Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Wagner, Sie haben zu Anfang gesagt, Sie wüßten, was die Frauen wollen. Ich gestehe ganz offen: Ich nehme nicht für mich in Anspruch, hier für alle Frauen reden zu wollen, wie Sie das eben getan haben;
denn Frauen haben ganz unterschiedliche Wünsche. Ich finde es ausgesprochen selbstverständlich, daß sie sich ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten. Das können sie nicht in allen Fällen. Da gibt es eine ganze Menge Hindernisse; da sind wir uns völlig einig. Wir müssen noch viel tun, um die Chancengleichheit und die Wahlfreiheit von Frauen und auch von Männern zu verbessern.
Vieles von dem, was die Opposition heute morgen hier vorgetragen hat, ist weiß Gott nicht neu. Es fügt sich zusammen zu einem Gemälde aus Halbwahrheiten in schwarz.
Ich bin ziemlich sicher, daß dieses Gemälde aus Halbwahrheiten bald nicht mehr zieht; die schwarze Farbe, die hier massiv aufgetragen wurde, kann die hellen Stellen nicht mehr verdecken, selbst wenn Sie dies nicht akzeptieren wollen.
Der Arbeitsmarktbericht der Bundesanstalt für Arbeit weist aus, daß wir im dritten Quartal 1985 einen Beschäftigungsgewinn von etwa 200 000 Beschäftigten gegenüber 1984 hatten und der größte Teil davon auf Frauen entfiel.
Der Vergleich der Beschäftigungszahlen vom Mai 1984 und 1985 weist aus, daß Frauen in 144 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen Beschäftigung gefunden haben.
Das heißt, es haben mehr Frauen Arbeit gefunden.
Kein Mensch steht hier an, zu sagen, daß auch mehr Frauen Arbeit nachsuchen. Nur, Frau Däubler-Gmelin: Es wäre fair und auch der Wahrheit entsprechend gewesen,
wenn Sie diese Zahlen genannt hätten. Ich stehe ja gar nicht an, zu sagen, daß es mehr Frauen gibt, die Arbeit suchen.
Einer der Gründe für einen ganzen Teil von Frauen, die zusätzlich Arbeit nachsuchen, ist sicherlich, daß sie das Geld wirklich brauchen, daß sie darauf angewiesen sind.
Das ist im übrigen einer der Gründe, weshalb wir der Meinung sind, daß auch die Teilzeitbeschäftigung positiv zu werten ist,
denn viele können dadurch die verschiedenen Notwendigkeiten, die sich für sie ergeben, besser miteinander in Einklang bringen.
Die Tatsache, daß sich mehr Frauen melden, hängt aber natürlich auch damit zusammen, daß ganz offensichtlich mehr Frauen wieder eine Chance sehen, einen Arbeitsplatz zu bekommen, d. h. die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz ist bei vielen vorhanden.
Es gibt einen dritten Grund, weshalb sich viele Frauen beim Arbeitsamt zurückmelden. Dieser Grund ist der Wiedereinstieg in das Berufsleben nach den Zeiten der Kindererziehung, der von vielen Frauen gesucht wird.
Auch das ist eine Entwicklung, die wir positiv bewerten. Das ist j a auch der Grund, weshalb wir mit der siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz eine Verbesserung der Leistungen für qualifizierende Maßnahmen herbeiführen wollen, die ganz besonders Frauen zugute kommen wird. Deshalb wollen wir auch mit der siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz Frauen einbeziehen, die bisher keine Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz in Anspruch nehmen konnten. Meine Damen und Herren von der SPD, da kann ich Sie nur bitten
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1985 12993
Frau Dr. Adam-Schwaetzer
zuzustimmen; denn damit täten Sie wirklich etwas für Frauen, d. h. Sie würden nicht nur reden.
Hinsichtlich des Tuns allerdings, finde ich, haben wir alle gemeinsam noch Nachholbedarf.
Wir haben auch in der öffentlichen Diskussion mit Ihnen von der SPD Nachholbedarf, um nämlich ideologische Scheuklappen zu entfernen, was unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse angeht. Ich war ja ganz froh, Frau Däubler-Gmelin, daß Sie die Teilzeitarbeit für Frauen heute morgen nicht mehr rundweg abgelehnt haben, so wie das bis vor kurzem noch der Fall gewesen ist.
Jetzt werden Teilzeitarbeitsplätze als zweitrangig angesehen. Das ist dann die nächste Form der Diffamierung.
Wenn Sie einmal mit vielen Frauen sprechen, die sich ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten wollen, werden Sie feststellen,
daß sie Teilzeitarbeit haben wollen. Das ist der Grund, weshalb wir mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz diese Form der Arbeit zu erleichtern versucht haben. Das ist auch der Grund, weshalb wir Arbeitgeber auffordern, mehr Teilzeitarbeitsplätze anzubieten.
Das ist auch der Grund, weshalb wir in der Zukunft weiter dafür eintreten werden, die Chancengleichheit auch durch das Angebot von mehr Teilzeitarbeit zu verbessern.