Rede:
ID1019606700

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    6. Heyenn.: 1
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    Plenarprotokoll 10/196 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 196. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Vogel 15137A Erweiterung der Tagesordnung 15137 B Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 15137 B Porzner SPD 15138 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 15139A Bueb GRÜNE 15139 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen — Drucksache 10/4989 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Sicherung der Tarifautonomie und Wahrung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit in Arbeitskämpfen — Drucksache 10/4995 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Erhaltung der Streikfähigkeit der Gewerkschaften — Drucksache 10/5004 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA 15140D, 15175 D Dr. Vogel SPD 15146A Scharrenbroich CDU/CSU 15150 B Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 15152C Cronenberg (Arnsberg) FDP 15154 B Glombig SPD 15156 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 15159C Tischer GRÜNE 15161 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 15163A Dreßler SPD 15166 C Seehofer CDU/CSU 15169 B Kolb CDU/CSU 15171 D Brandt SPD 15173 B Frau Fuchs (Köln) SPD 15177 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1986 — Drucksache 10/4990 — Günther CDU/CSU 15179A Heyenn SPD 15180 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 15182 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 15184C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 15185 D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/4741 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Roth, Rapp (Göppingen), Ranker, Oostergetelo, Stiegler, Dr. Schwenk (Stade), Bachmaier, Curdt, Fischer (Homburg), Huonker, Meininghaus, Müller (Schweinfurt), Pfuhl, Reschke, Stahl (Kempen), Vosen, Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Wettbewerb und Verbraucherschutz im Einzelhandel — Drucksache 10/5002 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Ladenschluß im Einzelhandel — Drucksache 10/5003 — Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU . . . . 15188 B Dr. Schwenk (Stade) SPD 15189 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 15191 C Auhagen GRÜNE 15193 C Erhard, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 15195 C Senfft GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 15196 A Nächste Sitzung 15196 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15196 C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 15137 196. Sitzung Bonn, den 5. Februar 1986 Beginn: 11.00 Uhr
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    Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Martiny-Glotz 5. 2. Müller (Schweinfurt) 5. 2. Frau Pack * 5. 2. Pauli 5. 2. Rappe (Hildesheim) 5. 2. Reimann 5. 2. Roth (Gießen) 5. 2. Schäfer (Mainz) 5. 2. Schmidt (Hamburg) 5. 2. Schreiner 5. 2. Schröder (Hannover) 5. 2. Sielaff 5. 2. Stobbe 5. 2. Stücklen 5. 2. Frau Dr. Timm 5. 2. Verheugen 5. 2. Voigt (Frankfurt) 5. 2. Voigt (Sonthofen) 5. 2. Dr. Warnke 5. 2. Frau Dr. Wilms 5. 2. Wischnewski 5. 2. Frau Dr. Wisniewski 5. 2. Dr. de With 5. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Günther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte jetzt im Zusammenhang weiter vortragen. Kollege Heyenn, es war schon unruhig genug. Ich bitte um Verständnis.
    Wie der Rentenanpassungsbericht 1985, den wir heute gleichzeitig beraten, ausweist, wird in den nächsten Jahren die Schwankungsreserve ihre vorgeschriebene Höhe übersteigen und selbst bei pessimistischen Entgeltsteigerungsannahmen bis zum Ende des Jahrzehnts, voraussichtlich sogar noch darüber hinaus, zur soliden Rentenfinanzierung völlig ausreichen. Somit haben wir mit unserer Rentenpolitik die Renten mittelfristig gesichert, meine Kolleginnen und Kollegen.
    Wir wissen, daß sich insbesondere nach der Jahrtausendwende Probleme wegen der demographischen Entwicklung ergeben. Diese langfristigen Probleme in der Rentenfinanzierung werden wir deshalb rechtzeitig in einem umfassenden Rentenreformstrukturgesetz in der nächsten Legislaturperiode lösen. Wir haben, nachdem wir die mittelfristige Sanierung vollzogen haben, das Vertrauen der Rentner und Versicherten in die Rentenversicherung weitgehend wieder hergestellt, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung ebenfalls erfüllt und nunmehr ausreichend Zeit, uns den schwierigen Problemen eines Rentenreformstrukturgesetzes zu widmen.
    Polemik, meine Kolleginnen und Kollegen, und Schwätzerei sind für dieses Thema völlig ungeeignet. Wir arbeiten im Sinne der Versicherten konsequent an der Sache. Entgegen vielfältigen Aufforderungen und politischen Anstößen, die die Probleme des Jahres 2000 oder gar des Jahres 2030 schon jetzt lösen wollen, ist ausreichend Zeit. Eile, meine Kolleginnen und Kollegen, ist für dieses Problem nicht geboten. Es handelt sich bei der Rentenversicherung um Fragen der langfristigen Lebensplanung, und hier ist Hektik immer verfehlt.
    Das heute zur Beratung anstehende Rentenanpassungsgesetz 1986 sieht nach einer Anpassung der Renten zum 1. Juli 1985 um 1,41 %, entsprechend der Lohnentwicklung des Jahres 1985, zum 1. Juli 1986 eine Rentensteigerung von 2,34 % vor. Dieser Anpassungssatz gilt sowohl für die gesetzliche Rentenversicherung, für die gesetzliche Unfallversicherung, für die Altersgelder aus der Altershilfe für Landwirte als auch für die Kriegsopferversorgung. Der durchschnittliche Lohnanstieg des Jahres 1985 betrug nach vorläufigen statistischen Ermittlungen 3,1 %. Da noch die Beteiligung der Rentner an den Beiträgen für ihre Krankenversicherung in Höhe von 0,7 % abgezogen wird, errechnet sich ein effektiver Steigerungssatz der Renten von 2,34 %. Diese Erhöhung der verfügbaren Renten zum 1. Juli 1986 entspricht in etwa dem durchschnittlichen Anstieg der verfügbaren Arbeitnehmerverdienste im Jahre 1985. Eine gleichgewichtige Entwicklung von Erwerbseinkommen und Renten, die das Gesetz in § 1272 RVO j a so vorsieht, ist demnach gewährleistet, meine Kolleginnen und Kollegen.

    (Heyenn [SPD]: Wie rechnen Sie denn das, Herr Kollege?)

    Besonders erfreulich ist: Die effektive Rentenerhöhung liegt auch deutlich über der zu erwartenden Preissteigerungsrate.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Heyenn [SPD]: Lesen Sie das letzte noch einmal vor: § 1272!)

    — Das können Sie ja nachlesen, Herr Kollege! — Das ist soziale Politik für Rentner trotz schwerer Erblast.
    Insgesamt betrifft die Rentenanpassung immerhin 14 Millionen Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung, knapp 1 Millionen Rentner in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie rund 595 000 Altersgeldbezieher und Landabgaberentner bei der Altershilfe im Bereich der Landwirte. Für die Ren-



    Günther
    tenanpassung bringen die Rentenversicherungsträger, also Arbeiterrentenversicherung, Angestelltenrentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung, im Zeitraum eines Jahres, vom 1. Juli 1986 bis zum 30. Juni 1987, 5,2 Milliarden DM auf. Die Mehraufwendungen entfallen mit 4,9 Milliarden auf höhere Rentenzahlungen und mit 0,3 Milliarden auf hierauf zu zahlende Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung der Rentner.
    Zur Höhe des Rentenanpassungssatzes ist darauf hinzuweisen, daß die Mehrheit des Sozialbeirates in dem Gutachten zum Rentenanpassungsgesetz und zum Rentenanpassungsbericht feststellt, daß die vorgesehene Anpassung verteilungspolitisch sehr wohl vertretbar ist. Meine Kolleginnen und Kollegen, ich möchte wie im Vorjahr darauf hinweisen, daß die Höhe des Anpassungssatzes keine politisch festgestellte Größe ist, sondern sich aus der Lohnentwicklung des Vorjahres ergibt, die im wesentlichen von den Tarifpartnern, also von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, bestimmt wird.
    Die im Vergleich zu früheren Zeiten relativ geringe Höhe der Anpassung muß im Zusammenhang mit der Inflationsrate gesehen werden. Bei Inflationsraten von 5 bis 7 % sind naturgemäß die von den Gewerkschaften ausgehandelten Lohnsteigerungsraten höher, und die Anpassungssätze entsprechen dem. Bei 1,5 bis 2 % Preissteigerung, wie wir sie zur Zeit haben, sind im allgemeinen die Lohnsteigerungen niedriger, was sich nach unserer Rentenformel zwangsläufig auch in niedrigen Rentenanpassungssätzen niederschlägt. Es kommt aber ganz entscheidend auf die Kaufkraftsteigerung bzw. Kaufkrafterhaltung der Renten an, und die Rentner erfahren im Jahre 1986 in etwa die gleiche Kaufkraftsteigerung, wie die Erwerbstätigen sie im Vorjahr erhalten haben.
    Die Rentenerhöhung ist, wie auch der Rentenanpassungsbericht ausweist, von den Rentenversicherungsträgern ohne Probleme finanzierbar; es bedarf keiner gesetzlichen Maßnahme zur Sicherung der mittelfristigen Finanzentwicklung. Im vorigen Jahr haben wir als Gesetzgeber zur Liquiditätssicherung und zur Sicherstellung der Schwankungsreserve von einer Monatsausgabe einen zusätzlichen Bundeszuschuß von — falls nötig — bis zu 1,5 Milliarden DM sowie einen unverzinslichen Betriebsmittelkredit des Bundes in Höhe von 5 Milliarden DM bereitgestellt. Der Betriebsmittelkredit ist überhaupt nicht in Anspruch genommen worden, und von dem zusätzlichen Bundeszuschuß sind insgesamt im Dezember 1985 nur 320 Millionen DM vom Bund abgefordert worden. Angesichts der enormen Finanzströme, die durch die Kassen der Rentenversicherungsträger laufen — z. B. 1985 rund 165 Milliarden DM allein bei der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung —, erscheint natürlich diese Inanspruchnahme von 320 Millionen zusätzlichen Bundeszuschuß äußerst gering. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die günstige Finanzlage Ende 1985 ist im wesentlichen die Folge der verbesserten Beschäftigungslage, aber auch eine Folge der gesamten Sozialgesetzgebung.
    Aus all dem resultiert — dies zeigen das Rentenanpassungsgesetz wie der Rentenanpassungsbericht in gleicher Weise —, daß die Rentner mit Hoffnung in die Zukunft schauen können. Die Rentner, die durch die Diskussion um Reformpläne und durch die Diskussion über die Finanzlage verunsichert sind, können sicher sein, daß das bisher bewährte Rentensystem auch über das Jahr 2000 hinaus funktionsfähig und zahlungsfähig ist. Die CDU/ CSU hält am 1957 geschaffenen Rentensystem im Kern fest und lehnt Grundrentenpläne einschließlich einer Nivellierung der Renten ab.
    Die Weichen für eine vernünftige Rentenstrukturreform im Rahmen des bewährten Rentensystems sind gestellt. Meine Kolleginnen und Kollegen, die Rentner sollten wie in der Vergangenheit dem System der Rentenversicherung und unserer diesbezüglichen Politik vertrauen. Die Rentnerverunsicherungskampagne der SPD mit ihrer FuchsPumprente ist in sich zusammengebrochen, wie alle Angstträume, die Sie der Bevölkerung einflößen wollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit dieser Regierung, meine Kolleginnen und Kollegen, und diesem Arbeitsminister geht es auch bei den Rentnern aufwärts.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Heyenn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Heyenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Günther, sosehr bergauf kann es ja mit diesem Arbeitsminister wohl nicht gehen. Ich hatte vorübergehend den Eindruck, er sei bereits zurückgetreten. Oder können Sie mir, Herr Blüm, erklären, warum Sie einen Gesetzentwurf der Bundesregierung hier nicht zu Beginn der Debatte begründen?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie gehören hier zuerst an das Pult, damit die Fraktionen in erster Lesung Kritik oder Lob zu Ihrem Entwurf aussprechen können, nachdem Sie geredet haben.

    (Beifall bei der SPD — Louven [CDU/CSU]: Ihr werdet ja immer pingeliger!)

    — Das hat nichts mit Pingeligkeit, sondern mit Parlamentarismus etwas zu tun. Es kann j a auch sein, lieber Kollege, daß das Selbstvertrauen des Kollegen Blüm noch etwas angekratzt ist und er deswegen etwas Beruhigungszeit benötigt.

    (Louven [CDU/CSU]: An dem beißt ihr euch die Zähne aus!)

    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, im Anschluß an die eben geführte Debatte noch sagen, daß natürlich auch die Rentner wissen, was es bedeutet, wenn die Streikfähigkeit der Gewerkschaften beschnitten wird; denn eingeengte Streikfähigkeit bedeutet real niedrigere Löhne, vielleicht sogar absolut niedrigere Löhne, und in der Folge auch niedrigere Renten.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Heyenn
    Wir haben hier einen Entwurf vorliegen, der dem geltenden Recht nicht entspricht. Herr Günther hat auf § 1272 der Reichsversicherungsordnung hingewiesen; dort ist der Grundsatz einer gleichgewichtigen Entwicklung der Renten und der verfügbaren Arbeitsentgelte festgeschrieben. Das ist keine unverbindliche Floskel. Von dieser Vorschrift kann nur abgewichen werden, wenn es einen Rechtfertigungsgrund gibt. Dieser liegt aber nicht vor, Herr Kollege Günther, insbesondere wenn ich zu Grunde lege, was Sie über die mittelfristige Sicherheit der Rentenzahlungen ausgesagt haben. Die Bundesregierung macht noch nicht einmal den Versuch, in der Begründung zum Gesetzentwurf darzulegen, weshalb sie eine Rentenanpassung vorschlägt, die hinter der Nettolohnentwicklung zurückbleibt. Der Bundesarbeitsminister behauptet einfach das Gegenteil, der Wirklichkeit entrückt wie auch in anderen Bereichen, und versucht die Tatsachen auf den Kopf zu stellen. Lapidar wird festgestellt, die effektive Rentenerhöhung um 2,34 % zum 1. Juli werde ungefähr den durchschnittlichen Anstieg der verfügbaren Arbeitnehmerverdienste in 1985 entsprechen. Wenn man aber Abgabequote und Bruttolohnerhöhung zueinander in Beziehung setzt, so ergibt sich für 1985 eine Nettolohnsteigerung um 2,8 %. Sie liegen also mit Ihrer Rentenanpassung um rund 1/2% unter dem, was das Gesetz Ihnen eigentlich vorschreibt.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Sozialbeirat ist das diskutiert worden. Aber offenbar hat der Arbeitsminister sich darum nicht gekümmert; es hat ihn unberührt gelassen.
    Der Sozialbeirat, Herr Kollege Günther — auch darüber sind Sie hinweggegangen —, räumt ein, daß das Nettorentenniveau zum zweitenmal hintereinander sinken wird; im Jahre 1984 waren es 65,3%, im Jahre 1985 knapp 65%, und im Jahre 1986 werden es schätzungsweise 63,5% werden. Das ist ein Rückgang auf das Niveau zu Beginn der 80er Jahre. Dies ist nicht meine Feststellung, sondern die Feststellung der Fachleute im Sozialbeirat. Ein Teil dieser Mitglieder des Sozialbeirates hat der Anpassung um 2,34% nur unter großen sozialpolitischen Bedenken zugestimmt, Bedenken, die diese Regierung nicht teilt. Sie verstößt mit diesem Entwurf gegen das geltende Recht. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird in den Ausschußberatungen diese Frage mit Ihnen gemeinsam prüfen.
    Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, kann uns allerdings nicht davon entbinden, einen Blick auf die längerfristige Sicherung der Rentenfinanzen zu werfen. Diese Bundesregierung bemüht sich zwar, die Probleme unter den Teppich zu kehren, die Bürger mit einer gewaltigen Optimismuskampagne in die Irre zu führen, aber ihre eigenen Zahlen, die machen deutlich, daß die Rentenfinanzen nach wie vor nicht in Ordnung sind. Vier Rentenreparaturgesetze mit fünf Beitragsanhebungen seit 1983, zahlreiche Opfer der älteren Generation haben lediglich für einige Jahre
    Luft geschaffen. Dies ist eine unseriöse Rentenpolitik,

    (Beifall bei der SPD)

    ebenso unseriös und unbarmherzig wie der Ausschluß der älteren Frauen vom Babyjahr.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Für Landwirte, für Berufsoffiziere, zur Senkung der Vermögensteuer haben Sie Geld, aber nicht für ein Babyjahr für die Frauen, die nach dem Krieg in den Trümmern gearbeitet haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie soll das nötige Vertrauen in die Rentenpolitik der Bundesregierung hergestellt werden, meine Damen und Herren, wenn aus den regierungsamtlich veröffentlichten Zahlen hervorgeht, daß sich in den Rentenfinanzen im Laufe der nächsten 15 Jahre Fehlbeträge bis zu 200 Milliarden DM aufsummieren werden? Wie soll Verläßlichkeit entstehen, wenn diese Bundesregierung nicht das mindeste unternimmt, um auf längere Sicht eine solide Grundlage zu schaffen?

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben hierfür die Vorschläge unterbreitet. Wie meinen, daß die mittelfristigen und langfristigen Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung so ernst sind, daß man sie nicht beiseite wischen kann. Wir wollen die volle Wiederherstellung der Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge der Arbeitslosen durch die Bundesanstalt für Arbeit. Wir wollen eine neue Rentenformel, die zunächst den Bund, aber auch Arbeitnehmer und Rentner am demographischen Risiko beteiligt. Dazu gehört nach unserer Auffassung die Einführung eines Wertschöpfungsbeitrags und die Harmonisierung unserer Alterssicherungssysteme.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wollen unter dem Motto „Vertrauen in die Zukunft" mit Unverbindlichem in die Wahl gehen. Wie wir lesen können, sind Sie nicht einmal in der Lage, sich in der Bundesregierung auf ein solches mittel- und langfristiges Strukturkonzept zu einigen.
    Wir stellen Ihnen Fragen, von denen wir meinen, daß der Bürger einen Anspruch auf Antworten hat. Wie weit werden die Beiträge in Zukunft noch steigen, Herr Bundesarbeitsminister? Nach welcher Rentenformel werden künftig die Renten berechnet? Wie weit soll der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner durch Sie noch angehoben werden? Wie will sich der Bund, wie will sich Herr Stoltenberg — Sie sind aus diesem Rennen schon ausgeschieden — in Zukunft an den Bundeslasten in der Rentenversicherung beteiligen? Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur Wertschöpfung ein? Was versteht die Bundesregierung unter versicherungsfremden Leistungen? Wie sollen die Kindererziehungszeiten über 1990 hinaus finanziert werden? Was hat die Bundesregierung zu dem Gut-



    Heyenn
    achten der Kommission zur Harmonisierung der Alterssicherungssysteme zu sagen?

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Da wäre ich auch einmal gespannt!)

    Ich kann Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, dem Bundeskanzler und den Regierungsfraktionen am Schluß meiner Rede versprechen, daß wir nicht locker lassen werden. Wir wollen, daß Sie Farbe bekennen, und zwar noch in diesem Jahr. Wir werden den Bürgern vor Augen führen, daß Sie in den wichtigen Fragen der Sozialpolitik für die nächsten Jahre keinerlei Konzeption haben.
    Was haben die Rentner denn von diesem Minister, von dieser Regierung Kohl zu erwarten? —

    (Günther [CDU/CSU]: Eine ganze Menge!)

    Die heutigen Rentner seit 1983 real sinkende Renten, nach jeder Erhöhung weniger Kaufkraft der Rente.

    (Beifall bei der SPD)

    Was haben die künftigen Rentner zu erwarten?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz!)

    Ein Weiterwursteln wie bisher, ein Arbeiten von der Hand in den Mund. Sie werden die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Alterssicherung mit dieser Politik noch potenzieren. Sie haben Ihre Chance nicht genutzt.
    Politik, Herr Blüm — und das gilt auch für den Punkt, den wir vorher diskutiert haben — hat etwas mit Wahrhaftigkeit gegenüber den Problemen zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Und Politik hat etwas zu tun mit Verantwortung gegenüber den Menschen.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Das war ein Kernsatz von Herrn Heyenn!)

    Beiden Ansprüchen, Herr Bundesarbeitsminister, werden Sie auch im Bereich der Rentenpolitik nicht gerecht.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)