Rede von
Gert
Bastian
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, mich mit einem so kurzen Beitrag in dieser wichtigen Debatte zu Wort zu melden. Aber einiges, was gesagt worden ist, hat mich bewogen, diese Zurückhaltung aufzugeben und doch meine Meinung zu äußern.
13030 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 174, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1985
Bastian
Zu Recht ist von vielen Rednern hervorgehoben worden, daß die Bundeswehr die Armee eines demokratischen Rechtsstaats ist, die sich Staat und Gesellschaft in absoluter Loyalität verpflichtet fühlt und sich als Instrument einer auf Kriegsverhütung angelegten Sicherheitspolitik versteht. Wer die Bundeswehr kennt, weiß, daß dies so ist,
und weiß auch, daß es unsinnig ist, der Bundeswehr oder dem Soldaten Kriegsvorbereitungen oder gar Kriegslüsternheit zu unterstellen. Das ist tatsächlich absurd.
Deswegen möchte ich eines sagen. Wer für den Abbau von Feindbildern in der Außenpolitik eintritt, wie auch ich es tue und wie das sicher sehr viele in diesem Raum tun, der sollte es bitte unterlassen, Feindbilder im Inneren aufzubauen
und die Soldaten zur Zielscheibe von Attacken zu machen, die an eine ganz andere Adresse gerichtet werden müssen. Die Soldaten sind das Instrument der Sicherheitspolitik, aber nicht die Sicherheitspolitik selber.
Wer kritisiert werden kann und sich dieser Kritik in einem demokratischen Staatswesen stellen muß, sind die Politiker, der für die Bundeswehr verantwortliche Minister, der Bundeskanzler,
aber nicht die Bundeswehr selbst und nicht die Soldaten, die in ihr dienen.
— Nein, keine späte Erkenntnis; ich habe nie etwas anderes gesagt. Das Gegenteil werden Sie mir nicht nachweisen können.
— Das hat damit nichts zu tun.
— Es wäre besser, Sie ließen mich jetzt ausreden.
Dagegen ist zu Recht betont worden, daß die Bundeswehr durch ihre bloße Existenz der Bundesregierung und dem Bundeskanzler mehr Gewicht im Bündnis und seinem Wort größere Beachtung verschafft hat.
Aber da setzt die Kritik ein, auch am 30. Geburtstag der Bundeswehr.
Denn der Bundesregierung ist vorzuwerfen, daß sie
von dieser von der Bundeswehr geschaffenen Einflußmöglichkeit eben nicht im ausreichenden Maß Gebrauch macht:
zur Wahrung nationaler Interessen und zur Abwehr von Entwicklungen, die diesen Interessen schaden müssen.
Auch das muß am 30. Geburtstag der Bundeswehr und im Interesse der Soldaten gesagt werden.
Die beflissene Zustimmung der Bundesregierung zur Stationierung etwa von Pershing-II-Raketen in unserem Land und die sich abzeichnende beflissene Unterstützung des SDI-Programms der Vereinigten Staaten sind nur zwei Beispiele für diese Nichtausnutzung eines Handlungsspielraums im Bündnis,
der durch die Bundeswehr geschaffen worden ist.
Es ist leider in diesem Zusammenhang notwendig und richtig, kritisch hinzuzufügen, daß sich die Bundesregierung am 30. Geburtstag der Bundeswehr fragen lassen muß, ob ihre Sicherheitspolitik nicht gerade gegen die Interessen der Soldaten wie auch gegen die Interessen der Öffentlichkeit gerichtet ist, ob den Soldaten denn überhaupt noch zugemutet werden kann, daß mit dem wachsenden Risiko, mit der wachsenden Dominanz nuklearer Offensivwaffen im Rüstungsspektrum
und dem von dieser Rüstungsentwicklung hervorgerufenen Risiko die Möglichkeiten der Bundeswehr und der Politik zur Kriegsverhinderung weiter und weiter reduziert werden,
daß die Gefahren eines Krieges und einer nuklearen Auseinandersetzung in unerträglicher, aber nicht notwendiger Weise wachsen und daß damit ja auch dem Soldaten eine inakzeptable Rolle zugemutet wird, im Kriegsfall nicht mehr der Verteidiger seiner Heimat sein zu können, sondern nur noch der Zerstörer all dessen sein zu müssen, was erhalten bleiben soll und was ja auch erhaltenswert ist.
Ich muß schließen, da meine Redezeit abgelaufen ist. Ich richte gerade zum 30. Geburtstag der Bundeswehr den Appell an den Bundesminister der Verteidigung, der Bundeswehr ein Geschenk zu machen, nämlich die von solchen Besorgnissen ebenfalls geplagten Soldaten, die es ja im aktiven Dienst gibt, zu ermutigen, die Diskussion in den Streitkräften zu führen, und diese Soldaten, wie das bisher leider der Fall gewesen ist, dienstlich nicht zu benachteiligen.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1985 13031
Bastian
Auch das wäre ein Beitrag zur konstruktiven Würdigung des 30. Geburtstages der Streitkräfte. Es geht darum, die Diskussion in den Streitkräften über den richtigen Weg zu beleben — diese Diskussion beschäftigt uns alle, die wir alle noch nicht das Rezept haben; aber wir müssen gemeinsam versuchen, diesen Weg zu finden —, damit eine Alternative entwickelt werden kann, die weg von dem wachsenden Risiko der nuklearen Vernichtung und hin zu einem Zustand friedlicher Koexistenz führt, wie er von der Politik einmal angestrebt wurde, aber heute leider der Vergangenheit angehört.
Danke schön.