Wenn der Regierungswechsel, meine Damen und Herren, nicht rechtzeitig gekommen wäre, wir hätten längst die drei bis vier Millionen Arbeitslose, die damals von den meisten Experten für 1985 prophezeit worden sind.
Daß es nicht so gekommen ist, dies allein ist schon ein beachtlicher Erfolg unserer Politik. Wir haben die Arbeitslosigkeit gestoppt, wir haben sie eingedämmt und sind jetzt dabei, mit einem kräftigen Beschäftigungsschub die Gesundung des Arbeitsmarktes in einem lang anhaltenden Prozeß weiter zu entwickeln.
— Wissen Sie, verehrter Zurufer, selbst der Herr Breit hat in der mißglückten Oktoberkampagne des DGB nur von 300 000 zusätzlichen Arbeitslosen gesprochen,
die in der von saisonbereinigten Einflüssen befreiten Statistik zwischen Oktober 1982 und Juni 1983 zusätzlich registriert worden sind. Aber diese 300 000 Arbeitslose sind doch nur der Nachbrenneffekt Ihrer gescheiterten Regierungspolitik gewesen
und nicht etwa die Arbeitslosen dieser neuen Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt im September und Oktober — Sie kennen ja die Statistik — die saisonbereinigten Arbeitslosenwerte von Juni 1983 wieder unterschritten, erneut unterschritten wie in 28 von inzwischen 37 Regierungsmonaten.
Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis: die Trendwende am Arbeitsmarkt ist längst Wirklichkeit.
— Ich verstehe überhaupt nicht Ihre Aufregung.
Ihr gescheiterter Kanzlerkandidat, der Kollege Vogel, hat doch noch kurz vor der Bundestagswahl in der Wochenzeitung „Die Zeit" am 18. Februar 1983 gesagt, es sei — ich zitiere wörtlich — eine Aufgabe für eine volle Regierungsperiode, den Prozeß der weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit zu bremsen und dann umzukehren.
Woher nehmen Sie eigentlich die Maßstäbe Ihrer hemmungslosen Kritik?
Meine Damen und Herren, die Haushalts- und Finanzpolitik der neuen Bundesregierung war von Anfang an beschäftigungspolitisch definiert. Millionen Arbeitsplätze gingen in den 70er Jahren verloren, weil auf ihnen nicht mehr die Arbeitskosten erwirtschaftet werden konnte. Wenn also die betriebliche Arbeitsleistung vieler betroffener Mitbürger wieder wettbewerbsfähig und rentabel werden sollte, dann ging dies nur über die Kosten- und Preisstabilität, über den Zinsabbau und über bessere Investitionsbedingungen. Ohne die Haushaltsdisziplin, die Stabilität und die neue Verläßlichkeit dieser Bundesregierung wären wir niemals so weit vorangekommen, wie das heute der Fall ist.
Dabei muß es bleiben. Der Kurswechsel ist geglückt. Auf die Wende rückwärts können wir gerne verzichten.
Meine Damen und Herren, es ist doch eigenartig, daß Ihre Gedanken ausschließlich um den ver-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 178. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. November 1985 13495
Roth
meintlichen Ausgabeeffekt zusätzlicher Staatsprogramme kreisen.
Der Entzugseffekt, also der Nachfrageausfall bei den Bürgern, denen Sie einen zusätzlichen Teil Ihres Arbeitseinkommens wegsteuern wollen, fehlt in Ihren Betrachtungen völlig. Wieso eigentlich, so frage ich, soll bei anhaltendem Wirtschaftswachs-turn vorn Staat ausgegebenes Geld beschäftigungswirksamer sein als die Produktionsanstöße privater Konsum- und Investitionsentscheidungen?
Das haben uns Sozialisten noch nie erklären können.
Unsere Wirtschaftspolitik sichert und schafft Arbeitsplätze. Das ist auch die Aufgabe verantwortungsbewußt denkender und handelnder Tarifpartner. Unsere Arbeitsmarktpolitik ergänzt dies alles. Sie dient vorrangig der beruflichen Qualifizierung, die ich als die Schlüsselfrage für die Gesundung am Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren herausstellen möchte.
Zu keiner Zeit seit Bestehen des Arbeitsförderungsgesetzes von 1969 hat es eine aktivere Arbeitsmarktpolitik als heute gegeben. Nahezu jeder dritte neue Arbeitslose, der heute bei den Ämtern registriert wird, ist noch nie oder lange nicht mehr erwerbstätig gewesen. Die Hälfte aller registrierten Arbeitslosen ist ohne Berufsausbildung. Deshalb ist die Qualifizierungsoffensive der Bundesanstalt für Arbeit wesentlich verstärkt worden. Wir begrüßen das, und wir unterstützen das mit allen unseren Möglichkeiten.
400 000 Menschen in diesem Jahr und 450 000 Menschen im Jahre 1986 können an beruflichen Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Im Durchschnitt sind zwei Drittel von ihnen bei Eintritt in die Maßnahme beschäftigungslos. 7,4 Milliarden DM — das sind 1,1 Milliarden DM mehr als 1985 — werden wir im kommenden Jahr für diesen Zweck bereitstellen. Außerdem haben wir die Bildungsbeihilfen des Bundes um 50 % auf 105 Millionen DM aufgestockt. Wir werden die Geltungsdauer dieses wichtigen Gesetzes um weitere fünf Jahre verlängern.
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß dieses Geld gut angelegt ist. Drei Viertel aller Teilnehmer an solchen Weiterbildungsmaßnahmen finden innerhalb weniger Monate nach deren Beendigung eine neue Anstellung. Diese Vermittlungsquote ist der eigentliche Gradmesser des Erfolges. Wir freuen uns, daß wir hier auf einem guten Wege sind.
Wir werden unsere Offensive gegen die Verfestigung der Dauerarbeitslosigkeit durch Aufstockung der Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weiter vorantreiben, um jahresdurchschnittlich 100 000 Menschen eine neue berufliche Motivierung geben zu können. Auch hier haben wir eine Steigerung um 31% auf volle 3 Milliarden DM durchgesetzt. Der Haushaltsausschuß will, daß die AB-Programme — das haben wir in einer Entschließung festgehalten — insbesondere für arbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene im bewährten Programm „Arbeit und Lernen" verstärkt eingesetzt werden, damit auch hier qualifizierte Schritte vermittelt werden. Wir wollen — das sage ich ganz zum Schluß —, daß die Arbeitsverwaltung selbst ihren Einschaltungsgrad bei der Vermittlungstätigkeit verstärken kann. Er liegt heute bei 25%. Das ist absolut zu niedrig. Wir werden einer begrenzten Aufstockung des Personals zustimmen. Wir tun das, weil wir glauben, daß vom Erfolg dieser engagierten Vermittler und Berufsberater letztlich auch der Erfolg dieser Politik abhängig ist.