Rede von
Anke
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich habe zuwenig Zeit, Herr Kollege.
Neulich sagte die Frau Ministerin, so schlecht wie jetzt sei es den Frauen noch nie gegangen. Sie hat recht. — Und es wird ihnen weiter schlecht gehen; denn auch dieses neue Gesetz, das wir in dem Teil, den ich vorhin genannt habe, richtig finden, hat Ecken und Kanten. Meine Kollegin Frau Schmidt, hat darauf hingewiesen. Wissen Sie, ich wäre für eine Harmonie zwischen Arbeitswelt und Familie. Aber ich muß Ihnen ganz offen sagen, Frau Minister Süssmuth: So, wie Sie es darstellen, als ob man durch ein Gesetz dazu beitragen könnte, daß in den jetzt schwierigen Zeiten die Arbeitsmarktsituation in einem harmonisierenden Rundumschlag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie führte, kann das aus unserer Sicht nicht stehenbleiben. Sie wissen doch ganz genau, daß die Frauen heute, wenn überhaupt, meistens einen Arbeitsplatz mit einem Monatsentgelt unter 400 DM angeboten bekommen, damit die Unternehmen die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung sparen.
Sie wissen doch, daß die Frauen heute meistens nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag angeboten bekommen, weil mit einer Befristung alle Schutzvorschriften zum Mutterschaftsurlaubsgeld umgangen werden können. Deswegen finde ich Ihre Einlassung zur Harmonie von Arbeit und Familie — gestatten Sie mir dieses — wirklich naiv. Sie wissen nicht, wie die Arbeitsmarktsituation der Frauen draußen aussieht.
Wenn Sie wirklich etwas tun wollen, wie Sie es immer versprochen haben, dann rate ich Ihnen, vorrangig folgendes zu machen: Bringen Sie einen Gesetzentwurf ein, der den Frauen, die Teilzeitarbeit suchen, endlich einen ordentlich finanzierten Arbeitsplatz sichert, und bringen Sie einen Gesetzentwurf ein, der die Geringfügigkeitsgrenze in der Sozialversicherung abschafft.
Bringen Sie einen Entwurf ein, der dazu beiträgt, daß dieses entsetzliche Entlassungsförderungsgesetz zurückgenommen wird. Die Frauen, die mit einem befristeten Arbeitsvertrag für 18 Monate eingestellt werden, haben nämlich von all den Verbesserungen im Kündigungsschutz, die Sie hier vortragen, überhaupt nichts.
Dann will ich nochmals darauf hinweisen: Sie werden eine Verwaltungsvorschrift machen. Darin werden Sie zu konkretisieren haben, was denn eine „unbillige Erschwernis" der Unternehmer wäre, nach der sie dann die Arbeitnehmerinnen entlassen können. Ich sage Ihnen schon jetzt eine Fülle von Kündigungsschutzprozessen voraus.
Meine Redezeit ist gleich abgelaufen, meine Damen und Herren. Deswegen will ich nur noch einen Punkt herausgreifen. Was sich die Bundesregierung oder die sie tragenden Koalitionsfraktionen an Zuständigkeitsregelung leisten, Frau Karwatzki, das schlägt wirklich dem Faß den Boden aus. Niemand wird wissen, welche Stelle nun für ihn zuständig ist. Ist es das Versorgungsamt, das Jugendamt, eine andere Landesbehörde, oder gar die Bundesanstalt für Arbeit?
All dies lassen Sie für die Beteiligten völlig im Nebel. Sie, die angeblich Bürokratie abbauen wollten, schaffen ein noch nie dagewesenes Chaos. Im übrigen wird noch genau zu prüfen sein, ob solche Mischkompetenzen überhaupt mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. So etwas hat es seit dem Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Das alles machen Sie doch nur, weil Ihre bayerichen Freunde für ihre Versorgungsämter keine Arbeit mehr haben. Wir können diesem faulen Kompromiß nicht zustimmen.
Sie tun jetzt so, als ob Sie 1988 die Auszahlung des Kindergeldes und des Erziehungsgeldes den Finanzämtern übertragen wollen. Haben Sie darüber eigentlich schon mit irgendeinem Bundesland gesprochen? Wissen Sie eigentlich, welche Debatte Sie sich mit einem solchen Vorschlag aufbürden? Ich glaube, diese Verwaltungsvorschriften sind das reinste Chaos.
Wir haben Änderungsanträge eingebracht. Wir bitten Sie, diesen Änderungsanträgen zuzustimmen,
damit dieses Gesetz noch in eine Bahn gelenkt wird, der auch wir zustimmen können.