Rede von
Horst
Jaunich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Becker und auch Sie, Frau Adam-Schwaetzer, haben hier zumindest den Anschein erweckt, als seien die Überlegungen, die Eingang in unseren Gesetzentwurf gefunden haben, zu übereilt, zu überhastet und nicht richtig abgesichert. Ich weise Sie darauf hin, daß unser Gesetzentwurf auf den Vorschlägen aufbaut, die die Gesundheitsminister und -senatoren aller Bundesländer im November vorigen Jahres als erkennba-
14116 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1985
Jaunich
res positives Ergebnis der Modellphase gemacht haben.
Als der Deutsche Bundestag die Einsetzung der Enquete-Kommission auf Anregung des Kollegen Picard in den 70er Jahren beschloß, war die Situation der Versorgung psychisch Kranker deutlich schlechter als heute. Aber ich habe den Eindruck, daß die Bereitschaft, sich diesem Thema hier in diesem Hohen Hause zu widmen, im Gegensatz zu den 70er Jahren deutlich nachgelassen hat.
— Sie haben den Kollegen Picard noch nicht ersetzt. Da müssen Sie sich noch sehr anstrengen.
Die Reformansätze in der Psychiatriepolitik drohen zu versanden. Sie drohen im Bürokratiegestrüpp und im Kompetenzgerangel der Finanzierung zu scheitern. Deswegen haben wir als Konsequenz daraus in Erkenntnis dessen, was das 1979/80 von Antje Huber und Hans Matthöfer finanzierte, eingeleitete Modellprogramm an Erkenntnissen gebracht hat, unseren Gesetzentwurf dem Hause vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf ging und geht davon aus, daß tagesklinische Behandlung unabhängig davon, ob sich der Patient bereits in stationärer Behandlung befindet, immer dann zu gewähren sein soll, wenn dies ärztlich geboten ist und anderenfalls vollstationäre Behandlung erforderlich würde. Diesem Vorhaben trägt Ihr Gesetzentwurf Rechnung, wenn er allerdings aus unserer Sicht auch nicht die eindeutige Klarheit schafft, die wir gewünscht hätten.
Der zweite Punkt unseres Entwurfes sah vor, daß Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Übergangseinrichtungen für psychisch Kranke und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für seelisch Behinderte in diesen Einrichtungen ausdrücklich in den Leistungskatalog der Sozialversicherung und des Versorgungsrechtes aufgenommen werden. Diesen Punkt haben Sie ausgeklammert. Wie wichtig es ist, das so zu regeln, wie wir vorgeschlagen haben, beweist die Vielzahl von Briefen Betroffener, die hoffentlich auch Sie und nicht nur uns erreicht haben; denn es macht ja wenig Sinn, uns aufzufordern, unseren Gesetzentwurf zu verabschieden. Diese Appelle müßten eigentlich an Sie gehen.
Drittens. Ebenfalls ausdrücklich in den Leistungskatalog aufgenommen wurde die nach ärztlichem Zeugnis notwendige sozialpsychiatrische Krankenpflege, die kraft gesetzlichen Anspruchs auch zur Sicherung der ärztlichen Behandlung zu gewähren sein soll. Die Leistung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch psychisch Kranken und seelisch Behinderten in entsprechenden Wohngemeinschaften zu gewähren. Auch dies sehen Sie derzeit nicht als regelungsfähig an.
Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, daß Kraft unseres Gesetzentwurfs in die jeweiligen Satzungen der Versicherungsträger Bestimmungen über die Gewährung ergänzender Haushaltshilfe bei Inanspruchnahme sozialpsychiatrischer Krankenhauspflege aufgenommen werden sollten. Auch hierzu sahen Sie sich nicht in der Lage, dies heute bereits zu regeln. Ich sage Ihnen voraus: Diese drei Punkte, die in unserem Entwurf enthalten sind und in Ihrem nicht, werden, Frau Adam-Schwaetzer, im nächsten Jahr hier wiederum zur Behandlung anstehen, und dann wird die Verzögerungstaktik, die Sie jetzt an den Tag gelegt haben, für Sie nicht mehr haltbar sein.
In dem fünften Punkt unseres Gesetzentwurfs stimmen wir dann wieder überein, wo es um den Abschluß der Institutsverträge geht. Da haben Sie sich in den Ausschußberatungen etwas ganz Besonders einfallen lassen. Da wird zum ersten Mal in die Reichsversicherungsordnung bei der Behandlung dieses Punktes expressis verbis geschrieben: Dabei ist auch dem Ziel der Beitragsstabilität Rechnung zu tragen. Hervorragend, kann ich nur sagen. Warum haben Sie dann nicht gleich gesagt, daß bei allen Vertragsbereichen der Reichsversicherungsordnung dieser Gesichtspunkt der Beitragsstabilität zu gewährleisten wäre? Sie hätten sofort unsere vollste Zustimmung dazu. Aber es wirft ein bezeichnendes Schlaglicht, nur bei den psychisch Kranken den Gesichtspunkt der Beitragsstabilität aufzunehmen und die übrigen Bereiche davon freizulassen. Sie haben sich nicht imstande gesehen, unserem Gesetzentwurf zu folgen, weil die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger mit Kosten belastet worden wären. Das ist der Punkt.