Rede von
Norbert
Mann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Im Moment noch nicht, Herr Kollege Kleinert.
Erstens. Die Rechtspolitik der Regierung ist bereits nach ihren eigenen Maßstäben gescheitert. Die Regierung ist angetreten mit dem Versprechen, das Rechtsbewußtsein
— hören Sie gut zu — der Bürger zu stärken und Gesetz und Recht vor allen Dingen ausgerichtet an Kontinuität, Sachbezogenheit und Zuverlässigkeit einfacher und durchschaubarer zu gestalten.
Wie noch keine Bundesregierung zuvor gehen die Mitlgieder des Kabinetts Kohl mit schlechtem Beispiel bei der Beachtung von Gesetz und Recht voran.
Beispielhaft sei an die Flick-Affäre und die Skandale um die Minister Schwarz-Schilling und Wörner sowie Staatssekretär Boenisch erinnert. An der Spitze der Bundesregierung steht ein Zeuge, der sich in der öffentlichen Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses am 7. November 1984 unter anderem wie folgt einließ. Es ging um Barzahlungen des Herrn von Brauchitsch für den Flick-Konzern unmittelbar an den Bundeskanzler. Und mein Kollege Schily wies den Bundeskanzler darauf hin, daß er eine Verpflichtung habe, nach dem Grundgesetz und nach dem Parteiengesetz Spenden über 20 000 DM als Parteivorsitzender im Rechenschaftsbericht der CDU anzugeben. Ich zitiere zunächst meinen Kollegen Schily
— hören Sie zu —:
Darf ich dann Ihre Antwort so verstehen, Herr Zeuge, daß Sie bewußt gegen diesen Verfassungsartikel verstoßen haben?
Der Bundeskanzler antwortet — ich zitiere —:
Aber wahr ist, daß bewußt alle demokratischen Parteien, das heißt der Kollege Brandt, der Kollege Scheel, der Kollege Genscher, in den fraglichen Zeitabschnitten der Kollege Strauß und auch ich und alle unsere Schatzmeister in diesem Punkt einen Verstoß begangen haben. Das ist wahr.
So weit der geständige Bundeskanzler, geständig des Verfassungs- und Rechtsbruchs. Das also ist das Kennzeichen der moralischen Erneuerung der Wende-Regierung.
Wen wundert da noch die flagrante Aufforderung zum Gesetzesbruch im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung des Tempolimits auf Versuchsstrecken.
Die Kontinuität Engelhardscher Rechtspolitik ist gekennzeichnet durch ein Zurück in die 50er Jahre oder sogar in das 19. Jahrhundert, wie das vor der abschließenden Beratung stehende Unterhaltsrecht, das Demonstrationsrecht und die Reform der Juristenausbildung beispielhaft zeigen.
— Das war eine sogenannte Reform, Herr Kollege Emmerlich, Sie haben völlig recht.
Zweitens. Die Art und Weise, wie die sogenannte liberal-christliche Koalition ihre Gesetze zum Teil regelrecht durchpeitscht, offenbart eine besorgniserregende Nichtachtung des Parlaments. Im Hauruckverfahren, koalitionsintern und mit dem Segen der Münchener Nebenregierung ausgehandelte Formelkompromisse machen die Rechtspolitik der gegenwärtigen Regierung zu einem Sicherheitsrisiko für den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat.