Rede:
ID1019000600

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    6. Ronneburger.: 1
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    Plenarprotokoll 10/190 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 190. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1986 Inhalt: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Atomtestverbot Dr. Scheer SPD 14377 B Lamers CDU/CSU 14378 C Lange GRÜNE 14379 B Ronneburger FDP 14380 C Dr. Klejdzinski SPD 14381 B Zur Geschäftsordnung Porzner SPD 14382 C Bohl CDU/CSU 14382 C Nächste Sitzung 14383 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 14384* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1986 14377 190. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1986 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 24. 1. Borchert 24. 1. Büchner (Speyer) 24. 1. Buschbom 24. 1. Collet 24. 1. Ertl 24. 1. Frau Fischer 24. 1. Funk 24. 1. Gallus 24. 1. Glos 24. 1. Dr. Häfele 23. 1. Dr. Hauff 23. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 24. 1. Junghans 24. 1. Kiechle 24. 1. Dr. Kreile 24. 1. Dr. Kübler 23. 1. Dr. Graf Lambsdorff 23. 1. Lintner 24. 1. Marschewski 24. 1. Müller (Düsseldorf) 23. 1. Frau Renger 23. 1. Schmidt (Hamburg) 24. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 24. 1. Dr. Schmude 24. 1. von Schmude 24. 1. Schröder (Hannover) 24. 1. Frau Simonis 24. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 24. 1. Stiegler 23. 1. Todenhöfer 24. 1. Verheugen 24. 1. Vogt (Düren) 24. 1. Wieczorek (Duisburg) 23. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Torsten Lange


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lamers, Sie wollten vorhin die Fakten auf den Tisch legen. Sie sind aber den Fakten elegant ausgewichen. Sie haben da einen Slalomlauf gemacht und teilweise über Situationen berichtet, bei denen Sie gar nicht dabei waren.
    Ich würde mal sagen: Nennen wir doch mal die — —

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Aber Sie waren dabei?)

    — Ich war dabei. In der Tat, ich war dabei, als der Staatssekretär Rühl seinen Vortrag gehalten hat. Und jetzt werde ich Ihnen gleich wiedergeben, was er dort gesagt hat. Und ich werde wiederholen, was der Kollege Scheer dazu gesagt hat, der auch dabei war.

    (Tatge [GRÜNE]: Hören Sie mal zu! — Lamers [CDU/CSU]: Ich habe das Protokoll gelesen!)

    Ich möchte mal die Fakten in der Reihenfolge nennen und insofern eine etwas andere Perspektive als der Kollege Scheer hereinbringen, die aber letzten Endes das gleiche aussagt.
    Es ist j a eine interessante Chronologie. Im Juli 1985 legte die Bundesregierung in Genf einen DreiStufenPlan der seismologischen Verifikation von Atomtests vor, dessen Umsetzung — —

    (Berger [CDU/CSU]: Schlimm, was?) — Das ist eine hervorragende Idee.


    (Berger [CDU/CSU]: Prima!)

    Nur ist ein Problem dabei, Herr Kollege Berger, daß die Umsetzung vier bis acht Jahre dauern würde und daß das parallel mit dem Interesse der Bundesregierung läuft, die Atomtests so lang wie möglich noch laufen zu lassen, weil der Verbündete, die USA, eben diese Atomtests braucht. Insofern wird etwas Negatives mit etwas Positivem gekoppelt. Sie wissen das sehr genau.
    Im Oktober 1985 heißt es im Abrüstungs-Jahresbericht der Bundesregierung:
    Während die nicht gebundenen Staaten die unmittelbare Aufnahme von Vertragsverhandlungen forderten, hielten die Länder der westlichen Gruppe die Klärung der Verifikationsfrage für nötig, bevor in die eigentlichen Vertragsverhandlungen eingetreten werden kann. Der Osten, der in der Verifikationsfrage eine restriktive Haltung einnimmt, unterstützte die nicht gebundenen Staaten. Für den Westen ist wegen der militärisch und sicherheitspolitisch besonders einschneidenden Wirkung eines umfassenden Teststopps eine verläßliche Verifikation unverzichtbar.
    Mitte Januar 1986 legte Generalsekretär Gorbatschow einen — nach allen Richtungen hin aufgefaßt — noch nie dagewesenen Drei-Stufen-Plan zur umfassenden nuklearen Abrüstung vor. Darin sind enthalten die Verlängerung des Testmoratoriums der Sowjetunion um drei Monate und — ich zitiere aus dieser Erklärung — dies:
    Die Kontrolle über die zu vernichtenden und zu begrenzenden Rüstungen würde sowohl durch die nationalen technischen Mittel als auch durch Inspektionen vor Ort vorgenommen. Die UdSSR ist bereit, jegliche zusätzliche Kontrollmaßnahme zu vereinbaren.
    Was passiert gleichzeitig hier in Bonn? Da erfahren die interessierten Abgeordneten von der Bundesregierung folgendes — und das ist das, was der Staatssekretär Rühl im Verteidigungsausschuß und offensichtlich auch anderswo nachweisbar gesagt



    Lange
    hat —: Zwar messe das BMVg dem Ziel eines umfassenden Teststopps langfristig große Bedeutung bei.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

    Aber eine begrenzte Anzahl von Kernwaffentests bleibt notwendig, solange Nuklearwaffen Teile der Abschreckungsdoktrin bleiben müssen. Das heißt ja nichts anderes, als daß man weiterhin auf Nukleartests bauen möchte, und zwar unabhängig davon, wie sich die jeweilige außenpolitische Situation darstellt.

    (Horn [SPD]: Das ist die Sachlage!)

    Damit kann man nur zu dem Schluß kommen, daß die Bundesregierung an einem Atomteststopp inzwischen überhaupt nicht mehr interessiert ist. Das entspricht allerdings der Logik Ihrer Politik der bedingungslosen Unterwerfung unter die amerikanische Hegemonialpolitik, auf deren Hintergrund auch das Thema SDI zu betrachten ist. Denn wer — wie der Bundeskanzler — das Thema SDI als gerechtfertigt betrachtet oder — wie der Bundesverteidigungsminister — gar als notwendig, der muß zwangsläufig auch für die Erprobung des Röntgenlasers sein, der die Energie aus Nuklearexplosionen bezieht. Wer auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen pocht — wie es die Bundesregierung in der NATO tut —, der muß dafür sein, daß Beschleunigungstests der Atomwaffenzünder unter dem Aspekt der Zuverlässigkeit erprobt werden. Die Bundesregierung weiß genau: Ein CTB muß, wenn er Sinn machen soll, so schnell wie möglich
    ' abgeschlossen werden. Mehr noch: Er müßte ergänzt werden durch ein Flugtestverbot für ballistische Flugkörper, um die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung von Hartzielen zu verringern.
    Wir können nur an die Bundesregierung appellieren, sich nicht einer amerikanischen Politik anzuschließen, die derzeit kein Interesse an einer Abrüstung atomarer Waffen hat. Sie sollte statt dessen lieber dafür sorgen, daß die sicherlich überraschenden Pläne von Gorbatschow nicht nur — wie es immer so schön heißt — geprüft, sondern auch umgesetzt werden, und zwar so schnell wie möglich,

    (Lamers [CDU/CSU]: Unbesehen?) damit man vom Wort endlich zur Tat schreitet.

    Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob diese Bundesregierung mit ihrer Atompolitik so weitermacht wie bisher. Wenn sie es tut, dann wird es allerdings höchste Zeit, daß sie von der Bildfläche verschwindet. Ich weiß nicht, ob diese ehrenwerte Gesellschaft der offenen Hände und der fröhlichen Mienen ein „Gruselkabinett" ist, wie es aus Ihren eigenen Reihen heißt. Aber eines weiß ich: Ich weiß, daß es immer mehr Menschen vor solchen Traumtänzern auf atomarem Parkett graust.
    Ich frage mich auch weiterhin: Wo ist denn die Kontinuität des Auswärtigen Amtes geblieben? Ich habe geradezu den Eindruck, daß Genscher, Bangemann, Möllemann und wie sie alle heißen eine Verhandlungspolitik nach dem Motto betreiben: Als muskelbepackte Tarzane gehen sie in die Verhandlungsräume hinein und als Maskottchen kommen sie wieder heraus. Ich glaube, daß diese Politik im Grunde genommen jetzt endgültig gescheitert ist, daß die letzten Relikte der Entspannungspolitik verschwunden sind und daß wir damit rechnen müssen, daß die Aufrüstungspolitik der Koalition — der Reihenfolge nach bestehend aus CSU, CDU, FDP — um sich greift.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Schierholz [GRÜNE]: Leider wahr!)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

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    Rede von Uwe Ronneburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Scheer, wenn Worte noch einen Sinn haben sollen, dann ist es wohl so, daß Sie einer Bundesregierung, die im Sommer des vergangenen Jahres einen international anerkannten umfassenden Vorschlag für ein seismologisches Überwachungssystem von Atomtests gemacht hat, vorwerfen, die Haltung eben dieser Bundesregierung sei unklar. Ich würde Ihnen von dieser Stelle aus allerdings gern eines sagen: Wenn es in dem Abrüstungsbericht der Bundesregierung heißt: Allerdings wäre die Verwirklichung eines CTB nicht gleichbedeutend mit der Reduzierung von Nuklearwaffen, dann meine ich, daß hier eine schlichte Wahrheit und nichts anderes ausgesprochen wird. Gleichzeitig — dies sollte ja wohl nicht übersehen werden — wohnt dieser Aussage aber auch die Tendenz inne, über einen umfassenden Teststopp hinaus auch zu einer Reduzierung von Atomwaffen zu kommen. Dies sollte jeder gutwillige Leser dieser Zeilen jedenfalls nicht übersehen. Das ist ja wohl unbestreitbar, denn welchen Sinn würde ein solcher Satz auf der anderen Seite machen?
    Ich möchte aber gern auf einen Mangel der öffentlichen Diskussion hinweisen, der im Augenblick eine wesentliche Rolle spielt. Es wird von einem Moratorium und von einem Teststopp gesprochen. Damit hier überhaupt kein Zweifel entsteht: Moratorium heißt im eigentlichen Wortsinne Zögern, ein zeitweises Aussetzen von Atomtests, für einen begrenzten Zeitraum; im heutigen Sprachgebrauch vielleicht sogar ein Einschränken. Aber wenn man solche Vorschläge für Moratorien und auch für deren Verlängerung macht, dann wird ja damit nicht aus der Welt geräumt, daß das eigentliche Ziel der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen kein Zögern in dieser Frage ist, sondern eine klare und eindeutige Entscheidung gegen jeden Atomtest und gegen jede Fortsetzung einer Testreihe, möglicherweise nach einer zeitweisen Unterbrechung. Dies ist das Ziel, das wir verfolgen, ein Ziel, an dessen Ende dann tatsächlich die Verringerung oder vielleicht sogar, wie wir heute in den internationalen Verhandlungen hoffen können, eine Beseitigung von Atomwaffen auf dieser Erde stehen könnte. Darum geht es, und darüber muß in aller Eindeutigkeit und, Herr Kollege Dr. Scheer, ohne jede Aufgeregtheit gesprochen werden. Sie sollten nicht in



    Ronneburger
    Äußerungen hineininterpretieren, was in ihnen nicht gelegen hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wo ist denn der Herr? Er kann sich doch äußern! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die Äußerungen sind eindeutig, Herr Ronneburger!)

    Denn die Haltung der Bundesregierung, die Haltung der Koalition ist eindeutig auf das umfassende Verbot von Kernsprengungen gerichtet, wie die exakte Terminologie heißt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Der Staatssekretär läßt durch Herrn Ronneburger interpretieren!)

    Darum geht es und um nichts anderes.
    Herr Kollege Dr. Scheer, ich habe Ihre Ausführungen mit großem Interesse gehört, aber eines hat mich dann doch verblüfft.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Das ist ja schön!)

    — Das ist sehr schön, Herr Dr. Klejdzinski, aber Sie regen mich auch nicht mehr auf. Das hat es früher einmal, am Anfang meiner Laufbahn und meiner Begegnung mit Ihnen gegeben. Dies ist vorbei.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Eines hat mich verblüfft, Herr Kollege Dr. Scheer: Sie haben mehr oder weniger die Bundesregierung aufgefordert, endlich mit ihren Atomtests aufzuhören.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Scheer [SPD]: Dummes Zeug! Sie soll dabei mitwirken, daß es dazu kommt!)

    — Natürlich haben Sie das gesagt! Lesen Sie das Protokoll nach! — Das eine ist j a wohl unübersehbar: Die Bundesrepublik hat noch nicht einen einzigen Test dieser Art durchgeführt, und sie wird es mit aller Sicherheit nicht tun.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Herr Ronneburger, wohin wandern Sie?)

    Sie wird in Zusammenarbeit mit ihren Verbündeten die Vorschläge, die aus Moskau jetzt erfreulicherweise gekommen sind, mit aller Sorgfalt behandeln, mit dem Ziel, die Bedrohung der Menschheit durch atomare Waffen auch dadurch zu beenden, daß am Anfang des Endes dieser Bedrohung ein umfassendes Verbot von Kernsprengungen steht und daß dies international überwacht werden kann, um die Sicherheit in Ost und West für die Menschen auf dieser Erde zu vergrößern.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)