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ID1017704000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 Inhalt: Begrüßung des Sekretärs des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeitspartei Dr. Matyás Szurös . . . . 13433 B Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofs und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs 13448 D Ergebnis 13453 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/4151 bis 4180 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/4158, 10/4180 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/4173 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/4177 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/4167, 10/4180 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksachen 10/3701, 10/4102, 10/4256 — Dr. Apel SPD 13365 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 13375 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE . . 13381D, 13406A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13386 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 13389C, 13422 C Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 13399 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 13405 C Dr. Hackel CDU/CSU 13407 A Dr. Solms FDP 13409 B Austermann CDU/CSU 13411 D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 Wieczorek (Duisburg) SPD 13413C Roth (Gießen) CDU/CSU 13417 B Spilker CDU/CSU 13419 B Präsident Dr. Jenninger 13381 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/4159, 10/4180 — Frau Simonis SPD 13424 B Glos CDU/CSU 13428 B Auhagen GRÜNE 13433 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13435 B Wissmann CDU/CSU 13438 B Dr. Mitzscherling SPD 13440 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 13445 C Frau Simonis (Erklärung nach § 30 GO) 13448A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/4171, 10/4180 — Zander SPD 13449 D Austermann CDU/CSU 13453 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 13456 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13458 B Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 13460C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/4172, 10/4180 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 13463 C Dr. Rose CDU/CSU 13465 B Frau Zeitler GRÜNE 13467 C Neuhausen FDP 13468 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 13470 D Nächste Sitzung 13472 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13473*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1985 13365 177. Sitzung Bonn, den 27. November 1985 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Antretter * 29. 11. Bahr 29. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Collet 29. 11. Frau Dr. Däubler-Gmelin 27. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Frau Fischer * 29. 11. Franke (Hannover) 29. 11. Dr. Haack 27. 11. Haase (Fürth) * 29. 11. Dr. Hauff 27. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 27. 11. Graf Huyn 27. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Junghans 29. 11. Kittelmann * 29. 11. Klose 29. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kohl 27. 11. Dr. Kreile 29. 11. Lamers 28. 11. Leonhart 29. 11. Lowak 27. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Oostergetelo 27. 11. Rühe 27. 11. Schlaga 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Dr. Schwenk (Stade) 27. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Frau Wagner 28. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Witek 27. 11. Wittmann (Tännesberg) 27. 11. Zierer 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Der Herr Bundesfinanzminister hat auch keine Zwischenfragen zugelassen.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Den sollten Sie sich nicht als Beispiel nehmen! — Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Ihr Brief! Mexiko!)

    Ich möchte Sie einmal mit den objektiven Problemen des Landes Nordrhein-Westfalen vertraut machen, für dessen Einnahmesituation Sie die Verantwortung tragen. Der Landtag kann das nicht ändern, obwohl er es möchte. Wir haben aus den geschilderten Gründen durchschnittliche Steuereinnahmen. Aber wir haben wie kein anderes Land Sonderlasten zu tragen.

    (Austermann [CDU/CSU]: Mit der Regierung auch!)




    Minister Dr. Posser (Nordrhein-Westfalen)

    Sie, der Deutsche Bundestag, sind für unsere Einnahmen zuständig, nicht der Landtag. Das müssen Sie sich einmal vor Augen führen lassen.

    (Austermann [CDU/CSU]: Das gilt auch für Bayern und Baden-Württemberg!)

    — Nein, das gilt nicht für Bayern. Sie können sich nachher melden und das vortragen.
    Wir tragen Sonderlasten im gesamtstaatlichen Interesse, z. B. durch Kohle und Stahl, vor allen Dingen durch Kohle. 90% der Kohle liegt nun einmal in Nordrhein-Westfalen. Wir haben aus der Landeskasse für die Kohle über 12 Milliarden DM bezahlt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Gerstein [CDU/CSU]: Was hat die Bundeskasse gezahlt?)

    Das macht seit 1978 jahresdurchschnittlich 1,1 Milliarden DM Landesmittel für die deutsche Steinkohle aus. Zu unserer großen Überraschung wird diese Sonderlast Nordrhein-Westfalens nirgendwo berücksichtigt, obwohl wir das immer wieder gefordert haben.
    Sie wissen, daß die Finanzverhältnisse zwischen Bund und Lädnern alle zwei, höchstens drei Jahre durch jeweilige Neufestsetzungen des Umsatzsteueranteils von Bund und Land ausgeglichen werden. Die Sonderlast Kohle, über 12 Milliarden DM aus der Landeskasse — kein anderes Land zahlt aus seiner Kasse einen Beitrag für die Kohle; das Saarland bekommt zu Recht einen Großteil vom Bund zurück; das haben wir nie beanstandet, das ist in Ordnung —, wird bei den Umsatzsteuerverhandlungen der Ländergesamtheit gutgeschrieben. Die anderen Länder partizipieren durch Mehreinnahmen an der Sonderlast des Landes Nordrhein-Westfalen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich! — Dr. Apel [SPD]: Unglaublich!)

    Sie müssen sich das einmal vorstellen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Gerechtigkeit!)

    Natürlich bekommt Nordrhein-Westfalen davon 28%. Aber wir haben seit 1978 Jahr für Jahr 1,1 Milliarden DM Barauslagen. Ich meine, es ist ein Unding, daß diese Last Nordrhein-Westfalens bei der Berechnung der Umsatzsteuerneuverteilung den anderen Ländern zugute kommt. Die müssen doch geradezu ein Interesse daran haben, daß wir immer höhere Lasten haben.

    (Dr. Rose [CDU/CSU]: Also: Nur die anderen sind schuld!)

    Umgekehrt gibt es etwas Groteskes. Unser nördlicher Nachbar, Niedersachsen, bekommt eine bergrechtliche Förderabgabe auf Erdöl und Erdgas. Sie wird bei den Verhandlungen über die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern der Ländergesamtheit abgezogen. Weil die Niedersachsen in ihrer Landeskasse z. B. im abgeschlossenen Jahr 1984 2,004 Milliarden DM bergrechtliche Förderabgabe haben, bekommt Nordrhein-Westfalen Jahr für Jahr 300 Millionen DM weniger Umsatzsteueranteil, als es bekäme, wenn diese Sondervergünstigung nicht in der niedersächsischen Landeskasse wäre.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das sind die Fakten!)

    Wir haben den Streit in Karlsruhe beginnen müssen, weil es keine politische Einsicht in diese groteske Auswirkung gab.

    (Beifall bei der SPD)

    Als alle politischen Verhandlungen um dieses Thema gescheitert waren — das muß man objektiv klären können —, sind wir zum Bundesverfassungsgericht gegangen. Seit Juni 1983 ist die Klage anhängig.
    Jetzt komme ich zum Stahl. Wir als Land können in Brüssel nicht verhandeln, und wir haben immer Verständnis dafür gehabt, daß sich keine Bundesregierung gegen die vereinigten Auffassungen von Großbritannien, Frankreich, Belgien und Italien durchsetzen kann. Das konnte die frühere nicht, und das kann die heutige Bundesregierung auch nicht.
    Weil die deutsche Stahlindustrie nicht mit den Staatskassen von Großbritannien, Frankreich, Belgien und Italien konkurrieren kann, hat man schließlich ein 3 Milliarden DM umfassendes Stahlhilfeprogramm aufgelegt. Der Bund hat erklärt: Ein Drittel davon müssen aber die Stahlländer tragen. Nun, an Stahlländern haben wir ein paar mehr als bei der Kohle. Bei der Kohle haben wir nur zwei, außer Nordrhein-Westfalen nur noch das Saarland. An Stahlländern gibt es einige mehr. Nur, 60 % der Stahlproduktion findet in Nordrhein-Westfalen statt. Selbstverständlich waren wir bereit, ein Drittel zu zahlen. Das ist eine weitere Sonderlast. Wir haben aus der Landeskasse 432 Millionen DM für den Stahl bezahlt, für eine Aufgabe, die doch der Gesamtstaat erfüllen muß.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    Wir haben ja kein Standing in Brüssel. Aber wir haben das gemacht.
    Nun kommt wieder ein wichtiger Punkt: Wir haben in Wirklichkeit viel mehr als ein Drittel getragen, denn dieses Stahlhilfeprogramm bestand ja aus zwei Teilen, aus Zuschüssen und Zulagen. Wir haben aus der Landeskasse 432 Millionen an Zuschüssen gezahlt, und wir haben durch Stahlinvestitionszulagen Steuermindereinnahmen von 452 Millionen gehabt. Wir haben also durch Mindereinnahmen mehr zu tragen gehabt, als wir bar zu zahlen hatten. Mit anderen Worten, wir haben die Hälfte gezahlt, denn die Steuermindereinnahmen bei der Körperschaftsteuer werden je zur Hälfte von Bund und Land getragen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das sind ja alles Subventionen! Subventionen sind das ja! — Warum jammern Sie hier so?)

    — Ich sage das hier deshalb, weil Sie für unsere Einnahmen verantwortlich sind, nur Sie!

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Sollen wir denn die Steuern erhöhen?)




    Minister Dr. Posser (Nordrhein-Westfalen)

    Meine Damen und Herren, dennoch hat das Land Nordrhein-Westfalen konsolidiert, und ich will Ihnen jetzt die Zahlen nennen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aber auf Kosten der Schwachen! — Auf Kosten der Sozialausgaben!)

    — Das ist ja nicht wahr! Ich werde es Ihnen jetzt einmal darlegen: Wir haben die Steueransätze im Haushalt ja nicht auf Grund von Schätzungen der Landesregierung, sondern auf Grund der Schätzung eines Arbeitskreises von Bund, Ländern, Gemeinden, Wirtschaftsforschungsinstituten usw. Auf der Basis der Annahmen, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium gekommen waren, wurden uns im März 1980 die Steuern für die Jahre 1981 bis 1984 angekündigt. Das war natürlich geschätzt, und das war selbstverständlich auch mit einem Risiko behaftet. Diese Frühjahrsschätzungen beziehen sich immer auf vier Jahre, auf das laufende und die drei folgenden Jahre. Nun gab es einen Unterschiedsbetrag zwischen dem, was uns die Steuerschätzer im März 1980 für die Jahre 1981 bis 1984 angekündigt hatten, und dem, was wir bekommen haben. Das ist ein Minus von 27,6 Milliarden DM nur für Nordrhein-Westfalen!

    (Bohl [CDU/CSU]: Da kann man sehen, wie die Talfahrt war! — Zurufe von der CDU/ CSU: Liegt das an der Steuerschätzung oder an Ihrer Politik? — Das gilt doch für alle Bundesländer!)

    — Aber nicht in dem Maße wie für uns!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch zum Lachen! Amüsant ist das!)

    Jetzt geht es weiter: Das Land hat keinen Einfluß auf seine Steuereinnahmen und mußte deshalb — —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ihr braucht einen neuen Ministerpräsidenten! — Wollen Sie die Steuern erhöhen?)

    — Aber ich bitte Sie! Es ist doch eine Besonderheit unserer bundesstaatlichen Ordnung, daß wir Staaten haben — die Länder haben ja Staatscharakter —, die auf eine der beiden Seiten ihres Haushalts durch ihr Parlament überhaupt keinen Einfluß nehmen können. Das ist doch eine Besonderheit der Bundesrepublik Deutschland!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie die Steuern erhöhen?)

    — Nein, das will ich nicht. Das hat damit gar nichts zu tun. Ihre Schlußfolgerung ist falsch.
    Deshalb konnte der Landtag nur auf einer der beiden Haushaltsseiten etwas tun, nämlich bei den Ausgaben. Wir haben eine starke Begrenzung der Ausgaben vornehmen müssen. Seit 1981, dem Jahr der höchsten Kreditaufnahme beim Bund und übrigens auch in Nordrhein-Westfalen, hat unser Land die Nettokreditaufnahme von 10,1 Milliarden auf 6,9 Milliarden DM abgesenkt, d. h. um 31,4 %. Der Bund konnte seine Kreditaufnahme in diesem Zeitraum von 37,39 Milliarden auf 28,3 Milliarden DM zurückführen; das ist eine Absenkung um 24,3 %. Dabei muß man zusätzlich berücksichtigen, daß der Bund in den Jahren 1981 bis 1984 über 35 Milliarden DM Bundesbankgewinn erhalten hat.
    Überhaupt hat ja die Bundesregierung geschickt den Eindruck, ich will nicht sagen, entstehen lassen, aber, soweit er durch Publikationen entstanden war, bestehen lassen, es sei ihr gelungen, die Schulden des Bundes zu verringern,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt ja auch!)

    und nur einige Länder hätten ihre Schulden erhöhen müssen. Sie persönlich nicht, Herr Kollege Stoltenberg. Aber in der Öffentlichkeit werde ich immer darauf angesprochen, es sei eine großartige Leistung, daß die Schulden des Bundes jetzt so drastisch zurückgeführt worden seien. Die Leute verwechseln Senkung der Nettokreditaufnahme und Senkung des Schuldenstandes. In Wirklichkeit steigt doch die Schuldenlast in den vier Jahren 1983 bis 1986 um weit über 105 Milliarden DM, und dies, obwohl von 1983 bis 1986 ein Bundesbankgewinn von fast 48 Milliarden DM zur Verfügung gestellt wird. Ende 1985 haben wir eine Verschuldung des Bundes von 388,9 Milliarden DM. Mit Recht hat ein von mir sehr geschätzter Abgeordneter der FDPFraktion, der seit Jahren in dieser Richtung um Konsolidierung kämpft, gesagt: Wie können wir denn so tun, als hätten wir das Ziel schon erreicht? Wir sind noch weit davon entfernt, wir werden im nächsten Jahr beim Bund allein über 400 Milliarden DM Schulden haben. — Warum klagen Sie uns denn an, während wir eine solche Konsolidierungsanstrengung gemacht haben?
    Jetzt will ich Ihnen noch eine Zahl nennen. Wir haben unsere Ausgaben 1984 im Verhältnis zu 1981, also schon vor dem Regierungswechsel in Bonn, in drei Jahren um 2,8 % gesteigert. Das nächstbeste Land war Rheinland-Pfalz mit 6,3%. Der Bund hat in diesen Jahren eine Haushaltssteigerung von 7,9% gehabt. Wenn jemand sich solche Mühe gibt, dann müssen Sie schon mit diesen ständigen Verdächtigungen aufhören, wir würden leichtfertig Haushaltspolitik betreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich jetzt noch etwas zu dem Kapitel Steuersenkungen sagen. Der Bund hat es da verhältnismäßig leicht. Der Bund zahlt von den Ausfällen der Steuerreform 1986/1988 nach offizieller Mitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 6. November dieses Jahres — von 19,4 Milliarden DM Gesamtsteuerentlastungsvolumen 1986 bis 1988 — 42,5%, d. h. 8 240 000 000 DM. Diese 8 240 000 000 DM sind nur ein Teil, runde zwei Drittel, des Bundesbankgewinns von 12,5 Milliarden DM, der allein für 1986 mit hoher Sicherheit zu erwarten ist. Der Bund kann also seinen Anteil an den Steuerentlastungen bequem aus der nichtsteuerlichen Einnahme des Bundesbankgewinns tragen. Man könnte ja geradezu von einer Bundesbankfinanzierungsquote des Bundeshaushalts reden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD) Und wir haben nichts.




    Minister Dr. Posser (Nordrhein-Westfalen)

    Schon die bisher erfolgten Steuerrechtsänderungen des Bundes beeinträchtigen die Einnahmesituation der Länder und ihrer Gemeinden in besonderem Maße. Auf das Land Nordrhein-Westfalen alleine entfallen dadurch in den Jahren 1986 bis 1989 Mindereinnahmen von insgesamt 8 700 000 000 DM. Wenn diese Steuersenkung nun noch in einer Art erfolgte, die wir mitmachen könnten, die wir wirklich frohen Herzens unterstützen könnten — denn wir tragen mehr Ausfälle als der Bund; die Länder und Gemeinden tragen 57,5 % und haben keinen Bundesbankgewinn —, dann wird es natürlich durch die Verteilung der Steuerentlastung für uns außerordentlich schwierig, dem zuzustimmen.
    Ich will Ihnen ein einziges Beispiel nennen. Ein kinderloses Ehepaar — es gibt mehr kinderlose Ehepaare als Ehepaare mit Kindern — mit einem zu versteuernden Jahrseinkommen von 36 000 DM zahlt 6 060 DM Lohn- oder Einkommensteuer. Es bekommt eine Entlastung von 144 DM im Jahr, zwölfmal zwölf DM. Ein kinderloses Ehepaar mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 260 000 DM — das ist unsere Preislage, Herr Bundesfinanzminister — zahlt 115 900 DM, zahlt 19,13mal soviel wie von einem Jahreseinkommen von 36 000 DM beim kinderlosen Ehepaar gezahlt wird. Selbstverständlich bin ich mit Ihnen einig, daß einer, der so viel Geld verdient, auch entsprechend mehr entlastet werden muß, mehr als um 144 DM. Das ist doch klar. Der wird um 7 330 DM entlastet. Das heißt, dieses kinderlose Ehepaar mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 36 000 DM zahlt nicht ganz ein Zwanzigstel dessen, was das kinderlose Ehepaar mit 260 000 DM Jahreseinkommen zu zahlen hat. Die Steuerlast ist bei dem hochverdienenden nicht ganz zwanzigmal höher. Aber die steuerliche Entlastung ist um 50,9mal höher als bei dem anderen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?

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    Nein, ich lasse keine Fragen zu.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Bewußte Irreführung ist das!)

    — Wenn Sie die Zahlen beanstanden: Kommen Sie rauf, widerlegen Sie sie. Sie sind nach dem Steuertarif, den der Bund festsetzt, ermittelt. Das sind überprüfte Zahlen.
    Im Bundeshaushalt 1986 werden mehr als 1,7 Milliarden DM an Bundesergänzungszuweisungen für einige Länder ausgewiesen. Über den Haushalt entscheiden Sie in dieser Woche endgültig. Über das Siebente Änderungsgesetz zum Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, das die Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen für die Jahre 1986 und 1987 regelt, werden Sie in der nächsten Woche zu befinden haben. Seit Juni 1983 schwebt der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht über den bundesstaatlichen Finanzausgleich, insbesondere über Volumen und Verteilung der
    Bundesergänzungszuweisungen. Mir ist unverständlich, wie der Deutsche Bundestag in Kenntnis der diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Problematik und in Kenntnis der derzeitigen Finanzkraftverhältnisse der Länder eine Neuregelung der Bundesergänzungszuweisungen beschließen soll, die nicht nur verfassungspolitisch, sondern verfassungsrechtlich aufs äußerste fragwürdig ist. Denn wenn Sie dem Entwurf der Bundesregierung folgten, würden Sie einem finanzstarken Land 1986 und 1987 insgesamt über 600 Millionen DM geben, gleichzeitig dem finanzschwachen Saarland einige Millionen abnehmen und Nordrhein-Westfalen unberücksichtigt lassen, obwohl nach dem aktuellen Zahlenmaterial Nordrhein-Westfalen sowohl 1985 als auch 1986 eine geringere Finanzkraft besitzt als der Freistaat Bayern, der wie in allen Jahren seit 1967 auch 1986 und 1987 Bundesergänzungszuweisungen erhalten soll. Das ergibt sich aus der Zwischenabrechnung für den Länderfinanzausgleich zum 30. September 1985 und aus der Steuerschätzung für das Jahr 1986 vom 12. November dieses Jahres.
    Auf der Basis dieses Zahlenmaterials, das im Bundesministerium der Finanzen zusammengestellt worden ist, ist Bayern, das ab 1. Januar 1950 35 Jahre lang ununterbrochen von anderen Bundesländern, darunter 30 Jahre lang auch von Nordrhein-Westfalen Ausgleichszahlungen erhalten hat, ab 1985 ausgleichspflichtiges Land im Länderfinanzausgleich, kommt damit nach seinem eigenen Vorschlag beim Bundesverfassungsgericht tatbestandsmäßig nicht mehr als Empfängerland für Bundesergänzungszuweisungen in Frage, während andererseits Nordrhein-Westfalen diese tatbestandsmäßigen Voraussetzungen erfüllt, aber keine Bundesergänzungszuweisungen erhalten soll.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Wie soll diese ungleiche Behandlung denn gerechtfertigt werden? Und dabei sind die Sonderlasten Nordrhein-Westfalens überhaupt noch nicht berücksichtigt.

    (Beifall bei der SPD)

    Hinzu kommt, daß die Bundesregierung trotz besseren Wissens die hohen Förderzinseinnahmen insbesondere des Landes Niedersachsen bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen völlig unberücksichtigt läßt, obwohl die Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache 9/2067, Seite 3, bald nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 erklärt hatte — und nun zitiere ich —:
    daß sich die Finanzkraftverstärkung einzelner Länder durch bedeutsam angestiegene Förderzinseinnahmen auch bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen niederschlagen muß.
    Wir warten jetzt seit über drei Jahren darauf, daß dieser Erklärung der Bundesregierung auch Taten folgen.

    (Zurufe von der SPD)

    Und jetzt wird über weitere Steuersenkungen geredet, die für die nächste Legislaturperiode angekün-



    Minister Dr. Posser (Nordrhein-Westfalen)

    digt werden. Da werden Größenordnungen von 38 Milliarden bis 50 Milliarden DM genannt. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben doch nun wirklich Verbündete, die Ihnen zur Seite stehen. Sie haben doch am vorigen Donnerstag, am 21. November dieses Jahres, eine Sitzung des Finanzplanungsrates erlebt. Da war nichts abgesprochen. Ich wußte nicht, was der baden-württembergische Finanzminister oder niedersächsische Finanzminister sagen würde. Das wußte ich nicht. Die haben Ihnen doch alle gesagt: Das geht nicht mit einem solchen Volumen. Der Vizepräsident der Deutschen Bundesbank hat gesagt — es ist ja keine vertrauliche Sitzung gewesen —: Sie dürfen auf keinen Fall kompensieren bei den Verbrauchsteuern, insbesondere nicht bei der Mehrwertsteuer. Er hält es für extrem

    (Frau Huber [SPD]: Gefährlich!)

    gefährlich, wenn das geschieht. Er hat das auch ausgeführt.
    Wenn Sie schon unbedingt auf Einnahmen verzichten wollen, dann doch bitte nicht zu Lasten der Länder, die sich dagegen nicht wehren können.

    (Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht. Herr Posser, das ist falsch!)

    Benutzen Sie uns als natürliche Bundesgenossen.
    Nun will ich noch auf ein paar Bemerkungen eingehen; denn Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Sitzungen des Deutschen Bundestages eine große Rolle gespielt. Heute haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, auch einige Punkte genannt. Sie meinten, allein im größten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, komme es offensichtlich nicht zu einer echten Verstärkung des Städtebaus. Ich habe bei einem meiner Rechtslehrer an der Universität gelernt: Wo „offensichtlich" steht, steht immer etwas Unbewiesenes. Und das, was Sie sagen, ist unbewiesen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Es ist natürlich keine Rede davon. Vielmehr haben Sie nicht den neuesten Informationsstand, Herr Kollege Stoltenberg.
    Selbstverständlich stellt das Land die Komplementärmittel zur Verfügung. Der Bund hat ja einen Verfügungsrahmen, der nur aus sehr wenigen Barmitteln und sehr vielen Verpflichtungsermächtigungen besteht. Das beanstande ich gar nicht. Nur, die 30 Millionen DM Komplementärmittel des Landes werden gestellt. Unsere Landesmittel allein betragen mehr als das Sechsfache dessen, was der Bund für diesen Zweck gibt.
    Wenn Sie sagen, wir hätten um eine Fristverlängerung gebeten, dann ist das sicher richtig. Das stimmt.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Das hat unser zuständiger Minister beim Wohnungsbauminister gemacht. Das hängt damit zusammen, daß bei uns Anträge von Gemeinden eingegangen sind. Es wurde nämlich überall herumerzählt, jetzt komme der große Geldregen: Jetzt könnt ihr alles das bauen, was seit 20 Jahren nicht berücksichtigt werden konnte. Anmeldungen mit einem Volumen von weit über 4 Milliarden DM sind bei uns eingegangen. Die müssen natürlich geprüft werden. Das ist nicht so leicht möglich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das dauert bei Herrn Zöpel etwas länger!)

    Deshalb haben wir folgendes gemacht. Wir haben eine Ausnahmeregelung mit Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses getroffen, daß jetzt schon der Baubeginn erfolgen kann. So fortschrittlich sind ja nur ganz wenige Länder.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben zweitens gesagt, jede Steuerentlastung müsse verdient werden. Dabei hätten Sie auch auf die Argumente und ernsten Probleme der finanzschwachen Bundesländer zu achten. Wir können das nur hoffen. Wir sind zu jedem Gespräch bereit. Wir sind fest davon überzeugt, daß wir nicht nur nach den herkömmlichen Regeln im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs bereits einen hohen Anspruch haben, sondern daß dieser Anspruch insbesondere dann noch weit größer wird, wenn man unsere Sonderlasten berücksichtigt.
    Schließlich noch eine Bemerkung zu einem Hinweis von Ihnen. Sie haben sich noch einmal energisch dagegen gewehrt, daß Schleswig-Holstein als ein hochverschuldetes Land bezeichnet wird. Sie haben gesagt, zusammen mit unseren Gemeinden stünden Sie bei der Pro-Kopf-Verschuldung mit am günstigsten da, also nicht in der Spitzengruppe. Verehrter Herr Kollege Stoltenberg, zum 31. Dezember 1984 betrug die Kreditmarktverschuldung des Landes Schleswig-Holstein — des Landes! — pro Einwohner 4 799 DM. Das sind Ihre Unterlagen. 4 799 DM! Die Nordrhein-Westfalens betrug pro Einwohner 3 970 DM.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Und nun kommt das Entscheidende: NordrheinWestfalen hatte Sonderlasten zu tragen, hat keine Mark bekommen aus dem Länderfinanzausgleich und von den Bundesergänzungszuweisungen. Schleswig-Holstein hat bis 1985 13 787 000 000 DM bekommen, pro Einwohner 5 268 DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Das habe ich nie beanstandet. Sie werden nie von mir eine Rede hören und haben auch von meinen Vorgängern nie eine Rede dagegen gehört, in den ganzen 30 Jahren nicht, in denen wir an SchleswigHolstein und Rheinland-Pfalz gezahlt haben. Das war für uns alle selbstverständlich. Aber das dürfen Sie doch nicht verschweigen, wenn Sie sich jetzt da so hochloben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Rose [CDU/CSU])

    Verehrter Herr Kollege Stoltenberg, nun müssen Sie doch mal die Einwohnerzahlen miteinander vergleichen. Schleswig-Holstein hatte nach amtlicher Statistik per 31. Dezember 1983 — neuere Zahlen



    Minister Dr. Posser (Nordrhein-Westfalen)

    habe ich nicht — 2 617 000 Einwohner, NordrheinWestfalen 16 837 000.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Das Steueraufkommen müssen Sie miteinander vergleichen!)

    Vergleichen Sie das einmal miteinander. Ich sage, das kann man nicht, weil Sie in den vergangenen Jahren natürlich viel schlechter dran waren;

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Aha; jetzt kommt's!)

    deswegen haben wir ja auch zahlen müssen. Aber damit mal eine Größenordnung sichtbar wird, um was es da geht, will ich Ihnen sagen:

    (Austermann [CDU/CSU]: Sie müssen die Steuerkraft vergleichen!)

    Wenn ich die 13,787 Milliarden, die Schleswig-Holstein aus dem Länderfinanzausgleich und aus Bundesergänzungszuweisungen erhalten hat, auf Nordrhein-Westfalen umrechne, wären das 88,7 Milliarden DM. Und unsere Kreditmarktverschuldung am 31. Dezember 1984 betrug 66,6 Milliarden DM.

    (Austermann [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!)

    Auch so muß man die Dinge einmal sehen.

    (Beifall bei der SPD)

    In Nordrhein-Westfalen gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die sagen: Die Bundesregierung will dem Land Nordrhein-Westfalen aus parteipolitischen Gründen Schaden zufügen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Austermann [CDU/CSU]: Das ist schlimm! Schlimm ist das!)

    Das ist nicht meine Meinung. Nein, das ist nicht meine Meinung. Ich widerstehe dem auch. Aber ich sage zugleich als Mahnung, Herr Bundesfinanzminister: In der Politik entscheidet letztlich nicht das, was man tun will, sondern das, was man tut.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Und die Benachteiligung Nordrhein-Westfalens ist wirklich für jeden nachweisbar gegeben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Da ist man schnell bei der Hand mit dem Vorwurf an die nordrhein-westfälische Regierung, besonders ihren Finanzminister: Versager, Kurpfuscher.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich weiß, das Nachdenken


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    ist so unsagbar mühsam, daß die meisten Menschen vorziehen, gleich zu urteilen.

    (Zuruf des Abg. Austermann [CDU/CSU])

    Und sie werden um so schneller zum Verurteilen bereit sein, je weniger sie über die Tatsachen wissen und nachgedacht haben.
    Ich wollte einen Beitrag zu diesem Nachdenken liefern, weil in erster Linie Sie für die Einnahmeseite des Landes Nordrhein-Westfalen und der übrigen Länder verantwortlich sind.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)