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ID1017706500

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    Plenarprotokoll 10/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 Inhalt: Begrüßung des Sekretärs des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeitspartei Dr. Matyás Szurös . . . . 13433 B Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofs und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs 13448 D Ergebnis 13453 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/4151 bis 4180 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/4158, 10/4180 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/4173 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/4177 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/4167, 10/4180 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksachen 10/3701, 10/4102, 10/4256 — Dr. Apel SPD 13365 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 13375 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE . . 13381D, 13406A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13386 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 13389C, 13422 C Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 13399 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 13405 C Dr. Hackel CDU/CSU 13407 A Dr. Solms FDP 13409 B Austermann CDU/CSU 13411 D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 Wieczorek (Duisburg) SPD 13413C Roth (Gießen) CDU/CSU 13417 B Spilker CDU/CSU 13419 B Präsident Dr. Jenninger 13381 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/4159, 10/4180 — Frau Simonis SPD 13424 B Glos CDU/CSU 13428 B Auhagen GRÜNE 13433 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13435 B Wissmann CDU/CSU 13438 B Dr. Mitzscherling SPD 13440 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 13445 C Frau Simonis (Erklärung nach § 30 GO) 13448A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/4171, 10/4180 — Zander SPD 13449 D Austermann CDU/CSU 13453 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 13456 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13458 B Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 13460C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/4172, 10/4180 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 13463 C Dr. Rose CDU/CSU 13465 B Frau Zeitler GRÜNE 13467 C Neuhausen FDP 13468 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 13470 D Nächste Sitzung 13472 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13473*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 13365 177. Sitzung Bonn, den 27. November 1985 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Antretter * 29. 11. Bahr 29. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Collet 29. 11. Frau Dr. Däubler-Gmelin 27. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Frau Fischer * 29. 11. Franke (Hannover) 29. 11. Dr. Haack 27. 11. Haase (Fürth) * 29. 11. Dr. Hauff 27. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 27. 11. Graf Huyn 27. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Junghans 29. 11. Kittelmann * 29. 11. Klose 29. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kohl 27. 11. Dr. Kreile 29. 11. Lamers 28. 11. Leonhart 29. 11. Lowak 27. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Oostergetelo 27. 11. Rühe 27. 11. Schlaga 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Dr. Schwenk (Stade) 27. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Frau Wagner 28. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Witek 27. 11. Wittmann (Tännesberg) 27. 11. Zierer 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Für Zwischenfragen habe ich keine Zeit, Herr Kollege Glos. Wir können das dann hinterher irgendwann klären.
    Sozialdemokraten sagen: Nur Gerechtigkeit kann sozialen Frieden schaffen.
    Ich wende mich nun einem anderen Bereich zu, der hier ebenfalls besprochen werden muß, nämlich den längerfristigen Aspekten der Haushaltspolitik dieses Bundesfinanzministers. Ich versuche, diese Finanzpolitik durchsichtiger und vielleicht auch intellektuell etwas redlicher zu machen. Ich bediene mich dabei der Argumentation dieser Bundesregierung. Ich will versuchen, abzuklopfen, was Propaganda und was Wirklichkeit ist. Ich sage nicht „Werbung", sondern ich sage bewußt „Propaganda", und ich meine das so.
    Die erste Frage. Baut die Regierung eigentlich wirklich Schulden ab? Senkt die Regierung tatsächlich die Steuern, und schenkt sie den Bürgern 20 Milliarden DM mit der angeblich größten Steuerreform aller Zeiten? Begrenzt die Bundesregierung den staatlichen Ausgabenanstieg auf 3 % und senkt damit den Staatsanteil?
    Das Durcheinanderwerfen von Milliarden-Größenordnungen, Herr Kollege Austermann, bei den Steuersenkungen und Prozentsätzen bei den Ausgaben löst — eine für mich beabsichtigte — Verwirrung aus.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Wie ein Pädagoge gleich Demagoge!)




    Wieczorek (Duisburg)

    Richtig muß es nämlich heißen: Der Bundesfinanzminister hat die Schulden des Bundes mit dem Haushalt 1986 seit seinem Amtsantritt, also von 1983 bis 1986, um 108 Milliarden DM erhöht.

    (Zander [SPD]: Hört! Hört!)

    Nach dem neuen Finanzplan, über den wir uns gerade unterhalten, wird die Verschuldung des Bundes bis zum Ende der Planungsperiode gegenüber 1982 — darauf haben wir uns ja verstanden — um 181 Milliarden DM steigen. Meine Damen und Herren, ich wiederhole das: In der Zeit, die Herr Dr. Stoltenberg hinter sich hat

    (Austermann [CDU/CSU]: Die er vor sich hat!)

    und die er vorher geplant hat, werden die Schulden des Bundes um 181 Milliarden DM steigen.

    (Austermann [CDU/CSU]: Falsch!)

    Hier wird nichts zurückgeführt, sondern die Zahlen steigen an.

    (Austermann [CDU/CSU]: Falsch!)

    Die Propaganda, daß der Bundesfinanzminister Schulden abbaut, ist falsch; der Schuldenberg wächst.
    Für die neuen Schulden, die diese Regierung seit 1983 zu verantworten hat, werden allein 1989 mehr als 11 Milliarden DM Zinsen zu zahlen sein,

    (Vogel [München] [GRÜNE]: So ist es!)

    also für Ihre Schulden, die Sie in dieser Zeit gemacht haben, und nicht etwa für die, die Sie übernommen haben. Wenn Sie den Bundesbankgewinn noch eliminieren, dann werden es 16 Milliarden DM sein — das, was Sie da vorhin in dem Zusammenhang gesagt haben, Herr Austermann, ist nicht zutreffend —, die diese Bundesregierung dem deutschen Volk zusätzlich aufdrückt. Das Ganze wird dann unter dem Gesichtspunkt verkauft, Sie führen Schulden zurück. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, daß hier mit Zahlen unredlich umgegangen, ja, daß manipuliert wird.

    (Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/ CSU] und Krey [CDU/CSU]: Ich denke, wir sparen uns kaputt?)

    Ich will nicht darüber reden, daß der Bundesfinanzminister bis zum Ende des Planungszeitraumes 76 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen eingerechnet hat; darauf will ich überhaupt nicht eingehen. Ich will dem nur entgegensetzen, daß Helmut Schmidt in der ganzen Zeit, in der er regiert hat, 13 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen zur Verfügung gehabt hat. Er hat diese 76 Milliarden DM in seiner Zeit zwar erarbeitet, erwirtschaftet, aber verfrühstücken tut es ein anderer. Das ist in der Politik nun einmal so, das ist die Kontinuität der Politik: Der eine erwirtschaftet etwas, und der andere hat den Nutzen davon. Auch so etwas kann man ja erben.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ein weiterer Grund, warum der Schuldenberg unter dieser Regierung nicht noch schneller wächst — denn eigentlich hätte er schneller wachsen müssen, meine Damen und Herren —, ist das, was jetzt als Erfolg gefeiert wird, nämlich die Ursache für die Steuerreform. Mit dieser Steuerreform werde ich mich jetzt etwas kritisch auseinandersetzen, damit wir wissen, wovon wir hier eigentlich reden. Niemals in den Jahren der sozialliberalen Koalition, meine Damen und Herren, hat es einen so langen und konsequenten Marsch in den Lohnsteuerstaat gegeben wie bei dieser Bundesregierung. Niemals hat es eine Zeit gegeben, in der die Lohnsteuerzahler so lange auf eine tarifliche Anpassung warten mußten. Niemals wurde dem Lohnsteuerzahler so viel weggenommen und so wenig belassen wie bei der Regierung Kohl.

    (Zander [SPD]: Von der Regierung zahlt ja auch keiner Lohnsteuer!)

    Von 1982 bis einschließlich 1989 wird das Lohnsteueraufkommen nach den Beschlüssen dieser Bundesregierung um 62 Milliarden DM steigen. Wenn man das Aufkommen aus der veranlagten Einkommensteuer noch hinzurechnet, wird sich dieser Betrag um fast 70 Milliarden DM erhöhen — und das trotz der angeblich größten Steuerreform aller Zeiten, meine Damen und Herren, die eine tarifliche Entlastung um 14 Milliarden DM bringen wird. Es werden also den Bürgern immer noch rund 70 Milliarden DM mehr aus der Tasche gezogen als vorher. Das ist natürlich auch ein Teil der Konsolidierungspolitik, die hier auf Kosten der Steuerzahler betrieben wird.
    Auch das angebliche Steuergeschenk von Geißler und der Bundesregierung in Form einer neuen Familienpolitik entpuppt sich, meine Damen und Herren, bei näherem Hinsehen eindeutig als Etikettenschwindel.

    (Beifall bei der SPD)

    Es geht hier bei dieser „Reform" um eine einseitig ausgerichtete Steuerpolitik zugunsten der reichen Familien. Das ist ja heute schon einmal angesprochen worden.
    Meine Damen und Herren, Herr Geißler spricht nicht umsonst von der notwendigen Besserstellung des ersten Kindes durch den steuerlichen Familienlastenausgleich. Er verschweigt dabei die Umverteilungswirkung zu Lasten der Mehrkinderfamilie. Er hat auch allen Grund, sie zu vertuschen; das wissen Sie ganz genau.
    Die Bundesregierung hat auf unsere Fragen hin zugeben müssen, daß jeder Arbeitnehmer, der ein durchschnittliches Einkommen bezieht, Jahr für Jahr schon ab 1987 höher belastet wird, wenn er drei, vier oder fünf Kinder hat. Und das nennen Sie eine familienpolitische Komponente, auf die Sie stolz sind.
    Es drängt sich die Frage auf, warum die Anpassung des Tarifs an die inflationäre Entwicklung, also das, was Herr Häfele immer als heimliche Steuererhöhung bezeichnet hat, nur so niedrig ausfällt. Die Antwort ist einfach. Bevor nämlich die Regierung die ersten 5 Milliarden DM an heimli-



    Wieczorek (Duisburg)

    chen Steuererhöhungen zurückgibt, hat sie die öffentlichen Kassen schon durch Milliardensteuergeschenke für die Unternehmensbereiche in Höhe von 13 Milliarden DM jährlich geleert. Damit es nicht verlorengeht, nenne ich hier die Stichworte, Herr Dr. Stoltenberg: Gewerbesteuer- und Vermögensteuersenkung, Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft, Abschreibungserleichterungen.
    Das Ergebnis dieser angeblichen Konsolidierungspolitik ist offenkundig: Nur immer herunter mit den Investitionen und immer herauf mit den Subventionen! Der Sachverständigenrat umreißt das mit den schönen Worten — ich zitiere —: Bei der qualitativen Haushaltskonsolidierung ist die Finanzpolitik weiter zurückgefallen.

    (Frau Traupe [SPD]: Oh!)

    Aber das sind nur andere Worte für die gleiche Feststellung, Herr Stoltenberg.
    Wie verhält es sich denn mit Ihrer dritten Propagandathese zur Finanzpolitik des Bundesfinanzministers, nämlich die Staatsquote zu senken? Bezüglich der Staatsquote wird Ihnen vom Sachverständigenrat im Gutachten sehr deutlich gesagt — auch das zitiere ich wörtlich —: Wenn die Zuwachsrate der Staatshaushalte nicht 3, sondern 31/2 % beträgt, läßt sich an der nahezu unveränderten Staatsquote ablesen — ich wiederhole: an der nahezu unveränderten Staatsquote ablesen —, daß von der Ausgabenpolitik kein Konsolidierungsbeitrag mehr zu erwarten ist.
    Wer dies zur Kenntnis nimmt, dem wird klar, wie abenteuerlich die Aussagen des Bundesfinanzministers sind, wenn er groß davon tönt, den Staatsanteil von 49 auf 45 und dann auf 40% senken zu wollen. Gerade dieser Subventionserhöhungsminister redet von Rückführung der Staatsquote.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich fordere Sie auf, Herr Bundesfinanzminister, noch in dieser Debatte zu erklären, wie Sie zu einer so dramatischen — ich würde sogar sagen: unsere Gesellschaft verändernden — Absenkung des Staatsanteils kommen wollen. Ich fürchte, dies ist die Abkehr von unserem sozialverpflichteten Staat. Wollen Sie den gesamten Bereich der sozialen Sicherung so radikal zusammenstreichen, Herr Bundesfinanzminister? Wollen Sie den Bildungsbereich so stark zusammenschneiden? Oder wollen Sie den Abbau staatlicher Leistungen mit einem solchen Volumen vornehmen?
    Meine Zeit ist beendet. Ich breche meine Rede hier ab. Den Antworten des Bundesfinanzministers sehe ich mit großer Spannung entgegen.
    Ich danke Ihnen, daß Sie mir so nett zugehört haben.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Roth (Gießen).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegen die
    Macht der positiven Tatsachen und der guten Entwicklung ist nur schwer anzudiskutieren, Herr Kollege Wieczorek. Das hat Ihr Beitrag soeben wieder nachhaltig bewiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind ein durchaus geschätzter Haushaltskollege, aber Ihr Zahlengefühl hat Sie bei dieser Diskussion offensichtlich über weite Strecken verlassen. Sie haben das Gesamtbild der Debatte nicht zugunsten der Opposition verändert, sondern Sie haben es zum Nachteil der Opposition verhärtet. Das wird auch das Pressebild morgen wieder ergeben. Denn sowohl Ihre Rede als auch die Rede von Herrn Apel und die von Herrn Posser haben einen Rahmen der SPD-Politik vermittelt, vor dessen Hintergrund sich die bedeutende Rede des Bundesfinanzministers mit Ihrer weitreichenden Perspektive und großen Brillanz positiv abhebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir danken dem Bundesfinanzminister für diese seine Leistung. Er hat eine stabile Mehrheit in diesem Haus, und er hat eine noch größere Mehrheit im deutschen Volk, wo er allergrößtes Ansehen genießt, ob Ihnen das gefällt oder nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Vosen [SPD]: Wollen Sie Staatssekretär werden?)

    Nicht der Kurs dieser Bundesregierung muß korrigiert werden, Herr Kollege Wieczorek, korrekturbedürftig und trostlos ist das Programmdefizit, das die Sozialdemokratie in dieser Debatte geboten hat und das sich seit gestern vormittag wie ein roter Faden durch die Diskussion zieht. Ihre Irrtümer, Ihre Fehleinschätzungen haben Sie für eine fachlich-seriöse Diskussion untauglich gemacht. Sie isolieren sich mehr und mehr, und ich rate Ihnen, diese Position zu überdenken; denn unter Ihrer politischen Verantwortung haben die arbeitenden Menschen in der Bundesrepublik

    (Vosen [SPD]: Arbeit gehabt!)

    durch das Zusammenwirken von Rezession, Inflation und Steuerprogression massive Einkommens- und Wohlstandsverluste hinnehmen müssen. Jetzt stehen wir wieder inmitten einer dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwungentwicklung mit zunehmender Wachstumsdynamik und zunehmender Beschäftigungsdynamik, dies alles gleichzeitig bei abnehmender Inflationsrate.

    (Vosen [SPD]: Tibetanische Gebetsmühlen sind das! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Eine solche Konstellation haben Sozialdemokraten in ihrer dreizehnjährigen Regierungszeit nicht ein einziges Mal zuwege gebracht. Lassen Sie sich das bitte gesagt sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch kein Zufall, daß sich mit der Rückkehr zur Geldwertstabilität die Beschäftigungslage in der Bundesrepublik endlich gebessert hat. Sie haben mit Inflation Massenarbeitslosigkeit ausgelöst. Hören Sie also endlich auf, meine Damen und Her-



    Roth (Gießen)

    ren, gerade die sozialen Wirkungen unserer Stabilisierungspolitik in dieser demagogischen Form herabzuwürdigen!
    Meine Damen und Herren, der Kollege Spöri hat vor einigen Tagen der Bundesregierung vorgeworfen — wir sprechen gerade über den Einzelplan 60 —, seit ihrer Amtsübernahme durch eine zu optimistische Einschätzung des Wirtschaftswachstums eine wirklichkeitsnahe Vorhersage über die Steuereinnahmen erschwert zu haben. Er hat sich dabei konkret auf die erste Steuerschätzung von 1983 und die erwartete Abweichung hiervon im kommenden Jahr bezogen. Der angeblich übertriebene Optimismus zum Zeitpunkt unserer Regierungsübernahme hindere die Regierung daran, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu ergreifen.

    (Zander [SPD]: Ich habe gedacht, jetzt würden wir rot sehen, aber wir sehen nur schwarz!)

    Meine Damen und Herren, das ist eine geradezu groteske Verdrehung von Tatsachen und finanzpolitischen Zusammenhängen.

    (Rusche [GRÜNE]: Das können Sie auch gut!)

    Die letzte Steuerschätzung für das Jahr 1986 hat vor 14 Tagen rund 457 Milliarden DM ergeben. Das sind ca. 20 Milliarden DM weniger, als in der ersten Finanzplanung im Frühjahr 1983 angenommen. Mehr als die Hälfte dieser Abweichung, nämlich fast 11 Milliarden DM, entfallen auf die im Jahre 1986 wirksam werdenden Steuerentlastungen, so daß es der Bundesregierung gelingt, die volkswirtschaftliche Steuerquote gegenüber der ersten Planung bei Amtsantritt von 24,2 auf 23,7 % abzusenken.

    (Zander [SPD]: Kann man das schriftlich haben? Ich kann so viele Zahlen nicht behalten! Das sind mir zu viele Zahlen!)

    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Zander, ich frage Sie: Stört Sie das etwa, wenn die Bürger im Zuge von größerer Stabilität nun auch weniger Steuern bezahlen müssen? Eine Antwort darauf müssen Sie geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Welche Bürger denn?)

    Die verbleibende Abweichung von 2 % ist kein Mißerfolg, sondern genau das Gegenteil.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sie ist die logische Konsequenz des eindrucksvollen Stabilitätsgewinns durch diese Regierungspolitik.

    (Rusche [GRÜNE]: Außer Ihnen ist keiner beeindruckt!)

    Was Sie hier machen, ist der dreiste Versuch, diese Leistung zu verschleiern, und dies nehmen wir nicht hin. Dreist ist dieser unhaltbare Angriff vor allem auch deshalb, weil während Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren, die entsprechenden Einnahmedefizite weit höher gewesen
    sind, wenn auch nicht als Folge von Preisstabilität, sondern sie sind ganz im Gegenteil trotz massiver Preissteigerungen eingetreten. In den Finanzplänen Ihrer Regierungszeit wurden fast ausnahmslos das Wirtschaftswachstum und die Steuereinnahmen wesentlich zu hoch, die Ausgaben des Bundes hingegen permanent zu niedrig veranschlagt. Sie haben nie zuverlässig gerechnet. Sie sind mit Ihrem Zahlenwerk immer durcheinandergeraten. Ihnen laufen diese Fakten aus dem Ruder, und Sie stellen sich hier hin und wollen uns Vorschläge für eine kalkulierbare, berechenbare Politik machen. Diese gibt es seit Gerhard Stoltenberg das Finanzressort übernommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen übrigens dringend, einmal die Betrachtungen eines unverdächtigen Beobachters, nämlich von Thilo Sarrazin, über „Die Finanzpolitik des Bundes 1970 bis 1982" zu lesen. Sie sind in der noch druckfrischen von Helmut Schmidt herausgegebenen Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Matthöfer nachzulesen. Ich empfehle Ihnen das sehr.

    (Zander [SPD]: Eine sehr lesenswerte Sache!)

    — Ich danke für Ihre Bestätigung. — Dieser Herr Sarrazin kommt in seinem Beitrag zu einem geradezu vernichtenden Urteil über die sozialdemokratische Finanzpolitik,

    (Zander [SPD]: Das ist eine Fehlinterpretation!)

    die er vorrangig für das Scheitern der damaligen Regierung verantwortlich macht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Er konstatiert bei der SPD noch heute „eine Vertrauens- und Orientierungslücke und ein konzeptionelles Vakuum, das jenseits programmatischer Floskeln der Aufarbeitung immer noch harrt". — Er beschreibt eindrucksvoll das Scheitern Ihrer sozialdemokratischen Hoffnung, „durch eine entsprechende staatliche Politik unter fast allen Bedingungen Vollbeschäftigung, steigende Arbeitnehmereinkommen und einen stetigen Ausbau des Sozialleistungsapparates gleichzeitig und dauerhaft sicherstellen zu können". Er hat im übrigen auch das Scheitern Ihrer Konzeption einer nachfrageorientierten Finanz- und Wachstumspolitik eindrucksvoll beschrieben, genau wie Karl Schiller, der in der schon mehrfach zitierten Heidelberger Rede ausgesagt hat, die Nachfragepolitik müsse „eindeutig bezogen sein auf den Fall der Rezession im Sinne eines kumulativen Verfalls der allgemeinen Nachfrage".
    Meine Damen und Herren, Sie sind mit dem Beharren auf Ihren alten Phrasen und auf Ihren gescheiterten Konzeptionen dem deutschen Volk Rechenschaft darüber schuldig, wie Ihr Programm eines Tages aussehen würde, falls Ihnen der Wähler



    Roth (Gießen)

    die Chance zu einer neuen Regierungsübernahme gäbe.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kommt ja nicht! — Vosen [SPD]: Das wird bald sein!)

    Diese Rechenschaft sind Sie uns schuldig. Wir wollen nicht, daß ein zweites Mal durch den Zusammenbruch der Finanzen und der Beschäftigung, so wie 1982, ein innenpolitisches Fiasko in der Bundesrepublik Deutschland eintritt.
    Meine Damen und Herren, zum Schluß noch eine Bemerkung zur Einnahmeseite des Bundeshaushalts, bei dem wieder die 12,5 Milliarden DM Bundesbankgewinn genauso hervorstechen wie die 460 Millionen DM Erlös aus der Privatisierung von industriellen Bundesbeteiligungen. Ich halte es keineswegs für ausgeschlossen, daß sich die Gewinnabführung der Bundesbank auch im nächsten Jahr noch etwas günstiger darstellen könnte, als dies jetzt veranschlagt worden ist. Wir Haushälter sind hier auf zuverlässige Informationen angewiesen, und Genaueres wird man sicher erst zum Jahresende sagen können.
    Herr Kollege Wieczorek, Sie haben ja hier den Antrag gestellt, diesen Bundesbankgewinn sozusagen auf Verdacht hin durch den Haushaltsgesetzgeber einfach höher einzuschätzen. Dies machen wir nicht mit. Wenn es zu einer höheren Gewinnabführung käme, die wir dankbar registrieren würden, dann würde sie in vollem Umfang zur Rückführung der Nettoneuverschuldung verwendet und nicht schon im vorhinein für irgendwelche Ausgaben-programme zusätzlicher Art „verbraten".
    Meine Damen und Herren, ich schließe, indem ich sage: Wir werden den Kurs dieser Bundesregierung nachhaltig unterstützen. Unser finanzpolitisches Zielquadrat bleibt unverrückt: Preisstabilität, Zinsabbau, Steuersenkungen und eine Rückführung der Staatsquote.
    Deshalb stimmen wir den hier diskutierten Einzelplänen in ihrer vom Haushaltsausschuß vorgelegten und verabschiedeten Fassung zu und sprechen dem Bundesfinanzminister unser Vertrauen aus.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Na so was!)