Rede von
Horst
Peter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Höpfinger, vor einigen Monaten hätte ich wahrscheinlich ähnlich wie Sie argumentiert und gesagt: Der von Ihnen initiierte Gesetzentwurf ist ein Anschluß an das Gesetz zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung und damit ein Schritt in die richtige Richtung. Aber inzwischen hat Günter Wallraff in seinem neuesten Buch „Ganz unten" die Öffentlichkeit über einen Sachverhalt aufgeklärt, der für mich bedeutet, daß man dieses Thema anders diskutieren muß.
Die illegale Beschäftigung ist offensichtlich in einer Grauzone zu einem der großen gesellschaftlichen Skandale unserer Zeit geworden. Wir erleben,
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1985 13133
Peter
offensichtlich ohne daß es die Menschen in der Bundesrepublik gemerkt haben, Sklavenhandel in einem Land, dessen oberster Grundsatz die Menschenwürde ist.
Dabei belaufen sich Schätzungen hinsichtlich der illegalen Beschäftigung — bei der gegenwärtigen Rechtslage sehr auseinanderdriftend — auf 100 000 bis 500 000 illegal Beschäftigte. Meist sind es Ausländer ohne aufenthaltsrechtlich abgesicherten Status. Nach der Lektüre des Buches relativiert sich für mich damit sowohl die Einschätzung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung als auch das Lob der Bundesregierung gegenüber der Wirksamkeit des noch von der sozialliberalen Koalition beschlossenen Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung. Offensichtlich gibt es Umgehungssachverhalte, über deren Auswirkungen wir uns nicht ganz im klaren waren. Wallraff belegt beispielsweise, daß sogar beim Bau des Bundespostministeriums illegale Arbeitskräfte eingesetzt wurden.
Bedeutung erhält vor diesem Hintergrund auch ein Zitat aus der Bundesanstalt für Arbeit von Herrn von Lübke aus dem Jahre 1983, in dem er sagt:
Die Problematik liegt darin, daß sich die angeblich so gut beleumdeten deutschen Unternehmer in vielen Fällen durch die Angebote illegaler Arbeitskräfte zu Billigpreisen korrumpieren lassen. Dadurch entsteht erst der Markt für die illegale Arbeit.
Deshalb ist der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung zwar durchaus zu begrüßen, da er die Entleiher in die Haftung für die Lohnsteuer einbezieht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. In der Tat ist die Vollstreckung beim Verleiher häufig ohne Erfolg, und schon der Versuch, ihn heranzuziehen, scheitert oft an geschickter Tarnung; ich nenne beispielsweise den Wechsel des Firmennamens. Der Weg in die richtige Richtung wird aber bereits nach dem ersten tastenden Schritt abgebrochen. Wer hat sich wohl gegen die noch im Referentenentwurf des Finanzministers vorgesehene Entleiherhaftung sowohl für legale als auch für illegale Arbeitnehmerüberlassung zur Wehr gesetzt? Ist das ein „Notausgang" für die Entleiher, die beispielsweise die Erlaubnis für eine bestimmte Zahl von Leiharbeitnehmern haben, diese aber unerlaubt überschreiten?
Es gibt nach meiner Auffassung auch gefährliche Schritte in die falsche Richtung. Das von Ihnen zitierte Beschäftigungsförderungsgesetz mit der Erleichterung der Leiharbeit kann durchaus dazu führen, daß sich die Grauzone illegaler Beschäftigung noch weiter ausweitet.
Vor diesen Erfahrungen Wallraffs ist diese Initiative dann schon fast peinlich. Es geht uns um weiteren Handlungsbedarf. Die Schattenwirtschaft der Scheinverträge, der Schein-Werkverträge und unechter Subunternehmerverhältnisse, gilt es zu durchleuchten. Sklavenhandel muß aus der Sphäre des Kavaliersdelikts zu dem erhoben werden, was es ist, zu einer kriminellen Handlung. Die Konsequenz ist eben, daß hier statt eines Bußgeldtatbestandes ein Straftatbestand auf den Tisch muß. Die Kontrolle muß verschärft werden, und das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe muß schrittweise auf andere Wirtschaftsbereiche ausgedehnt werden. Dabei müssen die „Notausgänge" zugemacht werden. Nicht nur Politiker und Behörden sind gefordert; auch die Unternehmer selbst müssen dafür sorgen, daß den schwarzen Schafen in ihren Reihen endlich das schmutzige Handwerk gelegt wird. Es gibt in dieser Hinsicht durchaus ein positives Beispiel: der Bundesinnungsverband der Gebäudereiniger des Handwerks. Andere Verbände sollten sich ein Beispiel daran nehmen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.