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ID1019204800

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    Plenarprotokoll 10/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Januar 1986 Inhalt: Wahl des Abg. Fischer (Bad Hersfeld) als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Horacek 14468 B Nachträgliche Erteilung eines Ordnungsrufes 14468 B Aktuelle Stunde betr. Finanzierung der Neuen Heimat aus öffentlichen Kassen Dr. Graf Lambsdorff FDP 14453 B Dr. Sperling SPD 14454 B Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 14455 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 14456 D Zierer CDU/CSU 14457 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 14458 D Schmitt (Wiesbaden) SPD 14460 D Frau Rönsch CDU/CSU 14461 D Grünbeck FDP 14462 D Müntefering SPD 14464 A Pesch CDU/CSU 14465 B Waltemathe SPD 14466 B Doss CDU/CSU 14467 B Beratung des Antrags des Abgeordneten Ströbele und der Fraktion DIE GRÜNEN Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes des 2. Untersuchungsausschusses des 10. Deutschen Bundestages — Drucksache 10/4637 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Ergänzung des Auftrages des 2. Untersuchungsausschusses — Drucksache 10/4661 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Rechenschafts- und Informationspflicht des Bundesinnenministers Dr. Zimmermann gegenüber dem Parlament und seinen Gremien — Drucksache 10/4656 — Schäfer (Offenburg) SPD 14468 C Dr. Olderog CDU/CSU 14470 B Ströbele GRÜNE 14471 D Dr. Hirsch FDP 14474 D Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bindig, Duve, Dr. Holtz, Jungmann, Klose, Dr. Kübler, Lambinus, Frau Luuk, Meininghaus, Neumann (Bramsche), Pauli, Sielaff, Waltemathe, Frau Zutt und der Fraktion der SPD Menschenrechtspolitik der Bundesregierung — Drucksache 10/3111 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Klein (München), Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Marx, Dr. Stercken, Schwarz, II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1986 Frau Geiger, Lintner, Graf Huyn, Jäger (Wangen), Dr. Pohlmeier, Lowack, Sauer (Salzgitter), Hinrichs, Biehle, Dr. Kunz (Weiden), Rossmanith, Höffkes, Dr. Hoffakker, Schulze (Berlin), Pfeffermann, Berger, Seesing, Austermann, Wilz, Frau Rönsch, Müller (Wesseling), Pesch, Clemens, Eylmann, Magin, Sauer (Stuttgart), Schneider (Idar-Oberstein), Dr. Riedl (München) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Frau Dr. Hamm-Brücher, Ertl, Dr. Feldmann, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Menschenrechtspolitik — Drucksache 10/3537 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . . 14476 D Dr. Vogel SPD 14477 B Schäfer (Mainz) FDP 14481 C Fischer (Bad Hersfeld) GRÜNE 14483 D Genscher, Bundesminister AA 14486 C Bindig SPD 14490 A Graf Huyn CDU/CSU 14492 C Klose SPD 14494 A Dr. Hupka CDU/CSU 14495 B Jäger (Wangen) CDU/CSU 14496 D Nächste Sitzung 14498 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 14499*A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 14499* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1986 14453 192. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1986 Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung 187. Sitzung, Seite 14229 B, 7. Zeile von unten: Statt „13. September" ist „13. Dezember" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 24. 1. Borchert 24. 1. Brück 24. 1. Büchler (Hof) 24. 1. Büchner (Speyer) 24. 1. Dr. Bugl 24. 1. Buschbom 24. 1. Collet 24. 1. Frau Dempwolf 24. 1. Dr. Dollinger 24. 1. Dr. Ehrenberg 24. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 24. 1. Ertl 24. 1. Eylmann 24. 1. Frau Fischer 24. 1. Funk 24. 1. Gallus 24. 1. Ganz (St. Wendel) 24. 1. Dr. von Geldern 24. 1. Glos 24. 1. Dr. Glotz 24. 1. Handlos 24. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 24. 1. Helmrich 24. 1. Jung (Düsseldorf) 24. 1. Junghans 24. 1. Kalisch 24. 1. Kiechle 24. 1. Kolb 24. 1. Dr. Kreile 24. 1. Dr. Kübler 24. 1. Linsmeier 24. 1. Lintner 24. 1. Marschewski 24. 1. Dr. Mikat 24. 1. Dr. Miltner 24. 1. Müller (Wadern) 24. 1. Frau Pack 24. 1. Reuschenbach 24. 1. Repnik 24. 1. Schluckebier 24. 1. Schmidt (Hamburg) 24. 1. Schmidt (München) 24. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 24. 1. Schmitz (Baesweiler) 24. 1. Dr. Schmude 24. 1. von Schmude 24. 1. Schröder (Hannover) 24. 1. Schröer (Mülheim) 24. 1. Seesing 24. 1. Frau Simonis 24. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 24. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 24. 1. Stobbe 24. 1. Stutzer 24. 1. Dr. Todenhöfer 24. 1. Vahlberg 24. 1. Verheugen 24. 1. Voigt (Sonthofen) 24. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wischnewski 24. 1. Wissmann 24. 1. Dr. Wittmann 24. 1. Zander 24. 1. Zink 24. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sechster Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 (Drucksache 10/4617) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1986 bei Kap. 30 05 Tit. 683 26 - Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Kernbrennstoffversorgung (einschließlich Urananreicherung) - (Drucksache 10/4686) zuständig: Haushaltsausschuß Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bewertung des Strahlenschutz-Forschungsprogramms der Europäischen Gemeinschaft (1976 bis 1980) (Drucksache 10/2993) Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 31. März 1985 - Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis zum 31. März 1985 - (Drucksache 10/3170) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1985; Europarat, - Halbjahresbericht der Bundesregierung für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1985 - (Drucksache 10/3991) Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 25. September bis 3. Oktober 1985 in Straßburg (Drucksache 10/4142) Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Viertes Hauptgutachten der Monopolkommission 1980/81 hier: Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 10/409) 14500* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1986 Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/83 (Drucksache 10/1791) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/83 hier: Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 10/3683) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission an den Rat über einen Plan zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch 01 und andere gefährliche Stoffe und Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung 81/971/EWG zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Informationssystems zur Überwachung und Verringerung der Ölverschmutzung des Meeres — KOM (85) 123 endg. — EG-Dok. Nr. 5948/85 — (Drucksache 10/3352 Nr. 16) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EGVorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Untersuchung von Tieren und von frischem Fleisch auf Rückstände — KOM (85) 192 endg. — EG-Dok. Nr. 6707/85 — (Drucksache 10/3534 Nr. 5) Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über bestimmte technische Maßnahmen zur Erhaltung der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten — KOM (85) 487 endg. — Rats: Dok. Nr. 9285/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 4) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Pflaumenbranntwein „Sljivovica" der Tarifstelle ex 22.09 C IV a) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Jugoslawien (1986) und Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Tabake der Tarifstelle ex 24.01 B des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Jugoslawien (1986) — KOM (85) 454 endg. — Rats-Dok. Nr. 9140/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 5) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 103/76 über gemeinsame Vermarktungsnormen für bestimmte frische oder gekühlte Fischereierzeugnisse — KOM (85) 513 endg. — Rats-Dok. Nr. 9217/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 6) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Weine aus frischen Weintrauben der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1986) und Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Likörweine der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1986) — KOM (85) 475 endg. — Rats-Dok. Nr. 9183/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 7) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten — KOM (85) 490 endg. — RatsDok. Nr. 9284/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 8) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1320/85 mit vorübergehenden Maßnahmen betreffend die Produktionsbeihilfe für Verarbeitungserzeugnisse aus Tomaten — KOM (85) 484 endg. — Rats-Dok. Nr. 9089/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 9) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur vierten Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1/85 zur Festlegung der vorläufig zulässigen Gesamtfangmengen und bestimmter Fangbedingungen hinsichtlich der zulässigen Gesamtfang-mengen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen für 1985 — KOM (85) 494 endg. — Rats-Dok. Nr. 9073/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 10) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1696/71 über die gemeinsame Marktorganisation für Hopfen — KOM (85) 491 endg. — Rats-Dok. Nr. 9276/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 11) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 104/76 zur Festlegung gemeinsamer Vermarktungsnormen für Garnelen der Gattung „Crangon crangon" — KOM (85) 518 endg. — Rats-Dok. Nr. 9218/85 — (Drucksache 10/4083 Nr. 12) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung eines Gemeinschaftszollkontingents für gefrorenes Büffelfleisch der Tarifstelle 02.01 A II b) 4 bb) 33 des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) und Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung eines Gemeinschaftszollkontingents für frisches, gekühltes oder gefrorenes hochwertiges Rindfleisch der Tarifstellen 02.01 A II a) und 02.01 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) und Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für gefrorenes Rindfleisch der Tarifstelle 02.01 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs (1986) — KOM (85) 477 endg. — Rats-Dok. Nr. 9279/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 7) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die ab 1986 auf bestimmte Drittländer anwendbare Einfuhrregelung für Schaf- und Ziegenfleisch — KOM (85) 489 endg. — Rats-Dok. Nr. 9307/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 8) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Produktionserstattung bei der Verwendung von Zucker in der chemischen Industrie — KOM (85) 504 endg. — Rats-Dok. Nr. 9178/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 9) Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Kriterien für die Bereitstellung von pflanzlichen Ölen auf dem Gemeinschaftsmarkt für die Nahrungsmittelhilfe — KOM (85) 466 endg. — Rats-Dok. Nr. 9068/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 10) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1468/81 betreffend die gegenseitige Unterstützung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission, um die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung zu gewährleisten — KOM (85) 467 endg. — Rats-Dok. Nr. 9333/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 11) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur sechsten Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch und Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 872/84 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Prämie zugunsten der Schaffleischerzeuger — KOM (85) 452 endg. — Rats-Dok. Nr. 9386/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 12) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse — KOM (85) 527 endg. — Rats-Dok. Nr. 9639/85 — (Drucksache 10/4184 Nr. 13)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ingeborg Hoffmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste stellvertretende Justizminister unseres mächtigen östlichen Nachbarn, Ivan Samotschenko, erklärte vor



    Frau Hoffmann (Soltau)

    dem Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen im November 1984 — ich zitiere —:
    Es gibt keine Zensur, es gibt keine Diskriminierung aus politischen Gründen. Es gibt in der Sowjetunion keine politischen Gefangenen. Es gibt keinen einzigen Fall, in dem irgend jemand wegen seines religiösen Glaubens verfolgt oder festgenommen würde.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Bei der Menschenrechtspolitik, meine Damen und Herren, geht es um Herrn Samotschenko und Geistesverwandte in allen weltpolitischen Himmelsrichtungen.
    Die Koalitionsfraktionen haben eine Große Anfrage eingebracht, denn einerseits sind die Menschenrechte durch zahlreiche internationale Pakte bindend geworden, andererseits werden die Menschenrechte in vielen Teilen der Welt, insbesondere im Ostblock und in weiten Teilen der Dritten Welt, in gravierender Weise verletzt.
    Wir bedauern, daß die Antwort der Bundesregierung so lange auf sich warten ließ. Sieben Monate, meine Kolleginnen und Kollegen, sind eine lange Zeit.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wohl wahr!)

    Auf der anderen Seite haben wir aber auch Verständnis, daß die Beantwortung so umfassender, vielschichtiger Fragen sorgfältig bearbeitet werden muß und hiermit Zeit braucht.
    Wir haben nach sehr ausführlicher Vorarbeit wichtige Grundprinzipien dargelegt und viele Probleme aufgezeigt. Diese Grundprinzipien der Menschenrechtspolitik möchte ich heute hier darlegen.
    Als in politischer Freiheit und Gleichheit gewählte Volksvertreter verdanken wir Abgeordnete unser Amt der Ausübung politischer Menschenrechte, von denen ausgehend auch die übrigen Menschenrechte verwirklicht werden.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Deshalb ist gerade unser Eintreten für Menschenrechte besonders wichtig. Fraktionsübergreifend sollten deshalb gerade Parlamentarier gemeinsam weltweit und ausgewogen für die Menschenrechte eintreten, denn Menschenrechte sind unteilbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In der Analyse und Beurteilung von Menschenrechtsverletzungen müssen wir kompromißlos an jedem Punkt der Welt ansetzen. Wir dürfen aber nicht hochmütig gegenüber anderen Kulturen und Religionen auftreten und müssen frei von jeder Rechthaberei Menschenrechte verteidigen.

    (Zustimmung der Abg. Frau Dr. HammBrücher [FDP] und des Abg. Rusche [GRÜNE])

    In der Menschenrechtspolitik empfiehlt sich Geduld als Grundhaltung. Diese Geduld muß allerdings mit Mut, Klarheit und mit Konsequenz im politischen und geschichtlichen Denken verbunden, durchgesetzt und Tag für Tag geübt werden.
    Einige Worte an dieser Stelle zu einer der größten Geißeln der letzten fünf Jahrzehnte: Millionen Menschen müssen aus ihrer Heimat fliehen oder werden vertrieben. Dies ist allein für sich schon eine schwere Menschenrechtsverletzung. Das Geschehen ist aber leider oft noch von zusätzlichen Menschenrechtsverletzungen begleitet, und — vor allem — die Ursachen liegen meist darin, daß diesen Menschen in ihrer Heimat oft die grundlegenden Menschenrechte verweigert wurden.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Nennen wir die Verursacher: Die weitaus meisten fliehen vor kommunistischen Regimen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Auch das ist wahr!)

    Wir Deutsche sind vor dem Hintergrund unserer Geschichte besonders gefordert, für die Verwirklichung der Menschenrechte einzustehen. Auf der einen Seite ist die Ausformung des rechtsstaatlichen Gedankens ein typischer deutscher Beitrag zur Entwicklung der individuellen Menschenrechte, andererseits sind die vielfältigen Verbrechen des Nationalsozialismus ein um so schwererer Rückschlag gewesen, der uns doppelt verpflichtet.
    Wer auf menschenrechtsverletzende Systeme einwirken will, kommt nicht umhin, festzustellen: Immer wieder finden sich neben denjenigen, die Staatsverbrechen aus eigenem Antrieb gewissenlos vorantreiben, auch Mitläufer, Karrieristen, Befehlsgläubige, aber auch die besonders schwierigen Fälle von Menschen, die zum Teil sehr aktiv mitmachen, um dann an bestimmten Stellen wirkungsvoll helfen zu können. Unsere Politik gegenüber manchen menschenrechtsverletzenden Regierungen basiert bereits auf einer deutlichen Unterscheidung zwischen diversen Exponenten des gleichen Regimes, und das ist gut so. Gerade gegenüber autoritären Militärregimen in der Dritten Welt wird aber — anders als bei den vielen der ja noch umfassender unterdrückenden totalitären Regime —

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    ein Schwarzweißschema angewandt. Das beinhaltet dann gleich zwei Irrtümer, nämlich — erstens — alle in der Regierung müßten von Grund auf schlecht sein, und — zweitens — alle Gegner der Regierung seien unterstützungswürdig. Wer z. B. im Hinblick auf Chile auch Aspekte, die das Schwarzweißschema sprengen, in seine Überlegungen einbezieht, macht sich bereits damit verdächtig.
    Auch die Oppositionsparteien sollten bereit sein, unter verschiedenen Kräften in den Regimen und den Oppositionen überall mit Augenmaß zu unterscheiden, um daraufhin ein ebenso nachdrückliches wie gezieltes Eintreten für die Menschenrechte aufzubauen. Nutzen wir die Chance, daß gerade autoritäre Regime hier gewisse Ansätze bieten. Denn wir wissen, daß autoritäre Diktaturen eher zu einer demokratischen Ordnung und Respektierung der Menschenrechte finden, als totalitäre Regime dies zulassen. Beispiele hierfür sind Argentinien, Uruguay und Brasilien. Am Rande bemerkt: An diesem Demokratiesierungsprozeß in Lateinamerika haben



    Frau Hoffmann (Soltau)

    gerade christdemokratische Parteien einen großen Anteil.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Auch vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ergibt sich übrigens eine Politik, die z. B. in El Salvador und in der Türkei demokratische Präsidenten stützt, auch wenn diese offenbar noch nicht alle für die Menschenrechte belangreichen Kräfte kontrollieren bzw. bestimmte althergebrachte menschenfeindliche Handlungen nicht sofort beseitigen können.
    Der Bundestag hat die wichtige Aufgabe, dazu beizutragen, daß die in Sachen Menschenrechte vor allem bei Einzelfällen oft notwendige Rücksichtnahme im diplomatischen Verkehr nicht zum Verhaltensmuster der ganzen Gesellschaft wird. Diese nur taktische Rücksichtnahme würde sonst letzten Endes auch das Denken beeinflussen und damit gefährliche Orientierungskrisen auslösen. Das Wissen um die Menschenrechte und die Kenntnis der Menschenrechtslage in der Welt sind notwendig, um den inneren Wert einer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung zu begreifen. Menschenrechtsorganisationen, Presse und Volksvertreter sollten die Dinge in der Menschenrechtsfrage beim Namen nennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist schon aus pädagogischen Gründen sinnvoll, als Ausgangspunkt und Grundlage der Verdeutlichung der Wichtigkeit der Menschenrechte die Lage in unserem eigenen, durch Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl geteilten Land zu nehmen. Hier sei betont: Für uns Christdemokraten sind und bleiben Deutschland und die Deutschen ein zentraler Punkt unserer Menschenrechtspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Rusche [GRÜNE]: Aber die Christdemokraten sind doch mit schuld daran, daß die Mauer steht!)

    Wir haben Hinweise auf besonderes Interesse an den Belangen der Deutschen in der SPD-Anfrage schmerzlich vermißt.
    Wer sich mit Menschenrechtspolitik oder Menschenrechtserziehung befaßt, stößt sehr bald auf wichtige Grundfragen. So bedauere ich sehr, daß in bezug auf die Menschenrechte in kommunistischen Ländern und vielen Ländern der Dritten Welt oft behauptet wird, irgendwie seien auch weltweit gültige menschenrechtliche Grundsätze doch bestimmten Ideologien und Traditionen unterzuordnen. Dies ist ein gefährlicher, den Menschenrechten abträglicher und sachlich nicht gerechtfertigter Wertrelativismus. Es gibt trotz aller kultureller, politischer und religiöser Unterschiede sehr wohl einen weltweit gültigen Standart, den es zu verwirklichen gilt.
    Die kommunistische Ideologie rechtfertigt die Unterdrückung im Gefolge extremer Machtkonzentration mit den höheren Zielen einer nachrevolutionären Gesellschaft, deren Interessen sich in der Partei manifestieren. Die Erfahrungen zeigen deutlich, daß die Gewaltanhäufung in den kommunistischen Ländern zu Lasten der Schwächeren geht. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf die enormen Privilegien der wirtschaftlich und politisch Mächtigen in diesen Ländern.
    Auch gegenüber vielen Ländern der Dritten Welt werden oft die weltweit gültigen internationalen Menschenrechte relativiert. Ein Argumentationsstrang betont eine untrennbare Einheit des Individuums mit seiner Familie, dem Dorf oder dem Stamm. Die etwas unglücklich als „westlich" bezeichneten Menschenrechte seien daher, weil das so sei, dem Selbstverständnis dieser Menschen widersprechende, unverständliche Abstraktionen. Daß es diese umfassende Harmonie dort aber auch gar nicht gibt, zeigen jeweils besonders die institutionellen und sozialen Mechanismen, die ein System von „Kontrolle und Gegengewicht" bilden. Eine behutsame Weiterentwicklung nach neuen Bedürfnissen ist also keine kulturelle Vergewaltigung, sondern auch in den Kulturen der Dritten Welt schon angelegt.
    Internationale menschenrechtliche Vergleiche sind äußerst schwer, aber notwendig, um eine ausgewogene Menschenrechtspolitik führen zu können. Wir müssen in unserer Menschenrechtspolitik deutlich machen, daß wir z. B. zwischen der Sowjetunion, Polen und Ungarn zu unterscheiden wissen. Die Beurteilung muß darüber hinaus umfassend sein. Wir dürfen z. B. im Bereich der politischen und bürgerlichen Menschenrechte den kritischen Blick nicht nur auf Punkte wie politische Haft, Folter und staatlichen Mord verengen. Vielmehr müssen wir auch, zumal dies die Anfänge der Menschenrechte, die Wurzel, den Ansatz zu mehr Menschenrechtsfreiheit betrifft, nach gewerkschaftlichen Rechten, nach der Freiheit der Meinungsäußerung, nach dem Grad an Pressefreiheit, nach religiöser Freiheit, nach der Freiheit zu oppositionellen politischen Zusammenschlüssen, nach den grundlegenden kulturellen Minderheitsrechten, nach internationaler Freizügigkeit usw. fragen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Gut, daß Sie das einmal aufzählen!)

    Wenn wir das Maß an solchen Freiräumen, z. B. in Ungarn, nicht würdigen, mindern wir unsere Chancen, überzeugend und erfolgreich im Hinblick auf andere Bereiche der Lage der Menschenrechte in solchen Ländern zu wirken.
    Eine vergleichende Beurteilung erfordert auch den Mut, Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Informationen aus bestimmten Ländern als das zu werten, was sie im Zeitalter umfassender, international anerkannter Menschenrechte meistens sind: Zeichen für bewußte Verheimlichung und Unterdrückung. So gelingt es gerade totalitären Diktaturen, ihre Länder weitgehend von der Weltöffentlichkeit abzuschirmen. Albanien, Nordkorea und Vietnam sind dafür Beispiele.
    Aber auch von einem uns partnerschaftlich verbundenen Land wie Indonesien muß angesichts anhaltender Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Osttimor gefordert werden, für humanitäre Organisationen und unabhängige Beobachter die



    Frau Hoffmann (Soltau)

    viel zu weit gehenden Zugangsbeschränkungen zu beseitigen.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Deutsche Außen- und Entwicklungspolitik soll aber auch deutlich die gute Menschenrechtslage in bestimmten Ländern würdigen. Es gäbe dafür eine Vielzahl an Beispielen. Ich kann nur einige nennen: Costa Rica, Senegal, Gambia, Botsuana, Mauritius, Papua-Neuguinea, Fidschi, Brasilien, Argentinien, Venezuela, Dominikanische Republik, Jamaika und Ecuador.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht die Aufgabe!)

    Die Gewährung von Menschenrechten, meine Damen und Herren, ist geradezu Synonym für umfassenden Frieden. Aber auch für Frieden nur im Sinne von „Nicht-Krieg" gilt, daß ein Regime, das die Rechte seiner eigenen Bevölkerung gewaltsam unterdrückt, auch Gewalt nach außen nicht prinzipiell als Mittel der Politik ablehnen wird.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Daher, meine Damen und Herren, ist Menschenrechtspolitik zugleich solide, langfristige Friedenspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel (Berlin).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat am 28. März 1985 eine Große Anfrage zur Menschenrechtspolitik an die Bundesregierung gerichtet. Das gleiche haben die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP, also die Koalitionsfraktionen, am 21. Juni 1985 getan.
    Es ist — sehr milde ausgedrückt — erstaunlich, daß eine Regierung, die sich ständig ihres Eintretens für die Menschenrechte rühmt, daß eine Partei, deren Generalsekretär anderen ständig mangelndes Engagement für die Menschenrechte vorwirft, daß die Regierung, an deren Spitze der Vorsitzende eben dieser Partei steht, trotz unserer ständigen Bitten und Mahnungen fast zehn Monate lang nicht imstande war, auf unsere Anfrage hin ihre Menschenrechtspolitik darzulegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ja, die Regierung hat, wie wir gerade gehört haben, sogar die entsprechende, inhaltlich in wichtigen Teilen mit unserer Anfrage übereinstimmende Anfrage ihrer eigenen Koalitionsfraktionen über ein halbes Jahr einfach liegengelassen.
    Meine Damen und Herren, es wäre nicht schlecht, wenn Sie einen Teil des Eifers, den Sie beispielsweise auf die völlig überflüssige Novellierung des § 116 AFG verwenden, hier investiert hätten, um diese Anfragen zu beantworten.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Ein abwegiger Vergleich!)

    Über die Gründe für Ihr Schweigen und Ihre Untätigkeit kann man allerlei Überlegungen anstellen. Der Wahrheit am nächsten kommt für Kenner und sorgfältige Beobachter wohl die Vermutung, daß sich die außenpolitischen Dauerkontrahenten in der Koalition wieder einmal nicht einigen konnten. Dieser Dauerstreit, der ja gerade in diesen Tagen wieder in voller Schärfe entbrannt ist, hat schon bisher die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach außen beeinträchtigt. Jetzt lähmt dieser Dauerstreit offenbar auch die Fähigkeit der Bundesregierung, dem Parlament in einer zentralen Frage Rede und Antwort zu stehen.
    Daß die Regierung dem Haus die Antworten nach zehnmonatiger Säumnis gestern um 11 Uhr, also buchstäblich in letzter Minute, hat zukommen lassen, kann meine Kritik in keiner Weise mildern. Im Gegenteil, die Bedenklichkeit des Umgangs mit dem Thema und mit dem Parlament wird dadurch eher noch gesteigert.
    Wir können uns deshalb heute keinesfalls abschließend zu den Antworten äußern. Wir benutzen die Gelegenheit in erster Linie vielmehr dazu, unsere Position zur Menschenrechtspolitik darzulegen.
    Unsere jüngere Zeitgeschichte ist mit der Problematik der Menschenrechte in schicksalhafter Weise verknüpft. In unserem Lande und von unserem Lande aus wurden die Menschenrechte zwischen 1933 und 1945 in brutaler Weise, j a bis hin zum Völkermord mißachtet. Dieser schrecklichen Erfahrung hat unser Grundgesetz Rechnung getragen. Es bezeichnet in seinem ersten Satz die Menschenwürde als unantastbar. Und es sagt im zweiten Absatz seines ersten Artikels:
    Das Deutsche Volk bekennt sich — wegen dieser Erfahrungen —
    zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
    Die Menschenwürde und die aus ihr fließenden Menschenrechte erfordern immer aufs neue unser Engagement, und zwar nach innen wie nach außen. Ich hoffe zuversichtlich, daß der Konsens darüber das ganze Haus in all seinen Fraktionen eint und verbindet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auf dieser Grundlage bekennen wir uns zu folgenden Positionen:
    Erstens. Die Bundesrepublik muß sich überall für die Verwirklichung der Menschenrechte einsetzen, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsform oder das Regierungs- und Gesellschaftssystem des jeweiligen Landes. Die Mitarbeit an internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte und in den internationalen Menschenrechtsgremien ist dabei ebensowichtig wie die Hilfe im einzelnen Fall. Gerade deshalb sollte die Zeichnung der Anti- Folter- Konvention der Vereinten Nationen nicht länger hinausgezögert werden.

    (Beifall bei allen Fraktionen)




    Dr. Vogel (Berlin)

    Zweitens. Zu den Menschenrechten gehören nicht nur die bürgerlichen Freiheitsrechte. Die Menschenwürde erfordert vielmehr auch die Wahrung der wirtschaftlichen, der sozialen und der kulturellen Menschenrechte

    (Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP]: Sehr wahr!)

    und in diesem Zusammenhang das Recht auf eine eigenständige Entwicklung für die Völker der Dritten Welt. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Menschen, die verhungern, Menschen, die am Rande des Existenzminimums vegetieren, setzen andere Prioritäten als wir, die wir im Vergleich dazu im Reichtum und im Wohlstand leben.

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Im Überfluß!)

    Drittens. Menschenrechtspolitik muß deshalb in weiten Teilen der Welt zunächst einmal Entwicklungspolitik sein, Hilfe zur Befriedigung der elementarsten Lebensbedürfnisse, zur Überwindung sozialen Unrechts und sozialer Spannungen, zur Beendigung wirtschaftlicher Ausbeutung. Das sind die wirksamsten Maßnahmen, um der Gewalt, der Unterdrückung und der Erniedrigung von Menschen den Nährboden zu entziehen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    So betrachtet ist auch der Rüstungswettlauf, sind die Unsummen an finanziellen und volkswirtschaftlichen Ressourcen, die dieser Rüstungswettlauf in Anspruch nimmt, ebenfalls eine ständige Gefährdung der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Viertens. Wir können unsere Staats- und Gesellschaftsordnung, für die wir uns entschieden haben, nicht international für verbindlich erklären. Aber wir können und müssen unsere Möglichkeiten nutzen, um die Entwicklung der Menschenrechte auch in Staaten mit anderen Ordnungen zu fördern und um Verletzungen der Menschenwürde zu begegnen.
    Welche Mittel wir zur Erreichung dieses Zieles jeweils einsetzen, hängt von den Umständen ab. Im Verhältnis zur Sowjetunion und zu osteuropäischen Staaten war und ist die Schlußakte von Helsinki ein besonders wichtiges Instrument, vor allem deshalb, weil sie die Berufung auf Standards erlaubt, die von allen Beteiligten akzeptiert worden sind.

    (Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das anerkennen dankenswerterweise heute auch die, die sich — daran muß erinnert werden — seinerzeit sowohl unserer Teilnahme an der Konferenz als auch der Zustimmung der Bundesrepublik zur Schlußakte widersetzt haben. Ich freue mich, daß sie die Bedeutung der Schlußakte heute so sehen wie wir.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Im Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik, zur DDR, sind die meisten Erleichterungen, die eingetreten sind, eine Folge der Vertrags- und der Normalisierungspolitik. Keiner kann bestreiten: Bei allem, was wir uns anders, ganz anders, und besser, viel besser, wünschen — vor allem, wie zu Recht von der Vorrednerin gesagt wurde, an der Grenze, im Reiseverkehr und in der Frage der Freizügigkeit —, ist die Situation heute, im Jahre 1986, in der DDR und gegenüber der DDR nicht schlechter, sondern deutlich besser als zur Zeit des Kalten Krieges. Das ist einfach ein Faktum.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Wann öffentliche Interventionen oder sogar Maßnahmen mit Sanktionscharakter am Platze sind, muß ebenfalls von Fall zu Fall entschieden werden. Vom Verdacht des Opportunismus müssen wir uns dabei ebenso freihalten wie von dem Eindruck, am deutschen Wesen müsse einmal mehr die Welt genesen. Wir müssen auch prüfen, wen die Maßnahmen eigentlich treffen, ob sie nicht gerade denen schaden, denen wir helfen wollen.
    Vor allem aber müssen wir uns hüten, Menschenrechtsfragen politisch zu instrumentalisieren und je nach Zweckmäßigkeit außenpolitisch oder gar innenpolitisch als Waffe einzusetzen. Wenn wir das tun, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dann heißt das fast immer, sich auf Kosten derer in Positur zu werfen und aus der Haut derer Riemen zu schneiden, um deren konkrete Lebensschicksale es geht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die Tochter des salvadorianischen Präsidenten ist nicht deshalb wieder in Freiheit, weil wir uns gegenseitig polemisch für die Verhältnisse in Nicaragua oder in El Salvador verantwortlich gemacht haben. Sie hat ihre Freiheit wiedererlangt, weil Sozialdemokraten im Zusammenwirken mit den Kirchen und mit Christdemokraten ihre Möglichkeiten genutzt haben.
    Ich benutze auch diese Gelegenheit, um unserem Kollegen Hans-Jürgen Wischnewski für seinen Beitrag und allen anderen Beteiligten genauso Dank zu sagen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und den GRÜNEN)

    Sechstens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann angemessen sein, die Beachtung der Menschenrechte öffentlich einzufordern, wie wir alle das im Falle Sacharow und viele von uns im Falle Mandela getan haben und auch heute an dieser Stelle wieder tun. Aber es gibt auch Hunderte, nein, Tausende von Fällen, in denen stille Bemühungen Menschen das Leben gerettet, die Freiheit zurückgegeben, die Vereinigung mit ihren Familien ermöglicht haben, und zwar deswegen, weil die Bemühungen still geblieben sind.
    Ich danke hier für meine Fraktion — und vielleicht schließen sich alle diesem Dank an — all jenen, die an diesen stillen Bemühungen ohne großes Aufheben mitwirken,

    (Beifall bei allen Fraktionen)




    Dr. Vogel (Berlin)

    viele, ohne überhaupt davon zu reden. Ich denke bei diesem Dank auch an Persönlichkeiten und insbesondere an eine Persönlichkeit — wenn man es so ausdrücken darf — auf der anderen Seite, ohne deren Mitwirkung viele dieser Fälle so nicht hätten erledigt werden können.

    (Beifall bei der SPD)

    Ebenso danke ich nichtstaatlichen Organisationen, die sich auf diesem Feld unermüdlich engagieren, insbesondere den Kirchen, aber auch „amnesty international".

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Siebtens. Die Menschenrechte sind nicht nur eine Frage, die wir anderen stellen; sie sind auch eine Frage an uns selbst. Auch wir haben uns auf diesem Feld zu bewähren: im Umgang mit Behinderten, mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, im Umgang mit Opfern der Gewaltherrschaft, aber auch in der Handhabung des Asylrechts und der Ausweisungspraxis.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will nicht verallgemeinern, und ich weiß aus eigener Regierungsverantwortung und Verwaltungsverantwortung, wie quälend und schwer die Entscheidungen auf diesem Gebiet sein können; aber nicht alles, was in der Bundesrepublik geschieht, hält vor den Menschenrechten stand. Ich erinnere nur an den Fall Kemal Altun und an manchen Ausweisungsfall, der oft nur durch Intervention von Landesparlamenten und Petitionsausschüssen in letzter Minute gestoppt werden konnte.
    Die Glaubwürdigkeit, mit der wir anderen Völkern und Regierungen Vorhaltungen machen können, hängt nicht zuletzt von unserem eigenen Verhalten zu Hause ab.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, daß es in vielen Teilen der Welt um die Menschenrechte bedrückend bestellt ist; mehr noch: Wir wissen, daß sie in nicht wenigen Teilen der Welt mit Füßen getreten werden. Millionen von Menschen hungern, viele werden gefangengehalten, nicht wenige gefoltert und getötet. Andere werden wegen ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe oder ihres Glaubens verfolgt.
    Gerade weil all das in diesem Jahrhundert auch auf unserem Boden geschehen ist und von einem deutschen Gewaltsystem Menschen anderer Völker Gewalt angetan worden ist, sollten wir unseren Beitrag zur Linderung dieser Leiden wo immer möglich gemeinsam, im Konsens und mit möglichst wenig Parteienstreit leisten. Wir sollten darauf verzichten, uns gegenseitig anzuprangern. Es sollte beispielsweise nicht noch einmal notwendig werden, daß Herrn Oberbürgermeister Wallmann in Frankfurt die Behauptung, die SPD schweige zum sowjetischen Völkermord in Afghanistan, erst von einem Oberlandesgericht verboten werden muß.
    Für die deutschen Sozialdemokraten sind die Menschenrechte, ist der Kampf um die Menschenrechte ein unverzichtbarer Teil ihrer Geschichte und ihrer Identität.
    Wie der von uns eingebrachte Antrag deutlich macht, strebt meine Fraktion in den Menschenrechtsfragen den möglichst weitgehenden Konsens an. Sie ist zur Zusammenarbeit bereit. Ich appelliere an alle in diesem Hause, diese Bereitschaft zu erwidern. Die Verfolgten, die Leidenden, diejenigen, die ihrer Menschenrechte beraubt sind, haben einen Anspruch darauf, daß wir so miteinander umgehen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE] und des Abg. Bastian [fraktionslos])