Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Jaunich: Die Bereitschaft, den psychisch Kranken zu helfen, ist bei allen vorhanden.
Ich würde hier nicht unterscheiden, ob bei dem einen mehr und bei dem anderen weniger, sondern sagen: sie ist vorhanden. Die positiven Ansätze, von denen bei mehreren Rednern die Rede war, sind nicht versandet.
Wenn ich Ihren Entwurf nehme — und Sie haben vorhin ausgeführt, welche Teile im Gesetzentwurf der Koalition nicht enthalten seien —, muß ich sagen: Sowohl bei den Übergangsheimen als auch bei den betreuten Wohngemeinschaften als auch bei den Einzelwohnungen werden noch eine Reihe von Fragen zu klären sein, wie diese Angelegenheit mitbehandelt werden soll. Ich werde nachher noch einmal darauf zu sprechen kommen, vor allem auch wegen der Finanzierung und der Zuständigkeit für die Finanzierung.
Ich möchte auch darauf verweisen, Herr Kollege Jaunich, daß es keine Verzögerungstaktik gibt. Das ist mehr oder weniger eine Unterstellung. Wir nehmen sie hin. Aber es ist nicht so, daß in diesem Bereich eine Verzögerungstaktik verfolgt würde.
Wenn Sie die Beitragsstabilität ansprechen: Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Beitragsstabilität gerade im Gesundheitswesen ist — das wissen wir doch alle — eine Notwendigkeit sondergleichen, wenn wir sehen, wie die Kosten mehr oder weniger davonlaufen,
und wenn wir sehen, wie die Beanspruchung gerade auch im Gesundheitsbereich wächst. Es ist nicht so, daß nur in diesem Bereich die Beitragsstabilität angesprochen würde, sondern wir weisen auf die Notwendigkeit der Beitragsstabilität in allen Bereichen des Gesundheitswesens hin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und der Qualität der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung erklärt hat, ist die Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in der Bundesrepublik Deutschland noch immer verbesserungsbedürftig. Gleichwohl sind gegenüber dem Zeitpunkt der Vorlage der Psychiatrie-Enquete im Jahre 1975 sichtbare Fortschritte erzielt worden, und zwar im stationären und auch im ambulanten Bereich.
Das Modellprogramm zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker hat zu diesen Fortschritten mit beigetragen. Das Programm ist insbesondere auf die Verknüpfung stationärer, teilstationärer, ambulanter und ergänzender Einrichtungen ausgerichtet. Hierdurch sollte eine wissenschaftlich gesicherte Basis für künftige gesetzgeberische Maßnahmen geschaffen werden, die der besonderen Versorgungssituation psychisch Kranker und Behinderter gerecht werden, Krankenhausaufenthalte möglichst vermeiden helfen und Hilfe zur Wiedereingliederung Schwerkranker in ihr früheres soziales Umfeld und in die Arbeit leisten sollten.
Wie schon hervorgehoben, läuft das Modellprogramm 1985 aus. Ein wissenschaftliches Gesamtergebnis liegt deshalb bisher noch nicht vor. Die Bundesregierung hat eine Gesamtbewertung für 1987 in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß über einige Einrichtungen im ambulanten und teilstationären Bereich aber schon heute gesicherte Erkenntnisse vorliegen, die angesichts des dringenden Handlungsbedarfs Maßnahmen des
14118 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1985
Parl. Staatssekretär Höpfinger
Gesetzgebers bereits jetzt dort erforderlich machen, wo die Instrumente der Selbstverwaltung nicht ausreichen.
Das gilt für die Tageskliniken und für die Institutsambulanzen. Deshalb begrüßt die Bundesregierung, daß die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme teilstationärer Krankenhausbehandlung ermöglicht und die Verpflichtung schafft, in Institutsambulanzen auch nichtärztliche Leistungen angemessen zu vergüten.
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß dadurch nicht nur die Versorgung der psychisch Kranken verbessert, sondern zugleich auch die zunächst entstehenden Mehrkosten durch einen verbesserten Zugang zu diesen Einrichtungen und durch Einsparungen auf dem stationären Sektor aufgefangen werden können. Sie wertet die vorgelegten Regelungen als Beweis dafür, daß Leistungsverbesserungen und Beitragsstabilität miteinander in Einklang zu bringen sind.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß ein weitergehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, wie ihn die SPD annimmt, derzeit nicht vorliegt. Für die Übergangseinrichtungen und die Werkstätten für Behinderte gibt es auf Grund der administrativen Initiativen der Bundesregierung und der Rehabilitationsträger konkrete Lösungsvorschläge, die Schritte des Gesetzgebers zur Zeit entbehrlich machen. Die Bundesregierung hat gerade am Beispiel der Übergangseinrichtungen bewiesen, daß ihr an einer Verbesserung der gesundheitlichen und rehabilitativen Versorgung der psychisch Kranken sehr wohl gelegen ist. Sie hat in mühsamer Kleinarbeit ein völlig neues Anforderungsprofil und ein tragfähiges Konzept für die Übergangseinrichtungen entwickelt, das auch von den Beteiligten getragen wird.
Für andere ambulante und komplementäre Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtungen, beispielsweise sozialpsychiatrische Dienste, läßt sich derzeit noch kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf abschätzen. Nachdem sich die am Modellprogramm beteiligten Länder jedoch dazu verpflichtet haben, die Modelleinrichtungen auch nach Auslaufen des Programms weiter zu finanzieren, bis Regelfinanzierungen gefunden sind, ist die Versorgung der psychisch Kranken derzeit auch insoweit finanziell gesichert. Die Gefahr der Entstehung von Modellruinen existiert also nicht.
Auch stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Krankenversicherung solche besonderen Einrichtungen ergänzender Art zu finanzieren hat oder ob sie nicht zu der von Ländern und Gemeinden zu tragenden öffentlichen Gesundheitsfürsorge gehören. Die dauerhafte Sicherung der im Vordergrund stehenden und wichtigen Tageskliniken und Institutsambulanzen sowie die Selbstverwaltungslösung für die Übergangseinrichtungen schaffen Raum, um diese Fragen eingehend unter den Beteiligten zu erörtern. Dazu ist die Bundesregierung bereit.
Dieser Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen bringt Verbesserungen in der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in der Bundesrepublik Deutschland. Darum danke ich Ihnen allen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die zügige Beratung der Vorlage und bitte um Zustimmung zum Entwurf der CDU/CSU/FDP-Koalition.
Danke schön.