ihnen selbst, Herr Bundeskanzler, sondern am Veto der Gruppe in der Unionsfraktion, die im unionsinternen Sprachgebrauch als Stahlhelmgruppe bezeichnet wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unglaublich! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihre Erfindung!)

    — Lesen Sie den Brief des Kollegen Klein

    (Zuruf von der SPD: Wo ist er denn?)

    an die Mitglieder Ihres außenpolitischen Arbeitskreises. Das ist die Urfundstelle für diese Bezeichnung.

    (Beifall bei der SPD)

    Die gemeinsame Entschließung ist gescheitert, weil diese Gruppe Gedanken nicht zustimmen wollte, die in der großen Rede vom 8. Mai 1985 von diesem Pult aus gesprochen worden sind,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das Thema eignet sich nicht zur Demagogie, Herr Vogel!)




    Dr. Vogel
    aber auch, weil diese Gruppe Formulierungen nicht hinnehmen wollte, die Sie selbst, Herr Bundeskanzler, mit dem Staatsratsvorsitzenden der DDR anläßlich Ihrer Moskauer Begegnung vom 12. März 1985 in eine gemeinsame Erklärung aufgenommen haben. Es ist ein Beispiel für eine merkwürdige Doppelgleisigkeit der Politik, daß Sie diesen Satz heute in Ihrer Rede wieder wörtlich zitieren, aber nachher von Ihnen und Ihrer Fraktion die Aufnahme gerade dieses Satzes in die Entschließung in namentlicher Abstimmung abgelehnt werden wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir bedauern das. Wir halten das für wenig verantwortlich.
    Die Gruppe, von der ich spreche, spielt auch sonst immer wieder eine unheilvolle Rolle. Sie gibt durch ihr Gerede über die Vorläufigkeit der polnischen Westgrenze immer wieder dem düsteren Schlagwort vom angeblichen Revisionismus Nahrung und beschädigt damit, Herr Bundeskanzler, gerade die historische Leistung der deutschen Vertriebenen, die Sie zu Recht gewürdigt haben.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Czaja [CDU/ CSU]: Darüber werden Sie doch nicht bestimmen!)

    Sie hat im Jahr 1984 versucht, durch geringschätzige Außerungen den beabsichtigten Besuch des Staatsratsvorsitzenden der DDR zumindest zu erschweren. Diese Gruppe hindert durch ihr Veto die Mehrheit des Deutschen Bundestages, bestehend aus den Fraktionen der FDP, der SPD und der GRÜNEN, bis zum heutigen Tag, offizielle Beziehungen zur Volkskammer aufzunehmen.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Sehr gut!)

    Neuerdings stört diese Gruppe mit unsachlicher Kritik sogar den Abrüstungsdialog der Supermächte, der nach dem Genfer Treffen mühsam genug in Gang gekommen ist.
    Das ist schlimm genug. Noch schlimmer aber ist, daß Sie, Herr Bundeskanzler, nicht die Kraft haben, diese Gruppe zur Vernunft oder wenigstens zur Ruhe zu bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Fortgang des Normalisierungsprozesses stockt, weil ein uneinsichtiger und in der geschichtlichen Entwicklung weit zurückgebliebener Flügel in der Union das Sagen hat

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Reden Sie mal lieber von Ihren Flügeln, die das Grundgesetz in Frage stellen!)

    und Sie sich dem leider immer wieder beugen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Normalisierungsprozeß stößt auch auf Hindernisse, weil Sie, Herr Bundeskanzler, sich trotz unserer Warnungen und auch der Warnungen aus der Fraktion der FDP auf das SDI-Abenteuer eingelassen haben.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Und trotz der Warnungen der GRÜNEN!)

    Herr Bundeskanzler, wenn nur ein Teil von dem stimmt, was in den letzten Tagen über den Stand der Verhandlungen mit der US-Administration bekannt geworden ist, dann stehen Sie hier inzwischen vor einem Scherbenhaufen. Dann haben Sie inzwischen das Kunststück fertiggebracht, sowohl die Sowjetunion als auch die amerikanische Administration zu verärgern. Und von Verbesserungen des zivilen Technologietransfers kann wohl überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der SPD und Beifall des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

    Sie werfen uns, Herr Bundeskanzler, Nebenaußenpolitik oder Nebendeutschlandpolitik vor, und Sie haben das auch heute wieder getan.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Das ist das schlechte Gewissen!)

    Das ist ein ganz unsinniger Vorwurf. Wir ergreifen doch nur dort und deshalb die Initiative, wo Sie dazu, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage und nicht handlungsfähig sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben die Deutschlandpolitik — das ist ein Faktum der Geschichte, das auch in Ihrem Geschichtsmuseum dargestellt wird — gegen Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie ist — lassen Sie mich das mit vollem Ernst sagen — für uns Sozialdemokraten zu einem Stück unserer Identität geworden. Wir lassen nicht zu, daß sie jetzt, gerade nach der Begegnung von Genf, stagniert. Wir lassen nicht zu, daß Chancen und Möglichkeiten ungenutzt bleiben.
    Herr Bundeskanzler, es geht doch nicht um Kumpanei mit der SED oder um die Interessenvertretung der DDR, wie Ihre Freunde in gehässiger Geschmacklosigkeit sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und — da stimme ich mit Ihnen überein — es geht erst recht nicht um einen Sonderweg in den Neutralismus. Wir Sozialdemokraten wissen, daß ein solcher Sonderweg die Stabilität im Herzen Europas nicht erhöhen, sondern vermindern und den Frieden nicht sicherer machen würde. Deswegen lehnen wir ihn ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Uns geht es um die Lebensbedingungen deutscher Menschen in den beiden deutschen Staaten und um die Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt.
    Was war eigentlich dagegen einzuwenden, daß wir den Präsidenten der Volkskammer als solchen, als Präsidenten der Volkskammer, eingeladen haben? Sie konnten oder wollten ihn doch offenbar nicht einladen. Darum haben wir es getan.

    (Zurufe von der CDU/CSU)




    Dr. Vogel
    — Ja warum haben Sie ihn denn nicht eingeladen?

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Der sogenannten Volkskammer! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Einigen Sie sich mit Ihren Zwischenrufen erst einmal untereinander, was nun eigentlich gelten soll; die Koordinierung läßt sehr zu wünschen übrig.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber es kommt j a für Sie in letzter Zeit ein bißchen dicke; da gebe ich zu, es ist schwierig.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie haben dann — und das war gut so —, Herr Bundeskanzler, die durch uns geschaffenen Gesprächsmöglichkeiten gerne und intensiv genutzt. Manchmal hatten wir geradezu Mühe, daß wir unseres Gastes zwischendrin wieder habhaft wurden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Dieser Besuch hat doch auch die Voraussetzungen für den auch von Ihnen gewünschten Besuch des Staatsratsvorsitzenden deutlich verbessert. Warum bringen Sie es da eigentlich als Bundeskanzler des ganzen deutschen Volkes — des ganzen deutschen Volkes — nicht über sich, diese Initiative, die Ihnen so nützlich war, wenigstens im nachhinein anzuerkennen und mit einem Satz zu bedenken?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ist das nicht für den Bundeskanzler des ganzen deutschen Volkes ein bißchen eng?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Oder die chemiewaffenfreie Zone in Mitteleuropa! Die Vereinigten Staaten — und Herr Dregger versichert uns das immer wieder aufs neue — wollen ihre chemischen Waffen ohnehin aus der Bundesrepublik abziehen und neue jedenfalls nicht hier bei uns stationieren. Was spricht denn dann eigentlich gegen den Versuch, daß auch die sowjetischen Bestände aus der DDR und der Tschechoslowakei abgezogen werden? Wir sind doch auch hier nur aktiv geworden, weil Sie untätig bleiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Gespräche am Rande von Genf, also der großen Genfer Veranstaltung der Vereinten Nationen, nicht der Genfer Gespräche der beiden Supermächte über Abrüstungsmaßnahmen, zwischen Vertretern Ihrer Regierung und der DDR-Regierung und der CSSR-Regierung über dieses Thema sind doch erst nach und infolge unserer Initiative begonnen worden.
    Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren von der Union — bei der FDP wird man wahrscheinlich eher in unsere Richtung denken —, ich sage Ihnen voraus: Genauso wie beim Grundlagenvertrag, wie bei den Ostverträgen und bei der Schlußakte von Helsinki werden Sie eines Tages auch den Gedanken der chemiewaffenfreien Zone akzeptieren. Auch hier werden Sie nur verzögern, nicht aber auf Dauer verhindern können, was vernünftig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Oder die Städtepartnerschaften! Es ist doch gut, daß Ministerpräsident Lafontaine und die Sozialdemokraten in Saarlouis die Initiative ergriffen haben. Wer hindert Sie denn, ein Gleiches zu tun? Ihre Leute sind doch mindestens so oft in Ost-Berlin wie die unseren.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Die sind doch immer heimlich da!)

    Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, es lag in deutschem Interesse, daß wir gehandelt haben. Verlassen Sie sich darauf, wir werden auch künftig auf diesem Felde nicht untätig bleiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden, weil es vernünftig ist, weiter für eine einvernehmliche Lösung der Elbe-Frage eintreten, die auch den Belangen der Ostseefischerei Rechnung trägt.
    Wir werden das unsere tun, damit die Erfassungsstelle Salzgitter im Zuge der weiteren Normalisierung aufgelöst wird. In einem Moment klarer Erkenntnis hat das j a sogar Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Hennig der Öffentlichkeit in einem Interview als seine Meinung mitgeteilt. Er wurde dann allerdings zur Ordnung gerufen.
    Wir werden schon im Blick auf Berlin an der im Grundgesetz verankerten Regelung der Staatsangehörigkeit festhalten. Aber wir werden immer wieder deutlich machen, daß wir die DDR-Staatsbürgerschaft respektieren und niemandem Rechte aufdrängen, der sie nicht selbst in Anspruch nehmen will.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Das heißt: anerkennen!)

    Was immer Sie rufen, was immer Sie sagen: Wir werden weiter sondieren, was die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen tun können, um den Frieden sicherer zu machen.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb sprechen wir auch mit den politischen Repräsentanten der DDR über den Vorschlag des ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, entlang der Bündnisgrenze einen atomwaffenfreien Streifen einzurichten. Meine Damen und Herren, eines ermordeten Staatsmannes von Weltrang gemeinsam in Trauer zu gedenken ist eine gute Sache; eine Idee, die er als Vermächtnis hinterlassen hat, aufzugreifen und zu helfen, sie zu verwirklichen, ist unsere zusätzliche Intention.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Natürlich handeln wir dabei nicht anstelle der Regierung. Wir schließen auch keine Verträge. Das wollen und können wir gar nicht. Aber wir halten Dinge im Fluß, die sonst stagnieren, die sonst erstarren würden.
    Weil die Sorge auch in Ihrer Erklärung anklang: Wir verschenken auch nichts. Um die Realisierung



    Dr. Vogel
    unserer Wünsche an die DDR zu fördern, beschäftigen wir uns auch mit ihren Wünschen. Das ist der Umgang unter erwachsenen Staaten, den wir j a auch sonst pflegen. Für uns stehen dabei — ich sehe hier weitgehend Übereinstimmung — im Vordergrund: erweiterte Reisemöglichkeiten aus der DDR; die ganz schwierige Frage der Besuchsmöglichkeiten für solche, die legal aus der DDR zu uns übergesiedelt sind, bei ihren weiterhin in der DDR wohnhaften Familienangehörigen — ein ganz schwieriges Kapitel —; die Verringerung der sogenannten Kontaktverbote, die — gemessen an dem, was üblicherweise auf diesem Sektor gilt — sehr weit ausgedehnt, j a überdehnt sind; die Verbesserung der Verkehrsverbindungen und die volle Einbeziehung West-Berlins auch in die 1984 verbesserten Reiseregelungen; ferner die Fragen des Umweltschutzes.
    Wir wissen: All das, was die Menschen in der DDR mühsam genug und langsam genug, aber als Fortschritt, als Lockerung, j a als ein Stück Emanzipation empfinden, ist doch nicht in den Zeiten der Konfrontation, der gegenseitigen Abschließung, in den Zeiten des Kalten Krieges erreicht worden. Das ist doch erreicht worden, seitdem wir beiderseits aufeinander zugehen, seitdem wir gelernt haben, vernünftige Kompromisse zu schließen, und seitdem wir daran arbeiten, Feindbilder und Gefühle des Hasses abzubauen und zu beseitigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Diesen Weg müssen wir weitergehen. Nur auf diesem Weg können wir das bewahren und weiter festigen, was die Menschen in beiden deutschen Staaten über die Grenzen hinweg verbindet, nämlich die Gemeinsamkeit der Geschichte, der Kultur, der Sprache und des Gefühls. Aus diesen vier Gemeinsamkeiten lebt die Gemeinschaft, die alle Völker — auch das unsere — mit dem Begriff der Nation umschreiben. Ohne daß diese vier Gemeinsamkeiten lebendig bleiben, verblaßt der Begriff der Nation zu einem papierenen Begriff, der sich dann auch mit Paragraphen nicht mehr am Leben halten läßt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Auf diesem Hintergrund ist der Streit darüber, welche Antworten die Geschichte auf die deutsche Frage in der weiteren Zukunft einmal im einzelnen geben wird, im gegenwärtigen Zeitpunkt müßig, wenn nicht sogar kontraproduktiv.
    Sie erheben — auch heute klang es wieder an — in diesem Zusammenhang gern polemische Vorwürfe gegen uns. Sie tun so, als ob wir das Grundgesetz in Frage stellen.

    (von Schmude [CDU/CSU]: Tun Sie auch!) Das ist abwegig.


    (von Schmude [CDU/CSU]: Aber Sie tun es!)

    Das ist auch nicht redlich. Sie sollten sich lieber um den Streit in Ihren eigenen Reihen kümmern.

    (Beifall bei der SPD — von Schmude [CDU/CSU]: Fragen Sie einmal Herrn Rau, was der dazu sagt!)

    Da meint Herr Dregger, es werde eines Tages wieder einen deutschen Nationalstaat geben. Dagegen hat Herr Strauß mehr als einmal gesagt er könne sich unter den gegebenen und vorausschaubaren Umständen und den möglichen Entwicklungen und Entwicklungslinien nicht vorstellen, daß wieder ein gesamtdeutscher Staat entsteht. Das Zitat steht gerne zur Verfügung. Er hat es oft und oft gesagt. Also: Dregger so, Strauß so. Herr Strauß ist gelegentlich sogar noch weiter gegangen und hat ausdrücklich eine Lösung nach österreichischem Muster für möglich erklärt.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Ich halte solche Auseinandersetzungen bei allem Respekt vor den Ansichten des Herrn Strauß, dem recht zu geben, wo er recht hat, ich auch sonst durchaus bereit bin, in Anbetracht der Realitäten für ausgesprochen akademisch.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Er hat offensichtlich keinen Einfluß in der Union!)

    Nur, wer in seinen eigenen Reihen die Meinung eines bayerischen Ministerpräsidenten Strauß, er könne sich Entwicklungen und Entwicklungslinien nicht vorstellen, daß ein gesamtdeutscher Staat wiederersteht und daß österreichische Lösungen in bezug auf die DDR möglich sind, schweigend übergeht, der macht sich lächerlich, wenn er Äußerungen irgendwelcher kleineren sozialdemokratischen Gruppen zum Gegenstand großer Auseinandersetzungen macht. Das ist einfach abwegig.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ist denn Herr Schmidt ein Nichts bei Ihnen?)

    Viel wichtiger ist, daß wir an dem Gedanken des Selbstbestimmungsrechts festhalten. Viel wichtiger ist, daß wir im Sinne der Schlußakte von Helsinki unablässig für die Menschenrechte eintreten und daß wir nicht Mögliches versäumen, weil wir Unmögliches in den Vordergrund rücken.
    Zum Möglichen und Notwendigen gehört auch, daß wir die DDR, die Deutsche Demokratische Republik, ernstnehmen,

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Das ist doch wohl selbstverständlich!)

    daß wir uns mit ihren Erfahrungen, ihren Entwicklungen und den Lösungen beschäftigen, die dort für Probleme gefunden werden, die auch uns bedrängen, daß wir die Lebensweise und die Auffassungen der Menschen in der DDR zu verstehen versuchen, daß wir den nicht einfachen, aber intensiver werdenden Dialog zwischen den Kirchen und der Führung der DDR mit Aufmerksamkeit verfolgen, daß wir auch die neuen Töne und Zwischentöne drüben nicht überhören

    (Beifall des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

    und daß wir das Selbstbewußtsein derer nicht unterschätzen, die auf ihre Leistungen und Erfolge in manchen Bereichen nicht weniger stolz sind als wir auf die unseren.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Vogel
    Wer vor dem Schauspielhaus die Wiedergestaltung des historischen Kerns von Berlin gesehen hat, wer in vielen Städten der DDR sieht, wie die alten Kirchen wieder in ihrem ursprünglichen Zustand erstehen, der weiß, welche Art von Selbstbewußtsein ich mit dieser Aussage auch meine.
    Zum Möglichen und Nötigen gehört auch die weitere Solidarität mit Berlin, mit der Stadt, in der sich unverändert die Lasten, aber auch die Chancen unserer jüngeren Geschichte bündeln, einer Stadt, der nicht mit markigen Worten und schon gar nicht mit der Konservierung von Denkweisen gedient ist, die als Antwort auf die Blockade und auf den 13. August 1961 verständlich waren, jetzt aber zu einem mit Selbstisolierung einhergehenden Realitätsverlust führen.
    Die 750-Jahr-Feier ist ein besonderer Prüfstein. Wir sind hier und in Berlin zur Kooperation bei den Vorbereitungen bereit, zu Vorbereitungen — das ist für uns wichtig —, die nicht vergessen, daß das historische, das älteste Berlin jenseits der Mauer liegt, woraus sich allein schon die Notwendigkeit zu einem möglichst intensiven Meinungsaustausch und Informationsaustausch ergibt.
    In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, haben Sie die Initiativen der Bundesregierung zur Errichtung eines Hauses der Geschichte in Bonn und zur Einrichtung eines deutschen historischen Museums in Berlin angesprochen. Wir haben gegen diese Vorhaben keine grundsätzlichen Bedenken. Nach dem bisherigen Gang der Vorbereitungen erscheint uns aber die notwendige Offenheit beider Institutionen für alle Aspekte der deutschen Geschichte weder konzeptionell noch personell gewährleistet. Es handelt sich bislang auch nahezu ausschließlich um Regierungsinitiativen, die an den übrigen Verfassungsorganen, insbesondere am Deutschen Bundestag, vorbeilaufen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Darstellung unserer Geschichte ist aber ein Politikum von höchstem Rang und kann schon deshalb nicht einfach der Exekutive überlassen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich rate, die übrigen Verfassungsorgane, insbesondere den Bundestag, aber auch, der Länder wegen, den Bundesrat und auch den Bundespräsidenten, dessen Funktion in dieser Beziehung doch auch von Belang und Bedeutung ist, stärker zu beteiligen. Und ich warne davor, den bisherigen Kurs fortzusetzen und mehr und mehr vollendete Tatsachen zu schaffen. Sonst könnte das, was als eine gemeinsame Darstellung unserer gemeinsamen Geschichte einen guten Sinn hätte, zum Gegenstand einer bitteren und belastenden Auseinandersetzung werden. Herr Bundeskanzler, wiederholen Sie nicht die schweren Belastungen, die jeder, wo er auch stand, im Zusammenhang mit Bitburg durchzumachen hatte, ein weiteres Mal auf diesem Gebiet. Es wäre ein schlechter Dienst.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir sind geneigt, bei der Erörterung der Lage der Nation vor allem das zu diskutieren, woran es, gemessen an unseren Maßstäben, im anderen deutschen Staat mangelt.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Das ist schlecht!)

    Dagegen ist nichts einzuwenden. Es wäre allerdings noch glaubwürdiger, wenn wir auch auf unsere eigenen Defizite bei der Erörterung der Lage der Nation eingingen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    zumindest auf die, die für die Lage der Nation Gewicht haben. Und an denen fehlt es doch bedauerlicherweise nicht.