Rede von
Horst
Peter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Zahlenspielereien des Herrn Kollegen Feilcke und auch des Bundesarbeitsministers Blüm
haben deutlich gemacht, warum sich die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen weigern, unserem Antrag, endlich einen Arbeitsmarktbericht vorzulegen, zuzustimmen. Sie weigern sich deshalb, weil sie sich sträuben, ihren Namen für nachweisbare Zahlen herzugeben. Denn das hier läuft nach dem Prinzip: Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe.
Es gibt für die Auseinandersetzung über die Arbeitsmarktpolitik, Herr Kollege Jagoda, eben verschiedene Möglichkeiten. Die ernsthafteste und beste wäre: Politik gegen Arbeitslosigkeit für alle, besonders für die Frauen. Das verweigern Sie allerdings,
weil Sie sich das gegenüber anderen Interessen nicht trauen. Die andere Möglichkeit ist die Manipulation an den Arbeitslosenzahlen. Dazu lassen Sie sich jeden Tag etwas Neues einfallen. Die siebente Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz, wonach bei älteren Arbeitslosen die Meldepflicht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, wegfällt, verringert die Arbeitslosen in der Statistik um 200 000, obwohl kein einziger Arbeit gefunden hat. Und wenn Sie sich beim Erziehungsgeldgesetz, das heute nachmittag zur Debatte steht, weigern, die Anspruchsberechtigung für Arbeitslosengeldempfängerinnen anzuerkennen, betreiben Sie ebenfalls Statistikbereinigung, ohne daß auch nur eine einzige Frau mehr dadurch einen Arbeitsplatz bekommt.
Das müssen Sie sehen. Das nenne ich unwahrhaftig, Herr Minister Blüm.
Das dritte Instrument ist, Mechanismen zu finden, daß sich Frauen freiwillig aus dem Arbeitsmarkt drängen lassen. Das haben Sie im vorigen Jahr bei Ausländern mit dem Abschieben in die Heimat betrieben. Das betreiben Sie mit anderen
Mechanismen im Zusammenhang mit der Frauenerwerbstätigkeit.
Das nenne ich zynisch, das nenne ich einen Widerspruch zur Menschenwürde, Herr Jagoda.
Ich gebe Ihnen zu, daß im Zusammenhang mit der Frauenarbeitslosigkeit in der Gesellschaft einiges möglich ist. Es gibt das Ausnutzen des weit verbreiteten Vorurteils, Frauen hätten in der Hausarbeit eine Alternative. Dasselbe sagen Sie für das Ehrenamt. Ich gebe Ihnen zu, daß dieses Vorurteil die Parteigrenzen überschreitet. Es hängt damit zusammen, daß in einer bestimmten Phase der deutschen Geschichte Arbeitnehmer stolz darauf waren, daß sie es sich leisten konnten, daß ihre Frauen nicht arbeiten gehen mußten.
Hier findet das Reden vom Doppelverdiener seine gesellschaftliche Begründung und fruchtbaren Boden. Wenn die Frau Ministerin Süssmuth eine Kampagne gegen das Doppelverdienertum beabsichtigt, dann wünsche ich ihr Glück. Die Beiträge von Frau Männle und Frau Verhülsdonk haben gezeigt: Sie wird sehr viel Glück nötig haben. Denn das, was Sie betrieben haben, ist Beihilfe, um Frauen aus dem Arbeitsmarkt herauszudrängen.
In einer freien, menschenwürdigen Gesellschaft haben Frauen und Männer das gleiche Recht auf Erwerbsarbeit: zur Sicherung des Lebensunterhalts, zum Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung, zur Teilhabe an den Chancen, die durch gesellschaftliche Arbeit vermittelt werden. Gerade wenn diese Arbeit nicht vorhanden ist und wenn Armut, fehlende soziale Sicherung und fehlende Lebenschancen zur Regel werden, wird besonders deutlich, was Erwerbsarbeit gerade für Frauen bedeutet.
Die SPD-Frauen, die hier im Saal sitzen und heute nachmittag zur Frauenkonferenz des DGB fahren werden, haben heute morgen sehr gut zugehört. Es wird uns ein Vergnügen sein, mit den Kolleginnen des DGB, die Geisteshaltung und die Einschätzung von Frauenarbeit, die wir heute morgen gehört haben, an die Frau zu bringen.
Ich wünsche der Frau Ministerin Süssmuth viel Glück bei ihrer Kampagne gegen Doppelverdiener.
Sie wird nicht erfolgreich sein, wenn der Gesellschaft bei dem Begriff Doppelverdiener die doppelt belastete Frau einfällt, sondern sie wird erst dann erfolgreich sein, wenn der Gesellschaft dabei beispielsweise der Chefarzt, der nebenbei privat liquidiert, beispielsweise der Politiker, der nebenbei aus Beraterverträgen abkassiert, oder beispielsweise
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn. Donnerstag. den 14. November 1985 13001
Peter
der hohe Beamte mit Nebentätigkeiten oder andere doppelt verdienende Männer einfallen.
Ich danke Ihnen.