Rede von
Alwin
Brück
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum sollte das, was für Politik und Wirtschaft schon Realität ist, nicht auch für die Kultur getan werden, wo es um weitaus verletzlichere Güter geht, nämlich Gedankengut?
Entweder wird Europa eine kulturelle Einheit, oder es gibt bald kein Europa mehr. Das sagte Frankreichs Kulturminister Jacques Lang vor genau einem Jahr in Hamburg. Er sprach dabei über die Situation des europäischen Films. Aber das, was er gesagt hat, gilt auch für die kulturelle Zusammenarbeit insgesamt. Deshalb stimmt die SPDFraktion auch dem vorliegenden Ratifizierungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 29. März 1982 über die Errichtung einer Europäischen Stiftung zu.
Die Errichtung einer Europäischen Stiftung durch die Mitgliedstaaten der EG eröffnet der Zusammenarbeit und dem Zusammenleben der Bürger der Gemeinschaft einen neuen Bereich. Durch die Förderung eines größeren Verständnisses für die europäische Einigung fügt die Stiftung der politischen und wirtschaftlichen Dimension eine kulturelle Dimension hinzu. Bei allen kulturhistorisch gewachsenen Unterschieden betont diese Dimension eine europäische Kulturidentität in vielen Bereichen des europäischen Kulturlebens. Bisher ist viel vom Europa der Bürger geredet worden, aber wenig ist geschehen.
Die Europäische Stiftung kann der Gemeinschaft mit ihrer Zusammenarbeit im Bereich der Kultur ein menschlicheres Profil geben, denn Europa darf kein anonymes Gebilde — regiert von Bürokraten und Technokraten — sein, sondern ein Lebensraum der Menschen, die ein Bedürfnis nach Kultur, Kunst und Ästhetik haben.
Es ist gut, daß die Stiftungsarbeit im Dienste einer kulturellen Gemeinschaftsidentität stehen muß. Das heißt: Sie fördert nur Tätigkeiten, die über nationale Grenzen hinausgehen.
Ich finde es auch gut, daß das Erlernen von Sprachen der Mitgliedstaaten von der Stiftung gefördert werden soll. Zum gegenseitigen Sich-Verstehen gehört im wahrsten, im buchstäblichsten Sinne des Wortes, daß man sich versteht, d. h. daß man die Sprache des anderen versteht.
Ich halte es für selbstverständlich, daß auch Spanien und Portugal, die ja nach der Unterzeichnung des Übereinkommens EG-Mitglieder geworden sind, dem Übereinkommen beitreten können. Ich
hoffe, daß sie es möglichst bald tun werden. Wir Sozialdemokraten bedauern, daß die in dem Übereinkommen zwischen den damaligen Mitgliedstaaten der EG vorgesehene Europäische Stiftung auf Grund Art. 235 des EWG-Vertrages nicht innerhalb der EG gegründet worden ist.
Dies ist kein Vorwurf an die Bundesregierung, denn wir wissen, daß sie zusammen mit anderen EG-Mitgliedstaaten für die Errichtung im Rahmen des EWG-Vertrages eingetreten ist, daß andere Mitgliedstaaten dies aber nicht mitgemacht haben. Es wäre gewiß besser gewesen, wenn die Stiftung voll in die Gemeinschaft eingebaut worden wäre. So aber müssen wir uns mit einer Stiftung im Rahmen eines zwischenstaatlichen Vertrages bescheiden.
Ich sage trotzdem noch einmal: Wir Sozialdemokraten werden der Ratifizierung zustimmen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.